Was prüft eigentlich der Bundesfinanzhof?
Der Bundesfinanzhof kann finanzgerichtliche Entscheidungen im Wege der Revision nur in einen begrenzten Prüfungsumfang und nimmt daher keine umfassende Kontrolle vor. Der bekannte Grundsatz dazu heißt: „Der Bundesfinanzhof ist keine Tatsacheninstanz“. Doch was das eigentlich bedeutet ist oft nicht immer klar. Wir erklären, was der Bundesfinanzhof im Rahmen einer eingelegten Revision prüft.
Datum |
Thema |
02. Mai 2022 |
Vorlage an das Bundesverfassungsgericht – Normenkontrollverfahren im Steuerrecht |
03. Mai 2022 |
Verfassungsbeschwerde – Steuerrechtsweg zum Bundesverfassungsgericht |
04. Mai 2022 |
Nichtzulassungsbeschwerde zum BFH gewinnen: Voraussetzungen – Begründung – Revision |
26. Mai 2022 |
Aussetzung des Verfahrens im Finanzprozess: Rechtsfolgen – Rechtsschutz – Voraussetzungen |
07. Juli 2023 |
Was prüft eigentlich der Bundesfinanzhof? (dieser Beitrag) |
Unser Video: Bundesfinanzhof: Ablauf der FG-Klage und der Revision beim BFH
In diesem Video erklären wir, den finanzgerichtlichen Instanzenzug.
Inhaltsverzeichnis
1. Begrenzter Prüfungsumfang beim Bundesfinanzhof
1.1. Prüfungsumfang beim Bundesfinanzhof begrenzt sich auf Rechtsprobleme
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat lediglich einen begrenzten Prüfungsumfang, da er keine Tatsacheninstanz ist. Deswegen regelt das Gesetz in § 118 FGO die Revisionsgründe, also das, was überhaupt in einer Revision bestritten werden kann. Das angefochtene Urteil muss auf der Verletzung von Bundesrecht oder Landesrecht beruhen. Das „beruhen“ erfordert Kausalität.
Der § 118 Absatz 2 FGO legt dazu die tatsächliche Grundlage der revisionsrechtlichen Prüfung fest also den Sachverhalt, über den gestritten wird. Dem BFH ist demnach die Prüfung der vom Finanzgericht festgestellten Tatsachen verwehrt. Daraus folgt der Grundsatz der Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts. Der Bundesfinanzhof nimmt daher grundsätzlich keine Beweiswürdigung vor. Lediglich im Ausnahmefall kommt es dazu, dass auch der BFH den Beweis führt. Rügen, die über diesen gesetzlich festgeschriebenen Prüfungsumfang hinausgehen, sind unbegründet. Daher ist es von besonderer Bedeutung, zu wissen, in welchem Umfang der BFH prüft.
1.2. Grundsatz der Vollrevision
Der BFH ist aber an die vorgetragenen Revisionsrügen nicht gebunden. Daher überprüft er die angefochtene Entscheidung grundsätzlich im Rahmen seiner Prüfungskompetenz in vollem Umfang, sogenannter Grundsatz der Vollrevision.
Wird die Revision durch das Finanzgericht lediglich aufgrund eines Verfahrensmangels nach § 115 Absatz 2 Nummer 3 FGO zugelassen, so eröffnet dies das Rechtsmittel der Revision dennoch in vollem Umfang. Der Revisionskläger ist also nicht darauf beschränkt, den zulassungsbegründenden Verfahrensmangel zu rügen, sondern kann mit der Revision auch darüber hinaus die Verletzung materiellen Rechts geltend machen. Nur, wenn sich eine Revisionsbegründung auf die Rüge von Verfahrensmängeln reduziert, ist der Prüfungsumfang des BFH auf die gerügten Verfahrensmängel beschränkt, falls die Revision nicht zugleich wegen grundsätzlicher Bedeutung, Rechtsfortbildung oder Rechtsprechungsvereinheitlichung zugelassen wurde.
2. Prüfungsumfang des BFH: Revisionsgründe
2.1. Rechtsverletzung erforderlich
Die Revision ermöglicht daher die Prüfung der angefochtenen Entscheidung in materieller und verfahrensrechtlicher Sicht, jedoch nicht in tatsächlicher Hinsicht. Dieser Kontrollmaßstab ist daher an die vom Finanzgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen anzulegen, soweit diese ohne Verletzung der Verfahrensordnung ermittelt wurden.
