Auch, wenn die Frist zur Einlegung der Klage verstrichen ist, gibt es eine Möglichkeit, dennoch eine Entscheidung in der Sache zu erhalten. Dazu ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nötig. Wir erklären, welche Rechtsfolgen daran geknüpft sind und welche Voraussetzungen die Wiedereinsetzung hat.

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In diesem Video erklären wir, den finanzgerichtlichen Instanzenzug.

Inhaltsverzeichnis


1. Relevanz der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Rechtsbehelfe sind grundsätzlich in bestimmten Fristen einzulegen. Jedoch kann es sein, dass es dem Steuerpflichtigen unmöglich war, die Rechtsbehelfsfrist einzuhalten. In diesem Fall kann ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Auch die rechtsmittelführende Behörde kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erheben.

Die Wiedereinsetzung hat zur Folge, dass die nachgeholte Prozesshandlung als fristgerecht bewirkt gilt. Dadurch ist die Bestandskraft oder Rechtskraft rückwirkend beseitigt. Kann die Wiedereinsetzung bei versäumter Klagefrist nicht gewährt werden, so ist die Klage unzulässig.

Geregelt ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in dem § 56 FGO für gesetzliche Fristen nach der FGO. Für die gesetzlichen Fristen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens, einschließlich des Einspruchsverfahrens kommt demgegenüber der § 110 AO in Betracht.

2. Klagefrist

Bei Anfechtungsklagen und Verpflichtungsklagen beträgt die Klagefrist gemäß § 47 Absatz 1 FGO einen Monat. Dabei beginnt sie grundsätzlich mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf. Zur Wahrung dieser Frist muss die Klageschrift bis zum letzten Tag der Frist um 24 Uhr dem zuständigen Finanzamt zugehen. Dabei ist die Klageschrift zugegangen, wenn sie derart in den Machtbereich des Finanzamts gelangt, dass der Amtswalter Kenntnis nehmen kann. Die elektronisch übermittelte Klage ist gemäß § 53a Absatz 5 Satz 1 FGO eingegangen, sobald das Dokument auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Geräts gespeichert ist. Daraufhin ist dem Absender der elektronischen Klage der Eingangszeitpunkt vom Gericht zu bestätigen. 

§ 47 Absatz 2 FGO erleichtert das Verfahren. Demnach ist die Klagefrist auch dann gewahrt, wenn die Klage rechtzeitig bei der Ausgangsbehörde oder Rechtsbehelfsbehörde angebracht wird. Dafür genügt, dass die Klage in einem verschlossenen und postalisch an das Finanzgericht adressierten Briefumschlag in den Briefkasten des Finanzamts eingeworfen oder beim Finanzamt abgegeben wird.

Ist dem angefochtenen Verwaltungsakt oder der angefochtenen Rechtsbehelfsentscheidung keine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, so läuft die Klagefrist gemäß § 55 Absatz 1 FGO nicht.

Keine Fristen gibt es für die Einlegung von Leistungsklagen und Feststellungsklagen. Jedoch ist auch der Einspruch gegen den Steuerbescheid im außergerichtlichen Verfahren innerhalb einer Monatsfrist nach Bekanntgabe des Steuerbescheids einzulegen.

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3. Voraussetzungen für Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

3.1. Gesetzlich versäumte Frist 

Um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren zu können, muss eine gesetzliche Frist versäumt worden sein. Auf diese versäumte Frist ist das Begehren dann auch zu präzisieren.

Fristversäumung setzt voraus, dass die maßgebliche Frist wirksam in Lauf gesetzt wurde und das Fristende überschritten ist, ohne dass die jeweilige Prozesshandlung vorgenommen wurde.

3.2. Ohne Verschulden

Voraussetzung für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist weiterhin, dass der Kläger ohne Verschulden verhindert war, die Klagefrist einzuhalten. Dabei schließt jedes Verschulden und damit auch einfache Fahrlässigkeit die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Kläger muss sich das Verschulden seines Bevollmächtigten gemäß §§ 155 FGO, 85 Absatz 2 ZPO in der Regel zurechnen lassen. Auch die Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten ist ihm daher zuzurechnen. Jedoch sind ihm Verzögerungen der Briefbeförderung durch die Post nicht zuzurechnen.

3.3. Kausalität

Das Hindernis muss für die Fristwahrung ursächlich geworden sein. Entfällt das Fristwahrungshindernis schon vor dem Ablauf der gesetzlichen Frist fehlt es an der Kausalität. Dann kann aber die Kürze der Restfrist als neues Hindernis gelten.

3.3. Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Zudem muss der Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt haben. Die zur Begründung des fehlenden Verschuldens dienenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung kann jedoch auch im weiteren Verfahren erfolgen. Zum Tatsachenvortrag gehört, dass der Antragsteller substantiiert, schlüssig, widerspruchsfrei und im Wesentlichen vollständig vorträgt, was die Fristversäumung erklären und entschuldigen soll. Zum schlüssigen Vortrag derartiger Tatsachen ist das Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, genau zu beschreiben und die Ereignisse, die das Unverschulden begründen sollen, darzulegen.
Der Antrag kann auch gestellt werden, wenn bereits eine Entscheidung, die auf die Säumniswirkung gestützt ist, ergangen ist. Die Wiedereinsetzung kann diese Entscheidung rückwirkend beseitigen. 

Jedoch ist die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag zulässig, wenn die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt wird. Damit ist aber lediglich der Antrag ersetzt. Die Rechtsprechung verlangt daher, dass der Antragsteller die Wiedereinsetzungsgründe auch dann innerhalb der Frist vorträgt und im Verfahren glaubhaft macht. 

Allenfalls im Ausnahmefall, ist die Wiedereinsetzung auch von Amts wegen geboten, wenn nicht anzunehmen ist, dass Wiedereinsetzung ausnahmsweise nicht gewollt ist, und wenn die Umstände des Falls Wiedereinsetzungsgründe vermuten lassen.

Über die Wiedereinsetzung entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. 

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3.4. Frist zur Antragstellung

Darüber hinaus gibt es eine Antragsfrist. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Bei der Versäumung der Frist zur Begründung beträgt die Frist jedoch einen Monat. Dem Zeitpunkt des Wegfalles des Hindernisses steht der Zeitpunkt gleich, ab dem ein fortbestehendes Hindernis nicht mehr unverschuldet ist. Wird die Frist unverschuldet versäumt kann insoweit erneut ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt werden. Der Kern der Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung ist innerhalb der Frist abzugeben. 

Nach Ablauf der Frist werden nur noch solche Ausführungen berücksichtigt, die unklare Angaben erläutern oder unvollständige Angaben ergänzen. Wesentlich neue Gründe werden hingegen nicht berücksichtigt.

Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung unter Beachtung der dafür allgemein vorgesehenen Förmlichkeiten nachzuholen.

3.5. Ausschlussfrist

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann aber nicht gestellt werden, wenn seit dem Fristversäumnis ein Jahr vergangen ist. Diese Frist ist absolut und nicht wiederum von § 56 FGO erfasst. Bei höherer Gewalt gilt die Frist jedoch nicht. Der Begriff „höhere Gewalt“ ist enger als der Begriff ohne Verschulden. Unter höherer Gewalt ist danach ein Ereignis zu verstehen, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte nach den Umständen des gegebenen Falles vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe – also unter Berücksichtigung seiner Lage, Erfahrung und Bildung – zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte.

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4. Beispiele für Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Ein unverschuldetes Hindernis kann Krankheit des Betroffenen oder des Bevollmächtigten sein, wenn sie plötzlich und unvorhersehbar auftritt und so schwerwiegend ist, dass es für diesen unzumutbar ist, die Frist einzuhalten oder rechtzeitig einen Vertreter zu bestellen. 

Die Sorgfaltspflicht des Prozessbevollmächtigen verlangt in Fristsachen zuverlässige Vorkehrungen, um den rechtzeitigen Ausgang fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen. Zu Aufgaben gehört es daher, durch entsprechende Organisation dafür zu sorgen, die Fristen ordnungsgemäß einzutragen und zu beachten. Deswegen stellen Büroversehen in der Regel kein unverschuldetes Hindernis dar.

Wer die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen des Nichteingangs eines angeblich rechtzeitig abgesandten fristgebundenen Schreibens begehrt, muss genau darlegen, welche Person zu welcher Zeit (Tag, Uhrzeit) in welcher Weise (Einwurf in einen bestimmten Briefkasten oder Abgabe bei einer bestimmten Postfiliale) den Brief, in dem sich das fristgebundene Schreiben befunden haben soll, zur Post gegeben hat.


Steuerberater und Rechtsanwälte für Steuerverfahrensrecht

Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die steuerrechtliche Beratung zum Steuerverfahrensrecht spezialisiert. Im Rahmen von Klageverfahren und Einspruchsverfahren schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:

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  2. Richtiges Verhalten bei der Betriebsprüfung
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Einspruch/Klage

  1. Einspruch richtig einlegen
  2. Einspruchsbefugnis bei der einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
  3. Klage vor dem Finanzgericht
  4. Aussetzung des Verfahrens des Verfahrens im Finanzprozess
  5. Revision vor dem Bundesfinanzhof gewinnen
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Ein Steuerbescheid wird regelmäßig vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen. Doch was heißt das eigentlich, worunter unterscheiden sich die beiden Instrumente der Finanzverwaltung und welche Risiken können sich daraus für den Steuerpflichtigen ergeben? All diesen Fragen geht dieser Beitrag nach.

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In diesem Video erklären wir, welche Möglichkeiten die Finanzverwaltung hat, um einen Steuerbescheid nachträglich zu ändern.

Inhaltsverzeichnis


1. Vorbehalt der Nachprüfung erklärt

Die Steuer kann gemäß § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden. Der Vorbehalt der Nachprüfung ist eine Nebenbestimmung zu dem Steuerbescheid als Verwaltungsakt. Sie führt zu einer weitergehenden Korrekturmöglichkeit und damit zu einer Suspendierung der materiellen Bestandskraft. Das Finanzamt braucht den Steuerfall bei der Steuerfestsetzung vorerst nicht abschließend zu prüfen. Somit ermöglicht der Vorbehalt der Nachprüfung bereits, bevor die Sachlage und Rechtslage abschließend geklärt ist, die Steuerfestsetzung. Somit ähnelt die Vorbehaltsfestsetzung einer Steueranmeldung. Der Vorbehalt der Nachprüfung erfasst stets den ganzen Bescheid. 

Ziel des Vorbehalts der Nachprüfung ist es, die Steuerveranlagung im Massensteuerverfahren zu beschleunigen. Dadurch ist es möglich, schneller die Steuer erstmals festzusetzen und dadurch zu bewirken, dass Abschlagszahlungen früher fällig sind. Umgekehrt kommt es aber auch zu schnelleren Erstattungen für den Steuerpflichtigen, woraus sich das Risiko ergibt, dass dieser Rückzahlungen zurückerstatten muss.

2. Vorläufiger Steuerbescheid erklärt

Ein Steuerbescheid kann gemäß § 164 AO auch vorläufig erlassen werden. Die Steuer darf nur vorläufig festgesetzt werden, wenn ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung der Steuer eingetreten sind. Dabei muss die Finanzbehörde aber angemessene Aufklärungsbemühungen angestellt haben, unter denen dennoch Unsicherheiten verbleiben, die zurzeit nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwand beseitigt werden können. Der Erlass eines vorläufigen Steuerbescheids entbindet die Finanzbehörde anders als der Vorbehalt der Nachprüfung daher nicht von ihrer Amtsermittlungspflicht.

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3. Voraussetzungen für den Vorbehalt der Nachprüfung

3.1. Formelle Anforderungen

Der Vorbehalt der Nachprüfung bedarf keiner Begründung. Jedoch muss er für den Steuerpflichtigen aus dem Steuerbescheid klar erkennbar sein.

3.2. Vorbehalt der Nachprüfung: Tatbestandliche Voraussetzungen

Der Steuersachverhalt darf noch nicht abschließend überprüft sein, um die Steuer unter Vorbehalt der Nachprüfung zu setzen. Unzulässig ist es daher, einen eigentlich schon abschließend geprüften Sachverhalt unter Vorbehalt der Nachprüfung zu regeln, um sich den Steuervorfall offen zu halten und leichter korrigieren zu können. Abgeschlossen ist eine Prüfung, wenn kein Prüfungsbedürfnis mehr besteht oder eine so intensive Prüfung stattgefunden hat, dass eine nochmalige Überprüfung unwahrscheinlich erscheint. Prüfung in diesem Sinne kann jede Art von Sachverhaltsermittlung oder rechtlicher Überprüfung umfassen. Eine Außenprüfung ist daher nicht zwingend erforderlich.

In der Verwaltungspraxis wird die Steuer beispielsweise dann unter Vorbehalt festgesetzt, wenn der Steuerpflichtige der regelmäßigen Außenprüfung unterliegt oder wenn beabsichtigt ist, eine Außenprüfung durchzuführen. Abschließend prüft dann der Außenprüfer, so dass Doppelarbeit vermieden wird.

Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt schließlich automatisch mit Ablauf der regulären Festsetzungsfrist des § 169 Absatz 2 Satz 1 AO. 

Auch der geänderte Steuerbescheid kann unter Vorbehalt der Nachprüfung gestellt werden. Allerdings kann der Änderungsbescheid nicht durch erstmaligen Vorbehalt verschärft werden. Jedoch ist der versehentlich unterlassene Vorbehaltsvermerk gemäß § 129 AO korrigierbar.

