Außergewöhnliche Belastungen im EStG

Welche Kosten sind außergewöhnliche Belastungen?

Außergewöhnliche Belastungen im EStG – was ist schon außergewöhnlich?

Im Rahmen der §§ 33 fort folgende EStG sind bestimmte Kosten als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wenn sie einer steuerpflichtigen Person zwangsläufig erwachsen. Sie finden damit Berücksichtigung im Tarif und mindern – wie Sonderausgaben – den Gesamtbetrag der Einkünfte. Wir werfen einen Blick auf die Vorschriften und schauen uns an, was der Gesetzgeber unter „außergewöhnlich“ versteht.

Unser Video:
Außergewöhnliche Belastungen

Im zweiten Teil des Videos gehen wir auf außergewöhnliche Belastungen und ihre Rechtsgrundlagen ein.

Inhaltsverzeichnis

1. Allgemeines: Was sind außergewöhnliche Belastungen?

Außergewöhnliche Belastungen sind in den §§ 33, 33a und 33b Einkommensteuergesetz (EStG) geregelt. § 33 EStG normiert dabei den Grundfall, während §§ 33a und 33b EStG zusätzliche Regelungen für Unterhaltsaufwendungen und Vergünstigungen für Menschen mit Behinderung enthalten.

Voraussetzung für den Abzug von Kosten als außergewöhnliche Belastungen ist nach § 33 Absatz 1 EStG,

  • dass die Aufwendungen höher sind als die der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen mit gleichen Einkommens- und Familienverhältnissen,
  • dass der Steuerpflichtige den Kosten aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen tragen muss (§ 33 Absatz 2 EStG), sowie
  • dass die Aufwendungen die zumutbare Belastung, die § 33 Absatz 3 EStG regelt, übersteigen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat außerdem die sogenannte Gegenwerttheorie etabliert. Sie besagt, dass ein Abzug von Kosten als außergewöhnliche Belastung ausscheidet, wenn durch sie ein marktfähiger Gegenwert geschaffen wird (etwa bei der Einbruchssicherung eines Hauses, FG Rheinland-Pfalz vom 20.10.2000, 3 K 1125/99).

1.1 Höhere Aufwendungen als die überwiegende Mehrzahl der Steuerpflichtigen

Grundsätzlich gilt auch bei außergewöhnlichen Belastungen, dass ein Abzug von Kosten innerhalb der jeweiligen Einkunftsart Vorrang hat (Subsidiarität). Sobald eine Ausgabe sich zum Beispiel im Rahmen des § 18 EStG auswirkt, scheidet der Abzug als außergewöhnliche Belastung aus. Die Aufwendungen sind dann Betriebsausgaben, mindern den Gesamtbetrag der Einkünfte und haben sich damit steuerlich ausgewirkt.

Als „außergewöhnlich“ betrachtet der Gesetzgeber vielmehr Kosten, die einem Steuerpflichtigen unüblicherweise entstehen. Er stellt hier auf die Vergleichsgruppe „Personen mit ähnlichen Einkommens- und Familienverhältnissen“ ab. „Überwiegend“ bedeutet, dass mehr als 50 % dieser Vergleichsgruppe nicht von den (außergewöhnlichen) Belastungen betroffen sein darf.

Beispielsweise stellen die folgenden Kosten außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG dar:

  • Medizinisch notwendige, selbst zu tragende Krankheitskosten (Behandlungen, Medikamente)
  • Kosten für den Erwerb des Führerscheins, wenn Eltern sie für ihr schwerbehindertes Kind tragen
  • Aufwendungen für eine Mitgliedschaft im Fitnessclub, wenn sie ärztlich verordnet wurde
  • Prozesskosten in Verfahren, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren 

Interessanterweise sind auch Lösegelder als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wenn dem Steuerpflichtigen keine andere Wahl bleibt, um das gewünschte Ziel zu erreichen (BFH vom 18.3.2004, Az. III R 31/02).

1.2 Die Zwangsläufigkeit der außergewöhnlichen Belastungen

Maßgeblich für den Abzug von Kosten als außergewöhnliche Belastungen ist nach § 33 Absatz 2 Satz 1 EStG, dass die Aufwendungen zwangsläufig entstehen. Das Gesetz unterscheidet dabei zwischen rechtlichen, sittlichen und tatsächlichen Zwängen:

  • Ein rechtlicher Zwang liegt vor, wenn ein durchsetzbarer Anspruch einer Gegenpartei vorliegt. Dies ist unter anderem bei Verträgen, Urteilen, gesetzlichen Vorschriften und Verwaltungsakten der Fall.
  • Ein sittlicher Zwang ist gegeben, wenn eine Erwartung nahestehender Personen oder der Gesellschaft ähnlich einer „echten“ Rechtspflicht auf den Steuerpflichtigen einwirkt. Diverse Beispiele für sittliche Zwänge finden Sie in den Ziffern 33.1 bis 33.4 unter dem Stichwort „Sittliche Pflicht“ in den Einkommensteuer-Hinweisen (EStH).
  • Ein tatsächlicher Zwang liegt vor, wenn ein unabwendbares Ereignis zur Entstehung der Aufwendungen führt. Relevant sind hier regelmäßig Unfälle und Krankheiten, aber auch Naturkatastrophen.

