Das Steuerstrafverfahren, insbesondere wegen Steuerhinterziehung eingeleitet, findet vor den ordentlichen Gerichten statt. Daher gelten hier alle üblichen Auskunftsverweigerungsrechte, auf die sich die Betroffenen beispielsweise auch bei Straftaten wie Körperverletzung oder Urkundenfälschung beziehen können. Soweit ein Auskunfts- oder Zeugnisverweigerungsrecht greift, müssen Beteiligte keinerlei Angaben zum jeweiligen Sachverhalt machen.
Inhaltsverzeichnis
1. Das Auskunftsverweigerungsrecht des Beschuldigten respektive Angeklagten
Das „Auskunftsverweigerungsrecht“ des Beschuldigten ist korrekterweise als „Aussageverweigerungsrecht“ zu bezeichnen. Denn der Beschuldigte selbst darf jegliche Aussage verweigern, während dies bei Zeugen nur in bestimmten Fallkonstellationen und meist auch nur partiell, das heißt hinsichtlich gesetzlich klar bestimmter Angaben, der Fall ist.
Der Beschuldigte ist nach § 136 Absatz 1 Satz 1 StPO beziehungsweise § 55 OWiG bereits vor Beginn der ersten Vernehmung darauf hinzuweisen, dass es ihm freistehe, sich zu der ihm vorgeworfenen Tat zu äußern. Gleichzeitig müssen Vernehmungsbeamte Aussagen über den konkreten Tatvorwurf treffen und den Beschuldigten darüber informieren, dass er zur Hinzuziehung eines Anwaltes befugt ist. Sofern die Staatsanwaltschaft eine Vernehmung selbst durchführt, muss sie auch die jeweiligen Normen, auf die sich der Vorwurf stützt, darlegen.
Verstößt die Strafverfolgungsbehörde – bei Steuerhinterziehung in der Regel das Finanzamt – gegen die ihr obliegenden Pflichten, kann dies ein Beweisverwertungsverbot zur Folge haben. Selbst ein Geständnis des Geschuldigten wäre in diesen Fällen gegebenenfalls wertlos.
Entsprechendes gilt für bestimmte Beschlagnahmeverbote, beispielsweise nach § 97 StPO, dem wir bereits einen eigenen Beitrag gewidmet haben.
2. Zeugnisverweigerungsrechte bestimmter Personen
Neben dem oder den Beschuldigten selbst haben auch weitere Personen ein Auskunftsverweigerungsrecht. Sofern es sich dabei um Zeugen handelt, ist auch von einem Zeugnisverweigerungsrecht die Rede. Geschützt sind insbesondere die folgenden Personengruppen:
- Angehörige des Beschuldigten
- Berufsgeheimnisträger und ihnen gleichgestellte Personen
- Personen, die sich oder ihre Angehörigen durch eine Aussage selbst der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen würden

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2.1. Auskunftsverweigerungsrechte der Angehörigen
Angehörige des Beschuldigten können, wenn sie als Zeugin oder Zeuge geladen werden, das Zeugnis verweigern (§ 52 Absatz 1 StPO). Angehörige sind:
- Verlobte
- Ehegatten, auch wenn die Ehe aufgelöst wurde
- Lebenspartner, auch wenn die Lebenspartnerschaft aufgelöst wurde
- Personen, die in gerader Linie mit dem Beschuldigten verwandt oder verschwägert sind (insbesondere Kinder und Eltern)
- Personen, die in der Seitenlinie bis zum dritten Grad mit dem Beschuldigten verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert sind
Bei minderjährigen Zeugen, die zur Verweigerung der Aussage befugt sind, muss der gesetzliche Vertreter eine Aussagegenehmigung erteilen (§ 52 Absatz 2 StPO). Die Zeugen müssen vor ihrer Aussage über das Aussageverweigerungsrecht belehrt werden (§ 52 Absatz 3 StPO). Das Ausbleiben dieser Belehrung kann zu einem Beweisverwertungsverbot führen.
2.2. Zeugnisverweigerungsrechte der Berufsgeheimnisträger
Berufsgeheimnisträger wie Steuerberater sind grundsätzlich begehrte Zeugen der Ermittlungsbehörden, da ihnen zahlreiche Informationen „aus erster Hand“ vorliegen. Entsprechend gelten hier umfassende Aussageverweigerungsrechte. Dabei findet § 53 StPO aber nur Anwendung, soweit den Berufsgeheimnisträgern die Informationen in ihrer beruflichen Eigenschaft bekannt geworden sind. Geschützt sind
- Geistliche,
- Verteidiger (Rechtsanwälte),
- Notare, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerbevollmächtigte und Steuerberater,
- Ärzte, Apotheker, Zahnärzte und
- Mitglieder des Deutschen Bundestages, des Europäischen Parlaments oder eines Landtags.
Hat der Beschuldigte den Berufsgeheimnisträger von der Wahrung des Berufsgeheimnisses befreit, so darf letzterer vernommen werden. Er kann sich dann nicht mehr auf sein Auskunftsverweigerungsrecht berufen (§ 53 Absatz 2 StPO). Einem Berufsgeheimnisträger stehen Personen, die bei dessen Tätigkeit mitwirken (etwa als Hilfskräfte) gleich (§ 53a StPO).

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2.3. Auskunftsverweigerungsrecht bei Gefahr der Beschuldigung
Jede Zeugin und jeder Zeuge kann das Zeugnis verweigern, wenn sie oder er sich durch eine wahrheitsgemäße Aussage selbst der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen würde (§ 55 Absatz 1 StPO). Entsprechendes gilt für Ordnungswidrigkeiten, wobei die Art der Ordnungswidrigkeit unerheblich ist. Auch hierüber hat eine entsprechende Belehrung zu erfolgen; außerdem muss das Vorliegen dieses Grundes glaubhaft gemacht werden.
Beispiel: A und B haben gemeinsam Steuern hinterzogen. Die Tat wird nur hinsichtlich des A entdeckt, B ist für die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes aber als Zeuge interessant. Nun wird B als Zeuge geladen und zu den Handlungen des A befragt. Da B sich durch eine Aussage selbst der Gefahr aussetzen würde, wegen (seiner eigenen) Steuerhinterziehung als Tatbeitrag verfolgt zu werden, darf er nach § 55 StPO die Aussage verweigern.
3. Nachträgliche Feststellung eines Auskunftsverweigerungsrechts
Stellt sich erst hinterher heraus, dass eine vernommene Person ein Auskunftsverweigerungsrecht hat, so dürfen die durch ihre Aussage gewonnenen Informationen nicht verwertet werden. Ein solcher Fall kann beispielsweise vorliegen, wenn im Zeitpunkt der Vernehmung bereits eine Verlobung bestand, die Zeugin den Vernehmungsbeamten aber nicht darauf hingewiesen hat.
Gerichtsurteile, die ganz oder teilweise nur durch Missachtung von Auskunftsverweigerungsrechten zustande gekommen sind, können angefochten werden. Das Berufungs- oder Revisionsgericht muss seine Entscheidung ohne die dem Verwertungsverbot unterfallenden Beweise erneut fällen. Stellt sich hier heraus, dass kein eindeutiger Nachweis der Tathandlungen möglich ist, so darf keine Verurteilung (mehr) erfolgen.
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Ein Steuerstrafverfahren ist dem Grunde nach ein „Verfahren wie jedes andere“ – und kann mit empfindlichen Strafen für die Beschuldigte oder den Beschuldigten enden. Auf den besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung (§ 370 Absatz 3 AO) stehen beispielsweise bis zu 10 Jahre Freiheitsentzug. Gleichzeitig scheidet eine Selbstanzeige nach § 371 AO bereits bei einem hinterzogenen Betrag von mehr als EUR 25.000 aus. In diesen Fällen besteht allerdings mitunter die Möglichkeit einer Einstellung des Steuerstrafverfahrens nach AO oder StPO.
1. Was ist eigentlich ein Steuerstrafverfahren?
Das Finanzamt leitet als zuständige Ermittlungsbehörde der Staatsanwaltschaft immer dann ein Steuerstrafverfahren ein, wenn der Verdacht einer Steuerstraftat besteht. Platz eins wird hier seit Jahrzehnten, wie könnte es anders sein, von der Steuerhinterziehung nach § 370 AO belegt. Diesen Tatbestand erfüllt ein Steuerpflichtiger nach § 370 Absatz 1 AO, wenn er
- den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
- das Finanzamt über Tatsachen, die offenzulegen sind, pflichtwidrig in Unkenntnis lässt, oder
- die Verwendung vorgeschriebener Steuerzeichen (relevant beispielsweise bei Tabakwaren) unterlässt,
und dadurch Steuern verkürzt, Steuervorteile erlangt oder Steuervergütungen erhält (§ 370 Absatz 4 Satz 1 AO). Die Steuerhinterziehung ist ein sogenanntes Erfolgsdelikt, da der Tatbestand erst erfüllt ist, wenn der entsprechende Steuerbescheid tatsächlich erlassen wurde. Unerheblich ist allerdings, ob das Finanzamt die Steuern unter Vorbehalt der Nachprüfung oder vorläufig festsetzt (§§ 164 und 165 AO).
Stellt das Finanzamt – gegebenenfalls auch durch die Veranlagungsstelle – fest, dass ein entsprechender Tatbestand erfüllt ist, kann es das Steuerstrafverfahren einleiten. Hierüber ist ein entsprechender Aktenvermerk anzulegen. Neben dem Finanzamt haben auch Polizei und Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, das Steuerstrafverfahren zu eröffnen (§ 397 Absatz 1 und 2 AO).
Zu einer Einstellung des Steuerstrafverfahrens kann es, der Logik des Gesetzes folgend, also erst nach dessen Einleitung kommen. Hat der Steuerpflichtige eine wirksame Selbstanzeige nach § 371 AO abgegeben, ist auf das Verfahren zu verzichten – denn das Finanzamt darf den Täter dann nicht wegen der Steuerstraftat verfolgen.
2. Einstellung des Steuerstrafverfahrens trotz unwirksamer Selbstanzeige?
Eine Selbstanzeige führt zwar dem Grunde nach zur Straffreiheit, für die Wirksamkeit einer solchen gelten aber hohe Hürden. Der Steuerpflichtige muss nach § 371 Absatz 1 Satz 1 AO
- zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart,
- die zum Zeitpunkt der Anzeige unverjährt sind,
- mindestens aber für die letzten zehn Jahre
sämtliche Angaben berichtigen oder nachholen. Nach § 371 Absatz 2 AO ist Straffreiheit, auch wenn alle Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind, ausgeschlossen, wenn
- das Finanzamt bereits Ermittlungsmaßnahmen eingeleitet hat und der Steuerpflichtige hiervon wusste oder damit rechnen musste,
- die Tat bereits entdeckt war,
- die – je Tat – hinterzogene Steuer den Betrag von EUR 25.000 übersteigt, oder
- einer der besonders schweren Fälle des § 370 Absatz 3 Nummern 2 bis 6 AO vorliegt.
Mitunter kommt es also erst durch die Einreichung einer (unwirksamen) Selbstanzeige zur Einleitung eines strafrechtlichen Verfahrens. Einer der häufigsten Gründe für ihre Unwirksamkeit ist die Höhe der hinterzogenen Steuer respektive das Überschreiten der EUR-25.000-Grenze. Hier bleibt im Ergebnis nur noch die Einstellung des Steuerstrafverfahrens, wenn die Täterin oder der Täter straffrei bleiben möchte.
Zuständig für die Entscheidung für oder gegen die Einstellung des Verfahrens ist die Staatsanwaltschaft als „Verfahrensherrin“. Sie hat hierbei die Auswahl aus drei zentralen Vorschriften:
- Einstellung wegen Geringfügigkeit nach § 398 AO
- Einstellung des Steuerstrafverfahrens in besonderen Fällen des § 398a AO
- Einstellung unter Auflage und Weisung nach § 153a StPO
Die Verhängung einer Freiheitsstrafe auf Bewährung stellt eine Verurteilung und keine Einstellung des Steuerstrafverfahrens dar. Dies gilt auch dann, wenn dem Täter durch das Gericht zusätzlich zur Freiheitsstrafe Auflagen gemacht werden.

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2.1. Einstellung wegen Geringfügigkeit nach § 398 AO
Die Staatsanwaltschaft kann das Steuerstrafverfahren einstellen, wenn
- durch die Steuerhinterziehung nur eine geringwertige Steuerverkürzung eingetreten ist,
- die Schuld des Täters als gering anzusehen ist, und
- kein öffentliches Interesse an der Eröffnung einer Hauptverhandlung
besteht (§ 398 Satz 1 AO). Führt das Finanzamt das Steuerstrafverfahren ausschließlich (also ohne Mitwirkung der Staatsanwaltschaft) durch, ist es ebenfalls zur Einstellung befugt (§ 386 Absatz 2 AO).