Dabei reicht eine allgemeine Rechtsverletzung nicht aus. Vielmehr bedarf es einer Verletzung revisiblen Rechts, also Rechts, das im Rahmen der Revision prüfbar ist. Die Revisibilität ist daher keine Frage der Zulässigkeit der Revision sondern Frage ihrer Begründetheit. Neben der Verletzung revisiblen Rechts ist auch die Kausalität der Rechtsverletzung erforderlich. Zudem darf die Entscheidung nicht aus anderen Gründen richtig sein.
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2.2. Prüfungsumfang beim Bundesfinanzhof ist revisibles Recht
Die Revision kann nur auf die Verletzung von Bundesrecht oder Landesrecht gestützt werden. Letzteres aber nur in den Fällen des § 33 Absatz 1 Nummer 4 FGO. Das Bundesrecht umfasst natürlich die Bundesgesetze und Bundessatzungen. Jedoch kann beispielsweise auch ein Verstoß gegen nicht geschriebenes Recht oder Gewohnheitsrecht gerügt werden, beispielsweise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
2.3. Dann liegt eine Rechtsverletzung vor
Zudem muss das revisible Recht verletzt sein. Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Rechtsanwendung ist durch die Subsumtion eines Sachverhalt unter einen Rechtssatz gekennzeichnet. Daher können bei der Rechtsanwendung vier Arten von Fehlern eintreten: Zu einem können Fehler bei dem Feststellen von Tatsachen oder bei der Beweisbegründung gerügt werden. Zum anderen können Beweisanträge übergangen worden sein. Zudem können Rechtsnormen übersehen oder nicht angewendet worden sein. Der Sachverhalt kann aber auch unter einen zutreffend ausgelegten Tatbestand falsch eingeordnet worden sein. Dabei betreffen aber Fehler im Sachverhalt Tatfragen, welche das Revisionsgericht allenfalls in begrenztem Umfang prüfen darf.
3. Mögliche Rügen im Rahmen der Revisionsbegründung
3.1. Wichtige Unterscheidung zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht
Das Recht lässt sich in Rechtsnormen des Verfahrensrechts und des materiellen Rechts unterteilen. Diese Unterscheidung erlangt im Revisionsverfahren eine besondere Bedeutung. An die Begründung der Rügen werden nämlich gemäß § 120 Absatz 3 Nummer 2 Buchstabe a) und b) FGO unterschiedlich hohe Anforderungen gestellt. Es bedarf der Angabe konkreter Tatsachen, aus denen sich ergibt, ob dem FG ein Verfahrensfehler unterlief. Wird ein materieller Fehler gerügt, so müssen die Umstände aus denen sich dieser ergibt genau bezeichnet werden.
3.2. Prüfungsumfang beim Bundesfinanzhof bei Verfahrensfehlern
Den Sachverhalt hat das Finanzgericht von Amts wegen zu ermitteln (§ 76 Absatz 1 Satz 1 FGO) und bis zur Entscheidungsreife aufzuklären. Dabei muss es alle verfügbaren Beweismittel heranziehen. Die Sachverhaltsermittlung ist das Finden, Aufklären und Sammeln der für den Streitfall wesentlichen Tatsachen. Sie muss eine Antwort auf die Frage geben, was tatsächlich geschehen ist. Die Sachverhaltsfeststellung ist daher fehlerhaft, wenn das Gericht die einzelnen, für den Tatbestand der anzuwendenden Rechtsnorm erheblichen Tatsachen nicht, falsch oder nur unvollständig ermittelt oder würdigt. Bei der Prüfung der Entscheidungserheblichkeit ist von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auszugehen.
3.3. Unzureichende Tatsachenfeststellung
Wenn das Finanzgericht in seinem Urteil keine hinreichenden Tatsachenfeststellungen getroffen hat und dem BFH deshalb die abschließende Prüfung der gezogenen Rechtsfolgen nicht möglich ist, liegt ein Mangel der Urteilsfindung und deswegen ein materieller Fehler vor. Daher ist der Fehler im Gegensatz zum Verfahrensfehler, der nur auf besondere Rüge zu beachten ist, von Amts wegen zu beachten. Er führt daher auch ohne Rücksicht auf das sonstige Vorbringen der Beteiligten zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache. Fehler entsprechender Art liegen vor, wenn die Tatsachenfeststellung in sich widersprüchlich, nichtnachfolgbar oder lückenhaft ist.