3.3. Ermessen für den Vorbehalt der Nachprüfung

Solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, kann die Finanzverwaltung die Steuer unter Vorbehalt der Nachprüfung festsetzen. Daher hat die Behörde Ermessen. Tatbestandlich verlangt § 164 AO nicht, dass die Finanzbehörde tatsächlich eine spätere Prüfung durchführt. Ermessensfehlerhaft ist der Vorbehalt der Nachprüfung aber dann, wenn die Amtswalter bei Festsetzung davon ausgeht, später keine endgültige Festsetzung durchzuführen. Erforderlich ist, daher dass sie ernsthaft weitere Prüfungshandlungen erwägt. Mangels Begründungspflicht sind jedoch Ermessensfehler kaum nachweisbar. Ermessensfehlerhaft ist es aber auch, wenn ein punktuell wirkender Vorläufigkeitsvermerk, der aus diesem Grund in die Rechte des Steuerpflichtigen weniger eingreift, gewählt hätte werden müssen.

Erkennt die Finanzbehörde nachträglich, dass sie eine endgültige Prüfung nicht mehr vornehmen wird, so hat sie den Vorbehalt der Nachprüfung aufzuheben. Die Aufhebung steht dann einer endgültigen Festsetzung gleich. 

3.4. Rechtsschutz des Steuerpflichtigen

Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen (§ 164 Absatz 2 Satz 2 AO). Die Finanzbehörde kann jedoch die Entscheidung über den Antrag bis zur abschließenden Prüfung des Falles hinausschieben.

3.5. Vorbehalt der Nachprüfung: Rechtswirkungen

Der unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangene Steuerbescheid hat bereits alle Wirkungen eines endgültig erlassenen Steuerbescheids. Er bildet daher die Grundlage für die Erhebung und Vollstreckung der Steuer. Zudem kann Steuerhinterziehung schon dadurch begangen werden, dass die Steuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nicht voll festgesetzt worden ist. Die Tat ist dann auch schon vollendet und nicht bloß versucht. Jedoch hat der Vorbehaltsvermerk im Gegenstand zur vorläufigen Festsetzung keine Auswirkungen auf den Ablauf der Festsetzungsfrist.

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4. Voraussetzungen für den vorläufigen Steuerbescheid

Anders als der Vorbehalt der Nachprüfung entbindet der Erlass eines vorläufigen Steuerbescheids nicht von der Ermittlungspflicht. Demnach darf der Steuerbescheid nur dann vorläufig erlassen werden, wenn die Voraussetzungen für das Entstehen der Steuer ungewiss sind. Darunter fällt beispielsweise die Ungewissheit über Tatsachen, wie den Wert eines Wirtschaftsguts oder die Einkünfteerzielungsabsicht.

Sind die Besteuerungsgrundlagen jedoch dauerhaft ungewiss, so sind sie zu schätzen oder es greifen die Regelungen der objektiven Beweislast. Demnach trägt das Finanzamt die objektive Beweislast für steuerbegründende und steuererhöhende Tatsachen. Der Steuerpflichtige trägt hingegen die Beweislast für steuerentlastende oder steuermindernde Tatsachen.

Der Vorläufigkeitsvermerk ist eine unselbstständige Nebenbestimmung und daher nicht isoliert anfechtbar. Jedoch kann die Finanzbehörde einen rechtswidrig gewordenen Vorläufigkeitsvermerk unter Beibehaltung des übrigen Bescheidinhalts aufheben. Der Vorläufigkeitsvermerk steht im Ermessen der Finanzbehörde und muss nicht den gesamten Teil des Steuerbescheids erfassen. 


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  1. Steueranmeldung 
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  3. Bedeutung der Compliance für die Betriebsprüfung

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Steuerbescheide und Feststellungsbescheide können, sofern der Bescheid nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Absatz 1 AO) oder vorläufig (§ 165 AO) ergangen ist, nur berichtigt, geändert beziehungsweise aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung einer Berichtigungsnorm oder Änderungsnorm (§§ 129, 172 ff. AO) erfüllt sind. Deswegen kommt der Frage, ob ein endgültig ergangener Steuerbescheid beziehungsweise ein Feststellungsbescheid noch berichtigt oder geändert werden kann eine erhebliche Bedeutung zu. Die Beurteilung ist im größten Maße streitanfällig. Wir erklären daher, unter welchen Voraussetzungen auch bei Vorliegen eines endgültigen Steuerbescheids oder Feststellungsbescheids noch eine nachträgliche Steuerbescheid Änderung zu Lasten, wie aber auch zugunsten des Steuerpflichtigen möglich ist.

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In diesem Video erklären wir, wie Steuerbescheide korrigiert werden können.

Inhaltsverzeichnis


1. Feststellungsbescheid und Steuerbescheid Änderung

1.1. Notwendigkeit der Korrektur von Steuerbescheiden

Steuerverwaltungsakte entfalten mit ihrer Bekanntgabe und Wirksamkeit Selbstbindungswirkung für die erlassende Finanzbehörde. Deswegen kann die Finanzverwaltung zum Schutz des Vertrauens des Inhaltsadressaten die einmal getroffene Entscheidung grundsätzlich nicht mehr ändern. Jedoch garantiert das Steuerverfahren als Massenverfahren keine Rechtsrichtigkeit. Deswegen kann es zu unrichtigen Steuerbescheiden und damit zur Verletzung der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung kommen. Daher besteht Interesse an der Korrektur des Steuerbescheids.

Diese widerstreitenden Interessen bringen die Korrekturnormen der §§ 129, 172 ff. AO in Ausgleich. Demnach können endgültig ergangene Steuerbescheide unter gewissen Voraussetzungen korrigiert werden. Dabei ist der Steuerbescheid endgültig, wenn er nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht oder nicht vorläufig ergangen ist. Daher durchbrechen die Korrekturvorschriften die materielle Bestandskraft.

Die Anfechtung beziehungsweise der Einspruch gegen einen Steuerverwaltungsakt ist demgegenüber von der Korrektur zu unterscheiden. Sie ist nur innerhalb der Rechtsbehelfsfristen möglich. Danach kann der Steuerpflichtige nur noch bei dem Finanzamt beantragen, den Steuerbescheid zu korrigieren.

1.2. Allgemeine Korrektureinschränkungen

Für alle Steuerverwaltungsakte gelten bestimmte Korrektureinschränkungen. Verfahrensfehler und Formfehler können nicht korrigiert werden, wenn keine andere Entscheidung in der Sache getroffen werden konnte. Keine Korrektur erfolgt zudem, wenn ein rechtswidriger in einen rechtmäßigen Verwaltungsakt umgedeutet werden kann. Die Korrektur ist auch während des außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens zulässig, jedoch bei Steuerbescheiden und diesen gleichgestellten Bescheiden nur bis zum Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist.

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2. Steuerbescheid Änderung: Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten (§ 129 AO)

2.1. Bloße Berichtigung möglich

Von den Begriffen „Aufhebung“, „Rücknahme“, „Wiederruf“ und „Änderung“ unterscheidet sich der Begriff „Berichtigung“. Die Berichtigung betrifft nur das äußere Erscheinungsbild des Verwaltungsakts. Alle Begriffe werden jedoch unter „Korrektur“ zusammengefasst.

2.2. Mechanischer Fehler erforderlich

Steuerbescheide und Feststellungsbescheide können nach § 129 AO berichtigt werden, sofern ein Schreibfehler, Rechenfehler oder eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit vorliegt. Offenbare Unrichtigkeiten im Sinne von § 129 AO sind mechanische Versehen, wie beispielsweise Eingabefehler oder Übertragungsfehler. Der Bundesfinanzhof wendet § 129 AO auch auf Fehler an, bei denen die Unrichtigkeit des Verwaltungsakts dem Steuerpflichtigen unerkennbar ist.

Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung, Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts eine offenbare Unrichtigkeit aus. Daher können Tatsachenirrtümer und Rechtsirrtümer nicht zu einer Berichtigung nach § 129 AO führen. Eine Berichtigung ist auch ausgeschlossen, wenn das Finanzamt feststehenden Akteninhalt bewusst nicht zur Kenntnis nimmt. Dies gilt auch, wenn sicher anzunehmen ist, dass bei gebotener Kenntnisnahme ein mechanischer Übertragungsfehler bemerkt oder vermieden worden wäre. Dann ist nicht allein der mechanische Übertragungsfehler für die Unrichtigkeit des Bescheids ursprünglich geworden, sondern zugleich ein Fehler bei der Willensbildung.

Ob ein mechanisches Versehen oder ein Tatsachenirrtum beziehungsweise ein Rechtsirrtum vorliegt, ist nach den Verhältnissen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Aktenlage zu ermitteln. Lässt sich dies nicht abschließend klären, trifft das Finanzamt die objektive Feststellungslast, wenn es sich auf die Berichtigungsvorschrift beruft. Deuten die Gesamtumstände auf ein mechanisches Versehen hin und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fehler auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen zurückzuführen ist, so kann das Finanzamt berichtigen.

Ein Körperschaftsteuerbescheid ist beispielsweise offenbar unrichtig, wenn der Steuerpflichtige Zeile 44a der Körperschaftsteuererklärung nicht ausgefüllt hat, obwohl sich aus den, dem Finanzamt vorliegenden Steuerbescheinigungen und der Anlage WA zur Körperschaftssteuererklärung ergibt, dass der Steuerpflichtige eine Gewinnausschüttung aus einer GmbH erhalten hat.

2.3. Übernahmefehler

§ 129 AO ist auch anwendbar, wenn das Finanzamt einen Fehler übernimmt, der dem Steuerpflichtigen bei der Erfüllung seiner Erklärungspflicht und Mitwirkungspflicht unterlaufen ist, und sich so zu eigen macht. Beruht die fehlerhafte Eintragung in der Steuererklärung jedoch auf einem Tatsachenirrtum oder Rechtsirrtum des Steuerpflichtigen, so liegt kein mechanischer Fehler vor. Ein solcher eröffnet daher die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO nicht.

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3. Steuerbescheid Änderung: Grundnorm des § 172 AO

§ 172 AO ist die Grundnorm über die Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden und diesen gleichgestellten Bescheiden. Dabei wird als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal vorausgesetzt, dass der Bescheid rechtswidrig ist. Nach § 172 Absatz 1 Satz 2 AO gilt die Korrekturmöglichkeit auch für die Einspruchsentscheidung, die den Steuerbescheid bestätigt oder ändert.

3.1. Antrag auf schlichte Änderung

In § 172 AO sind in den Nummern einige Fälle aufgezählt, in denen der Steuerbescheid korrigiert werden kann. Die wichtigsten sind dabei wohl die Fälle der Nummer 2. Der Bescheid kann gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a) AO aufgrund eines Änderungsantrags zugunsten des Steuerpflichtigen geändert werden. Der Antrag muss auf eine bestimmte Änderung gerichtet sein.

Das Ermessen der Finanzbehörde für eine Änderung der Steuerfestsetzung gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a) AO ist auf null reduziert, wenn die Voraussetzungen der Korrekturnorm vorliegen. Dazu muss die Steuerfestsetzung rechtswidrig sein. Die Ablehnung einer erneuten Sachprüfung und Rechtsprüfung nach Erlass der Einspruchsentscheidung ist jedenfalls dann ermessensfehlerhaft, wenn der Steuerpflichtige seinen Änderungsantrag innerhalb der Klagefrist zumindest auch auf Tatsachen oder rechtliche Erwägungen stützt, über die die Behörde im Einspruchsverfahren noch nicht entschieden hat.

Die nur punktuell wirkende schlichte Änderung hat als Alternative zum Einspruch wegen beachtlicher Nachteile nur geringe praktische Bedeutung. Im Einzelfall kann der schlichte Änderungsantrag aber vorteilhaft sein, weil er formlos zulässig ist und die Bestandskraft des Ausgangsbescheids nur eingeschränkt durchbricht.

3.2. Steuerbescheid Änderung möglich in den gesetzlich geregelten Fällen

Wohl wichtigste Korrekturnorm ist der § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe d) AO. Demnach ist die Korrektur möglich, soweit dies gesetzlich zugelassen ist. Die gesetzlich zugelassenen Fälle sind überwiegend in den § 173 – § 175b AO geregelt. Es finden sich aber auch außerhalb der AO Korrekturvorschriften.

4. Steuerbescheid Änderung wegen neuer Tatsachen § 173 AO

Bei der Änderungsvorschrift wegen neuer Tatsachen ist in erster Linie streitig, ob es sich tatsächlich um eine Tatsache handelt, die nachträglich bekannt geworden ist und deshalb die Durchbrechung der Bestandskraft rechtfertigt. Doch auch, wenn neue Tatsachen vorliegen, kann das Finanzamt an einer Bescheidänderung zu Lasten des Steuerpflichtigen nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert sein. Eine Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur möglich, wenn der Steuerpflichtige die nachträgliche Bekanntgabe nicht grob schuldhaft verursacht hat. Nach einer Außenprüfung ist die Bescheidänderung nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

4.1. Tatsache

Es muss dem Finanzamt eine Tatsache nachträglich bekannt geworden sein. Negativ von den Tatsachen abzugrenzen sind bloße Schlussfolgerungen, also insbesondere Schätzungen, Urteile der Logik und juristische Subsumtionen, die die steuerrechtliche Würdigung des Sachverhalts betreffen.

4.2. Nachträgliches Bekanntwerden

Nachträglich bekannt sind Tatsachen oder Beweismittel, wenn sie im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vorhanden, aber noch nicht bekannt waren. Wenn eine Tatsache dem Finanzamt bereits beim Erlass eines vorangegangenen Änderungsbescheids bekannt war, ermöglicht § 173 Absatz 1 Nummer 1 AO keine auf diese Tatsache gestützte weitere Änderung des Bescheids. Der Finanzbehörde gilt nur der Inhalt der Akten als bekannt, die in der zuständigen Dienststelle für den Steuerpflichtigen geführt werden.

