Steuerbescheid unter Vorbehalt der Nachprüfung oder vorläufig – Was heißt das?
Ein Steuerbescheid wird regelmäßig vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen. Doch was heißt das eigentlich, worunter unterscheiden sich die beiden Instrumente der Finanzverwaltung und welche Risiken können sich daraus für den Steuerpflichtigen ergeben? All diesen Fragen geht dieser Beitrag nach.
Unser Video: Änderung/Aufhebung von Steuerbescheiden
In diesem Video erklären wir, welche Möglichkeiten die Finanzverwaltung hat, um einen Steuerbescheid nachträglich zu ändern.
Inhaltsverzeichnis
1. Vorbehalt der Nachprüfung erklärt
Die Steuer kann gemäß § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden. Der Vorbehalt der Nachprüfung ist eine Nebenbestimmung zu dem Steuerbescheid als Verwaltungsakt. Sie führt zu einer weitergehenden Korrekturmöglichkeit und damit zu einer Suspendierung der materiellen Bestandskraft. Das Finanzamt braucht den Steuerfall bei der Steuerfestsetzung vorerst nicht abschließend zu prüfen. Somit ermöglicht der Vorbehalt der Nachprüfung bereits, bevor die Sachlage und Rechtslage abschließend geklärt ist, die Steuerfestsetzung. Somit ähnelt die Vorbehaltsfestsetzung einer Steueranmeldung. Der Vorbehalt der Nachprüfung erfasst stets den ganzen Bescheid.
Ziel des Vorbehalts der Nachprüfung ist es, die Steuerveranlagung im Massensteuerverfahren zu beschleunigen. Dadurch ist es möglich, schneller die Steuer erstmals festzusetzen und dadurch zu bewirken, dass Abschlagszahlungen früher fällig sind. Umgekehrt kommt es aber auch zu schnelleren Erstattungen für den Steuerpflichtigen, woraus sich das Risiko ergibt, dass dieser Rückzahlungen zurückerstatten muss.
2. Vorläufiger Steuerbescheid erklärt
Ein Steuerbescheid kann gemäß § 164 AO auch vorläufig erlassen werden. Die Steuer darf nur vorläufig festgesetzt werden, wenn ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung der Steuer eingetreten sind. Dabei muss die Finanzbehörde aber angemessene Aufklärungsbemühungen angestellt haben, unter denen dennoch Unsicherheiten verbleiben, die zurzeit nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwand beseitigt werden können. Der Erlass eines vorläufigen Steuerbescheids entbindet die Finanzbehörde anders als der Vorbehalt der Nachprüfung daher nicht von ihrer Amtsermittlungspflicht.
Haben Sie Fragen zu
Ihrem Steuerbescheid?
Unsere Kanzlei hat sich hierauf besonders spezialisiert. Vereinbaren Sie jetzt Ihren Beratungstermin mit unseren Steuerberatern und Rechtsanwälten:
3. Voraussetzungen für den Vorbehalt der Nachprüfung
3.1. Formelle Anforderungen
Der Vorbehalt der Nachprüfung bedarf keiner Begründung. Jedoch muss er für den Steuerpflichtigen aus dem Steuerbescheid klar erkennbar sein.
3.2. Vorbehalt der Nachprüfung: Tatbestandliche Voraussetzungen
Der Steuersachverhalt darf noch nicht abschließend überprüft sein, um die Steuer unter Vorbehalt der Nachprüfung zu setzen. Unzulässig ist es daher, einen eigentlich schon abschließend geprüften Sachverhalt unter Vorbehalt der Nachprüfung zu regeln, um sich den Steuervorfall offen zu halten und leichter korrigieren zu können. Abgeschlossen ist eine Prüfung, wenn kein Prüfungsbedürfnis mehr besteht oder eine so intensive Prüfung stattgefunden hat, dass eine nochmalige Überprüfung unwahrscheinlich erscheint. Prüfung in diesem Sinne kann jede Art von Sachverhaltsermittlung oder rechtlicher Überprüfung umfassen. Eine Außenprüfung ist daher nicht zwingend erforderlich.
In der Verwaltungspraxis wird die Steuer beispielsweise dann unter Vorbehalt festgesetzt, wenn der Steuerpflichtige der regelmäßigen Außenprüfung unterliegt oder wenn beabsichtigt ist, eine Außenprüfung durchzuführen. Abschließend prüft dann der Außenprüfer, so dass Doppelarbeit vermieden wird.
Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt schließlich automatisch mit Ablauf der regulären Festsetzungsfrist des § 169 Absatz 2 Satz 1 AO.
Auch der geänderte Steuerbescheid kann unter Vorbehalt der Nachprüfung gestellt werden. Allerdings kann der Änderungsbescheid nicht durch erstmaligen Vorbehalt verschärft werden. Jedoch ist der versehentlich unterlassene Vorbehaltsvermerk gemäß § 129 AO korrigierbar.