Wann eine Steuerhinterziehung „noch“ als „geringwertig“ anzusehen ist, ist in der Praxis umstritten. Als Durchschnitt können EUR 500 (je Tat) angesehen werden. Die völlig sanktionslose Einstellung ohne Auflagen von Verfahren, die einen höheren Hinterziehungsbetrag zum Gegenstand haben, scheine aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit bedenklich (Klein/Jäger, AO, § 398, Randziffer 4).
Die Voraussetzungen „geringe Schuld“ und „öffentliches Interesse“ sind nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Liegen gar keine Anhaltspunkte für eine Schuld des Täters vor, kommt die Einstellung des Steuerstrafverfahrens allerdings bereits nach § 170 Absatz 2 Satz 1 StPO in Betracht.
2.2. Einstellung des Steuerstrafverfahrens in besonderen Fällen des § 398a AO
Während § 398 AO lediglich auf die „Geringfügigkeit“ der Handlung abstellt, stellt § 398a AO erheblich umfassendere Anforderungen an die Einstellung des Steuerstrafverfahrens. Denn die Norm knüpft unmittelbar an die Unwirksamkeit einer eingereichten Selbstanzeige an, wobei diese entweder durch § 371 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 oder Nummer 4 AO gegeben sein musste.
Kernvoraussetzung ist also eine Selbstanzeige, die unwirksam ist, weil der Täter
- mehr als EUR 25.000 hinterzogen hat oder
- Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall begangen hat (unter anderem bei Missbrauch der Stellung als Amtsträger und bandenmäßiger Begehung der Taten),
gleichzeitig aber eine Selbstanzeige abgegeben hat, die nach § 371 Absatz 1 AO grundsätzlich wirksam und vollständig war.
Das Gesetz enthält außerdem verbindliche Weisungen, die einer Auflage im Sinne der StPO gleichkommen. Denn der Täter muss, um eine Einstellung des Steuerstrafverfahrens nach § 398a AO zu erreichen, folgende Beträge entrichten:
- Sämtliche hinterzogenen Steuern, die auf sie entfallenden Zinsen sowie Hinterziehungszinsen (§§ 233a und 235 AO)
- 10 % der hinterzogenen Steuer, wenn insgesamt weniger als EUR 100.000 hinterzogen wurden
- 15 % des Hinterziehungsbetrages, wenn mehr als EUR 100.000, aber weniger als EUR 1.000.000 hinterzogen wurden
- 20 % der hinterzogenen Steuer, wenn diese insgesamt bei EUR 1.000.000 oder darüber liegt
Die Einstellung erfolgt mit Leistung aller geforderten Geldbeträge innerhalb der durch die Staatsanwaltschaft oder das Finanzamt gesetzten Frist. Verstöße gegen § 398a AO führen zum „Wiederaufleben“ des Verfahrens; dies gilt insbesondere für Fälle, in denen sich erst nachträglich herausstellt, dass die Selbstanzeige unvollständig war (§ 398a Absatz 3 AO).

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2.3. Einstellung unter Auflagen und Weisungen nach § 153a StPO
Abschließend besteht die Möglichkeit einer Einstellung des Steuerstrafverfahrens nach § 153a Absatz 1 Satz 1 StPO, wobei die Zustimmung des zuständigen (Amts-) Gerichtes vorausgesetzt wird. Die Einstellung erfolgt unter Auflagen und Weisungen, die dadurch in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Straffreiheit stehen. Kommt der Täter seiner Verpflichtung nicht nach, ist Straffreiheit ausgeschlossen.
Als Auflagen oder Weisungen kommen nach § 153a Absatz 1 Satz 2 StPO insbesondere in Betracht:
- Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens
- Zahlung eines Geldbetrages zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse
- Erbringung sonstiger gemeinnütziger Leistungen
- Teilnahme an Kursen und Seminaren
Die Erteilung der Auflage erfolgt unter einer bindenden Frist. Werden alle Auflagen und Weisungen erfüllt, ist keine Verfolgung der Tat mehr möglich.
3. Wirksame Selbstanzeige von Anfang an gut vorbereiten!
Die Einstellung eines Steuerstrafverfahrens hängt regelmäßig von diversen Voraussetzungen und der Erfüllung zusätzlicher Pflichten ab. Sinnvoller ist daher, die Selbstanzeige nach § 371 AO von Anfang an so auszugestalten und einzureichen, dass sie unmittelbar zu Straffreiheit führt.
Allerdings bietet § 398a AO einen möglichen Ausweg, der aber de facto nur bei Scheitern der wirksamen Selbstanzeige durch eine betragsmäßig zu hohe Steuerhinterziehung infrage kommt. Auch hier ist die Anzeige selbst und ihr Inhalt also zentraler Bestandteil.
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Während bei Taten nach dem Strafgesetzbuch (StGB) lediglich eine Milderung der Strafe nach § 46b Absatz 1 StGB infrage kommt, enthält § 371 AO einen persönlichen Strafaufhebungsgrund. Liegen die tatbestandlichen Merkmale vor, wird der Täter aufgrund seiner wirksamen Selbstanzeige nicht für die begangene Steuerhinterziehung bestraft. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass eine unwirksame Selbstanzeige keine Strafbefreiung bewirkt.
Inhaltsverzeichnis
1. Grundsatz: Wirksame Selbstanzeige bei einer Steuerhinterziehung
Die Selbstanzeige ist in § 371 AO geregelt und bezieht sich explizit auf Steuerstraftaten, namentlich insbesondere die Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 AO. Damit die Norm überhaupt Anwendung findet, muss also zunächst eine Steuerhinterziehung – und nicht etwa eine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO – vorliegen.
Steuern sind im Sinne des § 370 Absatz 1 und 4 AO hinterzogen, wenn sie durch
- fehlende,
- fehlerhafte,
- unvollständige oder
- unrichtige
Angaben des Steuerpflichtigen oder einer anderen Person gar nicht, zu niedrig oder zu spät festgesetzt werden (§ 370 Absatz 4 Satz 1 AO). Zu Unrecht erhaltene Steuervergütungen und sonstige Steuervorteile (etwa eine Vorsteuer-Erstattung oder höhere als die zulässigen Abschreibungen) stehen verkürzten Steuern gleich.
Wer also beispielsweise seine Einkommensteuer-Vorauszahlungen herabsetzen lässt, obwohl er weiß, dass seine Einkünfte hierfür zu hoch sind, kann ebenfalls eine Steuerhinterziehung begehen. Vollumfängliche Strafbarkeit nach § 370 AO besteht allerdings nur bei vorsätzlichem Handeln („Wissen und Wollen“ im Sinne des § 15 Alternative 1 StGB). Die grob fahrlässige Verkürzung von Steuern wird nach § 378 AO lediglich als Ordnungswidrigkeit bestraft.
Liegen die Voraussetzungen des § 370 AO vor, so werden alle Tatbeteiligten als Täter, Mittäter, Anstifter oder Gehilfen (§§ 25 bis 27 StGB) bestraft. Sie haben entsprechend alleine oder gemeinsam die Möglichkeit, eine wirksame Selbstanzeige abzugeben.
2. Inhalt und Folgen einer Selbstanzeige nach § 371 AO
Mit der Möglichkeit einer wirksamen und dadurch strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO privilegiert der Gesetzgeber Steuerstraftaten gegenüber „sonstigen“ Straftaten teils erheblich. Denn er gibt mit ihr Personen, die Steuern hinterzogen haben, ein umfassendes Werkzeug zur Vermeidung strafrechtlicher Konsequenzen an die Hand. Schauen wir uns daher einmal etwas genauer an, wie diese Privilegierung zu rechtfertigen ist, welchen Inhalt eine wirksame Selbstanzeige mindestens haben muss und wie weit ihre Auswirkungen reichen.

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2.1. Die Privilegierung des Steuerstraftäters gegenüber anderen Straftätern
Mit der Möglichkeit einer wirksamen Selbstanzeige können Steuerstraftäter einer Bestrafung wegen Steuerhinterziehung vollständig entgehen. Die Vorschrift beinhaltet daher eine offensichtliche Privilegierung der Tatbeteiligten, denn beispielsweise bei einem Diebstahl kann auch dann keine Straffreiheit eintreten, wenn der Täter
- den entwendeten Gegenstand an das Opfer zurückgibt,
- sich entschuldigt und
- zusätzlich die durch den Diebstahl verursachten Mehraufwendungen (zum Beispiel Verdienstausfall) ersetzt.
In solchen Fällen wird zwar regelmäßig eine Strafmilderung nach den §§ 46b und 49 StGB infrage kommen, allerdings keine vollständige Straffreiheit eintreten. Rechtfertigen lässt sich § 371 AO daher vor allem mit zwei Wirkungen (unter anderem auch durch Urteil des BVerfG vom 28.06.1983, 1 BvL 31/82 für verfassungsgemäß erklärt):
- Erschließung bisher verborgener Steuerquellen: Spätestens durch die Selbstanzeige kommen Einkommensquellen des Steuerpflichtigen zum Vorschein. Der Fiskus profitiert dadurch für bis zu zehn Jahre rückwirkend, aber auch im Hinblick auf die Zukunft – schließlich ist die Einkunftsquelle des Steuerpflichtigen nun dauerhaft bekannt
- Rückkehr zur Steuerehrlichkeit: Die Komplexität und Vielschichtigkeit des Steuersystems sorgt, gemeinsam mit internationalen Bezügen, für viele nur noch schwer kontrollierbare Vorschriften. Die Finanzverwaltung ist daher in der Mehrheit der Fälle auf die Ehrlichkeit der Bürger angewiesen
Trotz vorhandener Rechtfertigungsgründe und der Verfassungsmäßigkeit verzichtet der Staat bei einer wirksamen Selbstanzeige auf seinen in § 370 AO verankerten Strafanspruch. § 371 AO ist daher eine Ausnahme und entsprechend restriktiv auszulegen. Dies gilt insbesondere für die Sperrgründe des § 371 Absatz 2 AO, die zur Unwirksamkeit der Selbstanzeige führen.
2.2. Notwendiger Inhalt einer wirksamen Selbstanzeige
Um eine tatsächlich wirksame Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO abzugeben, müssen entsprechend des Absatzes 1
- zu allen Steuerstraftaten
- einer Steuerart (etwa Umsatzsteuer) und
- in vollem Umfang
alle fehlerhaften respektive unterbliebenen Angaben berichtigt oder nachgeholt werden. Notwendig ist dabei die Offenlegung sämtlicher Angaben zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens jedoch der letzten zehn Kalenderjahre gerechnet ab Abgabe der Selbstanzeige (§ 371 Absatz 1 Satz 2 AO). Infolge einer wirksamen Selbstanzeige tritt die Straffreiheit partiell, das heißt explizit nur für die Steuerart, für die der Steuerpflichtige alle Angaben berichtigt und nachgeholt hat, ein.
Gegenstand der Selbstanzeige ist daher die Gesamtheit aller Steuerstraftaten einer Steuerart der letzten zehn Jahre. Holt der Steuerpflichtige nur die Angaben einzelner Steuerstraftaten nach, ist die Anzeige insgesamt unwirksam.
Nach einschlägiger Rechtsprechung muss die Selbstanzeige nicht so ausführlich sein, dass das Finanzamt ohne jegliche Nachforschungen eine geänderte Festsetzung durchführen kann. Sie müssen aber ausreichen, um sämtliche Steuerstraftaten der jeweiligen Steuerart lückenlos aufzuklären und so die materiell richtige Steuer festzusetzen.
2.3. Form der Selbstanzeige nach § 371 AO
Der Gesetzgeber stellt in § 371 AO keine besonderen Anforderungen an die Form einer wirksamen Selbstanzeige. Gewisse Formerfordernisse und Vorgehensweisen können sich aber aus den Sperrgründen des Absatzes 2 ergeben, denn nur wenn eine Steuerstraftat bislang unentdeckt geblieben ist, entfaltet die Selbstanzeige auch tatsächlich ihre strafbefreiende Wirkung (§ 371 Absatz 2 Nummer 2 AO).