Innere Tatsachen, wie die Einkünfteerzielungsabsicht werden nachträglich bekannt, wenn die Finanzbehörde nach Erlass des Steuerbescheides Kenntnis über Hilfstatsachen erhält, die einen sicheren Schluss auf die innere Haupttatsache ermöglichen.

4.3. Rechtserheblichkeit

Zudem muss zu erwarten sein, dass das Finanzamt bei rechtzeitiger Kenntnis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anders entschieden hätte. Daher müssen die Tatsachen rechtserheblich sein. Die Rechtsprechung verneint die Rechtserheblichkeit, wenn das Finanzamt auch bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache oder des Beweismittels mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen anderen Steuerbetrag festgesetzt hätte. Der hypothetische Kausalverlauf bezieht sich auf die konkrete Entscheidungssituation des zuständigen Amtsträgers. Diese ist unter Umständen anhand der zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses veröffentlichten Verwaltungsvorschriften und der in der Verwaltungspraxis für anzuwenden erklärten Rechtsprechung (BStBl. I, II) unter Umständen zu objektivieren.

4.4. Einschränkungen der Korrekturmöglichkeit

4.4.1. Abhängig von Belastung oder Begünstigung des Steuerpflichtigen

Inwieweit die Korrektur des Bescheids eingeschränkt ist, ist davon abhängig, ob der Bescheid zugunsten oder zulasten des Steuerpflichtigen zu korrigieren ist. Das beurteilt sich danach, ob die Steuerlast sich für den Steuerpflichtigen erhöht oder verringert.

Für die Frage, ob eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache zu einer höheren (dann § 173 Absatz 1 Nummer 1 AO) oder niedrigen (dann § 173 Absatz 1 Nummer 2 AO) Steuer führt, kommt es bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen einer Personengesellschaft darauf an, ob und wie sich die Besteuerungsgrundlage für jeden einzelnen Feststellungsbeteiligten erhöhen oder verringern. Die steuerlichen Auswirkungen in den Folgebescheiden sind hingegen für die Änderung nach § 173 Absatz 1 AO nicht maßgeblich.

4.4.2. Steuerbescheid Änderung zulasten des Steuerpflichtigen

Ist der Finanzbehörde die Tatsache wegen Verletzung ihrer Ermittlungspflichten unbekannt geblieben, so darf sie den Bescheid nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen korrigieren. Hat jedoch der Steuerpflichtige seinerseits die ihn treffenden Mitwirkungspflichten verletzt, so gilt die Einschränkung der Steuerbescheid Änderung nicht, wenn zwischen der Ermittlungspflichtverletzung und der Mitwirkungspflichtverletzung ein innerer Zusammenhang besteht. Die Pflichtverstöße kompensieren sich daher nur, wenn sie sich auf dieselbe Tatsache oder auf dasselbe Beweismittel beziehen.

4.4.3. Steuerbescheid Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen

Auch die Änderung eines formell bestandskräftigen Steuerbescheides zugunsten des Steuerpflichtigen kann eingeschränkt sein. Möglich ist dies zum einen, wenn der Steuerpflichtige wegen der Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand erhalten kann. Zum anderen kann der Steuerbescheid zugunsten des Steuerpflichtigen korrigiert werden, wenn ihn an dem verspäteten Bekanntwerden der Tatsachen kein grobes Verschulden trifft.

4.4.4. Steuerbescheid Änderung nach einer Außenprüfung

Aufgrund einer Außenprüfung ergangene Bescheide können gemäß § 173 Absatz 2 AO nur in den Fällen der Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung aufgehoben oder geändert werden. Solche Steuerbescheide genießen höhere Bestandskraft, weil der Sachverhalt im Rahmen der Außenprüfung ausgiebig überprüft werden kann. Die Änderungssperre besteht nur insoweit, als der Bescheid aufgrund einer Außenprüfung ergangen ist. Maßgebend für deren Umfang ist der Inhalt der Prüfungsanordnung.

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5. Steuerbescheid Änderung: Schreibfehler und Rechenfehler

Nach § 173a AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit dem Steuerpflichtigen bei Erstellung seiner Steuererklärung Schreibfehler oder Rechenfehler unterlaufen sind und er deshalb der Finanzbehörde bestimmte, nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheids rechtserhebliche Tatsachen unzutreffend mitgeteilt hat. Die Fehler müssen mithin nicht offenkundig sein.

§ 173a AO betrifft daher vor allem Fälle, in denen der Steuerpflichtige sich in Nebenrechnungen zur elektronischen Steuererklärung, die er dem Finanzamt nicht übersandt hat, verrechnet. Führen bei der Erstellung der Steuererklärung unterlaufene Schreib- oder Rechenfehler dazu, dass der Steuerpflichtige der Finanzbehörde unrichtige rechtserhebliche Tatsachen mitteilt, ist der fehlerhafte Steuerbescheid nach § 173a AO (unabhängig von den Voraussetzungen des § 173 AO) aufzuheben oder zu ändern. 

Fehler oder Unvollständigkeiten im Rahmen der Datenübertragung an das Finanzamt sind hingegen von der Korrekturvorschrift nicht umfasst. Auch das bloße Vergessen eines Übertrags selbst ermittelter Besteuerungsgrundlagen in der Steuererklärung ist kein Schreibfehler oder Rechenfehler im Sinne des § 173a AO. Letzterer Fehler, führt zu einer Korrektur nach § 173 AO.

6. Widerstreitende Steuerfestsetzungen

Nach § 174 Absatz 1 AO kann die Finanzbehörde einen Steuerbescheid zugunsten des Steuerpflichtigen bei Mehrfachberücksichtigung eines Sachverhalts ändern.

Eine klassische Mehrfachberücksichtigung liegt beispielsweise vor, wenn der Sachverhalt bei mehreren sich gegenseitig ausschließenden Steuerarten, Bewertungsarten oder anderen Objekten zugeordnet wird. Beispielsweise kann eine Zuwendung bei demselben Steuerpflichtigen sowohl bei der Einkommensteuer als auch der Erbschaftsteuer unterworfen worden sein. Entsprechendes gilt auch, wenn der Sachverhalt in mehreren Perioden berücksichtigt wurde. Kein Fall des § 174 Absatz 1 AO ist hingegen, die doppelte Erfassung einer Einnahme im Einkommensteuerbescheid.

Daneben kann der Sachverhalt auch bei mehreren Steuerpflichtigen zugeordnet sein, obwohl nur ein Steuerschuldner in Betracht kommt. Denselben Steuerpflichtigen können aber auch mehrere Finanzämter in Anspruch genommen haben.

Die Korrektur zugunsten des Steuerpflichtigen erfolgt auf Antrag. Zulasten des Steuerpflichtigen hingegen ist der Steuerbescheid von Amts wegen zu korrigieren. Jedoch ist dies nur möglich, wenn die fehlerhafte Berücksichtigung des Sachverhalts auf einem Antrag oder einer Erklärung des Steuerpflichtigen beruht.

Zudem kann eine Steuerfestsetzung geändert werden, wenn ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden ist, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen ist und sich diese Annahme als unrichtig herausstellt. Objektiv muss ein Alternativverhältnis zwischen den beiden Steuerbescheiden dagegen nicht vorliegen.

7. Änderung von Folgebescheiden

Nach § 175 Absatz 1 Nummer 1 AO ist ein Steuerbescheid oder Feststellungsbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit die Finanzbehörde einen Grundlagenbescheid, dem Bindungswirkung für diesen Bescheid zukommt, erlässt, aufhebt oder ändert.

8. Steuerbescheid Änderung aufgrund rückwirkender Ereignisse

Nach § 175 Absatz 1 Nummer 2 AO ist ein Steuerbescheid zu korrigieren, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Dabei ist regelmäßig problematisch, was ein rückwirkendes Ereignis darstellt. Der Bescheid war zunächst rechtmäßig, wird aber mit Eintritt der Ereignisses rechtswidrig. Dazu muss eine Tatsache steuerliche Wirkung für die Vergangenheit haben. Fälle sind die der zivilrechtlichen Rückwirkung, sowie der auflösenden Bedingung, aber auch gerichtliche Entscheidungen.


Steuerberater für Unternehmen

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  2. Verjährung von Steueransprüchen
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Unter bestimmten Voraussetzungen, geregelt in der AO, darf das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen schätzen. Dabei hat es allerdings alle geltenden Grundsätze, insbesondere zur Gleichmäßigkeit der Besteuerung, zu beachten. Außerdem sind „Strafschätzungen“ zulasten des Steuerpflichtigen verboten. Wir schauen uns die grundlegenden Voraussetzungen für eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO einmal genauer an!

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In diesem Video thematisieren Christoph Juhn und Daniel Denker den Ablauf einer steuerlichen Außenprüfung.

Inhaltsverzeichnis

1. Allgemeine Verfahrensgrundsätze bei der Schätzung nach § 162 AO

Die Schätzung ist im dritten Abschnitt der Abgabenordnung (AO), der die grundlegenden Festsetzungs- und Feststellungsvorschriften enthält, geregelt. Konkret normiert dabei § 162 AO die Schätzungsbefugnisse der Finanzbehörden, wobei die Norm immer in Verbindung mit den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen zu sehen ist. Das Finanzamt muss also auch bei der Schätzung sicherstellen, dass

Aus Gründen der Gleichbehandlung fordert das Finanzamt den Steuerpflichtigen daher bereits vor der Schätzung und in der Regel mehrfach zur Abgabe der Steuererklärung auf. Denn es wäre nach den Grundsätzen des § 85 AO beispielsweise unzulässig, steuerpflichtige Person „A“ an die Abgabe zu erinnern, bei Person „B“ aber von einer Erinnerung abzusehen, weil bereits mehrfach keine Steuererklärung eingereicht wurde.

Ausnahmen bestehen allerdings für zwingende öffentliche Belange und drohende Fristabläufe, insbesondere mit Blick auf die Festsetzungsfrist. Hier kann das Finanzamt auch unmittelbar eine Schätzung veranlassen, wenn die maßgebende Festsetzungsfrist durch das Abwarten der Antwort des Steuerpflichtigen verstreichen würde (§ 91 Absatz 2 Nummer 2 AO).

2. Zulässigkeit und Umfang der Schätzung im Besteuerungsverfahren

Nach § 162 Absatz 1 AO ist die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zulässig, soweit das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen weder ermitteln noch berechnen kann. Sie ist eine besondere Form der Sachverhaltsaufklärung im Wege der freien Beweiswürdigung und im Wesentlichen basierend auf Erfahrungswerten der Finanzverwaltung. Da einer Schätzung daher mitunter keine tatsächlichen Anhaltspunkte oder gar Beweise zugrunde liegen, bedarf es eines besonderen Schätzungsanlasses.

Werfen wir daher in den nächsten Abschnitten einen etwas genaueren Blick auf die folgenden Aspekte:

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2.1. Anwendungsbereich und Gegenstand des § 162 AO in der Praxis

Der Anwendungsbereich des § 162 AO ist bei sämtlichen „Besteuerungsgrundlagen“ eröffnet. Dies sind alle steuermindernden und steuererhöhenden Tatsachen, die für die schlussendlich festzusetzende Steuer von Bedeutung sind. Von § 162 Absatz 1 Satz 1 AO können daher auch Beteiligungsquoten, anzusetzende Verluste, Steuervergünstigungen und subventionserhebliche Tatsachen respektive das Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen sein.

Unter die Norm fallen alle Steuerarten, auf die die Abgabenordnung Anwendung findet (§ 1 Absatz 1 Nummer 1 AO). Neben „Steuern“ im eigentlichen Sinne sind das insbesondere steuerliche Nebenleistungen, aber auch die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach den §§ 179 und 180 AO. Denn für die gesonderte Feststellung gelten die Vorschriften über das Besteuerungsverfahren, und damit auch § 162 AO, sinngemäß (§ 181 Absatz 1 Satz 1 AO).

Schätzungsverbote ergeben sich allerdings indirekt aus den materiellen Steuergesetzen, die die Verfahrensnormen der AO insoweit verdrängen. Von der Schätzung ausgenommen sind daher insbesondere Besteuerungsgrundlagen, an deren Berücksichtigung der Gesetzgeber zwingende Voraussetzungen stellt (unter anderem BFH vom 12.06.1986, V R 75/78):

Betroffen sind also insbesondere steuerliche Tatsachen, deren Berücksichtigung ihrerseits vom Vorliegen bestimmter Voraussetzungen abhängt.

2.2. Voraussetzungen für die Durchführung einer Schätzung: der Schätzungsanlass

Um überhaupt mit der Schätzung beginnen zu dürfen, benötigt das Finanzamt einen entsprechenden Anlass. Gleichzeitig muss die Einhaltung vorliegender Ermittlungspflichten erfüllt sein, sodass die Erzwingung der Abgabe einer Steuererklärung (notfalls mit Zwangsgeld nach § 328 AO) grundsätzlich Vorrang vor Schätzungsmaßnahmen hat (BFH vom 23.08.1994, VII R 143/92). Hintergrund ist, dass der Gesetzgeber eine zu niedrige Schätzung und damit Bevorteilung des Steuerpflichtigen nach Möglichkeit unterbinden möchte.

Wesentliche Schätzungsanlässe ergeben sich insbesondere aus § 162 Absatz 2 AO:

Erfolgt die Schätzung aufgrund vorhandener und bereits festgestellter Mängel, so müssen diese Anlass dazu geben, auch die übrigen Ergebnisse anzuzweifeln (BFH vom 14.12.2011, XI R 5/10).

