Festsetzungsfrist und Festsetzungsverjährung

Welche Besonderheiten gelten?

Festsetzungsfrist und Festsetzungsverjährung – §§ 169 bis 171 AO

Ist die Festsetzungsfrist einmal abgelaufen, tritt die sogenannte Festsetzungsverjährung ein. Erlass von Steuerbescheiden und deren Änderung sind für die jeweiligen Veranlagungszeiträume dann ausgeschlossen. Wir zeigen, was die §§ 169 bis 171 AO regeln, welche Ausnahmen es gibt und wie die Festsetzungsfrist in der Praxis berechnet wird. Einen wichtigen Schwerpunkt bilden dabei die Ablaufhemmungen nach § 171 AO.

Unser Video:
Festsetzungsfrist und Festsetzungsverjährung

In diesem Video erklären wir, was die Festsetzungsfrist ist und wann Festsetzungsverjährung eintritt.

Inhaltsverzeichnis

1. Grundsatz: Praktische Bedeutung von Festsetzungsfrist und Verjährung

Steuern sind ein – mehr oder weniger – emotionales Thema. Gleichzeitig stellen sie eine wirtschaftliche Belastung dar und verursachen Arbeitsaufwand, vor allem aufseiten der Finanzverwaltung. Damit für in der Vergangenheit abgeschlossene Steuerfälle irgendwann „Ruhe“ einkehrt, gibt es die Festsetzungsfrist. Ist diese einmal abgelaufen, tritt Festsetzungsverjährung ein – und damit das Verbot, für das betroffene Veranlagungsjahr noch Veranlagungsmaßnahmen jedweder Art durchzuführen.

Konkret sind nach § 169 Absatz 1 Satz 1 AO

  • die Festsetzung einer Steuer,
  • ihre Aufhebung oder
  • Änderung

unzulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. So scheidet beispielsweise eine Änderung des Bescheides nach den §§ 172 bis 177 AO aus. Vorbehalt der Nachprüfung und Vorläufigkeit (§§ 164 und 165 AO) entfallen ebenfalls mit Ablauf der Festsetzungsfrist. Dabei tritt die Festsetzungsverjährung regelmäßig nach vier Jahren ein (§ 169 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 AO). In den Fällen einer Steuerhinterziehung verlängert sie sich auf zehn, bei leichtfertiger Steuerverkürzung auf fünf Jahre (Satz 2).

Die Frist ist gewahrt, wenn der Steuerbescheid das Finanzamt vor ihrem Ende verlässt. Er muss dem Steuerpflichtigen zwar tatsächlich zugehen, dabei ist es aber unerheblich, wenn dies erst nach Eintritt der Festsetzungsverjährung geschieht (§ 169 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 AO und AEAO zu § 169, Randziffer 1).

1.1. Beginn der Festsetzungsfrist

In § 170 Absatz 1 AO regelt der Gesetzgeber den Grundsatz. Demnach beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf desjenigen Kalenderjahres, in dem die Steuer nach Einzelsteuergesetzen entstanden ist (§ § 37 Absatz 1 AO).

Doch wo ein Grundsatz, da auch eine Ausnahme. Diese finden wir in § 170 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 AO. Die Norm bezieht sich auf Steuerpflichtige, die zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet sind – etwa nach § 25 Absatz 3 EStG (Einkommensteuer) oder § 181 Absatz 2 Satz 1 AO (Feststellungserklärung). Nach ihr beginnt die Festsetzungsfrist am Ende des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens aber drei Jahre nach dem Entstehungsjahr.

Beispiel: Unternehmer U ist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung verpflichtet. Für das Kalenderjahr 2022 reicht er seine Steuererklärung trotz mehrmaliger Aufforderung und anschließender Schätzung nach § 162 AO erst Anfang 2026 ein. Die Festsetzungsfrist beginnt am 31.12.2025.

Abwandlung: Der Steuerpflichtige reicht die Erklärung für 2022 bereits am 01.05.2023 ein. Hier beginnt die Festsetzungsfrist am 31.12.2023.

1.2. Ende der Frist

Die Festsetzungsfrist endet entsprechend der in § 169 Absatz 2 AO genannten Zeiträume vier, fünf oder zehn Jahre nach ihrem Beginn. Die Fristberechnung richtet sich dabei nach den allgemeinen Grundsätzen des § 108 AO sowie der §§ 187 und 188 BGB. Fällt der Eintritt der Festsetzungsverjährung also auf einen Feiertag, Samstag oder Sonntag, verschiebt er sich auf den nächsten Werktag (§ 108 Absatz 3 AO).