3.4. Prüfungsumfang beim Bundesfinanzhof umfasst Fehler im Rechtssatz
Zu einem Fehler im Rechtssatz kommt es, wenn eine Rechtsnorm nicht angewendet oder übersehen wird. Auch die Einordnung des richtig ermittelten Sachverhalt unter eine inhaltlich eindeutig falsche Rechtsnorm ist ein Fehler im Rechtssatz. Der wohl häufigste Fehler im Rechtssatz ist aber die fehlerhafte Auslegung der, an sich auf den Sachverhalt anzuwendenden Rechtsnorm. Der BFH darf eine fehlerhafte Auslegung des Finanzgerichts durch seine eigene Auslegung ersetzen, wenn weitere tatrichterliche Feststelllungen insoweit nicht in Betracht kommen. Eine vom Finanzgericht unterlassene Auslegung kann der BFH vornehmen, wenn das Finanzgericht die dazu erforderlichen Tatsachen festgestellt hat. An eine fehlerfreie Auslegung durch das Finanzgericht ist der BFH nicht gebunden. Vielmehr ist Auslegung zugleich ein Wertungsakt und führt nicht notwendigerweise zu der einzig richtigen Entscheidung.
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3.5. Fehler bei der Schlussfolgerung
Rechtsverletzungen im Sinne des § 118 Absatz 1 FGO können auch Fehler sein, die dem Finanzgericht bei seinen Schlüssen unterlaufen sind, die es in Bezug auf die konkrete Rechtsfolge aus dem ermittelten Sachverhalt und dem gewonnen Rechtssatz zieht. Dazu zählen auch Verstöße gegen die Denkgesetze und Erfahrungssätze.
4. Kausalität der Rechtsverletzung
Die Revision ist nur begründet, wenn das angefochtene Urteil auf der Verletzung von revisiblem Recht beruht. Daher muss die Rechtsverletzung für den Inhalt der Entscheidung ursächlich sein. Das Urteil müsste also ohne die Rechtsverletzung anders ausgefallen sein. Das Urteil beruht daher nicht auf einer Rechtsverletzung, wenn die Rechtsverletzung in dem Urteil nur entscheidungsunerhebliche Darlegungen (obiter dicta) betrifft. Zudem beruht es dann nicht auf der Rechtsverletzung, wenn die Rechtsverletzung sich nur auf eine abgrenzbare Teilbegründung bezieht, die Begründung aber im Übrigen die Entscheidung rechtfertigt. Letztlich kann das Urteil, wie § 126 Absatz 4 FGO zeigt, auch aus anderen Gründen richtig sein.
Bei Verfahrensfehler reicht die Möglichkeit einer anderen Entscheidung bei fehlerfreier Anwendung des Verfahrensrechts aus. In den Fällen des § 119 FGO wird unwiderlegbar vermutet, dass zwischen den dort aufgeführten schweren Verfahrensmängeln und der Rechtsverletzung ein ursächlicher Zusammenhang besteht und deshalb das Urteil als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen ist.
5. Prüfungsumfang beim Bundesfinanzhof bei Tatsachen
5.1. Prüfungsumfang beim Bundesfinanzhof: Gebunden an festgestellte Tatsachen
Da der BFH als Revisionsgericht das angefochtene Urteil nur auf Rechtsfehler überprüfen darf, muss sich die Prüfung auf dieselbe Ausgangslage wie Entscheidung des Finanzgericht erstrecken. Daher muss derselbe Sachverhalt Grundlage der Entscheidung sein. Daher bestimmt § 118 Absatz 2 FGO, dass der Sachverhalt derjenige ist, der in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht vorgelegen hat. Entsprechend ist der BFH auch an die dortigen Feststellungen gebunden. Daher kommt auch der Sachverhaltsermittlung vor den Finanzgerichten eine besondere Bedeutung zu.
Der BFH darf sich daher zur Prüfung der materiell rechtlichen Frage erforderliche Tatsachen nicht aus einer anderen Quelle als dem angefochtenen beschaffen. Folglich darf der BFH keine eigenen Tatsachenfeststellungen treffen oder die vom Finanzgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen ergänzen. Fehlende, entscheidungserhebliche Tatsachen kann nur das Finanzgericht nach Zurückweisung der Sache treffen. Folge dessen ist, dass auch Beteiligte keine neuen Tatsachen vorbringen können und der BFH diese nicht berücksichtigen darf.
Klageänderungen und Beiladungen sind im Revisionsverfahren grundsätzlich unzulässig. Bei beiden Vorgängen wird aber regelmäßig ein neues tatsächliches Vorbringen in das Revisionsverfahren eingeführt, was die Entscheidungsgrundlage des BFH ändern würde. Davon macht § 123 Absatz 1 Satz 2 für notwendige Beiladungen im Sinne des § 60 Absatz 3 Satz 1 zur Verfahrensbeschleunigung eine Ausnahme. Danach kann eine notwendige Beiladung noch während des Revisionsverfahrens erfolgen. Besitzt der notwendig Beigeladene ein berechtigtes Interesse an einer weiteren Tatsachenaufklärung, muss der BFH den Rechtsstreit allerdings nach § 126 Absatz 3 Satz 2 an das Finanzgericht zurückverweisen.
Einen weiteren Ausnahmefall bildet die automatische Auswechslung des Verfahrensgegenstandes nach § 68 Satz 1, der über § 121 Satz 1 auch sinngemäß für das Revisionsverfahren gilt. Nach § 68 Satz 1 wird ein Verwaltungsakt, der während des Revisionsverfahrens den angefochtenen Verwaltungsakt ändert oder ersetzt, automatisch zum Gegenstand des Revisionsverfahrens. Dazu bedarf es keinen besonderen Antrag des Revisionsklägers.
5.2. Abgrenzung zwischen Rechts- und Tatsachenproblemen
Die Abgrenzung zwischen Rechtsfragen und Tatsachenfragen ist daher bedeutend. Jedoch ist sie besonders schwierig. Beispielsweise entscheidet die Frage, welche Rechtsnormen anzuwenden sind, zugleich darüber, welche Tatsachen erheblich sind. Der BFH hält sich mit theoretischen Ausführungen zur Abgrenzung von Rechtsfragen und Tatfragen grundsätzlich zurück und entscheidet im Einzelfall, ob bindende Tatsachenfeststellungen vorliegen.
5.2.1. Auch tatsächliche Würdigung gilt als Tatsachenfrage
Auch Würdigungen tatsächlicher Art zählen zu den tatsächlichen Feststellungen. Beispielswiese ist die Feststellung einer ungeklärten Vermögensmehrung eine Tatsachenfeststellung. Der Schluss des Finanzgerichts, der Zuwachs stamme nicht aus versteuerten Erlösen, sondern aus bisher nicht angegebenen steuerpflichtigen Einnahmen, eine tatsächliche Würdigung. Der BFH kann derartige Tatsachenwürdigungen nur daraufhin überprüfen, ob sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen sind, mit den Denk- und Erfahrungssätzen im Einklang stehen oder einen Verstoß gegen das Willkürverbot beinhalten.
5.2.2. Prüfungsumfang beim Bundesfinanzhof für subjektive Tatbestandsmerkmale
Hinsichtlich der zum Beweis innerer Tatsachen, wie beispielsweise der Gewinnerzielungsabsicht, gebrauchten Indizien ist zwischen der rechtlich-normativen Frage, ob das Beweisanzeichen den Schluss auf die Haupttatsache rechtfertigt (= Rechtsanwendung: Ergiebigkeitsprüfung auf der oberen Ebene) und der Frage, ob das Beweisanzeichen tatsächlich vorliegt (= Tatsachenfeststellung auf der unteren Ebene), zu unterscheiden. Nur die letztgenannte Tatsachenfeststellung ist dem BFH entzogen.
Rechtsanwendung beginnt mit der Prüfung, ob der ermittelte und festgestellte Sachverhalt unter eine Rechtsnorm passt. Der BFH geht jedoch oft davon aus, dass auch die Schlussfolgerung aus festgestellten Anknüpfungstatsachen selbst noch zu den Tatsachen gehört. Beispielsweise ordnet er die Einordnung eines Spiels als Glücksspiel oder Geschicklichkeitsspiel als festgestellte Tatsache ein. Jedoch ist allein die Frage, ob ein Spiel vorliegt nachweisbar, anhand greifbarer Umstände feststellbar und damit damit tatsächlich. Die Einordnung als Glücksspiel oder Geschicklichkeitsspiel stellt jedoch stellt eine normative Beurteilung anhand rechtlicher Kriterien dar. Die Einordnung ist normativ geprägt und kann nur beurteilt werden, weil es rechtliche Kriterien gibt. Es kann sich daher nur um rechtliche Beurteilung und damit um Rechtsanwendung handeln. Tatsachen können nur solche Umstände sein, deren Vorliegen allein mit den Sinnen nachweisbar ist und wozu es keiner rechtlichen Kriterien braucht.
Bei der Abgrenzung können die Fragestellungen „Was ist tatsächlich geschehen?“ (Tatfrage) und „Wie ist das Geschehene rechtlich zu bewerten?“ (Rechtsfrage) einen Anhalt bieten.