Mit § 162 Absatz 2 Satz 3 AO enthält die Norm außerdem konkrete Schätzungsbefugnisse des Finanzamtes bei Sachverhalten mit Auslandsbezug. Steuerpflichtige sind nach § 90 Absatz 2 Satz 3 AO dazu verpflichtet,

umfassende Aufzeichnungen zu führen und auf Anforderung vorzulegen. Betroffen sind geschäftliche Beziehungen jeder Art zu ausländischen Kreditinstituten. Die Verpflichtung, erhaltene und steuerpflichtige Einkünfte anzugeben, ergibt sich hingegen bereits aus den Einzelsteuergesetzen; Strafbarkeit besteht insbesondere durch § 370 AO (Steuerhinterziehung). Diesbezügliche Pflichtverstöße ermächtigen die Finanzbehörde, widerlegbar davon auszugehen, dass die Einkünfte nicht oder zu niedrig erklärt wurden.

Mit § 162 Absatz 4 und 4a AO hat das Finanzamt die Möglichkeit, im Rahmen der Schätzung Steuerzuschläge festzusetzen, wenn Mitwirkungspflichten nach § 90 AO verletzt wurden. Der Zuschlag kann bis zu EUR 1.000.000 betragen.

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2.3. Schätzung nach § 162 AO: Welche Methoden nutzt das Finanzamt?

Da auch bei der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen Gleichmäßigkeit und Verhältnismäßigkeitsgrundsätze zu beachten sind, bedienen sich die Finanzbehörden verschiedener Schätzungsmethoden. Sie sind dabei grundsätzlich frei, können also nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, wie sie eine sachgerechte Schätzung sicherstellen. Maßgebend sind im Regelfall die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Sachverhaltes.

Zur Anwendung kommen beispielsweise die folgenden Methoden für die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen:

In der Prüfungspraxis finden viele weitere Schätzungsmethoden, die regelmäßig auf mathematischen Verfahren beruhen, Anwendung. Mit dem Chi-Quadrat-Test kann der Betriebsprüfer beispielsweise feststellen, ob der Steuerpflichtige bestimmte „Lieblingszahlen“ – die entsprechend überproportional häufig auftauchen – hat. Ein positives Ergebnis des Tests kann dann Anlass für eine manipulierte Buchführung sein (FG Münster, 14.08.2003, 8 V 2651/03 E).

2.4. Erlass und Begründung des Schätzungsbescheides

Die Schätzung ist Teil des Festsetzungsverfahrens, sodass der schlussendliche Steuerbescheid einen regulärer Steuerverwaltungsakt darstellt. Für das Finanzamt gilt allerdings eine besondere Begründungsflicht nach § 121 Absatz 1 AO, weil der Steuerpflichtige ohne Erläuterung nur eingeschränkt in der Lage wäre, die angesetzten Werte nachzuvollziehen. Bei unterbliebener Abgabe der Steuererklärung reicht es allerdings aus, lediglich auf diesen Schätzungsgrund zu verweisen (BFH vom 11.02.1999, V R 40/98).

Hat das Finanzamt allerdings intensive Ermittlungen vorgenommen, etwa durch die Anwendung von Schätzungsmethoden, muss der Bescheid eine ausführlichere Begründung enthalten. Notwendig sind insbesondere Erläuterungen zur Vorgehensweise und genutzten Ermittlungsansätzen. Im Ergebnis muss der Steuerpflichtige die Möglichkeit haben, den Ermittlungsweg des Finanzamtes nachzuvollziehen (BFH vom 14.12.2011, XI R 5/10).

3. Schätzung der Besteuerungsgrundlagen bei fehlendem Grundlagenbescheid

Grundlagenbescheide sind für den Folgebescheid bindend (§ 182 Absatz 1 Satz 1 AO). Das Finanzamt könnte – ohne Befugnis zur Schätzung – daher keinen Folgebescheid erlassen, wenn und solange der Grundlagenbescheid fehlt. Steuerpflichtige hätten die Möglichkeit, den Erlass des Folgebescheides „ewig“ hinauszuzögern, indem sie die Erstellung eines Grundlagenbescheides – etwa durch Nichtabgabe der Feststellungserklärung – verhindern.

Nach § 162 Absatz 1 AO besteht daher

Geht der Feststellungsbescheid später beim Finanzamt ein, werden die geschätzten durch die tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen ersetzt. Die entsprechende Änderungsmöglichkeit besteht regelmäßig nach § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 AO.

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4. Abgabe der Steuererklärung nach Erlass des Schätzungsbescheides

Grundsätzlich haben die tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen Vorrang vor den durch das Finanzamt geschätzten Werten. Gibt der Steuerpflichtige seine Steuererklärung daher erst ab, nachdem die Schätzung durchgeführt wurde, liegt regelmäßig eine „neue Tatsache“ im Sinne des § 173 AO vor. Der Bescheid ist entsprechend zu ändern. Geht die Steuererklärung innerhalb der Einspruchsfrist (§ 355 AO) ein, erfolgt die Änderung regelmäßig nach § 172 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a AO.

Allerdings liegt bei der Schätzung in aller Regel ein „nicht abschließend geprüfter Steuerfall“ vor. Das Finanzamt wird den Bescheid daher nach § 164 Absatz 1 AO unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassen. Änderungen, die sich durch die Abgabe der Steuererklärung ergeben, erfolgen dann nach dieser Norm; die Erklärung gilt als Antrag (§ 164 Absatz 2 Satz 1 und 2 AO).

Die Nichtabgabe einer Steuererklärung kann eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung (§§ 370 und 378 AO) darstellen. Ein entsprechender Fall ist gegeben, wenn die Steuer durch Schätzungsbescheid niedriger als tatsächlich und objektiv anfallend festgesetzt wurde (§ 370 Absatz 4 Satz 1 AO). Ergeht der Schätzungsbescheid unter Vorbehalt der Nachprüfung, gilt die Festsetzung für die Anwendung der Strafnormen als endgültig.

Bei „geschätzten“ Steuerpflichtige, bei denen die Steuer in erheblichem Maße zu niedrig festgesetzt wurde, kommt daher die Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO in Frage. Dies ist allerdings nur möglich, solange das Finanzamt noch keine Kenntnis von der Steuerhinterziehung erlangt hat. Steuerpflichtige haben aber die Möglichkeit, die Selbstanzeige mit der Abgabe der Steuererklärung einzureichen (Klein/Jäger, 16. Auflage 2022, AO § 371, Randziffer 52).   

Steuerberater für Unternehmensteuerrecht

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  2. Ausarbeitung von Vermeidungsstrategien für den Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO
  3. Einreichung einer strafbefreienden Selbstanzeige beim Finanzamt
  4. Begleitung des gerichtlichen Strafverfahrens im Steuerrecht
  5. Abgrenzung zwischen Steuerstraftat und Steuerordnungswidrigkeit

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Im siebenten Teil der Abgabenordnung (AO) regelt der Gesetzgeber das außergerichtliche Rechtsbehelfs- oder auch Einspruchsverfahren. Der Einspruch ist dabei gegen Steuerbescheide und andere Verwaltungsakte möglich, sofern und soweit die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei muss der Einspruch mindestens statthaft sein sowie form- und fristgerecht beim Finanzamt eingehen. Wir geben einen ersten Überblick!

Unser Video:
Einspruch gegen Steuerbescheide

In diesem Video erklären wir, wer unter welchen Voraussetzungen Einspruch gegen den Steuerbescheid erheben kann.

Inhaltsverzeichnis

1. Grundsatz: Wann kommt ein Einspruch gegen den Steuerbescheid infrage?

Die AO kennt verschiedene Voraussetzungen, die für einen Einspruch gegen den Steuerbescheid gemeinsam erfüllt sein müssen. Konkret gilt dabei, dass

Zusätzliche Besonderheiten gelten mit Blick auf die Einspruchsbefugnis bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung. Darüber hinaus kommen auch im Einspruchsverfahren die Änderungsnormen der §§ 129, 164, 164, 172 bis 177 AO zur Anwendung. Dies gilt allerdings nur, wenn mit dem Einspruch ein Steuerbescheid, der bereits geändert wurde, erneut geändert werden soll (§ 351 Absatz 1 AO).

Das Finanzamt hat eingehende Schreiben, die auf eine Änderung oder Aufhebung des jeweiligen Bescheides abzielen, im Wege der Auslegung zu deuten (§ 133 BGB). Dies gilt einmal mehr, wenn der Steuerpflichtige sein Anliegen nur schwammig oder unverständlich vorbringt. Im Zweifel ist dabei stets von einem Einspruch auszugehen, da dieser die Rechte des Steuerpflichtigen am umfassendsten wahrt (AEAO vor § 347, Randziffer 1).

1.1. Statthaftigkeit des Einspruchs

Der Einspruch gegen Steuerbescheide ist regelmäßig der statthafte Rechtsbehelf. Dabei regelt § 347 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 AO, unter welchen Tatbestandsvoraussetzungen diese Statthaftigkeit gegeben ist:

Der Einspruch ist dabei auch dann statthaft, wenn er sich gegen einen nichtigen Bescheid, einen Scheinverwaltungsakt oder den Nichterlass eines Bescheides richtet. Hat das Finanzamt mehrere Verwaltungsakte auf einem Bescheid verbunden, wird der Einspruch regelmäßig gegen alle eingelegt (AEAO zu § 347, Randziffer 1).

Beispiel: Ein Steuerbescheid richtet sich an zusammenveranlagte Ehegatten, wobei die Vorauszahlungen der Ehefrau auf die Gesamtsteuerschuld angerechnet wurden. Festsetzung für Ehemann, Ehefrau und Anrechnungsverfügung sind jeweils eigene Verwaltungsakte.

1.2. Beschwer beim Einspruch gegen den Steuerbescheid

Aus der Beschwer des § 350 AO folgt das sogenannte Rechtsschutzbedürfnis des Steuerpflichtigen. Demnach ist zur Einlegung des Einspruchs gegen einen Steuerbescheid nur befugt, wer durch den Verwaltungsakt selbst beschwert ist. Grundsätzlich begründet jeder Steuerbescheid, der einen Steueranspruch des Fiskus ausweist, auch eine Beschwer – schließlich könnte die Steuer infolge des Einspruchs herabgesetzt werden.

Auch Verlustfeststellungen und Nullfestsetzungen führen zu einer Beschwer, wenn der Steuerpflichtige mit dem Einspruch die Feststellung eines höheren Verlustes oder einer Steuererstattung/Steuervergütung begehrt (AEAO zu § 350, Randziffern 1 und 3).

1.3. Frist und Form bei der Einlegung des Einspruchs

Die Frist, innerhalb derer der Einspruch gegen einen Steuerbescheid einzulegen ist, dauert einen Monat (§ 355 Absatz 1 Satz 1 AO). Sie beginnt bei sämtlichen Verwaltungsakten mit der Bekanntgabe im Sinne des § 122 AO. Für die Fristberechnung gelten die allgemeinen Grundsätze des BGB (§ 108 Absatz 1 AO), was insbesondere bedeutet, dass die Frist erst am nächsten Werktag endet, wenn ihr Ende sonst auf einen Feiertag, Samstag oder Sonntag fiele (§ 108 Absatz 3 AO).

Maßgeblich ist der Eingang beim Finanzamt; wann der Steuerpflichtige den Einspruch absendet, ist unerheblich. Allerdings ist unter Umständen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 110 Absatz 1 Satz 1 AO), wenn die Einspruchsfrist ohne Verschulden nicht eingehalten werden konnte. Dies ist etwa

einschlägig.

Nach § 357 Absatz 1 Satz 1 AO ist der Einspruch dabei schriftlich oder elektronisch einzulegen. Er ist immer an das Finanzamt zu richten, das den angefochtenen Bescheid erlassen hat. Wie der Einspruch bezeichnet wird (zum Beispiel als „Widerspruch“), ist unerheblich (Satz 2). Geht der Einspruch gegen den Steuerbescheid bei einer anderen als der Ausgangsbehörde ein, leitet sie ihn weiter (§ 357 Absatz 2 Satz 4 AO). Allerdings trägt der Steuerpflichtige die Verantwortung für den fristgerechten Zugang beim zuständigen („richtigen“) Finanzamt.

Richtet sich ein Einspruch gegen die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (zum Beispiel bei der Gewerbesteuer), kann er auch bei der Behörde eingereicht werden, die den Folgebescheid erlässt (§ 357 Absatz 2 Satz 2 AO).

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2. Bindungswirkung nach § 351 AO beim Einspruch gegen Steuerbescheide

In der Praxis kommt es des Öfteren vor, dass das Finanzamt einen einmal erlassenen Bescheid mehrfach ändert. Dies geschieht beispielsweise, weil sich durch eine Außenprüfung neue Tatsachen ergeben (§ 173 AO) oder weil ein Grundlagenbescheid erlassen wird (§ 175 AO). Da auch der geänderte Bescheid wieder einen Verwaltungsakt in Abgabenangelegenheiten darstellt, ist gegen ihn der Einspruch statthaft.

Nach § 367 Absatz 2 Satz 1 AO hat das Finanzamt bei jedem Einspruch die Möglichkeit, den gesamten Steuerbescheid zugunsten wie zuungunsten des Steuerpflichtigen zu ändern. Könnte der Steuerpflichtige gegen die Änderungsbescheide nun immer wieder in vollem Umfang Einspruch einlegen, hätte er damit die Möglichkeit, die Einspruchsfrist von einem Monat „ewig“ nach hinten zu verlängern.

Um dies zu unterbinden, gilt mit § 351 Absatz 1 AO die sogenannte Bindungswirkung anderer Verwaltungsakte. In Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger

ist die erneute Änderung des Änderungsbescheids nur in dem Umfang möglich, in dem bereits die ursprüngliche Änderung erfolgte. Etwas anderes gilt nur, soweit sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden eine darüber hinaus gehende Änderungsmöglichkeit ergibt.

Beispiel: Unternehmer U hat am 01.10.2022 seinen Einkommensteuerbescheid erhalten. Die Einspruchsfrist endete am 01.11.2022; hier wurde der Bescheid unanfechtbar. Am 01.03.2023 erlässt das Finanzamt einen nach § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 AO geänderten Bescheid. Die Steuer wurde um EUR 2.500 höher als im Erstbescheid festgesetzt.