Ein Abzug als außergewöhnliche Belastungen scheidet allerdings aus, wenn der Steuerpflichtige mit seinem eigenen Fehlverhalten zur Entstehung der Kosten beigetragen hat. Dies ist beispielsweise der Fall bei Bußgeldern, Geldstrafen und vielen Gerichtsprozessen. Hier fehlt es am Merkmal der Zwangsläufigkeit.

1.3 Überschreitung der individuell zumutbaren Belastung

Liegen dem Grunde nach außergewöhnliche Belastungen vor, sind diese nach Maßgabe des § 33 Absatz 3 Satz 1 EStG nur soweit abziehbar, als sie die zumutbare Eigenbelastung überschreiten. Der Gesetzgeber hat mit der folgenden Tabelle normiert, bis zu welchem Einkommen eine Belastung „noch normal“ und ab wann sie „bereits außergewöhnlich“ ist:

Gesamtbetrag der Einkünfte bis EUR 15.340über EUR 15.340
bis EUR 51.130
über EUR 51.130
Steuerpflichtige ohne Kinder

mit Steuersatz des § 32a Absatz 1 EStG
mit Splitting-Tarif nach § 32a Absatz 5 oder 6 EStG
5 %

4 %
6 %

5 %
7 %

6 %
Steuerpflichtige mit

einem Kind oder zwei Kindern
drei oder mehr Kindern

2 %

1 %

3 %

1 %

4 %

2 %

Die Prozentsätze beziehen sich immer auf den Gesamtbetrag der Einkünfte (GdE). Haben Sie keine Kinder und einen GdE von EUR 100.000, sieht der Gesetzgeber außergewöhnliche Belastungen bis EUR 7.000 als zumutbar an.

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2. Weitere außergewöhnliche Belastungen: §§ 33a und 33b EStG

In den §§ 33a und 33b EStG sind weitere außergewöhnliche Belastungen sowie die Voraussetzungen für ihren Abzug geregelt. Die Normen stellen jeweils einen lex specialis zur Generalvorschrift des § 33 EStG dar, regeln also deutlich konkreter, welche Kosten abziehbar sind. Im ersten Schritt prüfen Sie daher stets, ob Aufwendungen unter §§ 33a oder 33b EStG fallen, bevor Sie zu § 33 EStG übergehen.

2.1 Unterhalt und Berufsausbildung – § 33a EStG

§ 33a EStG regelt im Wesentlichen zwei Kostenarten, wobei die genannten Beträge nach § 33a Absatz 3 Satz 1 EStG jeweils zeitanteilig zu berücksichtigen sind, wenn die Voraussetzungen nur während eines Teils des Kalenderjahres vorliegen:

  • Unterhaltsleistungen sind bis zum Höchstbetrag von EUR 9.984 Euro (Stand 2022) je Kalenderjahr abziehbar. Hinzu kommen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für die unterhaltene Person, soweit sie nach § 10 EStG noch keine Berücksichtigung fanden (§ 33a Absatz 1 EStG)
  • Für ein auswärtig untergebrachtes Kind, das sich in Berufsausbildung befindet und für das die Eltern Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 EStG haben, sind je Kind EUR 924 im Kalenderjahr zusätzlich abziehbar (§ 33a Absatz 2 EStG)

Einkünfte, die das unterhaltene Kind erzielt, sind den maximal abziehbaren Unterhaltsleistungen nach § 33a Absatz 1 Satz 5 und 6 EStG gegenzurechnen, soweit sie den Betrag von EUR 624 im Kalenderjahr übersteigen.

Beispiel: Als Vater unterstützen Sie Ihren Sohn mit EUR 15.000 im Jahr. Davon können Sie EUR 9.984 nach § 33a EStG abziehen. Nun nimmt Ihr Sohn eine berufliche Tätigkeit auf und verdient EUR 10.000 pro Jahr. Diese Vergütung übersteigt den Betrag von EUR 624 um EUR 9.374. Ziehen Sie nun EUR 9.374 von EUR 9.984 ab, erhalten Sie EUR 610 und damit den nach § 33a Absatz 1 Satz 1 und 5 EStG pro Jahr entsprechend abziehbaren Aufwand.

2.2 Pauschbeträge für Menschen mit Behinderung – § 33b EStG

Menschen mit Behinderung können nach Maßgabe der § 33b Absatz 1 und 3 Satz 1 EStG je nach Grad der Behinderung (GdB) zwischen EUR 384 und EUR 2.840 pro Kalenderjahr als außergewöhnliche Belastung abziehen. Hilflose, blinde und taubblinde Menschen erhalten nach § 33a Absatz 1 Satz 3 und 4 EStG insgesamt EUR 7.400 je Kalenderjahr, wobei hier keine zeitanteilige Kürzung stattfindet.

In § 33b Absatz 6 Satz 1 und 3 EStG sind die Pflege-Pauschbeträge geregelt. Sie stehen der pflegenden Person zu und sind nach Pflegegrad (2 bis 5) gestaffelt. Je nachdem, wie hoch er ist, liegt der als außergewöhnliche Belastung abziehbare Betrag bei bis zu EUR 1.800.

Steuerermäßigungen nach § 33b EStG führen zum Ausschluss der Abziehbarkeit von Aufwendungen nach § 33 EStG; sie haben also abgeltende Wirkung (§ 33b Absatz 1 Satz 1, Absatz 5 Satz 4, Absatz 6 Satz 1 EStG).

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