In der Praxis ist daher von der „Selbstanzeige in Stufen“ abzuraten. Hierbei werden dem Finanzamt Stück für Stück weitere Informationen zum strafbewährten Sachverhalt mitgeteilt. Der Steuerpflichtige trägt in diesen Fällen das Risiko, dass die gesamte Tat bereits auf der ersten Stufe entdeckt wird und die Selbstanzeige der nächsten „Stufen“ keine strafbefreiende Wirkung mehr entfalten kann – wohl aber auf der ersten Stufe, wenn die Anzeige insoweit wirksam war (§ 371 Absatz 1 AO).
Adressat der Selbstanzeige ist das für die jeweilige Steuer örtlich und sachlich zuständige Finanzamt. Nach herrschender Meinung ist es allerdings unschädlich, die Anzeige bei jeder anderen (zuständigen) Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 AO einzureichen. Denn der Gesetzgeber verwendet in § 371 Absatz 1 Satz 1 AO lediglich den Terminus „gegenüber der Finanzbehörde“, sodass auch eine für das Verfahren selbst unerhebliche Verbindung zum Steuerpflichtigen ausreicht.

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3. Ausschluss der wirksamen Selbstanzeige nach § 371 Absatz 2 AO
In § 371 Absatz 2 AO sind abschließend Hinderungsgründe aufgeführt. Sie schließen, auch wenn im Übrigen die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, eine wirksame Selbstanzeige aus. Besonders relevant sind die folgenden Umstände nach § 371 Absatz 2 Nummer 1 AO:
- Dem Steuerpflichtigen wurde vor Eingang der Anzeige eine Prüfungsanordnung (PA) im Sinne der §§ 196 und 197 AO bekanntgegeben. Die PA ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 118 Satz 1 AO, sodass die Vorschriften über die Bekanntgabe nach § 122 Absatz 2 AO anzuwenden sind. Eine Bekanntgabe findet demnach grundsätzlich am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post statt; die Beweislast liegt allerdings beim Finanzamt. Im Falle der Zustellung ist der auf der Zustellungsurkunde (PZU) vermerkte Zeitpunkt maßgebend
- Dem Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter (etwa Steuerberater) wurde die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben
- Ein Amtsträger der Finanzbehörde ist zur Außenprüfung, etwa einer Umsatzsteuer-Nachschau, oder zur Durchführung straf- oder bußgeldrechtlicher Ermittlungen erschienen
In den Fällen der Außenprüfung (Betriebsprüfung, USt- oder LSt-Sonderprüfung) tritt die Unwirksamkeit der Selbstanzeige nur für die Steuerarten und Besteuerungszeiträume ein, auf die sich die Prüfungsanordnung oder Prüfungshandlung der Finanzbehörde bezieht. Maßgebend ist also der Inhalt des bekanntgegebenen Verwaltungsaktes (§§ 118 Satz 1 und 124 Absatz 1 Satz 2 AO).
Straffreiheit ist außerdem ausgeschlossen, wenn eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung ganz oder teilweise bereits entdeckt wurde und der Steuerpflichtige hiervon entweder wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage mit der Entdeckung rechnen musste (§ 371 Absatz 2 Nummer 2 AO).
Abschließend liegt keine wirksame Selbstanzeige vor, wenn die verkürzte Steuer je Tat den Betrag von EUR 25.000 übersteigt (§ 371 Absatz 2 Nummer 3 AO). Der entsprechende Grenzbetrag gilt für ungerechtfertigterweise erlangte oder erhaltene Steuervorteile und Steuervergütungen.
4. Unverzügliche Nachentrichtung von Steuern und Zahlung von Zinsen
Liegt dem Grunde nach eine wirksame Selbstanzeige nach § 371 Absatz 1 AO vor und sind keine Ausschlussgründe nach Absatz 2 erkennbar, kommt Absatz 3 zur Anwendung. Denn die Straffreiheit tritt nur ein, wenn der Steuerpflichtige
- die gesamte hinterzogene Steuer,
- gegebenenfalls zu Unrecht erhaltene Steuervorteile und
- auf die entsprechenden Beträge anfallende Zinsen nach § 235 AO
innerhalb einer vom Finanzamt zu bestimmenden, angemessenen Frist (nach-) zahlt. Bis zur Leistung der Zahlung ist noch keine Straffreiheit eingetreten; es besteht lediglich ein mit einer Anwartschaft vergleichbarer Anspruch auf diese. Gegen die Fristsetzung kann sich der Betroffene wehren, eröffnet ist der Weg zu den ordentlichen Gerichten (Klein/Jäger, AO, § 371, Randziffer 229).
5. Keine wirksame Selbstanzeige – Absehen von der Verfolgung nach § 398a AO
Erstattet der Steuerpflichtige nur deshalb keine wirksame Selbstanzeige, weil
- die hinterzogene Steuer oder der erlangte Steuervorteil nach § 371 Absatz 2 Nummer 3 AO bei mehr als EUR 25.000 liegt oder
- ein besonders schwerer Fall (§§ 370 Absatz 4 Nummern 2 bis 6 und 371 Absatz 2 Nummer 4 AO) vorliegt,
so kommt ein Absehen von der Verfolgung nach § 398a Absatz 1 AO in Betracht. Die Staatsanwaltschaft kann das Verfahren wegen Steuerhinterziehung entsprechend einstellen. Voraussetzung ist aber auch hier, dass alle hinterzogenen Steuern nach- und erhaltene Steuervergütungen zurückgezahlt werden. Außerdem hat der Steuerpflichtige die anfallenden Zinsen nach § 235 AO zu entrichten.
Weitere Voraussetzung für die Einstellung des Strafverfahrens ist die Zahlung eines Geldbetrages. Dessen Höhe bemisst sich prozentual nach der hinterzogenen Steuer und beträgt nach § 398 Absatz 1 Nummer 2 AO:
- 10 %, wenn der Hinterziehungsbetrag bei maximal EUR 100.000 lag
- 15 %, wenn der Hinterziehungsbetrag zwar bei mehr als EUR 100.000, aber weniger als EUR 1.000.000 lag
- 20 % bei einem Hinterziehungsbetrag von mehr als EUR 1.000.000
Beispiel: A hat insgesamt EUR 500.000 an Einkommensteuer hinterzogen. Er reicht eine dem Grunde nach wirksame Selbstanzeige beim Finanzamt ein. Durch § 371 Absatz 2 Nummer 3 AO löst diese aber keine Straffreiheit aus, weil der hinterzogene Betrag die Grenze von EUR 25.000 übersteigt. Finanzamt und Staatsanwaltschaft betreiben nun das Steuerstrafverfahren gegen A.
Der Staatsanwalt kann das Verfahren nun einstellen, wenn A
- die hinterzogene Steuer von EUR 500.000 vollständig nachzahlt,
- Zinsen von derzeit 6 % pro Jahr (0,5 % pro Monat) entrichtet und
- 15 % von EUR 500.000, hier also EUR 75.000, als zusätzliche Zahlung an die Staatskasse leistet.
6. Achtung: Puffer bei Selbstanzeige einplanen!
Bei Selbstanzeigen nach § 371 AO ist es zweckmäßig, einen gewissen finanziellen Puffer einzuplanen. Dem Finanzamt sollte also tendenziell eine höhere als die tatsächlich hinterzogene Steuer mitgeteilt werden. So stellen wir als Steuerkanzlei sicher, dass auch dann strafbefreiende Wirkung eintritt, wenn das Finanzamt von den nachgeholten Angaben abweicht.
Beispiel: Es wird ein Betrag von EUR 100.000 an verschwiegenen Gewinnen berechnet, auf den EUR 40.000 Steuer nachzuentrichten sind. Dieser Aufforderung des § 371 Absatz 3 AO kommt der Steuerpflichtige auch nach. Das Finanzamt erkennt nun diverse Betriebsausgaben nicht an und errechnet einen Gewinn von EUR 150.000. Hierauf fielen EUR 60.000 an Steuer an.
Der Steuerpflichtige hat im genannten Beispiel eine zu niedrige Steuer nachgezahlt. Das Finanzamt kann die Selbstanzeige nun als unwirksam verwerfen und von Straffreiheit nach § 371 Absatz 1 AO absehen.
Sind nun die geänderten Bescheide ergangen, können wir hiergegen wieder Einspruch einlegen und so die materiell-rechtlich korrekte Steuer feststellen lassen. So umgehen wir das Risiko eines zu niedrig nachentrichteten Steuerbetrages.
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Für das Steuerstrafverfahren gelten die allgemeinen strafrechtlichen Vorschriften, zu finden insbesondere im Strafgesetzbuch (StGB). Insbesondere bei einer Steuerhinterziehung ist daher zwischen originärer Täterschaft und Mittätern, Beihilfe sowie der Anstiftung zu unterscheiden. Besonderheiten ergeben sich dabei im Einzelnen durch gemeinsame Erklärungspflichten und die Mitwirkung von Steuerbevollmächtigten. Ein Überblick!
Inhaltsverzeichnis
1. Grundsatz: Täterschaft im Steuerstrafverfahren
Nach § 370 Absatz 1 AO wird mit bis zu fünf, in besonders schweren Fällen des Absatzes 3 auch mit bis zu zehn, Jahren Freiheitsstrafe bestraft, wer eine Steuerhinterziehung im Sinne der genannten Norm begeht. Für uns interessant ist dabei das Wörtchen „wer“, denn dieses bezieht sich auf die Täterschaft im Sinne strafrechtlicher und prozessualer Normen. Über § 385 Absatz 1 AO gelten die Vorschriften des StGB entsprechend, wobei es vor allem auf die folgenden Definitionen ankommt:
- Täterschaft und Mittäterschaft im Sinne des § 25 StGB
- Anstiftung zu einer Straftat im Sinne des § 26 StGB
- Beihilfe zur Steuerstraftat im Sinne des § 27 StGB
Den Strafvorschriften gegenüber stehen die Vorschriften über Ordnungswidrigkeiten, insbesondere des OWiG, die nach § 377 Absatz 2 AO auch für das Verfahren in Steuerordnungswidrigkeiten nach den §§ 378 bis 384a AO anzuwenden sind. Die Definitionen und Regelungen des StGB gelten im OWi-Verfahren nur, soweit das OWiG selbst auf sie verweist.
Schauen wir uns nun einmal an, wie sich Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe bei Steuerhinterziehung darstellen. Im Fokus stehen dabei neben den allgemeinen Definitionen auch die Besonderheiten des Besteuerungsverfahrens, etwa durch die gesonderte Feststellung oder eine Zusammenveranlagung von Ehegatten.
1.1. Täterschaft und Mittäterschaft im Sinne des § 25 StGB
Bei der Steuerhinterziehung handelt es sich nach ständiger Rechtssprechung des BGH um ein sogenanntes „Jedermannsdelikt“. Für die Anwendung des § 370 Absatz 1 AO ist daher unerheblich, ob der Steuerpflichtige selbst die Steuer hinterzieht (unmittelbare Täterschaft) oder ob die Hinterziehung – mit oder ohne Wissen des Beteiligten – durch eine andere Person erfolgt (mittelbare Täterschaft; unter anderem BGH vom 06.06.2007, 5 StR 127/07). Ausschlaggebend ist nur, dass die handelnde Person Einfluss auf das Besteuerungsverfahren nimmt und dadurch eine Verkürzung von Abgaben oder die Gewährung ungerechtfertigter Vorteile im Sinne des § 370 Absatz 4 AO bewirkt (Klein/Jäger, AO, § 370, Randziffer 25a).
Täter im Sinne des § 25 Absatz 1 StGB ist, wer eine (Steuer-) Straftat durch
begeht. Als sogenannte Mittäter werden Personen bestraft, die die Straftat gemeinschaftlich begehen (§ 25 Absatz 2 StGB). Juristische Personen können keine Täter im Sinne des § 25 StGB sein, sodass beispielsweise bei der Steuerhinterziehung für eine GmbH der handelnde Geschäftsführer zu bestrafen ist. Ausgeschlossen ist in derartigen Fällen, dass der GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer gemeinsam mit „seiner“ GmbH als Mittäter bestraft wird.
In den Fällen der Mittäterschaft muss sich jeder Beteiligte den Tatbeitrag der jeweils anderen Person zurechnen lassen. Im Ergebnis erfolgt die Festlegung der Strafe so, als wären alle Handlungen nur von einer (natürlichen) Person vorgenommen worden. Gibt beispielsweise ein Drittschuldner wie die Bank eine falsche Drittschuldnererklärung ab und hat der Vollstreckungsschuldner hiervon Kenntnis, machen sich beide mitunter der Steuerhinterziehung strafbar (BGH vom 18.12.1975, 4 StR 472/75).
Nach herrschender Meinung können Täter eine Steuerhinterziehung nur Personen sein, die auch Mitwirkungspflichten im weiten Sinne treffen. Dies sind beispielsweise
- Abgabe der Steuererklärung (en) nach § 149 AO,
- Mitwirkungspflichten bei der Aufklärung des Sachverhalts nach § 90 AO und
- Pflicht zur Anmeldung eines Unternehmens nach § 138 AO.

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1.2. Anstiftung zu einer Straftat nach § 26 StGB
Nach § 26 StGB sind Personen, die vorsätzlich
- eine andere Person
- zu deren vorsätzlich begangener
- Tat (Vergehen oder Verbrechen)
bestimmt haben, entsprechend einer originären Täterschaft und damit wie der Täter selbst zu bestrafen. Entscheidend ist die tatsächliche Begehung der Tat durch den schlussendlichen Täter im Sinne des § 25 StGB (Wortlaut der Norm, „…vorsätzlich begangener…“). Nach herrschender Meinung liegt eine Anstiftung in allen Fällen des Hervorrufens eines konkreten Tatentschlusses vor. Ungeklärt ist, ob hierunter auch das bloße Herbeiführen einer „verlockenden“ Situation fällt.
Eine Anstiftung kann außerdem nur dann vorliegen, wenn der Täter den Tatentschluss nicht bereits selbst gefasst hat. Mindestens der sprichwörtliche „Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“, muss also vom Anstifter ausgehen. Außerdem ist Vorsatz erforderlich, die anstiftende Person muss also ebenfalls wollen, dass der jeweilige Taterfolg eintritt (unter anderem Fischer, § 26 StGB, Randziffer 3).
Eine Anstiftung im Sinne des § 26 StGB ist außerdem zu verneinen, wenn der Anstifter den Täter lediglich als „Werkzeug“ benutzt und dieser – etwa aus mangelndem Sachverständnis heraus – in Unkenntnis über die Rechtswidrigkeit seiner Handlung gelassen wird. Denn hier scheitert es am Vorsatz des Ausführenden; vielmehr liegt eine mittelbare Täterschaft der anstiftenden Person vor (§ 25 Absatz 1 Alternative 2 StGB).
1.3. Beihilfehandlungen im Sinne des § 27 StGB
Beihilfe im Sinne des § 27 Absatz 1 StGB unterscheidet sich dadurch von der originären Täterschaft, dass der Gehilfe lediglich eine psychische oder physische Förderung zum Eintritt des Taterfolges geleistet hat. Maßgebend für die Annahme einer Beihilfe ist daher, dass der Taterfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch ohne die Unterstützung des Gehilfen eingetreten wäre (unter anderem BGH vom 01.08.2000, 5 StR 624/99).
Unerheblich ist nach ständiger Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes außerdem, ob
- der Gehilfe den Eintritt des Taterfolges, etwa die finale Verkürzung objektiv geschuldeter Steuerbeträge, selbst wünscht,
- der Gehilfe über die Bedeutung seiner Handlung in Kenntnis gesetzt oder in Unkenntnis gelassen wurde, oder
- die Hilfsleistung im Vorbereitungs- oder Ausführungsstadium der Straftat geleistet wird.
Prominente Fälle zur Abgrenzung zwischen Beihilfe und Täterschaft sind manipulierte Softwares für Kassensysteme. Wer die Software programmiert, nimmt billigend in Kauf, dass diese später potenziell auch für die Ausführung von Steuerstraftaten genutzt wird. Unmittelbare Täterschaft ist hingegen beim Anwender der Software anzunehmen (BGH vom 01.09.2020, 1 StR 205/20).
Beihilfehandlungen sind entsprechend einer originären Täterschaft zu behandeln. Das Gericht kann die Strafe aber nach den Grundsätzen des § 49 Absatz 1 StGB mildern (§ 27 Absatz 2 StGB). Demnach gilt insbesondere für die Steuerhinterziehung, dass an die Stelle einer fünf- oder zehnjährigen Haftstrafe eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren tritt. Geldstrafen dürfen bei einer Milderung nach § 49 StGB maximal in Höhe von 75 % des im Raum stehenden, maximalen Strafmaßes betragen (§ 49 Absatz 1 Nummer 2 Satz 2 StGB).

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2. Beispielfall: Unmittelbare und mittelbare Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe
Schauen wir uns anhand des folgenden Beispiels nun einmal an, wie die jeweiligen Handlungen der an einer Steuerstraftat beteiligten Personen in der Praxis juristisch zu bewerten wären. Dabei sind beteiligt:
- Ein Steuerberater, der seinen Mandanten empfiehlt, ausländische Einkünfte nicht in der Steuererklärung anzugeben
- Ein Vermögensverwalter, an den der Steuerberater seine Mandanten weitervermittelt
- Zwei verheiratete Steuerpflichtige, die dem Welteinkommensprinzip des § 1 Absatz 1 Satz 1 EStG unterliegen
Der Steuerberater empfiehlt seinen Mandanten, Zinseinkünfte aus einem ausländischen Staat, mit dem keine Auskunftsabkommen bestehen, in der Einkommensteuererklärung außen vor zu lassen. Um das Bestehen dieser Einkünfte bestmöglich zu verschleiern, vermittelt er die Mandanten weiter an einen ebenfalls in Deutschland ansässigen Vermögensverwalter, kommuniziert aber nicht unmittelbar mit diesem.
Abschließend geben die Ehegatten ihre Zinseinkünfte nicht in der Einkommensteuererklärung an.
Die Handlungen der Beteiligten sind nach den folgenden Vorschriften strafbar:
- Der Steuerberater informiert den Steuerpflichtigen über die Möglichkeiten der Hinterziehung. Indem er einen Experten empfiehlt, schafft er eine für den Mandanten „verlockende“ Situation – eine Bestrafung kommt als Anstifter in Betracht
- Der Vermögensverwalter weiß, dass er an einer Steuerhinterziehung mitwirkt, weil sich die Mandanten explizit mit dem Wunsch, Zinseinkünfte nicht zu versteuern, an ihn wenden. Indem er ein konkretes Konzept entwirft, wird er Mittäter
- Haupttäter sind beide Steuerpflichtige, da sie beide ihre ausländischen Einkünfte unversteuert vereinnahmen
Die Steuerhinterziehung ist begangen, sobald der entsprechende (fehlerhafte weil unvollständige) Steuerbescheid ergeht (§ 370 Absatz 4 Satz 1 AO).
Hätte nur der Ehemann eine Steuerhinterziehung begangen, so wird die Ehefrau durch die Unterschrift der gemeinsamen Erklärung nicht automatisch zur Mittäterin. Denn die Zusammenveranlagung stellt rechtlich zwei getrennte Festsetzungen dar, die lediglich auf einem Bescheid miteinander verbunden werden (BGH vom 17.04.2008, 5 StR 547/07).
Steuerberater für Steuerstrafrecht
Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die steuerrechtliche Gestaltungsberatung und das Steuerstrafrecht spezialisiert. In der Beratung schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:
Steuerstrafrecht
- Einreichung einer strafbefreienden Selbstanzeige beim Finanzamt
- Begleitung des gerichtlichen Strafverfahrens im Steuerrecht
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Der Tatbestand der Steuerhinterziehung ist einer der wichtigsten und praktisch relevantesten im deutschen Steuerstrafrecht. Im Jahr 2021 wurden beispielsweise – ausweislich des BMF-Monatsberichts für Oktober 2022 – bundesweit insgesamt 50.000 Strafverfahren bearbeitet. Dabei haben die Finanzämter Mehrsteuern in Höhe von über EUR 1.200.000.000 (1,2 Milliarden) festgesetzt. Wir schauen uns den Tatbestand der Steuerhinterziehung, seine objektiven Merkmale, verschiedene Begehungsformen und hier insbesondere die Unterscheidung zwischen Tun, Dulden und Unterlassen einmal genauer an. Untrennbar mit § 370 AO verbunden sind dabei auch die Vorschriften des Strafgesetzbuches (StGB).
Inhaltsverzeichnis
1. Tatbestand der Steuerhinterziehung: Welche Merkmale müssen vorliegen?
Im achten Teil der Abgabenordnung, konkret in den §§ 369 bis 376 AO, sind die wichtigsten Strafvorschriften für das Besteuerungsverfahren zu finden. Mit § 370 AO regelt der Gesetzgeber dabei den Tatbestand der Steuerhinterziehung. Bereits vor Prüfung der Norm ist § 1 StGB zu beachten; eine Tat kann demnach nur dann bestraft werden, wenn die Strafbarkeit im entsprechenden Zeitpunkt ausdrücklich in einem Gesetz geregelt war.
Eine Steuerhinterziehung ist nach § 370 Absatz 1 AO anzunehmen, wenn ein Steuerpflichtiger
- einer Behörde, insbesondere Finanzbehörde gegenüber unvollständige oder unrichtige Angaben zu steuerlich relevanten Tatsachen macht,
- die Finanzbehörden entgegen einer ihn treffenden Pflicht über solche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
- die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern, zu denen er etwa nach § 17 Absatz 1 TabStG verpflichtet ist, unterlässt,
und hierdurch im Ergebnis eine Steuerverkürzung eintritt. Der Versuch ist strafbar, § 370 Absatz 2 AO.
Die Steuerhinterziehung kann mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft werden. Freiheitsentzug kann das Gericht dabei für bis zu fünf, in den besonders schweren Fällen des § 370 Absatz 3 AO auch für bis zu zehn Jahre anordnen.
Interessant wird der Tatbestand der Steuerhinterziehung allerdings mit § 370 Absatz 4 AO. Denn Steuern gelten namentlich im Sinne des Absatzes 1 als verkürzt, wenn sie
- nicht,
- nicht in voller Höhe oder
- nicht rechtzeitig
festgesetzt werden. Verkürzten Steuern stehen Steuervorteile und Steuervergütungen, die Steuerpflichtige zu Unrecht erlangen, gleich. Im Ergebnis stellt § 370 AO damit eine „Blankettnorm“ dar, denn das „Ob“ und „Wann“ der Steuerfestsetzung regeln, ebenso wie mögliche Steuervorteile, die Einzelsteuergesetze (so etwa BGH vom 19.04.2007, 5 StR 549/06). Ohne das Einzelsteuerrecht wäre § 370 AO inhaltsleer.
Keine „Blankettnorm“ läge beispielsweise vor, wenn § 370 AO neben der Strafbarkeit einer Hinterziehung auch regeln würde, für welche Steuerarten welche Steuerpflichtige welche Pflichten zu erfüllen haben.
1.1. Anwendungsbereich des § 370 AO
Durch die Ausgestaltung des § 370 AO als „Blankettnorm“ gilt diese für alle bundesgesetzlich geregelten Steuern, die durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden (§ 1 Absatz 1 AO). Steuerliche Nebenleistungen wie Zinsen sind zwar keine Steuern, die jeweiligen Vorschriften aber entsprechend auf sie anzuwenden (§ 1 Absatz 3 AO).
Änderungen und gegebenenfalls Neueinführungen von Bundessteuergesetzen bewirken eine automatische Ausdehnung des Anwendungsbereichs. Für den Gesetzgeber besteht der wesentliche Vorteil darin, dass keine Anpassung der AO erforderlich ist.
Kommunalabgaben, beispielsweise
- Beherbergungssteuer (Kurtaxe),
- Hundesteuer oder
- Zweitwohnsitzsteuer
fallen im Grundsatz nicht in den Anwendungsbereich der AO. Die jeweiligen Landesgesetzgeber können allerdings bestimmen, dass die Vorschriften des Bundesrechts entsprechend anzuwenden sind. So enthält § 17 KAG NRW etwa einen eigenständigen Tatbestand zur Steuerhinterziehung (Abgabenhinterziehung), in dem auf die §§ 370 Absatz 4 und 371 AO verwiesen wird. Auch auf kommunaler Ebene ist daher beispielsweise eine strafbefreiende Selbstanzeige möglich.

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1.2. Grundsatz: Steuerhinterziehung als Erfolgsdelikt
Bei der Steuerhinterziehung handelt es sich um ein sogenanntes Erfolgsdelikt, wenngleich auch der Versuch, diesen Erfolg herbeizuführen, bereits unter Strafe steht. Mit § 370 Absatz 1 AO stellt der Gesetzgeber die Hinterziehung, konkret die „Verkürzung“ von Steuern unter Strafe. Weiter konkretisiert wird der Begriff der Verkürzung dann in Absatz 4, denn hier spricht die AO explizit von einer bereits eingetretenen Steuerverkürzung.
