Kritik am Ehegattensplitting: eine Geschichte ohne Ende
Schon seit langer Zeit steht das Ehegattensplitting in Deutschland in der Kritik. Einerseits steht es für eine Zementierung geschlechterspezifischer Aufgabenverteilungen innerhalb von Ehen. Insbesondere der Erwerb von Einkommen ist in unserer Gesellschaft nach wie vor sehr einseitig Ehemännern zugeordnet. Andererseits soll das Ehegattensplitting eigentlich Familien finanziell fördern, es kommen jedoch auch kinderlose Ehen in den Genuss der steuerlichen Subvention. Diese können in einem Jahr bis zu EUR 15.000 betragen, wobei sie eher Haushalten mit großem als mit kleinem Einkommen nutzt. Dem Staat entgehen so jährlich viele Milliarden Euro an Steuereinnahmen – ein weiterer Punkt der Kritik.
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Inhaltsverzeichnis
1. Kritik am Ehegattensplitting – Einleitung
Immer wieder erfährt man aus den Medien, dass Parteien Kritik am Ehegattensplitting äußern. Freilich sind es nur gewisse Parteien, die dem Ehegattensplitting mit Skepsis begegnen. Andere hingegen halten das Ehegattensplitting für gerechtfertigt und verteidigen es. Tatsächlich hat das Ehegattensplitting schon viele Versuche überstanden, es aus der Welt zu schaffen. Dabei ist es seit der Anfangszeit der Bundesrepublik ein fester Bestandteil des deutschen Einkommensteuerrechts. Aber auch andere Staaten kennen eine solche Regelung in ihren Steuergesetzen.
Doch was genau ist denn das Ehegattensplitting und was löst daran Kritik aus?
2. Wie kam das Ehegattensplitting ins deutsche Steuerrecht?
Das Ehegattensplitting ist eine besondere Ausnahmeregelung, die ursprünglich bei der Einkommensbesteuerung von Ehegatten Anwendung finden sollte. Mittlerweile ist sie aber auch bei Lebenspartnerschaften zugelassen. Anstatt einer Einzelveranlagung beider Ehegatten/Lebenspartner, können sie ihr Gesamteinkommen gemeinsam versteuern. Dazu teilt man das Gesamteinkommen auf beide auf, berechnet auf dieses halbe Gesamteinkommen ganz normal die Einkommensteuer und verdoppelt den Betrag dann in einem dritten Schritt. Dies ist schließlich die Einkommensteuer, die für beide Partner gemeinsam gilt. Oder anders ausgedrückt: der Fiskus behandelt Ehe- und Lebenspartner als ein einzelnes Steuersubjekt.
Dabei ist das Ehegattensplitting schon fast so alt wie unsere Republik. Es wurde bereits 1958 eingeführt und sollte Familien finanziell fördern. Damals galt freilich ein ganz anderes Gesellschaftsverständnis über die Rolle von Mann und Frau in einer Familie. Und diese Verteilung der Geschlechterrollen, bei denen der Ehemann als einziges Familienmitglied Geld verdiente, während die Ehefrau den Haushalt führte und allenfalls ein wenig hinzuverdiente (sofern der Ehemann dies tatsächlich erlaubte, denn das ging damals nur mit seiner Einwilligung), war für die Ausgestaltung des Ehegattensplittings wegweisend. Und ja, auf diesem patriarchalem, manche mögen auch sagen antiquiertem Einkommensteuerrecht basiert auch unsere heutige Besteuerung. Schon dies allein könnte für viele Menschen unserer heutigen Gesellschaft Grund genug für Kritik am Ehegattensplitting sein. Das später auch noch Lebenspartnerschaften unter diese Regelung schlüpfen konnten, war wohl eher einer zwangsweisen Anerkennung moderner Lebensrealitäten weiter Bevölkerungskreise geschuldet, kaum jedoch mit der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers im Jahr 1958 vereinbar.
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3. Gibt es Ehegattensplitting auch im Ausland?
Das Ehegattensplitting ist keine rein deutsche Erfindung. Unter unseren Nachbarstaaten gibt es mit Luxemburg, Polen und der Schweiz gleich drei Staaten, die eine ähnliche Regelung eingeführt haben. Auch bei ihnen soll das Ehegattensplitting zu einer finanziellen Förderung von Familien führen. Darüber hinaus gibt es ganz vergleichbare Vorschriften im Steuerrecht der Isle of Man, Malta und der USA. Abgesehen davon kennen andere Staaten ähnliche Steuererleichterungen, die sich aber tatsächlich auf Familien statt auf Ehepaare oder Lebenspartner beziehen. So zum Beispiel in Frankreich und Portugal. Dabei unterscheidet sich die Ausgestaltung der Rechtsnormen zum Teil erheblich von jener zum deutschen Ehegattensplitting. Denn dort spielt ja auch die Anzahl der zum Haushalt zählenden Kinder eine bedeutende Rolle bei der Berechnung der Einkommensteuer.