Lösung: Der Änderungsbescheid vom 01.03.2023 kann nur bis zur ursprünglich festgesetzten Steuer geändert werden. Maximal möglich ist also eine Steuerfestsetzung, die um EUR 2.500 niedriger liegt.

Ausnahme: Der Steuerpflichtige bringt beispielsweise eine neue Tatsache im Sinne des § 173 AO vor; diese führt zu einer um EUR 5.000 niedrigeren Festsetzung. Eine Änderung ist in vollem Umfang möglich (§ 351 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 AO).

Steuerberater für Abgaben- und Verfahrensrecht

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  1. Entwicklung individueller Gestaltungsmodelle im internationalen Steuerrecht, beim Unternehmenskauf/-verkauf und bei Umstrukturierungen)
  2. Ausarbeitung von Vermeidungsstrategien für den Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO
  3. Beratung bei komplexen Unternehmensstrukturen (Holdinggesellschaften, Organschaften)
  4. Entwicklung von Verteidigungsstrategien gegenüber der Finanzverwaltung bei Einspruchsverfahren, Betriebsprüfungen, FG-Klageverfahren und BFH-Revisionsverfahren

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Die Einkünfte einer Personengesellschaft (GbR, OHG, KG) sind regelmäßig gesondert und einheitlich festzustellen. Da es hierbei – anders als etwa bei einer regulären Veranlagung zur Einkommensteuer – mehrere Beteiligte gibt, stellt sich die Frage, welche Gesellschafterin oder welcher Gesellschafter gegen den Feststellungsbescheid Einspruch einlegen darf. Bringen wir etwas Licht ins Dunkel und schauen uns einmal die Einspruchsbefugnis bei der einheitlichen Feststellung nach § 352 AO an!

Unser Video:
Einspruchsbefugnis in der AO

In diesem Video schauen wir uns die wichtigsten Grundlagen des Einspruchs und seine Rechtswirkungen an!

Inhaltsverzeichnis

1. Rechtsgrundlage: Einspruchsbefugnis nach der Abgabenordnung

Einkünfte, an deren Entstehung mehrere natürliche oder juristische Personen beteiligt sind, werden nach Maßgabe der §§ 179 Absatz 1 und 2 Satz 1 sowie 180 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a AO gesondert und einheitlich festgestellt. Das Finanzamt erlässt über die Einkünfte einer Personengesellschaft einen sogenannten Feststellungsbescheid. In ihm stellt es die Einkünfte der Gesellschaft insgesamt fest, verteilt sie auf die Gesellschafter und versendet Feststellungsmitteilungen (ESt4B) an die jeweiligen Wohnsitzfinanzämter der Gesellschafter.

Welche Einkunftsart dabei nach dem Einkommensteuerrecht gegeben ist, ist unerheblich. Es kommt lediglich auf die Beteiligung mehrerer Personen an einer steuerlichen Einkunftsquelle an.

Der Bescheid über die gesonderte Feststellung ist den Steuerbescheiden gleichgestellt (§ 181 Absatz 1 Satz 1 AO). Gegen ihn ist daher der Einspruch statthafter Rechtsbehelf (§ 347 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 AO). Dem Grunde nach wäre daher jeder Gesellschafter einspruchsbefugt, was aber dazu führen könnte, dass

Mit § 352 AO existiert daher eine Norm, die die Einspruchsbefugnis bei der einheitlichen Feststellung regelt. Sie ist inhaltsgleich zu § 48 FGO, wobei sich diese Vorschrift auf die Klagebefugnis bezieht. Der Finanzgerichtsweg ist dabei insbesondere bei der Anfechtung einer Einspruchsentscheidung gegeben.

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2. Die besondere Einspruchsbefugnis bei der einheitlichen Feststellung

Nach § 352 AO steht nur bestimmten Gesellschaftern eine Einspruchsbefugnis bei der einheitlichen Feststellung zu. Dabei ist zwischen einer allgemeinen und der partiellen Befugnis, Rechtsmittel einzulegen, zu unterscheiden:

2.1. Die allgemeine Einspruchsbefugnis

Grundsätzlich sind ausschließlich die zur Vertretung der Gesellschaft berufenen Geschäftsführer einspruchsbefugt (§ 352 Absatz 1 Nummer 1 Alternative 1 AO). Dies sind beispielsweise

Existieren keine zur Vertretung berufenen Geschäftsführer (zum Beispiel bei Erbengemeinschaften), findet § 352 Absatz 2 AO Anwendung (§ 352 Absatz 1 Nummer 1 Alternative 2 AO). Demnach darf der von den Gesellschaftern gemeinsam bestimmte Empfangsbevollmächtigte im Sinne des § 183 Absatz 1 Satz 1 AO Einspruch einlegen. Fehlt es an einer solchen Bestimmung, ist der fingierte oder vom Finanzamt bestimmte Gesellschafter einspruchsbefugt (§ 352 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit § 182 Absatz 1 Satz 2 bis 5 AO).

§ 352 Absatz 2 Satz 1 und 2 AO sind nur anwendbar, wenn das Finanzamt die Gesellschafter über die Einspruchsbefugnis bei der gesonderten Feststellung belehrt hat. Diese Belehrung erfolgt regelmäßig bereits bei Abgabe der Feststellungserklärung (siehe beispielsweise im amtlichen Vordruck der Erklärung unterhalb der Zeile 20).
Existiert weder ein Geschäftsführer noch ein Empfangsbevollmächtigter, kommt § 352 Absatz 1 Nummer 2 AO zur Anwendung. In diesen Fällen steht die Einspruchsbefugnis allen Gesellschaftern, die vom Feststellungsbescheid betroffen sind, zu.

Ausgeschiedene Gesellschafter erhalten mit § 352 Absatz 1 Nummer 3 AO eine gesonderte, allgemeine Einspruchsbefugnis bei der einheitlichen Feststellung. Diese besteht auch dann, wenn gegen sie ein Feststellungsbescheid zu ergehen hätte, dies aber nicht geschehen ist.

2.2. Partielle Einspruchsbefugnis bei der einheitlichen Feststellung

Ungeachtet der genannten Vorschriften besteht eine partielle Einspruchsbefugnis bei der einheitlichen Feststellung, die jede Gesellschafterin und jeder Gesellschafter nutzen kann. Nach § 352 Absatz 1 Nummer 4 und 5 AO gilt dabei:

Mit § 352 Absatz 1 Nummer 4 und 5 AO stellt der Gesetzgeber sicher, dass – analog zum Einzelunternehmen – individuelle Feststellungen auch jederzeit durch den Betroffenen angreifbar sind. Bei Personengesellschaften sind die Normen regelmäßig mit Blick auf das Sonderbetriebsvermögen und die dazugehörige Gewinnermittlung relevant.

Steuerberater für Personen- und Kapitalgesellschaften

Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die steuerrechtliche Gestaltungsberatung für Personengesellschaften spezialisiert. Auch im Rechtsbehelfsverfahren schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:

Personengesellschaften

  1. Entwicklung von Verteidigungsstrategien gegenüber der Finanzverwaltung bei Einspruchsverfahren, Betriebsprüfungen, FG-Klageverfahren und BFH-Revisionsverfahren
  2. Ausarbeitung von Vermeidungsstrategien für den Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO
  3. Entwicklung von Maßnahmen zur Reduktion der Steuerlast (zum Beispiel RechtsformwahlSitzverlegung)

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Die unternehmerischen Erfolge werden nur durch eine effektive Compliance gesichert. Neben der Risikovermeidung geht es vor allem darum, das Vertrauen von Aktionären, Kunden und Geschäftspartnern zu gewinnen und zu erhalten. Daher ist es Ziel, durch Compliance Management Systeme, die auch den Bereich der Tax Compliance umfassen, Risiken wirksam zu verringern. Wir erklären, welche Standards für die Ausgestaltung von zukunftssicheren Compliance Management Systemen herangezogen werden können.

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Wirtschaftsprüfung: Prüfungspflicht erkennen & vermeiden

Wir erklären, wie Sie die Wirtschaftsprüfungsplicht erkennen und vermeiden können.

Inhaltsverzeichnis

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1. Grundlagen zur Compliance

1.1. Keine gesetzliche Grundlage zur Compliance

Der Gesetzgeber hat den Unternehmen, abgesehen von der Finanzdienstleistungsbranche, keine konkreten Vorgaben für die Ausgestaltung der Compliance gemacht. § 91 Absatz 3 AktG verpflichtet lediglich den Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft, ein dem Umfang der Geschäftstätigkeit und Risikolage des Unternehmens angemessenes und wirksames internes Kontroll- und Risikomanagement-System einzurichten. Dazu gehört auch die Compliance. Ebenfalls ist ein Compliance Management System (CMS) Bestandteil der Corporate Governance des Unternehmens.

Die Ausgestaltung der Compliance liegt ansonsten jedoch in der Eigenverantwortung der Unternehmensleitungen. Werden dabei Maßstäbe für die Erfüllung von Sorgfaltspflichten und Organisationspflichten gesucht, bietet es sich an, auf übertragbare Strukturen aus anderen, bereits gesetzlich stärker regulierten Bereichen zurückzugreifen. Hilfreich ist daher ein Blick auf die Finanzdienstleistungsindustrie.

1.2. Vorteile effektiver Compliance

1.2.1. Steuerstrafrechtliche Vorteile

Im Hinblick auf Tax Compliance hat die Finanzverwaltung einem internen Kontrollsystem eine Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten verhindernde Wirkung zuerkannt. Denn ein internes Kontrollsystem kann nach den Regelungen im Anwendungserlass zu § 153 AO zumindest ein Indiz darstellen, das gegen das Vorliegen von Vorsatz oder Leichtfertigkeit spricht.

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1.2.2. Ordnungsrechtliche Vorteile

Die Unternehmensleitung kann sich zudem durch ein funktionierendes Compliance Management System von dem  Vorwurf des Organisationsverschuldens und damit einer Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 130 OWiG exkulpieren. Eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 130 Absatz 1 Satz 1 OWiG begeht, wer als Inhaber eines Unternehmens oder Betriebs vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um Pflichtverletzungen seiner Mitarbeiter zu vermeiden. Die Aufsichtspflicht kann zwar auf einen Compliance Officer übertragen werden. Allerdings verbleibt auch hier, wie es sich aus § 130 Absatz 1 Satz 2 OWiG ergibt, stets eine Überwachungspflicht bei der Unternehmensleitung.

2. Compliance: Modell der drei Verteidigungslinien

2.1. Ausgestaltung des Modells

Ein Modell zur Regelung der Compliance ist das sogenannte Modell der drei Verteidigungslinien (Three Lines of Defense). Dies nimmt zur Grundlage, dass prozessuales Denken und Vorgehen zur Vermeidung von Haftungsrisiken eines Unternehmens mit hohem Reifegrad dient und gerade nicht das punktuelle Lösen rechtlicher Sachverhalte. Hierzu bilden die ersten beiden Verteidigungslinien das so genannte interne Kontrollsystem (IKS). Dieses wird prozessneutral auf der dritten Stufe durch die jeweilige interne Revision geprüft.

2.2. Erste Verteidigungslinie

Auf der ersten Verteidigungslinie sind alle Organisationseinheiten eines Unternehmens, die die Verantwortung für die im Unternehmen ablaufenden Prozesse haben, aufzufinden. Sie sind somit für die Überwachung und Reduktion dieser Risiken primär als erste Verteidigungslinie verantwortlich. Sie tragen daher auch die Risiken, die aus diesen Prozessen resultieren können.

Die jeweiligen Verantwortlichkeiten der Verteidigungslinien sind ebenfalls detailliert zu beschreiben und aufeinander abzustimmen. Dann lassen sich Doppelungen in den Aufgabenstellungen und das Entstehen risikorelevanter Lücken vermeiden. Risiko relevante Schulungen und spezifische Trainings sind dabei eine wesentliche Grundlage.

2.3. Regelmäßige Fehler

In der Praxis ist oft erkennbar, dass die Organisationseinheiten der ersten Verteidigungslinie gerade steuerrechtliche Risiken nicht kennen. Deswegen vernachlässigen sie auch die Reduktion dieser Risiken und lassen damit unternehmensbezogenes Organisationsverschulden erkennen. Fehleranfällig sind dabei in der Regel die Schnittstellen, die der Buchführung vorgelagert sind, wie Kassen, Enterprise-Resource-Planning-Systeme oder digitale Umsatzsteuertools.

Bei den inzwischen weitgehend digitalisierten Unternehmensabläufen löst dann ein Geschäftsbereich einen Umsatz aus, der automatisch mittels Steuerkennzeichen in das ERP-System gebucht wird. Die automatisiert erstellte Kundenrechnung wird anschließend in das Buchführungssystem transferiert.

Gleiches gilt für Eingangsumsätze, bei welchen es dem Besteller obliegt, die umsatzsteuerlich relevanten Daten zu bearbeiten, die für einen Vorsteuerabzug maßgeblich sind. Problematisch sind dabei unter anderem Fälle, in denen von der Betriebsprüfung aufgedeckte Fehler in der steuerlichen Behandlung wiederkehrender Sachverhalte nicht zu einer Änderung der fehlerhaften Praxis führen, sondern in einer Anschlussbetriebsprüfung erneut als Fehler entdeckt werden. Da die fehlerhafte Behandlung des Sachverhalts aus der Vergangenheit bekannt ist, wird sich hier der Vorwurf des vorsätzlichen Handelns oder Unterlassens nur schwer ausräumen lassen.

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In diesem Video erklären wir, wie eine Betriebsprüfung abläuft und wie sie Fehler vermeiden.