3.3. Ermessen für den Vorbehalt der Nachprüfung
Solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, kann die Finanzverwaltung die Steuer unter Vorbehalt der Nachprüfung festsetzen. Daher hat die Behörde Ermessen. Tatbestandlich verlangt § 164 AO nicht, dass die Finanzbehörde tatsächlich eine spätere Prüfung durchführt. Ermessensfehlerhaft ist der Vorbehalt der Nachprüfung aber dann, wenn die Amtswalter bei Festsetzung davon ausgeht, später keine endgültige Festsetzung durchzuführen. Erforderlich ist, daher dass sie ernsthaft weitere Prüfungshandlungen erwägt. Mangels Begründungspflicht sind jedoch Ermessensfehler kaum nachweisbar. Ermessensfehlerhaft ist es aber auch, wenn ein punktuell wirkender Vorläufigkeitsvermerk, der aus diesem Grund in die Rechte des Steuerpflichtigen weniger eingreift, gewählt hätte werden müssen.
Erkennt die Finanzbehörde nachträglich, dass sie eine endgültige Prüfung nicht mehr vornehmen wird, so hat sie den Vorbehalt der Nachprüfung aufzuheben. Die Aufhebung steht dann einer endgültigen Festsetzung gleich.
3.4. Rechtsschutz des Steuerpflichtigen
Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen (§ 164 Absatz 2 Satz 2 AO). Die Finanzbehörde kann jedoch die Entscheidung über den Antrag bis zur abschließenden Prüfung des Falles hinausschieben.
3.5. Vorbehalt der Nachprüfung: Rechtswirkungen
Der unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangene Steuerbescheid hat bereits alle Wirkungen eines endgültig erlassenen Steuerbescheids. Er bildet daher die Grundlage für die Erhebung und Vollstreckung der Steuer. Zudem kann Steuerhinterziehung schon dadurch begangen werden, dass die Steuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nicht voll festgesetzt worden ist. Die Tat ist dann auch schon vollendet und nicht bloß versucht. Jedoch hat der Vorbehaltsvermerk im Gegenstand zur vorläufigen Festsetzung keine Auswirkungen auf den Ablauf der Festsetzungsfrist.
Fachberatung für
Steuerverfahrensrecht?
Unsere spezialisierten Steuerberater und Rechtsanwälte beraten Sie gerne. Rufen Sie uns einfach an oder schildern Sie uns Ihr Anliegen per E-Mail:
4. Voraussetzungen für den vorläufigen Steuerbescheid
Anders als der Vorbehalt der Nachprüfung entbindet der Erlass eines vorläufigen Steuerbescheids nicht von der Ermittlungspflicht. Demnach darf der Steuerbescheid nur dann vorläufig erlassen werden, wenn die Voraussetzungen für das Entstehen der Steuer ungewiss sind. Darunter fällt beispielsweise die Ungewissheit über Tatsachen, wie den Wert eines Wirtschaftsguts oder die Einkünfteerzielungsabsicht.
Sind die Besteuerungsgrundlagen jedoch dauerhaft ungewiss, so sind sie zu schätzen oder es greifen die Regelungen der objektiven Beweislast. Demnach trägt das Finanzamt die objektive Beweislast für steuerbegründende und steuererhöhende Tatsachen. Der Steuerpflichtige trägt hingegen die Beweislast für steuerentlastende oder steuermindernde Tatsachen.
Der Vorläufigkeitsvermerk ist eine unselbstständige Nebenbestimmung und daher nicht isoliert anfechtbar. Jedoch kann die Finanzbehörde einen rechtswidrig gewordenen Vorläufigkeitsvermerk unter Beibehaltung des übrigen Bescheidinhalts aufheben. Der Vorläufigkeitsvermerk steht im Ermessen der Finanzbehörde und muss nicht den gesamten Teil des Steuerbescheids erfassen.
Steuerberater für Steuerverfahrensrecht
Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die steuerrechtliche Beratung zum Steuerverfahrensrecht spezialisiert. Im Rahmen der laufenden Steuerberatung schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:
Laufende Steuerberatung
- Steueranmeldung
- Verjährung von Steueransprüchen
- Korrektur von Steuerbilanzen
Betriebsprüfung
- Ablauf und Verfahren bei der Betriebsprüfung
- Richtiges Verhalten bei der Betriebsprüfung
- Bedeutung der Compliance für die Betriebsprüfung
Einspruch/Klage
- Einspruch richtig einlegen
- Einspruchsbefugnis bei der einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
- Klage vor dem Finanzgericht
- Aussetzung des Verfahrens des Verfahrens im Finanzprozess
- Revision vor dem Bundesfinanzhof gewinnen
- Steuerrechtsweg zum Bundesverfassungsgericht
Hierzu stehen Ihnen unsere Steuerberater und Rechtsanwälte an den Standorten Köln und Bonn gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Zudem beraten wir deutschlandweit per Telefon und Videokonferenz: