Verjährung im Steuerrecht: Wann Steueransprüche verjähren
Wenn die Steuerverjährung eintritt, kann das Finanzamt keine Änderungen an einem Steuerbescheid vornehmen. Für die Verjährung stellen sich dabei folgende Fragen: Wann beginnt die Verjährung, wie lange dauert es, bis sie eintritt und kann es Umstände geben, die eine Verjährung unterbrechen oder gar verhindern? Diesen Fragen gehen wir in diesem Beitrag nach.
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Inhaltsverzeichnis
1. Einführung zur Verjährung im Steuerrecht
Sicherlich haben Sie schon einmal von einer Verjährung im Steuerrecht gehört: Sobald Verjährung eintritt sind Steuerbescheide weder vom Steuerpflichtigen noch vom Finanzamt änderbar oder anfechtbar. Außerdem hat das Finanzamt dann auch keine Handhabe mehr, um einen Steuerbescheid aufzuheben.
Wie aber kommen wir von der Steuererklärung zur Steuerverjährung und dem damit verbundenen „Steuerfrieden“? Dieser Frage gehen wir nun nach und verfolgen dabei einmal auch den Zyklus, den das Besteuerungsverfahren hierbei vorschreibt. Dazu soll uns die Einkommensteuer als allgemeines Beispiel dienen.
2. Steuern und ihre Verjährung aus Sicht der Steuertheorie
2.1. Abgrenzung zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht
Bevor wir uns aber mit dem Ablauf der Steuer befassen, müssen wir einmal die Unterschiede zwischen dem materiellen Recht und dem Verfahrensrecht darstellen.
2.1.1. Inhalt und Umfang des materiellen Steuerrechts
Als materielles Recht bezeichnen wir hierbei die zur Erhebung der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und aller anderen Steuern greifenden Steuergesetze, welche durch Richtlinien und Erlasse Ergänzung finden. Dabei ergibt sich aus den einzelnen Steuergesetzen, welche Personen inwiefern und in welcher Höhe Steuern zu zahlen haben sowie welche Ausnahmen eventuell gegeben sind.
Ferner stuft man in der Steuertheorie die Bereiche, die zum Beispiel das Steuerschuldverhältnis, die Haftung oder die Vorschriften zu bestimmten Bedingungen, etwa zur Gemeinnützigkeit, ebenfalls als materielles Recht ein. Im Gegensatz zu den spezifischen Steuergesetzen gilt für diese Regelungen: diese Vorschriften begründen keine Steuern, nehmen aber auf sie Einfluss, insbesondere auf ihre Höhe.
2.1.2. Keine Begründung von Steuern durch das Verfahrensrecht
Das Verfahrensrecht bestimmt hingegen über die Art und Weise, wie der Staat Steuern erhebt. Somit beinhaltet das Verfahrensrecht ganz allgemein auch die Regelung der Rechtsverhältnisse zwischen Staat und Bürger. Also schreibt das Verfahrensrecht – im Steuerrecht ist es maßgeblich die Abgabenordnung (AO) – keine eigenen Steuern vor. Eine Steuer wird also keineswegs durch die AO begründet. Denn die AO regelt lediglich die Durchführung der Erhebung, Feststellung und Festsetzung der Steuer. Kurz gesagt: Die AO regelt den Steuerbescheid, das jeweilige Steuergesetz hingegen die Steuer.
2.2. Das Ineinandergreifen von materiellem Recht und Verfahrensrecht bei der Verjährung
Bevor es also zu einer Verjährung einer steuerlichen Gegebenheit kommt, muss zunächst ein Ineinandergreifen von materiellem Recht und Verfahrensrecht stattgefunden haben. Jedoch ist die Verjährung selbst eine Regelung, die ausschließlich im Verfahrensrecht begründet ist.
Dabei greift zunächst das materielle Steuerrecht, in dem es bei Erfüllung eines Tatbestands die Erhebung einer Steuer zur Folge hat. In unserem allgemeinen Beispiel Einkommensteuer ist es das Vorhandensein von Einkommen, das wiederum auf erzielte Einkünfte, etwa in Form von Honoraren eines Arztes oder einer Rechtsanwältin, basiert. Dazu erhebt der Staat die Einkommensteuer gemäß den Regelungen des Einkommensteuergesetzes. Gleichzeitig wahrt er aber auch die Regelungen der Abgabenordnung. Insbesondere bestimmte allgemeine Fristen sind hierbei relevant. Dazu zählt unter anderem, für welchen Zeitraum eine Besteuerung stattfindet (Veranlagungszeitraum), bis wann ein Steuerpflichtiger eine Steuererklärung einzureichen hat (Abgabefrist) sowie bis wann man welche Rechtsmittel einlegen kann (Rechtsbehelfsfrist), um einen Steuerbescheid anzufechten. Und schließlich regelt die AO auch den Zeitpunkt, ab wann eine Steuersache unveränderlich ist. Diese Frist ist als Verjährungsfrist definiert.