2.4. Zweite Verteidigungslinie

Die zweite Verteidigungslinie wird von Aufgaben des Risikomanagements und der Compliance eingenommen. Dabei unterscheiden sich Risikomanagement und Compliance nach den Risiken. Denn die Organisationseinheit des Risikomanagements ist auf das Management finanzieller Risiken gerichtet. Hingegen betrifft die Organisationseinheit Compliance nicht-finanzielle Risiken. Diese beiden Funktionen beraten und überwachen risikobasiert die in der ersten Verteidigungslinie befindlichen Organisationseinheiten im Hinblick auf die Reduktion von geschäftsmodellbezogenen potenziellen Risiken. Daher hat insbesondere die Compliance Funktion sogenannte Second Level Kontrollen auf die existierenden Kontrollen der ersten Verteidigungslinie vorzunehmen. Sie prüfen daher die Existenz, Angemessenheit und Wirksamkeit der relevanten Kontrollen.

3. Compliance in der Finanzdienstleistungsindustrie

In der Finanzdienstleistungsindustrie haben sich einige Anforderungen an das Compliance System entwickelt. Diese für die Finanzdienstleistungsindustrie bestehenden Grundsätze wurden in den letzten Jahren immer mehr als allgemeingültige Grundsätze entwickelt. Dabei sind Compliance Funktionen unabhängig, dauerhaft und wirksam einzurichten.

3.1. Unabhängige Compliance Funktion

Die Compliance-Funktion muss ihre Aufgaben unabhängig von den anderen Geschäftsbereichen und ihre Überwachungsaufgaben unabhängig von der Geschäftsleitung erfüllen. Andere Geschäftsbereiche dürfen daher keine Weisungsrechte gegenüber den Mitarbeitern der Compliance-Funktion besitzen und auf deren Tätigkeit auch sonst keinen Einfluss nehmen können.

Überstimmungen wesentlicher Bewertungen und Empfehlungen des Compliance-Beauftragten sind zu dokumentieren und in den Compliance-Bericht aufzunehmen. Als eine solche wesentliche Empfehlung ist dabei etwa die Empfehlung des Compliance-Beauftragten, ein bestimmtes Produkt nicht zur Aufnahme in den Vertrieb zuzulassen, anzusehen. Diesbezüglich ist ebenfalls ein Eskalationsprozess zur Geschäftsleitung einzurichten.

Zur Wahrung der Unabhängigkeit wird in der Kreditwirtschaft die Ernennung des Compliance-Beauftragten für einen Zeitraum von mindestens 24 Monaten empfohlen. Ein geeignetes Mittel zur Stärkung des Compliance-Beauftragten ist ebenfalls die Vereinbarung einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist seitens des Arbeitgebers. Eine Orientierung der Stellung, Befugnisse und Vergütung des Compliance-Beauftragten an den Leiter der internen Revision, des Risikocontrollings und der Rechtsabteilung des Unternehmens wird in der Kreditwirtschaft ebenfalls empfohlen.

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3.2. Dauerhafte Compliance

Die Compliance-Funktion muss ebenfalls dauerhaft eingerichtet sein. Daher ist auch den Compliance-Beauftragten ein ausreichend qualifizierter Vertreter zuzuordnen.

3.3. Wirksame Compliance

Es sind insbesondere die folgenden Kriterien einzubeziehen: Art und Wechselwirkungen der angebotenen Produkte, Dienstleistungen und sonstigen Geschäftsaktivitäten, deren Spektrum und Volumen im absoluten und relativen Vergleich zu den sonstigen Geschäftsaktivitäten. Ebenfalls ist die Bilanzsumme und die Einkünfte aus Provisionen, Gebühren und anderen Einkommensquellen im Zusammenhang mit dem Angebot von Produkten und Dienstleistungen anzugeben. Weiterhin müssen auch die Art der angebotenen Produkte und Dienstleistungen und angesprochenen Kunden aufgeführt werden.


Steuerberater und Rechtsanwälte für Unternehmen

Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die steuerrechtliche Gestaltungsberatung für Unternehmen spezialisiert. Im Bereich der Tax Compliance schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:

Unternehmensberatung

  1. Finanzierungsberatung bei Start-Up Unternehmen
  2. Veränderung der unternehmerischen Eigenschaften durch Mergers & Acquisitions
  3. Beachtung der geltenden Frauenquoten
  4. Schutz des Vermögens
  5. Gründung eines Unternehmens in den USA
  6. Mitarbeiterbeteiligungen

Laufende Steuerberatung

  1. Grundlagen zur Bilanzierung im Handelsrecht
  2. Langfristige Betreuung unserer Mandanten (FinanzbuchhaltungLohnbuchhaltungJahresabschlüsseSteuererklärungen)
  3. Einrichtung und Betreuung der digitalen Finanzbuchhaltung per DATEV Unternehmen Online
  4. Beratungen zum Country-by-Country Report
  5. Fremdwährungsforderungen und Verbindlichkeiten in der Handelsbilanz korrekt bewerten
  6. Zusammenfassende Meldung richtig abgeben

Hierzu stehen Ihnen unsere Steuerberater und Rechtsanwälte an den Standorten Köln und Bonn gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Zudem beraten wir deutschlandweit per Telefon und Videokonferenz:

Standort Köln

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Telefon: 0221 999 832-10
E-Mail: office@juhn.com
Mo.-Fr.: 8:30 bis 18:00 Uhr

Standort Bonn

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Telefon: 0228 299 748 10
E-Mail: office@juhn.com
Mo.-Fr.: 8:30 bis 18:00 Uhr

Telefon-/ Videokonferenz

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Telefon: 0221 999 832-10
E-Mail: office@juhn.com
Mo.-Fr.: 8:30 bis 20:00 Uhr

Sollte ein Bürger mit seinem/ihrem ausgestellten Steuerbescheid von der zuständigen Finanzbehörde nicht einverstanden sein, steht dem Bürger gemäß Art. 19 Abs. 4 GG der Rechtsweg zu den Gerichten offen.
Bevor die Klage vor dem Finanzgericht eingereicht werden kann, ist zunächst Einspruch gegen den Steuerbescheid bei der Finanzbehörde einzureichen. Im Jahr 2019 sind bei den obersten Finanzbehörden der Länder insgesamt 3.454.532 Einsprüche eingegangen1.

Aufgrund der Praxisrelevanz haben wir zusammen mit der FOM Hochschule nachfolgenden Beitrag angefertigt. Die Ausarbeitung wurde von Katharina Fuck nach wissenschaftlichen Kriterien und unter Betreuung von FOM-Dozent Christoph Juhn LL.M./StB erstellt.

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Unser Video:
Bundesfinanzhof: Ablauf der FG-Klage und der Revision beim BFH

In diesem Video erklären wir, wie man vor den Finanzgerichten klagt.

Inhaltsverzeichnis


1. Einspruch gegen den Steuerbescheid

1.1. Der Steuerbescheid

Der ausgestellte Steuerbescheid ist ein von der Finanzbehörde erlassener Verwaltungsakt gemäß § 35 VwVfG. Ein Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist, § 35 VwVfG.

Da der Steuerbescheid ein Verwaltungsakt ist, muss dieser auch eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten. Nach § 37 Abs. 6 S. 1 VwVfG muss jeder schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt, der der Anfechtung unterliegt, eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und über die einzuhaltende Frist belehrt wird.

1.2. Einspruchsverfahren

Der Empfänger des Steuerbescheides kann gegen diesen bei der zuständigen Behörde Einspruch gemäß § 347 AO einlegen. Befugt Einspruch einzulegen ist nur, wer geltend macht, durch einen Verwaltungsakt oder dessen Unterlassung beschwert zu sein, § 350 AO. Die Beteiligten in einem Einspruchsverfahren sind aus § 359 AO zu entnehmen. Das ist zu einen die Person, die den Einspruch eingelegt hat (Einspruchsführer) und zu anderen wer zum Verfahren hinzugezogen worden ist nach § 360 AO.

1.2.1. Statthaftigkeit des Einspruchs

Der Empfänger des Steuerbescheides kann gegen Verwaltungsakte

mittels Rechtsbehelf Einspruch einlegen. Sollte in einer der o.g. Fälle über einen vom Einspruchsführer gestellten Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes binnen angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist, ist der Einspruch ebenfalls statthaft, § 347 I AO.

Abgabenangelegenheit nach § 347 I Nr. 1 AO sind alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich Abgabenvergütung oder sonst mit der Anwendung der abgaberechtlichen Vorschriftendurch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten einschließlich der Maßnahme der Bundesfinanzbehörden zur Beachtung der Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze, § 347 II 1 AO.
Durch den Einspruch kann die Finanzbehörde den Steuerfall nochmal überprüfen, bevor das Gericht sich mit der Angelegenheit auseinandersetzt. Durch das Einspruchsverfahren erledigen sich die meisten Rechtsstreitigkeiten und entlasten somit die Finanzgerichte 2.

1.2.2. Ausschluss des Einspruchs

Die Statthaftigkeit des Einspruchs liegt nicht vor, wenn

1.2.3. Fristen

Gemäß § 355 I 1 AO ist die Frist zum Einspruch gemäß § 347 I 1 AO ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes einzulegen. Gemäß § 122 II Nr. 1 AO gilt ein über den Postversand zugestellter schriftlicher Verwaltungsakt bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als Bekanntgegeben. Im Steuerrecht findet § 130 BGB analog. Mit Zugang und damit auch Bekanntgabe des Verwaltungsaktes kann gerechnet werden, wenn der Verwaltungsakt in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist und dem Adressaten die Kenntnisnahme unter gewöhnlichen Umständen möglich war. Dabei ist es nicht entscheidend ob der Adressat tatsächlich Kenntnis vom Verwaltungsakt hat. Die Fiktion ist ausreichend3.

Die Frist bemisst sich nach § 108 I AO i.V.m. § 187 I BGB am Tag nach der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes und endet gemäß § 108 I AO i.V.m. § 188 II BGB nach einem Monat mit Ablauf des nächsten Tages nach dem Tag der Bekanntgabe4. Ein Beispiel: ist der Tag der Bekanntgabe der 05.07.2021, endet die Frist am 06.08.2021. Die Frist gilt als gewahrt, wenn der Einspruch bis 24:00 Uhr bei der zuständigen Finanzbehörde eingegangen ist. Dokumentiert wird dies durch den Eingangstempel5.

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Die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen einen schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt beginnt nur, wenn der Beteiligte/die Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, den Sitz der Behörde und die einzuhaltende Frist für den Verwaltungsakt belehrt worden ist (Rechtsbehelfsbelehrung), § 356 I AO.

Ist die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig oder gar nicht erteilt worden, ist die Einlegung des Einspruchs binnen eines Jahres seit der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zulässig. Dies gilt nicht, wenn die Einlegung des Einspruchs vor Ablauf der Jahresfrist durch höhere Gewalt unmöglich war oder der Beteiligte/die Beteiligte schriftlich/elektronisch darüber belehrt wurde, dass ein Einspruch nicht eingelegt werden kann, § 356 II AO.

1.2.4. Form zur Einlegung des Einspruchs

Der Einspruch muss schriftlich oder elektronisch bei der zuständigen Finanzbehörde eingehen oder dort zur Niederschrift erklärt werden. Wenn aus dem Einspruch hervorgeht wer ihn eingelegt hat, ist das ausreichend. Wenn der Einspruchsführer/die Einspruchsführerin den Einspruch unrichtig bezeichnet hat, schadet das nicht der Einlegung des Einspruchs, § 357 I AO. Die Zuständigkeit der Finanzbehörde ergibt sich aus dem angefochtenen Verwaltungsakt, § 357 II 1 AO.

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Inhaltlich muss der Einspruchsführer den angefochtenen Verwaltungsakt genau bezeichnen und wiedergeben welche Regelung/welcher Erlass genau angefochten werden bzw. aufgehoben werden soll. Zur Unterstützung des Einspruchs sollten Beweise zu den Tatsachen, die zur Aufhebung des Verwaltungsaktes führen sollen, mit aufgeführt werden, § 357 III AO.

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2. Finanzrechtsweg

Nach einem erfolglosen Einspruchsverfahren kann der Einspruchsführer Klage vor dem zuständigen Finanzgericht erheben. Der Finanzrechtsweg ist gemäß § 33 FGO eröffnet, wenn es sich um:

Abgabeangelegenheiten sind alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängende Angelegenheiten einschließlich der Maßnahmen der Bundesfinanzbehörden zur Beachtung der Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze. Den Abgabenangelegenheiten stehen die Angelegenheiten der Verwaltung der Finanzmonopole gleich, § 33 II FGO.

In der ersten Instanz entscheidet das Finanzgericht über alle Streitigkeiten, für die der Finanzrechtsweg gegeben ist, § 35 FGO.

Bei Revisionen gegen Urteile des Finanzgerichts und gegen Entscheidungen, die Urteilen des Finanzgerichts gleichstehen entscheidet der Bundesfinanzhof. Das gleiche gilt für Beschwerden gegen andere Entscheidungen des Finanzgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, § 36 Nr. 1 und 2 FGO.

2.1. Örtliche Zuständigkeit des Finanzgerichtes

Die Zuständigkeit des Finanzgerichts ist der Ort, in dem die Behörde, gegen die Klage eingereicht wurde, ihren Sitz hat, § 38 FGO.

Sollte die zuständige Behörde, eine oberste Finanzbehörde sein, ist das Finanzgericht zuständig, in dessen Bezirk der Kläger den Wohnsitz, die Geschäftsleitung oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, § 38 II FGO.

Gemäß § 9 AO ist der gewöhnliche Aufenthalt einer Person dort, wo die Person sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass die Person an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehenden verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des Gesetzes ist stets und von Beginn an einen zeitlich zusammenhängenden Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen. Dabei bleiben kurzfristige Unterbrechungen, wie Weihnachtsurlaub oder Wochenendheimfahr, unberücksichtigt6. Dies gilt nicht, wenn es sich bei dem Aufenthalt um einen ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlich privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert.