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6. Prüfungsumfang beim Bundesfinanzhof umfasst ausnahmsweise Tatsachen
Die Bindung des Revisionsgericht an die Tatsachenfeststellungen und Würdigungen tatsächlicher Art des Finanzgerichts besteht nicht lückenlos. Vielmehr wird die Bindung punktuell durchbrochen. Sie wird aber nur in dem Umfang aufgehoben, der zur Berücksichtigung der jeweiligen Tatsachen und deren rechtlichen Auswirkungen im revisionsgerichtlichen Verfahren erforderlich ist. Bezüglich der übrigen Tatsachenfeststellungen besteht die Bindung daher fort. Die Bindung ist bei Verfahrensrügen eingeschränkt, also wenn tatsächliche Feststellungen unter Verletzung des Prozessrechts getroffen worden sind.
6.1. Sachurteilsvoraussetzungen
Keine Bindung besteht an solche Tatsachenfeststellungen, welche die Sachurteilsvoraussetzungen betreffen. Dazu zählen beispielsweise die Tatsachen, die die Zulässigkeit des Revisionsverfahrens selbst betreffen. Insoweit hat der BFH daher erforderlichenfalls eigene Tatsachenfeststellungen zu treffen. Diesbezüglich ist folglich auch ein neues Vorbringen der Beteiligten im Revisionsverfahren möglich. Der BFH ist frei in der Würdigung des neuen Tatsachenvortrags und unter Umständen zu eigener Beweisaufnahme berufen. Anderenfalls führt der Verfahrensmangel zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.
6.2. Prozessökonomie
Auch aus Gründen der Prozessökonomie kann das Revisionsgericht selbst neue Tatsachen feststellen und festgestellte Tatsachen anders würdigen, die nach der letzten mündlichen Verhandlung vor der Tatsacheninstanz eingetreten sind. Das gilt dann, wenn die Berücksichtigung neuer Tatsachen zur raschen und endgültigen Streitbereinigung angebracht erscheint, keine schutzwürdigen Interessen eines Beteiligten entgegenstehen und die neuen Tatsachen ohne eine Beweisaufnahme festgestellt werden können.
6.3. Gegenrüge
Die Gegenrüge steht dem Revisionsbeklagten zu, der vor dem Finanzgericht voll obsiegt hat. Dieser kann mangels Beschwer selbst kein Rechtsmittel – insbesondere keine Anschlussrevision – einlegen. Um aber dennoch vor dem BFH verhindern zu können, dass die fehlerhafte oder lückenhafte tatsächliche Feststellung in dem Finanzgerichtsurteil zu einer für ihn ungünstigen Entscheidung führen könnte, kann er ohne Bindung an Fristen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung Verfahrensrügen vorbringen. Dieses Recht steht ihm aber nur insoweit zu, als er es nicht schon in der Tatsacheninstanz hätte ausüben können und müssen. Die mit der Gegenrüge zusammenhängenden Tatsachen hat der BFH festzustellen und gegebenenfalls festzustellen und zu würdigen.
6.4. Änderung der prozessualen Rechtslage
Zudem entfällt die Bindung an die Feststellungen des Finanzgerichts dann, wenn während des Revisionsverfahrens Vorgänge eintreten, die die prozessuale Rechtslage verändern und damit in bedeutsamer Weise auf das schwebende Verfahren einwirken. Dazu können beispielsweise die Rücknahme der Klage, die Erledigungserklärung, behördlich-hoheitliche Erklärungen und aus dem Sachverhalt des Finanzgerichtsurteil ergebende kalendermäßig eintretende Ereignisse, wie die Fälligkeit einer Forderung gehören.
6.5. Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand
Wenn der BFH über einen Antrag auf Widereinsetzung in den vorherigen Stand entscheidet, den das Finanzgericht abgelehnt hat, so ist der BFH nicht an die diesbezüglichen Feststellungen des Finanzgerichts gebunden. Daher kann es auch nicht festgestellte Tatsachen verwerten und Beweise selbst würdigen.
7. Fazit zum Prüfungsumfang beim Bundesfinanzhof
Zusammenfassend darf der BFH grundsätzlich nur Rechtsfragen prüfen. Die tatsächlichen Feststellung des Finanzgerichts sind nur in Ausnahmefällen überprüfbar. Daher ist es besonders wichtig, schon im finanzgerichtlichen Verfahren auf eine ordnungsgemäße Beweiswürdigung hinzuarbeiten.
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