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3. Die Verjährung im Steuerrecht
Jede Formulierung für eine allgemeine Definition der Verjährung im Steuerrecht nimmt stets Bezug zur Festsetzungsfrist. Dabei tritt der Zustand der Verjährung genau dann ein, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Somit stellt der Zeitraum, über den sich die Festsetzungsfrist erstreckt, das einzige Zeitfenster im Rahmen einer Besteuerung dar, in der eine Finanzbehörde Steuern festsetzen, ändern oder aufheben darf. Alle Bemühungen in Bezug auf einen bereits ergangenen Steuerbescheid, die ein Finanzamt oder ein Steuerpflichtiger nach Eintritt einer Verjährung einleiten mag, bleiben somit ohne Wirkung.
Im Steuerrecht gibt es allerdings mehr als nur eine einzige Verjährung (zum Beispiel die Zahlungsverjährung). Sofern hierbei weder eine leichtfertige Steuerverkürzung noch eine Steuerhinterziehung vorliegen, beträgt die Verjährungsfrist für Verbrauchsteuern ein Jahr und für alle anderen Steuern vier Jahre. In diesem Teil möchten wir uns aber auf die Festsetzungsverjährung gemäß § 169 AO konzentrieren.
Hierzu kommen für die Festsetzungsverjährung also zwei wichtige Merkmale in Betracht: der Beginn und die Dauer der Frist. Dabei gibt es für das Ende der Frist keine gesetzliche Regelung, weil sich das Ende der Frist aus dem Beginn und der Dauer ergibt.
3.1. Beginn der Verjährung
Der Beginn der Festsetzungsverjährung (§ 170 AO) tritt regelmäßig mit Ablauf des Kalenderjahres ein, in dem man die Steuererklärung einreicht. Sollte man jedoch trotz Abgabepflicht keine Steuererklärung eingereicht haben, so beginnt die Festsetzungsfrist spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nach der Steuerentstehung. Im Einkommensteuerrecht ist die Steuerentstehung wiederum mit dem Ende des Veranlagungszeitraums verbunden. Tatsächlich ist dieser in aller Regel an das Kalenderjahr gebunden. Es können aber auch davon abweichende Wirtschaftsjahre als Veranlagungszeitraum in Frage kommen. Gerade im Bereich der Land- und Forstwirtschaft ist dies durchaus verbreitet.
3.2. Dauer der Frist bis zum Eintritt der Verjährung
Regulär dauert die Festsetzungsfrist in den meisten Fällen also vier Kalenderjahre. Hiervon gibt es zwei Abweichungen: Bei einer leichtfertigen Steuerverkürzung erhöht sich die Festsetzungsfrist auf fünf Jahre und bei einer Steuerhinterziehung erhöht sie sich sogar auf zehn Jahre. Im Umkehrschluss bedeutet dies, das der Tatbestand einer Steuerhinterziehung nach Ablauf der zehnjährigen Verjährungsfrist keine steuerlichen Folgen mehr hat.
3.3. Beispiele zur Berechnung des Fristverlaufs bis zum Eintritt der Verjährung
Das Ganze lässt sich an einigen Beispielen gut darstellen. Dazu wollen wir das Einkommen des Steuerpflichtigen Anton Knapp aus dem Jahr 2020 betrachten.
Übrigens sind Fristberechnungen fester Bestandteil der schriftlichen Prüfung zum Steuerberaterexamen.
3.3.1. Einreichen der Steuererklärung 2022
Im ersten Beispiel gibt Anton Knapp seine Einkommensteuererklärung für 2020 erst im Jahr 2022 ab.
Ganz nebenbei: Regulär endet die Abgabefrist zwar zum 31. Juli des auf den Veranlagungszeitraum folgenden Kalenderjahres (hier wäre dies der 31.07.2021). Jedoch kann die hier dargestellte Fristüberschreitung durchaus zulässig sein, wenn man einen Steuerberater mit der Erstellung der Steuererklärung beauftragt. Denn dann verlängert sich die Abgabefrist um sieben weitere Monate. Außerdem hat man aufgrund der aktuellen Pandemie derzeit eine allgemeine Verlängerung zur Abgabe der Einkommensteuererklärung bis zum 31.05.2022 eingeführt, sofern man auch hier eine Steuerberatung hinzuzieht. Daher wollen wir in unserem Beispiel annehmen, dass der Steuerberater von Anton Knapp die Steuererklärung spätestens zum 28.02.2022 beim Finanzamt einreicht.