Der Tatbestand der Steuerhinterziehung ist also erst dann erfüllt, wenn die jeweilige Steuer auch tatsächlich verkürzt oder wenn der ungerechtfertigte Steuervorteil erlangt wurde.
Beispiel: Das Finanzamt bemerkt beim Abgleich der Steuererklärung mit Kontrollmaterial, dass die erklärten Einnahmen unter den tatsächlichen Umsatzerlösen liegen. Der Steuerpflichtige korrigiert auf Nachfrage seine Erklärung nach § 153 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 AO. Im Ergebnis kam es zu keiner Steuerverkürzung, der Steuerpflichtige könnte allenfalls wegen eines Versuchs nach § 370 Absatz 2 AO bestraft werden.
Nach den Einzelsteuergesetzen, beispielsweise nach § 32a EStG und § 13a UStG, entsteht ein gewisser – objektiver – Steuerbetrag stets zu einem bestimmten Zeitpunkt. Die Verkürzung im Sinne des § 370 Absatz 4 Satz 1 AO ist damit eingetreten, wenn der tatsächlich festgesetzte Betrag vom objektiv entstandenen abweicht (Klein/Jäger, AO, § 370, Randziffer 85).
Für Schätzungsfälle (§ 162 AO) gilt Folgendes:
- Schätzt das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen zu niedrig, besteht die Steuerhinterziehung in der im Ergebnis zu niedrig festgesetzten Steuer
- Schätzt das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen zu hoch oder in der richtigen Höhe, kann maximal ein Versuch bestraft werden
Steuern sind auch dann hinterzogen, wenn ihre Festsetzung und Erhebung nur vorübergehend ausbleibt („Steuerverkürzung auf Zeit“). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Steuerpflichtige die Umsatzsteuer-Voranmeldung verspätet abgibt. Die verspätete Festsetzung erfüllt dann zwar den Tatbestand der Steuerhinterziehung, dass die Steuer aber überhaupt entrichtet wurde, wirkt sich wegen des geringeren Unrechtsgehaltes aber regelmäßig strafmildernd aus (etwa BGH vom 06.10.2021, 1 StR 297/21).
1.3. Tatbestand der Steuerhinterziehung bei Vorbehalt der Nachprüfung und Vorläufigkeit
Der Tatbestand einer Steuerhinterziehung ist nach § 370 Absatz 4 Satz 1 Halbsatz 2 AO auch dann erfüllt, wenn die Finanzbehörde die Steuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder vorläufig festsetzt. Ohne entsprechende Regelung wäre die Norm dahingehend auszulegen, dass mangels „endgültiger“ Festsetzung zumindest partiell noch keine erfolgreiche Abgabenverkürzung eingetreten ist.
Wurde die Steuer im Sinne des § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt, kann das Finanzamt die Festsetzung jederzeit aufheben oder ändern. Findet eine solche Änderung statt, kommt es für die Berechnung der hinterzogenen Steuer auf die originäre Erklärung respektive Nichterklärung des Steuerpflichtigen an. Eigene Ermittlungen des Finanzamtes, die am Ende zu einer höheren Festsetzung führen, mindern daher nicht den hinterzogenen Betrag.
Beispiel: A hat in seiner Einkommensteuererklärung EUR 30.000 an Einkünften verschwiegen. Hierauf wären EUR 10.000 (33,33 %) Einkommensteuer angefallen. Bei einer Betriebsprüfung stellt das Finanzamt die fehlenden Betriebseinnahmen fest, ändert den Bescheid nach § 164 Absatz 2 Satz 1 AO und fordert den Steuerpflichtigen zur entsprechenden Nachzahlung von EUR 10.000 zuzüglich Zinsen auf.
Lösung: Der Tatbestand der Steuerhinterziehung ist hinsichtlich der vollen EUR 10.000 erfüllt. Denn in diesem Umfang hat der Steuerpflichtige
- für die Besteuerung erhebliche Tatsachen verschwiegen (§ 370 Absatz 1 Nummer 2 AO),
- dadurch eine (unschädlicherweise unter Vorbehalt ergangene) zu niedrige Steuerfestsetzung bewirkt (§ 370 Absatz 4 Satz 1 Halbsatz 1 AO) und
- gegen seine Pflicht, die Erklärung unverzüglich zu berichtigen (§ 153 Absatz 1 Nummer 1 AO), verstoßen.
Hätte er seine Berichtigungspflicht nur teilweise erfüllt, etwa durch die Nacherklärung von EUR 10.000, läge eine Hinterziehung nur in Höhe von EUR 6.666 (EUR 20.000 x Steuersatz von 33,33 %) vor.
1.4. Ungerechtfertigte Steuervorteile und Steuervergütungen
Mit § 370 Absatz 1 Alternative 2 und Absatz 4 Satz 2 AO stellt der Gesetzgeber klar, dass der Tatbestand einer Steuerhinterziehung auch dann erfüllt ist, wenn
- Steuervergütungen oder
- sonstige Steuervorteile
zu Unrecht erlangt werden. Insbesondere bei den „sonstigen Steuervorteilen“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der im Wege der Auslegung insbesondere vom BFH konkretisiert wurde.
Steuervergütungen sind beispielsweise:
- Der Vorsteueranspruch nach § 15 UStG
- Steuerausgleich für gemeinnützig tätige Körperschaften nach § 4a UStG
- Zahlung von Kindergeld nach § 31 Satz 3 EStG
Sonstige Steuervorteile können unter anderem in diesen Fällen vorliegen:
- Erwirkung eines unrichtigen Feststellungsbescheides im Sinne des § 180 AO oder sonstigen Grundlagenbescheides im Sinne des § 171 Absatz 10 Satz 1 AO
- Gewährung von Steuerbefreiungen nach § 3 EStG oder § 4 UStG
- Erwirkung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch Behauptung unwahrer Tatsachen
- Angabe von Gewinnen, wenngleich es an solchen fehlt, um Verluste aus den Vorjahren nach § 10d EStG verrechnen zu können
Der Steuervorteil muss ungerechtfertigt, insbesondere auf eine dem Willen des Gesetzgebers widersprechende, Art und Weise erlangt worden sein (BGH vom 06.06.1973, 1 StR 82/72). Das Gericht wird daher im Zweifel die ursprüngliche Gesetzesbegründung des Bundestags heranziehen.

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1.5. Kompensationsverbot nach § 370 Absatz 4 Satz 3 AO
Abschließend enthält § 370 Absatz 4 Satz 3 AO ein sogenanntes Kompensationsverbot. Dieses greift immer dann, wenn
- dem Grunde nach ein Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt ist,
- das Finanzamt die Steuer auf legalem Wege hätte ermäßigen können,
- der Steuerpflichtige von dieser Ermäßigungsmöglichkeit aber keinen Gebrauch gemacht hat.
Beispiel: A und B sind verheiratet und erfüllen die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nach den §§ 26 und 26b EStG. Dennoch beantragen die Ehegatten die Einzelveranlagung. A hinterzieht nun Steuern in Höhe von EUR 10.000. Im Falle der Zusammenveranlagung wären auf ihn lediglich EUR 2.000 an Einkommensteuer entfallen.
Lösung: Der hinterzogene und dem weiteren Verfahren zugrunde zu legende Betrag beträgt EUR 10.000. Denn nach § 370 Absatz 4 Satz 3 AO ist die legal beanspruchbare Möglichkeit zur Steuerermäßigung – hier die gemeinsame Veranlagung zur Einkommensteuer – bei der Beurteilung außen vor zu lassen.
Entsprechendes gilt für steuerliche Wahlrechte und die nicht genutzte Möglichkeit zur Bildung von Rückstellungen. Das Kompensationsverbot findet allerdings keine Anwendung auf Verlustvorträge, da deren Berücksichtigung von Amts wegen zu erfolgen hat (BGH vom 26.06.1984, 5 StR 322/84).
2. Tathandlung bei Steuerhinterziehung – aktives und passives Verhalten
Den Tatbestand der Steuerhinterziehung können neben dem Steuerpflichtigen selbst auch Dritte, so insbesondere Steuerberater, erfüllen. Nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen kann die Hinterziehung dabei neben dem aktiven „Tun“ auch durch ein passives „Unterlassen“ eintreten. Im Steuerstrafrecht kommt dabei vor allem der pflichtwidrigen Nichtabgabe vorgeschriebener Steuererklärungen Bedeutung zu.
Die Täterschaft bestimmt sich nach § 25 StGB. Demnach ist Täter, wer eine Tat selbst begeht. Stellt das Gesetz (hier § 370 AO) das Unterlassen einer Handlung unter Strafe, ist Täter, wer die Handlung hätte vornehmen müssen (§ 13 Absatz 1 StGB). Begehen mehrere Personen eine Steuerstraftat gemeinsam, sind sie als Mittäter nach § 25 Absatz 2 StGB zu bestrafen.
2.1. Erfüllung des Tatbestandes der Steuerhinterziehung durch aktives Handeln
Der Tatbestand der Steuerhinterziehung wird durch aktives Handeln erfüllt, wenn das bloße Unterlassen einer Handlung nicht zur Erzielung einer Steuerverkürzung ausreicht. Regelmäßig ist § 370 Absatz 1 Nummer 1 Alternative 1 AO, die Übermittlung unrichtiger Angaben, einschlägig. Steuerpflichtige geben etwa Einnahmen zu niedrig, Ausgaben zu hoch oder das Vorliegen bestimmter Tatbestandsvoraussetzungen einer Steuermäßigung unrichtigerweise an.
Aus Rechnungen eines Nichtunternehmers im Sinne des § 2 Absatz 2 UStG kann der Leistungsempfänger keine Vorsteuer ziehen. Versucht er dies trotzdem, liegt hierin die aktive Tathandlung (BGH vom 22.05.2003, 5 StR 520/02). Entsprechendes gilt für Personen, die die Existenz einer Firma lediglich vortäuschen und Umsätze, die ebenfalls nie entstanden sind, anmeldet.
Eine gewisse Prominenz bekam der Tatbestand der Steuerhinterziehung außerdem bei der Herabsetzung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen (§ 37 Absatz 3 EStG) im Zuge der Corona-Pandemie. Die Voraussetzungen sind erfüllt, wenn die Vorauszahlung zu niedrig festgesetzt wird, weil Steuerpflichtige beispielsweise durch Vorauszahlungsantrag eine entsprechende Herabsetzung bewirken, wenngleich sie wissen oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen können, dass tatsächlich höhere Umsätze anfallen (werden).
2.2. Strafbarkeit der Hinterziehung durch Nichterfüllung steuerlicher Pflichten
Die Steuerhinterziehung wird in den Fällen des § 370 Absatz 1 Nummer 1 Alternative 2 und Nummer 2 AO durch Unterlassen begangen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, konkret „unvollständige Angaben“ und „die Finanzbehörde in Unkenntnis lässt“.
Wer also beispielsweise
- eine Steuererklärung nicht, unvollständig oder verspätet abgibt oder
- die Abgabe von Steueranmeldungen unterlässt oder eine zu niedrige Bemessungsgrundlage angibt,
begeht, wenn dies im Ergebnis zur Festsetzung einer niedrigeren als der eigentlichen geschuldeten Steuer führt, eine Steuerhinterziehung.
Der Tatbestand der Steuerhinterziehung ist allerdings – ebenfalls nach dem Wortlaut der Norm – nur erfüllt, wenn das Unterlassen der Handlung pflichtwidrig war. Arbeitnehmer, die regelmäßig keine Steuererklärung abgeben müssen, können daher nicht aufgrund der unterlassenen Abgabe belangt werden. Anders sieht es allerdings aus, wenn ein nur auf Antrag veranlagter Steuerpflichtiger zu hohe Werbungskosten erklärt und hierdurch die Festsetzung einer niedrigeren Steuer bewirkt.
Steuerpflichtige, die zwar eine Erklärung abgeben, hier aber steuerlich relevante Tatsachen unterschlagen, begehen ungeachtet ihres Tätigwerdens eine Steuerhinterziehung. Denn die Einzelsteuergesetze schreiben in der Verbindung mit den Normen der AO explizit vor, welche Sachverhalte Steuerpflichtige in ihrer Erklärung offenzulegen haben. Eine entsprechende Steuerklärung ist im Sinne des § 370 Absatz 1 Nummer 1 Alternative 2 AO unvollständig.