4. Wie wirkt sich das Ehegattensplitting steuerlich aus?
Um die steuerlichen Vorteile des Ehegattensplittings zu verstehen, muss man sich vergegenwärtigen, dass der Ehepartner mit dem höheren Einkommen stets günstiger besteuert wird als eine alleinstehende steuerpflichtige Person mit gleichem Einkommen. Umgekehrt ist der Ehepartner mit dem geringeren Einkommen gegenüber einer alleinstehenden steuerpflichtigen Person gleichen Einkommens durch das Ehegattensplitting schlechter gestellt. Jetzt mag man annehmen, dass sich diese Vor- und Nachteile innerhalb einer Ehegemeinschaft oder Lebenspartnerschaft steuerlich ausgleichen, aber das ist ein Trugschluss.
Angenommen ein Ehegatte, in der Realität immer noch meistens der Ehemann, verdient als einziger Geld. Dann wirkt sich schon allein der Grundfreibetrag des anderen Ehegatten positiv auf das zusammenveranlagte Einkommen aus. Würden beide Ehepaare statt dessen die Einzelveranlagung wählen, würde bei der einkommenslosen Person der Grundfreibetrag keine steuermindernde Wirkung entfalten.
Außerdem: je höher die Einkommensdifferenz bei beiden Partnern ausfällt, bei einem der beiden fehlt idealerweise jegliches Einkommen, desto größer ist der steuerliche Vorteil durch das Ehegattensplitting. Dabei kann der Steuervorteil gegenüber einer getrennten Veranlagung oder gegenüber alleinstehenden Steuerpflichtigen bis zu EUR 15.000 betragen. Und das jedes Jahr! Dem Staat gehen dabei jährlich viele Milliarden Euro an Steuereinnahmen bewusst verloren. Schon dies allein sorgte für Kritik am Ehegattensplitting. In Zeiten erhöhten Etatbedarfs eine kaum nachvollziehbare Steuersubvention.
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5. Kritik am Ehegattensplitting – eine Übersicht
In medias res: Ein großer Kritikpunkt am Ehegattensplitting ist, dass es eigentlich nur Ehen fördert. Familien fördert diese Veranlagungsart somit allenfalls indirekt. Damit besteht schon am eigentlichen Zweck der Förderungen Zweifel, insbesondere heutzutage, da immer mehr Ehen kinderlos bleiben. Alleinerziehende haben hingegen das Nachsehen, da sie von den Vorteilen des Ehegattensplittings ausgeschlossen sind, und dies obwohl sie Kinder betreuen. Denn bis auf die fehlende Steuersubvention ist ihre Situation mit der einer echten Familie durchaus vergleichbar. Im Grunde fördert das Ehegattensplitting sogar nur dort, wo ein deutlicher Einkommensunterschied vorliegt.
So fällt der Steuervorteil durch das Ehegattensplitting bei Ehepaaren mit zunehmendem Einkommen deutlich höher aus, als bei Partnerschaften mit geringem Einkommen. Das widerspricht im Grunde dem eigentlichen Zweck des Ehegattensplittings, weil Familien mit geringem Einkommen kaum finanzielle Förderung erfahren. Um einen Vorteil aus dem Ehegattensplitting zu erhalten, muss nämlich das Gesamteinkommen mindestens die doppelte Höhe des Grundfreibetrags überschreiten. Rechnet man realistischerweise noch Arbeitnehmerpauschbeträge sowie andere steuerliche Minderungen hinzu (etwa höhere Werbungskosten, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen), dann ist selbst auf dem Niveau einer der Mittelschicht angehörenden Familie nur mit geringen Erleichterungen zu rechnen. Den größten Gefallen gewährt das Ehegattensplitting also tatsächlich Haushalten, die eigentlich keiner finanziellen Förderung bedürfen.
Ein weiterer Punkt, für den das Ehegattensplitting in der Kritik steht, ist, dass der geringer verdienende Partner dabei das Risiko trägt, dass eventuelle Lohnersatzleistungen und Renten niedriger ausfallen, weil sie sich am Nettoeinkommen orientieren. Da das Nettoeinkommen auch von der Lohnsteuerklasse abhängt, und man beim Ehegattensplitting den größten Vorteil erhält, wenn die Lohnsteuerklasse des Vielverdieners besonders günstig ist, bedeutet dies für den geringer verdienenden Partner eine ungünstige Lohnsteuerklasse und somit ein durch Lohnsteuer deutlich reduziertes Nettoeinkommen bei eventuellen Lohnersatzleistungen.
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6. Kritik am Ehegattensplitting – Fazit
Kritik am Ehegattensplitting hängt oft mit der in der Realität etablierten Ungleichbehandlung von Mann und Frau zusammen. Denn nach wie vor nutzt das Ehegattensplitting vor allem Männern – und zwar mit großem Abstand. Letzten Endes kann allerdings jedes Ehepaar selber entscheiden, wie es das Ehegattensplitting anwenden möchte.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass das Ehegattensplitting für alleinerziehende Steuerpflichtige keine Entlastung bringt. Nun mag man in Frage stellen, ob Alleinerziehende mit Familien verfassungsrechtlich gleichgestellt werden dürfen. Aber bei einer ehrlichen Betrachtung sollte man dies bejahen. Daraus ergäbe sich dann eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung.
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