Die Festsetzungsfrist beginnt somit mit Ablauf des Jahres 2022 und dauert vier Jahre. Sie endet damit mit Ablauf des Jahres 2026. Die vier Jahre Dauer der Festsetzungsfrist umfassen die Jahre 2023 bis 2026. Daher ist eine Änderung des Steuerbescheids ab dem Jahr 2027 prinzipiell ausgeschlossen (sofern eben keine leichtfertige Steuerverkürzung oder Steuerhinterziehung vorliegt).
3.3.2. Einreichen der Steuererklärung 2021
Hätte der Steuerpflichtige Anton Knapp stattdessen seine Steuererklärung für 2020 bereits 2021 eingereicht, dann würde sich die Festsetzungsfrist gegenüber der zuvor dargestellten Fristberechnung um ein Jahr verkürzen. Die Verjährung würde dann bereits mit Ablauf des Jahres 2025 statt Ende 2026 eintreten.
3.3.3. Der Steuerpflichtige reicht keine Steuererklärung ein, und das Finanzamt bleibt auch untätig
Doch wie sieht es aus, wenn Anton Knapp keine Steuererklärung abgibt? Für den Veranlagungszeitraum 2020 muss man dann den Beginn der Festsetzungsfrist auf den 31.12.2021 bestimmen. Die Festsetzungsfrist endet dann zum 31.12.2024, sodass zum 01.01.2025 die Verjährung eintritt. Hat bis dahin auch das für ihn zuständige Finanzamt keine Schritte zur Besteuerung seines Einkommens aus dem Jahr 2020 unternommen, die in einem in diesem Zeitraum ergangenen Steuerbescheid münden, bleiben die Einkünfte von Herrn Knapp rechtmäßig unversteuert. Voraussetzung dazu ist jedoch selbstverständlich, dass die Umstände hierbei keine leichtfertige Steuerverkürzung oder Steuerhinterziehung darstellen.
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4. Ablaufhemmungen verzögern die Verjährung
Damit zusammenhängend sind aber auch Ablaufhemmungen relevant. Dabei sind Ablaufhemmungen Umstände, die die Festsetzungsverjährung aussetzen, bevor der Umstand aufgelöst wurde. Mit anderen Worten hört man beim Eintritt einer Ablaufhemmung einfach auf, die Tage weiterzuzählen, die der Verjährungsfrist noch verbleiben. Wenn der Grund für die Ablaufhemmung wieder wegfällt, zählt man jedoch die verbleibenden Tage der Verjährungsfrist weiter, so, als ob es nie eine Unterbrechung gegeben hätte.
Das beste Beispiel hierfür wäre eine Betriebsprüfung beim Steuerpflichtigen. Denn im Fall einer Betriebsprüfung bleibt die Festsetzungsverjährung ausgesetzt, sofern der Steuerbescheid, den das Finanzamt aufgrund der Betriebsprüfung ändert, anfechtbar bleibt. Somit bedeutet dies, dass die Festsetzungsfrist – und somit die Verjährung – erst enden kann, wenn die Einspruchsfrist eines durch die Betriebsprüfung veranlassten geänderten Steuerbescheids abgelaufen ist.
Dabei ist eine Detailfrage wichtig: Im Fall der Betriebsprüfung beginnt die Ablaufhemmung mit dem Beginn der Betriebsprüfung, statt mit der Prüfungsanordnung.
Weitere Ablaufhemmungen können entstehen durch:
- laufende Einspruchs- und Klageverfahren
- Anträge des Steuerpflichtigen (zum Beispiel Antrag auf schlichte Änderung)
- fehlender beziehungsweise ausstehender Grundlagenbescheid
- Verfolgung einer Steuerstraftat (Steuerhinterziehung) oder Steuerordnungswidrigkeit
- ausgesetzte Steuerfestsetzung oder Vorläufigkeitsvermerk
5. Fazit zur Verjährung einer Steuerfestsetzung
Zwar mag die Verjährung einer Steuerfestsetzung gerade im Zusammenhang mit einer Einkommensteuererklärung auf den ersten Blick eher ohne große Bedeutung erscheinen. Immerhin stehen der Finanzverwaltung in der Regel ganze vier Jahre zum Erstellen eines Steuerbescheids zur Verfügung. Doch gibt es in der Praxis eine ganze Reihe von Situationen, in denen die Verjährung schneller voranschreitet, als man wahrnehmen mag. Insbesondere bei der Besteuerung von Unternehmen, die in komplexe Strukturen eingebunden sind, zumal solchen, die mit dem internationalen Steuerrecht im Zusammenhang stehen, kann die Verjährung schnell näher rücken. Wenig überraschend ist die Verjährung dann etwa auch bei der Prüfung einer Doppelbesteuerung vor Beantragung eines Verständigungsverfahrens relevant. In solchen sowie in einer Reihe von anderen Fällen sind Maßnahmen, die eine Ablaufhemmung beinhalten, naheliegend. Doch können sowohl Steuerpflichtige als auch die Finanzbehörden hiervon Gebrauch machen.
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