2.3. Tatbestand der Steuerhinterziehung durch Duldung der Tathandlung erfüllt?
Sowohl im Straf-, als auch im Verfahrensrecht wird zwischen Tun, Dulden und Unterlassen unterschieden. Während wir uns das aktive Tun und die passive Unterlassung bereits angesehen haben, stellt sich die Frage, ob eine Strafbarkeit auch beim bloßen Dulden einer Steuerhinterziehung gegeben sein kann. Als zu prüfende Beteiligungsform kommt dabei nur die Beihilfe nach § 27 StGB in Betracht, denn:
- Wer die Steuerhinterziehung duldet, begeht sie nicht selbst, sodass keine Täterschaft im Sinne des § 25 StGB vorliegen kann
- Geht die Aufforderung zur Tathandlung nicht von der die Hinterziehung duldenden Person aus, liegt keine Anstiftung nach § 26 StGB vor
Nach § 27 Absatz 1 StGB ist eine Beihilfe gegeben, wenn eine Person (Gehilfe) eine andere Person (insbesondere Täter) bei der Begehung einer rechtswidrigen Tat (hier: Steuerhinterziehung) unterstützt hat. Die Unterstützung kann dabei auch passiver Natur sein und etwa darin bestehen, eine erkannte Straftat den Strafverfolgungsbehörden gegenüber zu verschweigen.
Einschlägiger Rechtssprechung und Literaturauffassung zur Folge können daher nur solche Personen wegen der Duldung einer Steuerstraftat belangt werden, die eine Pflicht zur Anzeige oder Vermeidung der Tat trifft. Denn eine allgemeine Verpflichtung, Steuerstraftaten anzuzeigen, gibt es nach deutschem Recht nicht (BGH vom 09.05.2017, 1 StR 265/16). Allerdings müssen Anwälte beispielsweise das sogenannte Sachlichkeitsgebot des § 43a Absatz 3 BRAO und die hieraus resultierende Wahrheitspflicht beachten.
3. Festsetzungs- und Verfolgungsverjährung bei Steuerhinterziehung
Die allgemeine Festsetzungsfrist endet vier Jahre nach dem Ende des Kalenderjahres, in dem die jeweilige Steuer entstanden ist (§ 169 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 AO). In den Fällen der Steuerhinterziehung dauert sie zehn Jahre, bei leichtfertiger Verkürzung im Sinne des § 378 AO sind es fünf Jahre (§ 169 Absatz 2 Satz 2 AO). Die Festsetzungsfrist beginnt bei Abgabeverpflichtung erst mit Ablauf des Jahres, in dem der Steuerpflichtige die Erklärung abgegeben hat (§ 170 Absatz 2 Nummer 1 AO).
Beispiel: A ist Unternehmer und zur Abgabe der Einkommensteuererklärung verpflichtet. Für das Jahr 2022 reicht er die Erklärung am 01.01.2024 ein. Damit beginnt die Festsetzungsfrist am 01.01.2025 (Ende des Kalenderjahres der Abgabe) zu laufen; originär endet sie am 31.12.2029. Im Mai 2031 stellt das Finanzamt durch Kontrollmaterial fest, dass A im Jahr 2022 Steuern hinterzogen hat. Die Festsetzungsfrist verlängert sich rückwirkend auf zehn Jahre, sodass der Bescheid nach § 173 AO geändert werden kann.
Grundsätzlich gilt, dass eine Änderung, Aufhebung oder Durchführung der Festsetzung nach Ablauf der maßgebenden Festsetzungsfrist unzulässig ist. Dies gilt, sofern zehn Jahre abgelaufen sind, also auch für den Tatbestand der Steuerhinterziehung.
Von der Festsetzungs- ist allerdings die Verfolgungsverjährung zu unterscheiden. Ist Verfolgungsverjährung eingetreten, kann das Gericht weder eine Geld-, noch eine Freiheitsstrafe verhängen. Sie tritt im Grundsatz bei einer Steuerhinterziehung nach § 370
- Absatz 1 AO (einfacher Fall) nach fünf Jahren ein (§ 78 Absatz 3 Nummer 4 StGB).
- Absatz 3 AO (schwerer Fall) nach zehn Jahren ein (§ 78 Absatz 3 Nummer 3 StGB).
Abweichend vom genannten Grundsatz beträgt die Verjährungsfrist für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung 15 Jahre (§ 376 Absatz 1 AO). Insoweit gilt ein lex specialis zum allgemeinen Strafrecht.
4. Fazit: Tatbestand der Steuerhinterziehung als allumfassende Blankettnorm
Der Tatbestand einer Steuerhinterziehung ist immer dann erfüllt, wenn Steuerpflichtige im Ergebnis einen ungerechtfertigten Steuervorteil jedweder Art erhalten. Damit deckt die Norm nahezu lückenlos alle denkbaren Sachverhalte, in denen die tatsächlich festgesetzte von der materiell-rechtlich entstandenen Steuer abweicht, ab. Insbesondere bei Steuergestaltungen muss entsprechend sichergestellt sein, dass dem Finanzamt alle relevanten Tatsachen offengelegt werden. Im Zweifel fordern wir eine verbindliche Auskunft bei der zuständigen Behörde an.
Steuerberater für besonderes Steuerverfahrens- und Strafrecht
Unsere Kanzlei hat sich neben der Steuergestaltung auch auf die Begleitung von Steuerstrafverfahren, insbesondere beim Vorwurf der Steuerhinterziehung, spezialisiert. Mandanten schätzen unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:
Straf- und Verfahrensrecht
- Allgemeine Beratung zu verfahrensrechtlichen Besonderheiten nach der Abgabenordnung im Einzelfall
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- Abgrenzung zwischen Steuerstraftat und Steuerordnungswidrigkeit
- Entwicklung von Verteidigungsstrategien gegenüber der Finanzverwaltung bei Einspruchsverfahren, Betriebsprüfungen, FG-Klageverfahren und BFH-Revisionsverfahren
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Neben der Nachzahlung der verkürzten Steuern und gegebenenfalls einer Geld- oder Haftstrafe kann eine Steuerhinterziehung weitere Folgen nach sich ziehen. Zu nennen sind hier insbesondere die dem Fiskus zustehenden Hinterziehungszinsen nach § 235 AO, eventuelle Haftungsansprüche gegen Dritte und „Sonderzahlungen“ nach § 398a AO, wenn eine Selbstanzeige nach § 371 AO ausscheidet. Wir geben einen Überblick.
Inhaltsverzeichnis
1. Grundsatz: Tatbestand und strafrechtliche Folgen der Steuerhinterziehung
Mit § 370 AO enthält das „Steuergrundgesetz“ eine eigenständige, die Normen des Strafgesetzbuches erweiternde, Strafvorschrift. Dabei gehört die Steuerhinterziehung zu den häufigsten Steuerstraftaten in Deutschland, dicht gefolgt von der leichtfertigen Steuerverkürzung im Sinne des § 378 AO. Eine solche ist gegeben, wenn der Täter die Verkürzung von Abgaben oder den Erhalt ungerechtfertigter Steuervorteile leichtfertig, also fahrlässig, herbeiführt.
Schauen wir uns, bevor wir zu Nebenfolgen wie den Hinterziehungszinsen kommen, daher zunächst den Tatbestand und die Rechtsfolge des § 370 AO an. Nach § 370 Absatz 1 Satz 1 AO ist Steuerhinterzieher, wer pflichtwidrig durch unrichtige, unvollständige oder das vollständige Weglassen von Angaben über steuerlich relevante Tatsachen Steuern verkürzt oder sonstige Steuervorteile ungerechtfertigt erlangt. Dabei ist die Steuerhinterziehung ein sogenanntes Erfolgsdelikt, denn sie ist nach § 370 Absatz 4 AO erst bewirkt, wenn eine Festsetzung zu niedrig erfolgt oder unterblieben ist.
„Steuervorteile und Steuervergütungen“ sind beispielsweise Sonderabschreibungen und der Vorsteueranspruch. Wer hier gegenüber dem Finanzamt lügt oder relevante Umstände verschweigt, kann ebenfalls eine Steuerhinterziehung begehen.
Für die Strafandrohung gilt, dass
- der „einfache“ Fall der Steuerhinterziehung mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe,
- der „schwere“ Fall der Steuerhinterziehung aber mit mindestens sechs und bis zu zehn Jahren Freiheits- oder ebenfalls Geldstrafe
zu bestrafen ist. Schwere Fälle liegen etwa bei Steuerverkürzungen in erheblichem Ausmaß oder bei der Hinterziehung von Steuern durch Amtsträger (zum Beispiel Finanzbeamte) vor.
Alle regulären Vorschriften des Strafrechts, etwa zu Täterschaft, Beihilfe und Anstiftung, Tateinheit, Tatmehrheit und Strafzumessung, finden im Steuerstrafverfahren entsprechende Anwendung (§ 385 Absatz 1 AO). Zuständig sind die ordentlichen Gerichte (Amtsgericht, Landgericht, Bundesgerichtshof), nicht aber die Finanzgerichte – denn letztere beschäftigen sich ausschließlich mit dem Steuer- und Verfahrensrecht selbst.
2. Hinterziehungszinsen: Anspruch, Entstehung, Berechnung und Zahlung
Wird eine Steuerhinterziehung entdeckt, muss der Steuerpflichtige die hinterzogenen Steuerbeträge nachzahlen. Außerdem kommen Hinterziehungszinsen nach § 235 AO auf ihn zu. In der Praxis laufen Bescheidänderung und Zinsfestsetzung nach folgendem Muster ab:
- Das Finanzamt ändert die fehlerhaften (weil zu niedrigen) Steuerfestsetzungen nach § 172 oder § 173 AO
- Die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes stellt fest, in welcher Höhe tatsächlich Steuern hinterzogen oder ungerechtfertigte Steuervorteile erlangt wurden
- Der ermittelte Betrag wird für die jeweiligen Zeiträume verzinst; hierzu stellt das Finanzamt darauf ab, wann der Steuerpflichtige die hinterzogenen Steuerbeträge nachgezahlt hat
- Es ergeht ein entsprechender Zinsbescheid, gegebenenfalls auch ein Haftungsbescheid im Sinne des § 191 AO
Wir gehen die einzelnen Schritte gemeinsam durch und schauen uns an, welche Besonderheiten, auch und vor allem bedingt durch das Strafverfahren, gelten!

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2.1. Änderung der ursprünglichen Festsetzungen
Wird eine Steuerhinterziehung entdeckt, beginnt ein eigenständiges Strafverfahren. Dieses läuft grundsätzlich parallel zum Besteuerungsverfahren und wird daher auch unter „der Hand der Staatsanwaltschaft“ geführt. Die laufende Besteuerung verbleibt hingegen beim originär zuständigen Finanzamt.
Dabei gilt: Das Strafverfahren hat keinen Einfluss auf das Besteuerungsverfahren und umgekehrt (§ 393 Absatz 1 Satz 1 AO). Die Steuerakte gilt aber mit ihrem gesamten Inhalt als Beweismittel auch im Strafverfahren. Der Steuerpflichtige darf daher nicht unter Androhung eines Zwangsgeldes zur Abgabe von Unterlagen oder Erteilung von Auskünften aufgefordert werden, wenn er sich hierdurch selbst belasten könnte (§ 393 Absatz 1 Satz 2 AO).
Die originär vier Jahre dauernde Festsetzungsfrist verlängert sich bei Steuerhinterziehung auf zehn Jahre (§ 169 Absatz 2 Satz 2 AO). Die fehlerhaften Bescheide können daher noch viele Jahre nach ihrem Erlass geändert werden, wenn die Voraussetzungen einer Änderungsnorm erfüllt sind. Hier kommen im Strafverfahren regelmäßig zwei Vorschriften in Betracht:
- § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c AO: Erwirken durch unlautere Mittel, insbesondere die arglistige Täuschung. Das Merkmal liegt im Steuerstrafverfahren fast immer vor, da der Steuerpflichtige das Finanzamt durch die Vorspielung falscher Tatsachen oder die Unterdrückung von Informationen bewusst getäuscht hat (unter anderem BFH vom 08.07.2015, VI R 51/14)
- § 173 Absatz 1 Nummer 1 AO: Nachträglich bekannt werdende, neue Tatsache(n). „Neu“ sind Tatsachen immer dann, wenn sie dem Finanzamt bislang unbekannt, also nicht aktenkundig, waren. Auch dieses Merkmal liegt bei einer Steuerhinterziehung regelmäßig vor, da Steuerpflichtige dem Finanzamt steuerlich erhebliche Umstände bewusst verschweigen
Die Änderung erfolgt durch Erlass eines Änderungsbescheides. Er ist ein selbstständig mit dem Einspruch anfechtbarer und ebenfalls wieder änderbarerer Verwaltungsakt. Im Einspruchsverfahren gegen Änderungsbescheide sind allerdings die zusätzlichen Beschränkungen (Ober- und Untergrenzen) des § 351 AO zu beachten.