Sollte sich der Sitz der Finanzbehörde außerhalb des Bezirks der Person liegen, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Lage des Bezirks.

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3. Klagearten

Durch die Klageerhebung bestimmt der Kläger alleine im finanzgerichtlichen Verfahren, ob, mit welchem Inhalt und in welchem Umfang eine Sache streitig wird und ob und inwieweit es dabei bleibt7. Die Klage wird mit Erhebung rechtsanhängig. Rechtshängigkeit ist die tatsächliche Existent eines Urteilsverfahrens über einen im Prozess entstandenen Anspruch, als Folge der Klageerhebung. Mit Anhängigkeit ist das Schweben jeglichen anderen gerichtlichen Verfahrens gemeint8.

3.1. Anfechtungs- und Verpflichtungsklage

Durch Klage kann die Aufhebung auch die Änderung eines Verwaltungsaktes (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) oder zu einer anderen Leistung begehrt werden, § 40 I FGO. Die Anfechtungsklage ist dann die „richtige“ Klageart, wenn es dem Kläger darum geht, eine bestehende Maßnahme zu korrigieren bzw. aufzuheben oder zu ändern9. Das Gegenteil dazu ist die Verpflichtungsklage. Die Verpflichtungsklage zielt auf den Erlass eines Verwaltungsakts ab, der nicht erteilt wurde. Konkret bedeutet, dass, dass der Erlass eines Verwaltungsakts abgelehnt wurde oder die Finanzbehörde nicht tätig geworden ist und nach dem Einspruchsverfahren eine Untätigkeitsklage erhoben wird10.

Die Klage ist nur zulässig, wenn gesetzlich nichts anderes geregelt ist und der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein, § 40 II FGO. Verwaltet eine Finanzbehörde des Bundes oder eines Landes eine Abgabe ganz oder teilweise für andere Abgabenberechtigte, so können diese in den Fällen Klage erheben, in denen der Bund oder das Land die Abgabe oder einen Teil der Abgabe unmittelbar oder mittelbar schulden würde, § 40 III FGO. Die Anfechtungsklage muss innerhalb eines Monats erhoben werden. Fristbeginn ist mit Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf. Dies gilt für die Fälle in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf nicht gegeben ist, mit der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes, § 47 I 1 FGO. Bei der Verpflichtungsklage gilt dies, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes abgelehnt worden ist, § 47 I 2 FGO. Die Frist gilt als gewahrt, wenn die Klage bei der zuständigen Behörde, also die Behörde die den angefochtenen Verwaltungsakt oder die angefochtene Entscheidung erlassen oder bekannt gegeben hat oder die nachträglich für den Steuerfall zuständig geworden ist, innerhalb der Frist angebracht oder zu Protokoll gegeben wird, § 47 II FGO. Gemäß § 47 II 2 FGO hat die Behörde die Klageschrift unverzüglich dem Gericht zu übermitteln.

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3.2. Feststellungsklage

Die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts kann durch Klage begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage), § 41 I FGO. Wenn der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können, kann die Feststellung nicht begehrt werden. Wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt wird, gilt dies nicht.

3.3. Sprungklage

Eine sogenannte Sprungklage, ist eine Klage die ohne Vorverfahren beim Gericht zulässig ist. Dafür muss die zuständige Behörde, die für das außergerichtliche Vorverfahren zuständig ist, der Klage innerhalb eines Monats nach Zustellung bei Gericht zustimmen, § 45 I FGO. Diese Sprungklage kann von dem Gericht innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Akten der Behörde bei Gericht, spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Klagezustellung, durch Beschluss an die zuständige Behörde zur Durchführung des Vorverfahrens abgeben, um notwendige weiter Sachaufklärung vorzunehmen. Der Beschluss zur Durchführung des Vorverfahrens kann nicht angefochten werden, § 45 II FGO. Wenn die Behörde die Klage ohne Vorverfahren bei Gericht nicht zustimmt oder das Gericht die Klage wieder an die Behörde abgibt, muss die Klage als außergerichtlicher Rechtsbehelf behandelt werden.

3.4. Untätigkeitsklage

Die Klage ist abweichend ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens möglich, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Diese Klage, auch Untätigkeitsklage, kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei dann, dass wegen besonderer Umstände11 eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen. Sollte innerhalb dieser Frist dem außergerichtlichen Rechtsbehelf stattgegeben oder der beantrage Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen sein, ist der Rechtsstreit in der
Hauptsache als erledigt anzusehen, § 46 I FGO.


Steuerberater für Unternehmensteuerrecht

Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die steuerrechtliche Gestaltungsberatung zum Unternehmensteuerrecht spezialisiert, insbesondere auf die Besteuerung von Kapitalgesellschaften. Bei Klageverfahren vor den Finanzgerichten schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:

Handelsrecht

  1. Prüfung der Kaufmannseigenschaft nach dem HGB
  2. Erläuterung der Besonderheiten für Kaufmänner
  3. Einschätzung von Rechtsfolgen bei einer fehlerhaften Gesellschaft
  4. Informationen zum Handelsregister und seine Publizitätswirkungen

Allgemeines

  1. Entwicklung von Maßnahmen zur Reduktion der Steuerlast (zum Beispiel RechtsformwahlSitzverlegung)
  2. Ausarbeitung von Vermeidungsstrategien für den Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO
  3. Entwicklung von Verteidigungsstrategien gegenüber der Finanzverwaltung bei EinspruchsverfahrenBetriebsprüfungenFG-Klageverfahren und BFH-Revisionsverfahren

Hierzu stehen Ihnen unsere Steuerberater und Rechtsanwälte an den Standorten Köln und Bonn gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Zudem beraten wir deutschlandweit per Telefon und Videokonferenz:

Standort Köln

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Telefon: 0221 999 832-10
E-Mail: office@juhn.com
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Telefon-/ Videokonferenz

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Lehrauftrag für Steuerrecht

Unsere besonderen Expertisen für Steuerrecht werden auch durch die FOM Hochschule bestätigt. Steuerberater Christoph Juhn wurde dort zum Lehrbeauftragten für Steuerrecht berufen und lehrt seit dem Wintersemester 2013 die Veranstaltung „Spezialgebiete des Steuerrechts – Steuerstrafrecht/Steuerfahndung“. Das vorlesungsbegleitende Skript stellen wir Ihnen hier gerne vorab als Information zum kostenlosen Download zur Verfügung:


Literaturverzeichnis

Dr. Gersch, Eva-Maria Prof. Dr. Jäger, Markus Rätke, Bernd Dr. Ratschow, Eckart Rüsken, Reinhart Prof. Dr. Werth, Franceska AO Abgabenordnung von Klein, Kommentar, 15. Auflage 2020 (zitiert als Klein/Bearbeiter, § Rn.)
Dr. Gräber, Fritz Dr. Herbert, Ulrich Dr. Levedag, Christian Dr. Ratschow, Eckart Prof. Dr. Stapperfend, Thomas Teller, Michaela FGO Finanzgerichtsordnung mit Nebengesetzen Kommentar von Gräber, 9., neu bearbeitete Auflage 20219 (zitiert als Gräber/Bearbeiter, § Rn.)

Fußnoten

1 Monatsbericht des BMF (bundesfinanzministerium.de), S. 48
2 Monatsbericht des BMF (bundesfinanzministerium.de), S. 47
3 Klein/Ratschow AO § 122 Rn. 10
4 Klein/Rätke AO § 355 Rn. 16
5 Klein/Rätke AO § 355 Rn. 17
6 Klein/Gersch AO § 9 Rn. 4
7 Gräber/Teller FGO § 40 Rn. 7
8 Gräber/Herbert FGO § 66 Rn. 1
9 Gräber/Teller FGO § 40 Rn. 13
10 Gräber/Teller FGO § 40 Rn. 22-24
11 BFH Urt. v. 6.12.1972 – I R 177/72, BeckRS 1972, 22001901

Unternehmer müssen in gewissen Bereichen Steueranmeldungen abgeben. Wir erklären, was eine Steueranmeldung eigentlich ist, ob Sie haften können und worauf Sie besonders achten müssen.

Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die Beratung von Unternehmern spezialisiert. Dabei arbeiten wir für jeden Mandanten individuelle Gestaltungsmodelle zur Reduktion der Steuerlast aus, aber übernehmen auch ihre laufende Steuerberatung und Buchhaltung. Aufgrund der aktuellen Resonanz haben wir mehrere Beiträge zu diesem Thema publiziert:

Datum

Thema
4. Oktober 2021 Fristen für Steuererklärungen: Ist eine Änderung nachträglich möglich?>
11. März 2022 Bilanzberichtigung vs. Bilanzänderung: Steuerbilanz korrigieren
22. März 2022 Steuervorauszahlung im Steuerrecht und in der Praxis
23. Juni 2022 Steueranmeldung erklärt: Rechtsfolgen – Rechtsschutz – Haftung (dieser Beitrag)

Unser Video:
Geschäftsführergehalt

In diesem Video erklären wir, wie hoch Sie das Geschäftsführergehalt optimal ansetzen, um die Steuerbelastung deutlich zu reduzieren.

Inhaltsverzeichnis


1. Steueranmeldung

1.1. Definition der Steueranmeldung

Die Steueranmeldung ist gemäß § 150 Absatz 1 Satz 3 AO eine Steuererklärung, in der der Steuerpflichtige die Steuer selbst errechnet. Sie ist daher ein Instrument der Selbstveranlagung und beinhaltet zwei Teile. Zum einen besteht sie aus der Erklärung der Besteuerungsgrundlagen und zum anderen aus der Berechnung der Steuer. Folglich ist die Steueranmeldung sowohl Steuererklärung als auch Steuerfestsetzung in einem. Die Befugnis zur Steueranmeldung muss gesetzlich vorgeschrieben sein. Die wichtigsten Fälle dabei sind die Umsatzsteuervoranmeldung, die Lohnsteueranmeldung, die Kapitalertragsteueranmeldung und die speziellen Verbrauchsteueranmeldungen.

1.2. Wirkung der Steueranmeldung

Die Steueranmeldung wirkt wie eine Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 168 AO). Das hat zur Folge, dass das Finanzamt die angemeldete Steuer aufheben oder ändern kann. Folge ist auch, dass es wegen des Fehlens einer schriftlichen Verwaltungsakts der Finanzbehörde keiner Rechtsbehelfsbelehrung bedarf. Daher verlängert sich auch die Rechtsbehelfsfrist nicht nach dem § 356 Absatz 2 AO auf ein Jahr. Die Steueranmeldung ist daher Titel für das Erhebungsverfahren und auch für das Vollstreckungsverfahren. Folglich ist ein entsprechendes Leistungsgebot überflüssig, sodass es insbesondere keines erneuten Steuerbescheides bedarf. Die Festsetzung der Steuer ist nur erforderlich, wenn die Festsetzung zu einer, von der Anmeldung abweichenden Steuer führt oder der Steuerschuldner die Steueranmeldung nicht abgibt.

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1.3. Wirkung der Steueranmeldung bei Auseinanderfallen von Steueranmelder und Steuerschuldner

Steueranmeldungspflichtig können daher nicht nur Steuerschuldner sondern auch bloße Steuerentrichtungspflichte sein, also Personen, die eine Steuer für Rechnung eines Dritten, des Steuerschuldners, einzubehalten und abzuführen haben. Dann sind Entrichtungspflichtiger, Haftungsschuldner und Steuerschuldner nicht identisch. Fallen der Steueranmelder und der Steuerschuldner auseinander, so gilt die Wirkung der Steueranmeldung unmittelbar für den Anmelder. Mittelbar ist aber auch der Steuerschuldner betroffen, da dieser den Steuerabzug dulden muss. Daher hat der Steuerschuldner das Recht, die Steueranmeldung anzufechten. Jedoch kommt es nicht zu einer Steuerfestsetzung ihm gegenüber. Die Anmeldungspflichtigen und Abführungspflichten müssen für die Steuerschuld haften.

1.4. Zustimmungserfordernis bei Herabsetzung oder Steuervergütung

Führt die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so gilt die Wirkung eines Steuerbescheides unter Vorbehalt der Nachprüfung nur, wenn die Finanzbehörde zustimmt und dies dem Berechtigten gegenüber bekannt gegeben ist. Zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer kommt es beispielsweise dann, wenn die in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung angemeldete Steuer niedriger ist, als die in den Umsatzsteuer-Voranmeldung entrichtete Steuer.

Ist die Zustimmung nicht erteilt, so wirkt die Steueranmeldung nicht als eine Festsetzung. Bis zur Zustimmung oder abweichenden Steuerfestsetzung besteht daher ein Schwebezustand. In diesem Zeitraum ist die Steueranmeldung als Antrag auf Steuerfestsetzung im Sinne des § 155 Absatz 1 Satz 3, Absatz 5 AO zu qualifizieren. Die Zustimmung des Finanzamts liegt regelmäßig in der Auszahlung der angemeldeten Erstattung oder Vergütung. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige beispielsweise in einer Umsatzsteuer-Voranmeldung eine Vergütung anmeldet, bei der Anmeldung für den folgenden Monat diese Vergütung von der Steuer des Folgemonats absetzt, das Finanzamt darauf aber nicht zu erkennen gibt, dass sie nicht zustimmt.

Eine Frist ist für die Zustimmung nicht vorgesehen. Erteilt die Finanzbehörde die Zustimmung aber nicht innerhalb einer angemessener Frist, so ist der Untätigkeitseinspruch statthaft. Dabei ist zu beachten, dass die Zustimmung lediglich die Wirkung einer Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung auslöst und daher ohne endgültig Schaden für den Fiskus zügig durchgeprüft werden kann.