Im Einzelfall ist die Festsetzungsfrist für eine Steuerart bereits abgelaufen, wenn das Finanzamt feststellt, dass eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO vorliegt. Für diese Steuerart tritt dann eine partielle Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre ein.

Beispiel: Der uns mittlerweile bekannte Unternehmer U hat im Jahr 2023 seine Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen für 2022 abgegeben. Die Festsetzungsfrist endet daher für alle drei Steuerarten am 31.12.2027. Im Januar 2029 stellt das Finanzamt fest, dass durch eine Manipulation der Buchhaltung sowohl der einkommen- als auch der gewerbesteuerliche Gewinn EUR 60.000 zu niedrig angesetzt wurde.

Lösung: Für die Steuerarten Einkommen- und Gewerbesteuer verlängert sich die Festsetzungsfrist auf 10 Jahre, da insoweit eine Steuerhinterziehung vorliegt (§ 169 Absatz 2 Satz 2 AO). Eine Änderung der Bescheide ist nach den Grundsätzen des § 173 AO möglich.

Abwandlung: Im Zuge der Ermittlungen stellt sich heraus, dass das Finanzamt fälschlicherweise von einer Steuerhinterziehung ausging, obwohl nur eine leichtfertige Verkürzung (§ 378 AO) vorlag. Eine Änderung scheidet aus, da die auf fünf Jahre verlängerte Festsetzungsfrist am 31.12.2028 endete.

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2. Ablaufhemmung nach § 171 AO: Hier tritt keine Festsetzungsverjährung ein!

Um zu vermeiden, dass der Eintritt der Festsetzungsverjährung zu ungerechtfertigten Steuervor- oder Nachteilen führt, existieren mit § 171 AO verschiedene Ablaufhemmungen. „Ablaufhemmung“ ist dabei wörtlich zu nehmen, denn der Ablauf der Festsetzungsfrist ist gehemmt, solange die entsprechenden Voraussetzungen der Norm vorliegen (AEAO zu § 171, Randziffer 1).

Praktisch relevant sind dabei vor allem die folgenden Ablaufhemmungen:

  • Änderungsantrag: Stellt der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist einen Antrag auf Aufhebung oder Änderung des Bescheids, läuft die Festsetzungsfrist erst ab, wenn über den Antrag entschieden wurde (§ 171 Absatz 3 AO). Selbiges gilt nach § 171 Absatz 3a AO für das Einspruchsverfahren, wenn der Einspruch vor Ablauf der Frist beim Finanzamt eingeht
  • Beginn einer Außenprüfung: Auch der Beginn einer Außenprüfung (§ 193 AO) schiebt das Ende der Festsetzungsfrist hinaus (§ 171 Absatz 4 Satz 1 AO). Der Prüfer muss allerdings vor dem Ende der Frist mit relevanten Prüfungshandlungen, etwa der Auswertung von Unterlagen, beginnen (AEAO zu § 171, Randziffer 3.5). Eine entsprechende Regelung für Steuerfahndungsprüfungen findet sich in § 171 Absatz 5 AO
  • Erlass von Grundlagenbescheiden: Ist ein Grundlagenbescheid für den Folgebescheid bindend (§ 182 Absatz 1 AO), endet die Festsetzungsfrist frühestens zwei Jahre nach Erlass des Grundlagenbescheids (§ 171 Absatz 10 Satz 1 AO). Hiermit stellt der Gesetzgeber sicher, dass die Änderungsmöglichkeit des § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 AO nicht ins Leere geht

Ablaufhemmungen nach § 171 AO spielen in der Praxis vor allem bei Außenprüfungen und Grundlagenbescheiden eine Rolle. Im Übrigen sind die Vorschriften der §§ 169 bis 171 AO auch auf Feststellungsbescheide anzuwenden. Dabei gilt nach § 181 Absatz 5 AO eine Sonderregelung für Feststellungsbescheide. Denn das Finanzamt kann die gesonderte Feststellung (§§ 179 und 180 AO) auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist durchführen, soweit sie für einen Folgebescheid relevant ist.  

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