2.2. Feststellung des hinterzogenen Betrags für die Berechnung der Hinterziehungszinsen
Nun stellt das Finanzamt die Höhe der insgesamt hinterzogenen Steuer respektive die Höhe ungerechtfertigterweise erlangter Steuervorteile fest. Dieser Betrag ist Ausgangspunkt für die anschließende Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach § 233 Satz 1 AO. Die Berechnung erfolgt nach folgendem und beispielhaft mit Zahlen gefülltem Schema:
Nach § 32a Absatz 1 Satz 2 EStG festzusetzende Einkommensteuer | EUR 80.000 |
Vom Steuerpflichtigen verschwiegene Einnahmen im Sinne der §§ 8 Absatz 1 und 18 EStG | EUR 30.000 |
Dadurch verkürzte und im Sinne des § 370 AO hinterzogene Einkommensteuer | EUR 12.000 |
Zu verzinsender Betrag | EUR 12.000 |
Der Verzinsung unterliegen insgesamt EUR 12.000. Die Durchführung der Festsetzung von Hinterziehungszinsen richtet sich im weiteren Verlauf
- einerseits nach den allgemeinen Vorschriften über Steuerverwaltungsakte, da Hinterziehungszinsen steuerliche Nebenleistungen im Sinne des § 1 Absatz 3 und § 3 Absatz 3 Nummer 4 AO sind, und
- andererseits nach den speziell für Zinsfestsetzungen geltenden §§ 233, 233a, 235 und 238 bis 239 AO.

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2.4. Berechnung der Hinterziehungszinsen nach § 235 AO
Hinterzogene Steuerbeträge sind zu verzinsen (§ 235 Absatz 1 Satz 1 AO). Schuldner der Zinsen (§§ 43 und 44 AO) ist die Person, zu deren Vorteil die Steuer hinterzogen wurde. Ist dies eine juristische Person, etwa eine GmbH, haftet die hinter ihr stehende natürliche Person, regelmäßig der Geschäftsführer, die die Handlung ausgeführt hat (§ 71 AO).
Für die Berechnung der Hinterziehungszinsen benötigen wir nun die folgenden Daten:
- Beginn des Zinslaufs (Zinszeitraums): Dies ist der Tag, an dem der ungerechtfertigte Steuervorteil erlangt wurde. Maßgebend ist also der Erlass des entsprechenden Steuerbescheides (§ 370 Absatz 4 Satz 1 und § 235 Absatz 2 Alternative 1 AO)
- Ende des Zinslaufs: Der Zinslauf endet mit Zahlung der hinterzogenen Steuer. Wird nur ein Teil der Steuer gezahlt, endet der Zinslauf nur insoweit (§ 235 Absatz 3 Satz 1 AO)
- Höhe der Zinsen: Hinterziehungszinsen betragen pro Monat 0,5 % des hinterzogenen Betrages, also 6 % pro Jahr (238 Absatz 1 Satz 1 AO). Verfassungswidrigkeit von Zinsen wurde nur hinsichtlich § 233a AO festgestellt
Zu verzinsen ist der hinterzogene Betrag, in unserem Beispiel also EUR 12.000. Gehen wir nun davon aus, dass der Steuerbescheid am 01.02.2023 erlassen wurde. Der Steuerpflichtige zahlt die hinterzogene Steuer am 10.04.2024 nach.
Der zu verzinsende Zeitraum beträgt 13 Monate, da der Zinslauf am 01.02.2023 beginnt und am 01.04.2024 endet (die übrigen 9 Tage bleiben wegen § 238 Absatz 1 Satz 2 AO außer Ansatz). Festzusetzen sind also EUR 780,00 (EUR 12.000 x 0,5 % x 13 Monate).
2.5. Festsetzung der Zinsen durch Zins- und gegebenenfalls Haftungsbescheid
Über den berechneten Betrag der Hinterziehungszinsen ergeht ein sogenannter Zinsbescheid; er ist ein den Steuerbescheiden gleichgestellter Verwaltungsakt über steuerliche Nebenleistungen im Sinne des § 118 Satz 1 AO. Das Finanzamt begründet ihn nach § 121 AO insbesondere durch Nennung
- der Bemessungsgrundlage (hinterzogene Steuer),
- des Berechnungszeitraums nach § 235 Absatz 2 und 3 AO und
- anzurechnenden Steuerbeträgen nach § 235 Absatz 4 in Verbindung mit § 233a AO.
Anmerkung: Wurden für einen der Hinterziehungszinsfestsetzung unterliegenden Zeitraum bereits Nachzahlungszinsen nach § 233a AO festgesetzt, sind diese auf die Hinterziehungszinsen anzurechnen.
Der Bescheid enthält ein Leistungsgebot im Sinne des § 254 Absatz 1 Satz 1 AO. Die Fälligkeit der Zahlung bestimmt das Finanzamt nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 5 AO).
Wurde die Steuer für eine andere natürliche oder juristische Person hinterzogen, etwa
- durch Eltern für ihre Kinder,
- durch den Steuerberater für den Steuerpflichtigen oder
- durch die Geschäftsführerin einer Kapitalgesellschaft für diese Gesellschaft,
so haftet die natürliche Person für die hinterzogene Steuer und die hierauf entfallenden Zinsen (§ 71 AO). Die Inanspruchnahme dieser Person erfolgt dann durch Haftungsbescheid nach § 191 Absatz 1 Satz 1 AO. Haftungsbescheide sind „sonstige Verwaltungsakte“ im Sinne der §§ 129 bis 131 AO, keine Steuerverwaltungsakte. Allerdings sind die Vorschriften über die Festsetzungsfrist, insbesondere deren Verlängerung auf zehn Jahre, entsprechend anzuwenden (§ 191 Absatz 3 AO).
3. Über die Hinterziehungszinsen hinausgehende Nebenfolgen einer Steuerhinterziehung
Originäre Folgen der Steuerhinterziehung sind
- die Nachzahlung der hinterzogenen Steuerbeträge respektive die Rückzahlung erhaltener Steuervergütungen und Steuervorteile,
- die Zahlung von Hinterziehungszinsen und
- die Verhängung einer Geld- oder Haftstrafe, gegebenenfalls ausgesetzt zur Bewährung.
Unterschiedliche Gesetze sehen außerdem sogenannte Nebenfolgen vor. Hierunter fallen direkte und indirekte Strafen, beispielsweise durch berufsrechtliche Konsequenzen, aber auch finanzieller Natur. Einige Beispiele:
- Die Staatsanwaltschaft kann ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung einstellen, wenn keine strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO möglich ist. Voraussetzung ist nach § 398a Absatz 1 Nummer 2 AO, dass der Steuerpflichtige zusätzlich zum hinterzogenen Steuerbetrag und den Zinsen einen Geldbetrag von 10 % bis 20 % der hinterzogenen Steuer an die Staatskasse zahlt
- Das zuständige Gewerbeamt kann eine Gewerbeuntersagung aussprechen, wenn es – beispielsweise durch Steuerhinterziehung oder erhebliche Rückstände – begründete Zweifel an der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden hegt (§ 35 Absatz 1 GewO)
- Beamten drohen disziplinarrechtliche Konsequenzen bis hin zur Entfernung aus dem Dienst, wenn das Beamtenverhältnis nicht bereits kraft Gesetzes endet. Letzteres ist der Fall, wenn das Gericht eine Freiheitsstrafe von mindestens 12 Monaten verhängt (§ 24 Absatz 1 Nummer 1 BeamtStG)
- Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nach § 375 Absatz 1 AO. Damit verbunden ist auch der Widerruf einer Bestellung zum Steuerberater (§ 46 Absatz 2 Nummer 2 StBerG) oder Rechtsanwalt (§ 14 Absatz 2 Nummer 2 BRAO)
Unerheblich für berufsrechtliche Folgen ist die Art der Beteiligung an einer Steuerhinterziehung (Täterschaft, Beihilfe oder Anstiftung). Nach der AO kommt es einzig darauf an, dass das zuständige Strafgericht eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ausgesprochen hat.
Steuerberater für Verfahrens- und Steuerstrafrecht
Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die die Vermeidung von Gestaltungsmissbräuchen und das Steuerstrafrecht spezialisiert. Bei ihrem persönlichen Termin schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:
Verfahrens- und Strafrecht
- Entwicklung individueller Gestaltungsmodelle im internationalen Steuerrecht, beim Unternehmenskauf/-verkauf und bei Umstrukturierungen)
- Ausarbeitung von Vermeidungsstrategien für den Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO
- Begleitung des gerichtlichen Strafverfahrens im Steuerrecht
- Abgrenzung zwischen Steuerstraftat und Steuerordnungswidrigkeit
- Entwicklung von Verteidigungsstrategien gegenüber der Finanzverwaltung bei Einspruchsverfahren, Betriebsprüfungen, FG-Klageverfahren und BFH-Revisionsverfahren
- Einreichung einer strafbefreienden Selbstanzeige beim Finanzamt
Hierzu stehen Ihnen unsere Steuerberater und Rechtsanwälte an den Standorten Köln und Bonn gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Zudem beraten wir deutschlandweit per Telefon und Videokonferenz:
Die Steuerfahndung (Steufa) ist die „Kriminalpolizei der Finanzbehörden“ und arbeitet eng mit den Bußgeld- und Strafsachenstellen zusammen. Nach der Abgabenordnung (AO) und den gemeinsamen Dienstanweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren Steuer (AStBV) sind die Aufgaben der Steuerfahndung dabei zwar überschaubar, ihre Befugnisse jedoch weitreichend. Im Fokus steht stets die Aufklärung von Steuerstraftaten, insbesondere der Steuerhinterziehung.
Inhaltsverzeichnis
1. Grundsätzliche Aufgaben der Steuerfahndung nach § 208 AO
Nach § 208 Absatz 1 Satz 1 AO obliegen der Steuerfahndung (respektive Zollfahndung der Bundesfinanzverwaltung) im Kern folgende Aufgaben:
- Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten nach den §§ 369 fort folgende AO
- Ermittlung der (korrekten) Besteuerungsgrundlagen in Fällen einer Steuerstraftat
- Aufdeckung von und Ermittlung in bislang unbekannten Steuerfällen
Zu den Aufgaben der Steuerfahndung gehört außerdem die Ermittlung im Auftrag oder auf Ersuchen der originär zuständigen Finanzbehörde, etwa, wenn diese keine eigene Fahndungsstelle unterhält oder strafrechtliche Ermittlungen im Einzelfall für geboten hält. Entsprechendes gilt, wenn der Steuerfahndungsstelle bestimmte Tätigkeiten durch behördeninterne oder landesweite Regelungen übertragen wurden (etwa durch Zuständigkeitsverordnungen; ZustV).
Im Steuerstrafverfahren kommt der Steuerfahndung daher eine gewisse „Doppelfunktion“ zu. Denn sie übernehmen einerseits die strafrechtliche Ermittlung, sammeln also Beweise sowie Indizien und werten diese aus. Andererseits sind sie für die Feststellung der zutreffenden Besteuerungsgrundlagen zuständig und nehmen damit der originär zuständigen Veranlagungsstelle des Finanzamtes eine Tätigkeit weg. Letzteres gilt allerdings nur, soweit eine Steuerstraftat im Raum steht.
Praktisch ist daher eine enge Abstimmung zwischen Fahndungs- und Veranlagungsstelle notwendig. Denn auch wenn Besteuerungs- und Strafverfahren grundsätzlich nebeneinander her laufen, gibt es bei umfangreicheren Ermittlungen der Steufa an vielen Stellen Überschneidungen (§ 393 Absatz 1 AO).
Die Steuerfahndung ist eine unselbstständige Dienststelle des jeweiligen Finanzamts. Möglich ist aber auch eine Auslagerung in ein eigenständiges Finanzamt mit eigener Aufbauorganisation, so zu beobachten etwa beim „Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Köln“.