1.5. Fehlende Steueranmeldung

Wurde die Steueranmeldung nicht korrekt oder gar nicht angemeldet, so soll der eigens zu erlassende Steuerbescheid als Titel gelten. Daher verzichtet das Gesetz zur Vereinfachung des Verfahrens auf den Haftungsbescheid. An Stelle des Haftungsbescheides steht daher der Steuerbescheid. Er gilt auch als Titel gegen den Anmeldungspflichtigen und Entrichtungspflichtigen. Es bleibt aber die Möglichkeit, den Steuerentrichtungspflichtigen per Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Daher gelten sowohl Haftungsbescheid als auch der Steuerbescheid gegen ihn. Dabei muss das Finanzamt auch nicht begründen, warum sie die Inanspruchnahme in einer der Weisen trifft. Dabei gilt es zu beachten, dass der Haftungsbescheid nur nach den strengeren Voraussetzungen des § 130 AO zurückgenommen werden kann, während der Steuerbescheid unter Vorbehalt der Nachprüfung gestellt werden kann.

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2. Berichtigungspflicht

Erkennt ein Steuerpflichtiger nachträglich, aber vor Ablauf der Festsetzungsfrist, dass die abgegebene Steuererklärung unrichtig beziehungsweise unvollständig ist und es deswegen zu einer Verkürzung der Steuern kommen kann, so ist er verpflichtet dies unverzüglich anzuzeigen und seine Erklärung zu korrigieren. Dazu kommen mehrere Möglichkeiten in Betracht:

Der Anmeldende kann die Steueranmeldung berichtigen. Diese berichtigte Steueranmeldung besitzt ebenfalls die Wirkung einer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung geänderten Steuerfestsetzung. Korrigiert der Steuerpflichtige die Steueranmeldung zu seinen Gunsten, so bedarf er der Zustimmung seitens der Finanzverwaltung.

Der Anmeldende und auch der Steuerschuldner können bei dem Finanzamt beantragen, die Steueranmeldung, die als Steuerfestsetzung und Vorbehalt der Nachprüfung gilt, zu ändern oder aufzuheben. Zudem steht ihnen die Möglichkeit zu, die unrichtige Steueranmeldung mit dem Einspruch anzufechten.

3. Sanktionen bei fehlender Steueranmeldung

Der Verspätungszuschlag sanktioniert die verspätete oder unterlassene Steueranmeldung. Dieser ist an die Dauer der Säumnis und die Höhe der festgesetzten Steuer angeknüpft. Die Höhe des Verspätungszuschlages steht im Rahmen von Steueranmeldungen im Ermessen der Behörde. Der absolute Höchstbetrag liegt bei 25.000 Euro. In der Regel wird der Verspätungszuschlag zusammen mit der Steuer festgesetzt. Die Festsetzung ist aber ein eigenständiger Verwaltungsakt.

Der Verspätungszuschlag schließt die Durchsetzung von Zwangsmitteln, die Festsetzung von Säumniszuschlägen und die Verzinsung nicht aus. Grund dafür ist, dass er allein an die verspätete beziehungsweise unterlassene Abgabe einer Steuererklärung anknüpft und sich damit nicht gegen eine verspätete Steuerzahlung richtet und keinen Zinscharakter hat.

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In diesem Video erklären wir den Rechtsweg im Finanzprozess und wie Sie Ihr Recht geltend machen können.

4. Einreichung der Steueranmeldung bei der Finanzkasse

Die Steueranmeldung gilt nach § 167 Absatz 2 AO auch dann als rechtzeitigt abgegeben, wenn sie rechtzeitig bei der zuständigen Finanzkasse eingeht. Daher kann der Steuerpflichtig die Steueranmeldung, ohne Verspätungsfolgen auszulösen, zusammen mit dem Scheck fristgerecht beim Kassenfinanzamt einreichen. Demgegenüber kann er aber den Scheck nicht fristwahrend gemeinsam mit der Steueranmeldung beim Besteuerungsfinanzamt einreichen. Folglich können letzterem Fall Säumniszuschläge entstehen. Die Regelung betrifft die Länder, in denen das Besteuerungsfinanzamt und Kassenfinanzamt aufgrund der Zentralisierung der Finanzkassen auseinanderfallen.

5. Rechtsbehelfe

Der Anmeldende kann die unrichtige Steueranmeldung oder die davon abweichende Steuerfestsetzung mittels Einspruchs anfechten. Dies macht vor allem dann Sinn, wenn der Steuerpflichtige einen Sachverhalt abweichend von der Finanzverwaltung würdigt, aber nicht den Verdacht einer Steuerhinterziehung geraten will. Die einmonatige First zur Einlegung des Einspruchs beginnt mit dem Eingang der Steueranmeldung bei der Finanzbehörde beziehungsweise mit Bekanntgabe der Zustimmung. Auch dem Steuerschuldner steht ein entsprechendes Einspruchsrecht zu.


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Bei der Aussetzung des Verfahrens stoppt das Finanzverfahren in Steuerstreitigkeiten. Die Aussetzung des Verfahrens in finanzrechtlichen Streitigkeiten ist sowohl in § 363 AO aber auch in § 74 FGO geregelt. Wir erklären, was die Aussetzung des Verfahrens meint, wie die beiden Normen in Verhältnis stehen und welche Folgen die Aussetzung hat.

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In diesem Video erklären wir, den finanzgerichtlichen Rechtsweg.

1. Aussetzung des Verfahrens: Bedeutung

Ziel der Aussetzung des Verfahrens ist es, den finanzrechtlichen Prozess ökonomisch zu gestalten und widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden. Zudem sollen das Bundesverfassungsgericht und der Bundesfinanzhof (BFH) nicht mit einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle angerufen und so überlastet werden.

Die Aussetzung des Verfahrens hat einen Verfahrensstillstand zur Folge, so dass das Verfahren nicht mehr weiterläuft. Folglich darf insoweit eine verfahrensabschließende Entscheidung nicht ergehen. Daher laufen beispielsweise auch keine Fristen ab. Zudem sind Prozesshandlungen der Beteiligten und richterliche Handlungen unwirksam. Die Finanzbehörden dürfen aber den ergangenen Steuerbescheid ändern. Die Aussetzung des Verfahrens kann zudem bewirken, dass Entscheidungen eines anderen Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde über entscheidungserhebliche Fragen in die ausgesetzte Entscheidung einfließen. Das kann natürlich sowohl dem Finanzamt, als auch dem Steuerpflichtigen Vorteile bringen. Auf der anderen Seite kann der Anspruch auf effektiven und rechtzeitigen Rechtsschutz der Aussetzung des Verfahrens entgegenstehen, so dass die Beteiligten aus der Aussetzung des Verfahrens auch Nachteile erleiden können, da das Verfahren insoweit verlangsamt wird.

Die Aussetzung des Verfahrens ist aber klar von der Unterbrechung des Verfahrens zu trennen. Die Unterbrechung tritt nämlich kraft Gesetzes und ohne vorherige Entscheidung der Finanzbehörde ein. Daher betrifft die Unterbrechung des Verfahrens Fälle, wie die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder den Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge im Falle einer Erbschaft.

Neben der Aussetzung des Verfahrens führen auch die Normenkontrollvorlage an das Bundesverfassungsgericht oder das Vorabentscheidungsgesuchen an den EuGH zum Stillstand des Verfahrens.

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Aussetzung des Verfahrens?

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2. Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO

§ 74 FGO befähigt die Finanzgerichte (und über den § 121 Satz 1 FGO den BFH) dazu, das gerichtliche Verfahren auszusetzen.

Die Aussetzung nach § 74 FGO erfordert, dass die Entscheidung von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängig ist. Dieses Rechtsverhältnis muss Gegenstand eines anderen gerichtlichen Rechtsstreits oder von einer anderen Verwaltungsbehörde festzustellen sein. Dabei bezeichnet der Begriff des Rechtsverhältnisses eine bestimmte, rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu anderen Personen oder zu Gegenständen. Dieses Verhältnis kann zivilrechtlicher, öffentlich-rechtlicher oder steuerlicher Natur sein. Jedoch ist eine mögliche Gesetzesänderung kein Rechtsverhältnis in diesem Sinne. Erforderlich ist, dass die Entscheidung von dem Rechtsverhältnis abhängig ist. Das ist dann der Fall, wenn das Rechtsverhältnis die Entscheidung, rechtlich beeinflusst. Daran fehlt es aber, wenn die Sache an sich schon entscheidungsreif ist und das klärungsbedürftige Rechtsverhältnis daher nur Nebenfragen betrifft.

Der gerichtliche Rechtsstreit, in dem über das fraglich Rechtsverhältnis entschieden wird, muss noch nicht zwingend anhängig sein. Es genügt daher, dass das Gericht den Beteiligten unter Fristsetzung aufgibt, den Rechtsstreit anhängig zu machen. Für die behördliche Entscheidung genügt demgegenüber, dass die begründete Aussicht der Einleitung eines solchen Verfahrens besteht. Es gibt daher keine Aussetzung mehr, wenn das vorgreifliche Verfahren abgeschlossen beziehungsweise nicht mehr anhängig ist und insoweit über das Rechtsverhältnis entschieden oder nicht entschieden wurde. Dann muss die Entscheidung entweder dem Verfahren zugrunde gelegt oder die Frage selbst entschieden werden.

Ausgesetzt werden kann das Verfahrens in jeder Art von Verfahren. Erforderlich ist nur, dass das Verfahren zulässig ist. Also kann auch im Revisionsverfahren ausgesetzt werden. Dies gilt jedoch nicht, wenn damit die Klärung einer tatsächlichen Feststellung erstrebt wird, die von dem BFH nicht mehr beachtet werden kann. Zudem ist auch im einstweiligen Rechtsschutz wegen dessen Eilbedürftigkeit keine Aussetzung denkbar.

3. Aussetzung des Verfahrens nach § 363 AO

§ 74 FGO war Vorbild für die Aussetzung des Verfahrens nach § 363 AO. § 363 Absatz 1 AO betrifft die Aussetzung des Verfahrens im außergerichtlichen Verfahren wegen eines vorgreiflichen Rechtsverhältnisses. Daher ist § 363 Absatz 1 AO die Ermächtigungsgrundlage für die Finanzbehörden, das finanzbehördliche Verfahren auszusetzen. Folglich geht es auch hier darum, sich widersprechende Entscheidungen zu vermeiden. Somit kommt es regelmäßig zur Aussetzung des Verfahrens, wenn das Finanzamt tatsächliche Ermittlungen eines anderen Gerichts abwarten möchte.

Die Aussetzung der Vollziehung setzt einen zulässigen Einspruch voraus. Jedoch kommt es nicht darauf an, wie der Einspruch begründet wurde, da das Finanzamt den Sachverhalt ohnehin umfassend erneut zu prüfen hat.

Zudem steht die Aussetzung der Vollziehung im Ermessen der Behörde. Bei der Ermessensausübung hat die Behörde insbesondere den Beschleunigungsgrundsatz hinreichend zu berücksichtigen und in die Abwägung einzustellen. Dennoch kann das Ermessen im Einzelfall auf null reduziert sein. Die Behörde muss die Aussetzung schriftlich oder elektronisch erteilen, bedarf aber nicht der Zustimmung des Beschwerdeführers. Daneben hat das Finanzamt aber gemäß § 363 Absatz 2 AO auch die Möglichkeit, das Verfahren ruhen zu lassen. Beide Möglichkeiten sind von einander unabhängig, so dass das Finanzamt den praktikabelsten Weg wählen kann.

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4. Verfahren zur Aussetzung des Verfahrens

Die Aussetzung des Verfahrens ist nicht antragsbezogen, sondern ergeht von Amts wegen. Sie kann aber von den Beteiligten im Verfahren angeregt werden. Die Beteiligten sind vor der Aussetzung des Verfahrens zu hören. Dabei ist zu ermitteln, ob sie daran interessiert sind, den Prozess ohne Verzögerung zu beenden oder, ob eine Aussetzung in ihrem Interesse wäre.

Die Entscheidung über die Aussetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens ergeht durch Beschluss. Gegen den Beschluss des Finanzgerichts ist die Beschwerde gegeben.

Im finanzbehördlichen Verfahren kann der Steuerpflichtige gegen die Anordnung der Aussetzung des Verfahrens Einspruch einlegen. In den anderen Fällen ist aber gemäß § 363 Absatz 3 AO gegen die Einspruchsentscheidung vor dem Finanzgericht zu klagen. So muss daher insbesondere vorgegangen werden, wenn ein, von Ihnen gestellter Antrag auf Aussetzung übergangen wurde. Dadurch soll verhindert werden, dass die Entscheidung über materielle Fragen durch weitere Streitpunkte verzögert wird. Setzt die Behörde hingegen das Verfahren aus ohne, dass die Voraussetzungen dafür vorlagen, so ist auch die Untätigkeitsklage statthaft.

Gibt der Beschluss ein bestimmtes Ereignis an, zu dem die Aussetzung endet, so endet sie ohne weiteren Beschluss. Beispielsweise endet die Aussetzung mit dem Ergehen der Entscheidung, wenn das Verfahren bis zum Ergehen der vorgreiflichen Entscheidung ausgesetzt ist. Andernfalls kann das Gericht nach Anhörung der Beteiligten den Aussetzungsbeschluss aufheben und das Verfahren wiederaufnehmen, wenn die Voraussetzungen der Aussetzung weggefallen sind oder besondere Gründe für die Fortsetzung des Verfahrens sprechen. Auch hiergegen können die Beteiligten Beschwerde einreichen.


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  1. Entwicklung von Verteidigungsstrategien gegenüber der Finanzverwaltung bei Einspruchsverfahren, Betriebsprüfungen, FG-Klageverfahren und BFH-Revisionsverfahren
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