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2. Fahndungsanlass und Beginn der Fahndungsprüfung
Bereits aus dem Kernaufgabenbereich der Steuerfahndung ergibt sich, dass die jeweiligen Stellen nur bei einem konkreten Fahndungsanlass (Anfangsverdacht) Ermittlungen vornehmen. Ein solcher Verdacht geht regelmäßig von der Veranlagungsstelle aus, die bestimmte Verhaltensweisen oder Unstimmigkeiten feststellt – beispielsweise:
- Erhebliche Abweichungen zwischen Vorauszahlungen und Gesamtsteuer für den entsprechenden Besteuerungszeitraum
- Offensichtlich unzutreffenderweise gestellte Anträge auf Herabsetzung von Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen
- Schätzung der Besteuerungsgrundlagen und sofortige Begleichung der Forderung durch den Steuerpflichtigen
Derartige Umstände und Vorgänge können Aus Sicht der Veranlagungsbeamtin oder des Veranlagungsbeamten Anlass genug für eine Meldung an die zuständige Bußgeld- und Strafsachenstelle sein. Diese führt erste Ermittlungen durch, sammelt Beweise und leitet – insbesondere, wenn Ermittlungen nur innerhalb der Dienststelle wenig erfolgversprechend sind – den Fall zur „Außenprüfung“ an die Steuerfahndung weiter.
Da zu den Aufgaben der Steuerfahndung vorrangig die Ermittlung in Strafsachen gehört, sind die Beamten Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft (§ 404 Satz 2 Halbsatz 2 AO). Ihnen stehen alle Befugnisse der Polizei nach der Strafprozessordnung (StPO) zu. Hieraus ergibt sich auch, dass die Fahndungsprüfung keine Außenprüfung im Sinne der §§ 193 bis 203a AO, sondern eine Ermittlungsmaßnahme nach den §§ 94 und 102 StPO (Beschlagnahme von Beweisstücken, Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen) darstellt.
Die Durchsuchung ist dabei regelmäßig der erste Zeitpunkt, zu dem der Beschuldigte von einem gegen ihn laufenden Strafverfahren erfährt. Sie ist zwischen 6 und 21 Uhr zulässig, sofern keine Gefahr in Verzug besteht (§ 104 Absätze 1 und 3 StPO). Ihre Anordnung erfolgt durch richterlichen Beschluss (§ 105 Absatz 1 Satz 1 StPO). Einige Tipps zur richtigen Verhaltensweise bei einer Fahndungsprüfung haben wir in diesem Artikel zusammengefasst.
3. Einschränkung von Aufgaben der Steuerfahndung durch § 386 AO
Steuerstraftaten sind im Grundsatz „Straftaten wie alle anderen“, beispielsweise eine Körperverletzung oder ein Diebstahl nach dem StGB. Durch die enge Verbindung zwischen laufendem Besteuerungs- und Strafverfahren enthält die AO allerdings bestimmte Zusatzvorschriften, die eintretende Sonderfälle regeln und ausschließlich für Steuerstraftaten wie die Hinterziehung nach § 370 AO gelten.
Dem Grunde nach ist daher auch für die Ermittlung in Steuerstraftaten die Staatsanwaltschaft zuständig. Aus Gründen der Zweckmäßigkeit wird das Ermittlungsverfahren aber vollständig vom Finanzamt geführt (§ 386 Absatz 2 Nummer 1 AO). Es besteht allerdings jederzeit die Möglichkeit,
- das Verfahren vonseiten der Finanzbehörde an die Staatsanwaltschaft abzugeben (§ 386 Absatz 4 Satz 1 AO) und
- das Verfahren seitens der Staatsanwaltschaft an sich zu ziehen (§ 386 Absatz 4 Satz 2 AO).
Die Einstellungsbefugnis liegt hingegen ausschließlich bei der Staatsanwaltschaft, so etwa in Fällen von Geringfügigkeit (§ 398 AO) und durch Zahlung eines zusätzlichen Geldbetrages bei Steuerhinterziehung (§ 398a AO). Das Finanzamt kann den Erlass eines Strafbefehls unmittelbar beim zuständigen Gericht beantragen (§ 400 AO).

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4. Befugnisse der Steuerfahndung nach der Strafprozessordnung
Die Befugnisse der Finanzbehörde im Steuerstrafverfahren haben wir uns in diesem Artikel bereits genauer angesehen. Daher beschränken wir uns hier auf einen kurzen Abriss zu den Aufgaben und Rechten der Steuerfahndung nach § 404 Satz 1 AO und den entsprechenden Normen der Strafprozessordnung:
- Entgegennahme von Anzeigen einer Steuerstraftat (§ 158 StPO), insbesondere auch von anonymen Anzeigen außenstehender Dritter
- Vernehmung von Beschuldigten, Zeugen, Sachverständigen und deren Vorführung (§ 163a StPO). Die Steuerfahndung hat entsprechend auch auf bestehende Auskunfts- und Aussageverweigerungsrechte hinzuweisen (etwa §§ 55 und 136 Absatz 1 Satz 2 StPO)
- Vorläufige Festnahme von Beschuldigten, die auf frischer Tat ertappt wurden oder beim Bestehen einer Fluchtgefahr (§ 127 Absatz 1 StPO)
- Sicherstellung und Beschlagnahme von Gegenständen bei der Durchsuchung von Räumlichkeiten (§§ 94, 98 Absatz 1, 102 StPO)
Außerdem besteht die Möglichkeit zur Durchsicht der Papiere des Beschuldigten nach § 404 Satz 2 AO, um zu prüfen, ob eine Sicherstellung zu Beweiszwecken sinnvoll erscheint (§ 110 StPO). „Papiere“ im Sinne der Norm sind dabei nicht nur solche, sondern auch Tonträger, elektronische Speichermedien und Filme.
5. Erlass von Steuerbescheiden aufgrund durchgeführter Ermittlungen
In der Folge einer oder mehrerer Fahndungsprüfungen kommt es regelmäßig zum Erlass
- geänderter Steuerbescheide,
- von Zinsfestsetzungen und
- zur Verhängung einer Geld- oder Freiheitsstrafe.
Diese Tätigkeiten fallen allerdings nicht unter die Aufgaben der Steuerfahndung, sondern in den Zuständigkeitsbereich der Veranlagungsstelle. Sie erlässt und ändert Bescheide auf Grundlage der Prüfungsfeststellungen, zu finden im Prüfbericht der Fahndungsstelle. Dieser dient neben den verfahrensrechtlichen Folgen auch als Zusammenfassung für Zwecke der späteren Anklage vor dem Amts- oder Landgericht.
5.1. Änderung bestehender Steuerbescheide
Eine Änderung bereits ergangener Steuerbescheide kommt regelmäßig nach § 172 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe c AO (arglistige Täuschung der Behörde) oder § 173 Absatz 1 Nummer 1 AO (neue Tatsachen) in Betracht. Bei Steuerstraftaten gilt eine verlängerte Festsetzungsfrist von zehn Jahren (§ 169 Absatz 2 Satz 2 AO). Außerdem ist der Ablauf der Festsetzungsfrist bis zur Unanfechtbarkeit der aufgrund einer Fahndungsprüfung erlassenen Steuerbescheide gehemmt (§ 171 Absatz 5 AO).
Im geänderten Steuerbescheid stellt das Finanzamt die korrekten Besteuerungsgrundlagen fest. Regelmäßig entsteht dabei eine Nachforderung des Fiskus. Nur in den besonderen Fällen des § 173 Absatz 1 Nummer 2 AO (neben steuererhöhenden stellt das Finanzamt auch steuermindernde Tatsachen fest) kann es zu einer Erstattung kommen.
Beispiel: Die Steuerfahndung stellt fest, dass insgesamt EUR 100.000 an Betriebseinnahmen (Warenverkauf) nicht erfasst wurden. Gleichzeitig hat es der Steuerpflichtige unterlassen, EUR 120.000 an Betriebsausgaben (entsprechender Wareneinkauf) zu erfassen. Nach § 173 Absatz 1 Nummer 2 Satz 2 AO sind nun auch die Betriebsausgaben zu erfassen, sodass sich das zu versteuernde Einkommen des Steuerpflichtigen insgesamt um EUR 20.000 mindert.
5.2. Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach § 235 AO
Auch die Festsetzung von Hinterziehungszinsen gemäß § 235 AO (0,5 % der hinterzogenen Steuer pro Monat) gehört nicht zu den Aufgaben der Steuerfahndung. Die Veranlagungsstelle erlässt den entsprechenden Bescheid aber aufgrund der jeweiligen Prüfungsfeststellungen.
Der Zinsbescheid ist ein den Steuerbescheiden gleichgestellter Verwaltungsakt über steuerliche Nebenleistungen nach § 1 Absatz 3 und § 3 Absatz 4 Nummer 4 AO.
5.3. Verhängung von Strafen als Aufgabe der Steuerfahndung
Geld- und Freiheitsstrafen werden ausschließlich vom zuständigen Gericht verhängt, Anklagebehörde ist die Staatsanwaltschaft. Zu den Aufgaben der Steuerfahndung gehören aber
- die Vorbereitung der öffentlichen Klage und das Auftreten als Zeuge,
- die Beantragung eines Strafbefehls beim zuständigen Gericht und
- die grundlegende Feststellung über die Strafbarkeit der Handlung, beispielsweise nach § 370 Absatz 1 AO (Steuerhinterziehung im einfachen Fall) oder § 370 Absatz 3 AO (Steuerhinterziehung im schweren Fall).
Nach § 400 AO gilt dabei, dass das Strafbefehlsverfahren Vorrang vor der öffentlichen Klage hat. Das Finanzamt kann den Strafbefehl (§§ 407 fort folgende StPO) daher direkt beim zuständigen Gericht beantragen. Gehen die Ermittler allerdings davon aus, dass es zu einer Hauptverhandlung kommt, legen sie Akten und Ermittlungsergebnisse zunächst der Staatsanwaltschaft vor.
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Das Steuerstrafverfahren ist ein Verfahren vor den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten, das eine Steuerstraftat im Sinne der Abgabenordnung (AO) zum Gegenstand hat. Gleichzeitig verweist § 385 Absatz 1 AO auf die für sonstige Strafverfahren geltenden Vorschriften von StGB und StPO. Daher spielt insbesondere die Strafzumessung, deren Grundlage die Schwere der Schuld des Täters ist, eine wichtige Rolle. Denn das Gericht hat hier einen mitunter erheblichen Auslegungsspielraum.
Inhaltsverzeichnis
1. Allgemeine Strafandrohung bei Steuerhinterziehung
Im achten Teil der Abgabenordnung sind die Steuerstraftaten sowie das dazugehörige Strafverfahren, das Finanzbehörde und Staatsanwaltschaft gemeinsam betreiben, geregelt. Nach den folgenden Normen existieren für einzelne Steuerstraftaten die folgenden Strafmaße:
- Steuerhinterziehung nach § 370 AO: Steuern sind hinterzogenen, wenn eine Steuer durch unvollständige, fehlende oder falsche Angaben nicht respektive zu niedrig festgesetzt wurde. Entsprechendes gilt, wenn der Steuerpflichtige einen ungerechtfertigten Steuervorteil (etwa durch den Vorsteuerabzug) erlangt. Die Freiheitsstrafe liegt bei bis zu fünf Jahren, in besonders schweren Fällen (§ 370 Absatz 3 AO) bei mindestens sechs Monaten und maximal zehn Jahren
- Gewaltsamer, bandenmäßiger oder gewerbsmäßiger Schmuggel nach § 373 AO: Hiermit meint der Gesetzgeber die Hinterziehung von Ein- oder Ausfuhrabgaben, wenn die Täter dabei gewerblich, bandenmäßig oder besonders gewaltsam vorgehen. Auf Schmuggel steht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen sinkt das Strafmaß auf bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe
- Steuerhehlerei nach § 374 AO: Steuerhehler ist, wer Erzeugnisse und Waren, die unter Hinterziehung von Ein- und Ausfuhrabgaben eingeführt wurden, ankauft, verkauft oder einem Dritten zugänglich macht. Grundsätzlich beträgt die Freiheitsstrafe für eine solche Handlung bis zu fünf Jahre, in besonders schweren Fällen oder bei bandenmäßigem Vorgehen liegt sie bei sechs Monaten bis zehn Jahren (§ 374 Absatz 2 Satz 1 AO)
In allen genannten Fällen kann das Gericht außerdem eine Geldstrafe verhängen. In das Bundeszentralregister (Führungszeugnis) werden dabei nur Geldstrafen eingetragen, die mindestens 90 Tagessätze umfassen. Im erweiterten Führungszeugnis nach § 30a BZRG tauchen allerdings auch Geldstrafen von weniger als 90 Tagessätzen auf.
Aus dem Gesetz ergibt sich ein also entsprechender Rahmen, in dem sich das Gericht bei der Bemessung der Strafe bewegen muss. Die Grundsätze dieser sogenannten Strafzumessung im Steuerstrafverfahren finden sich dann in den §§ 46 bis 51 des Strafgesetzbuches (StGB).
2. Wesentliche Grundzüge der Strafzumessung
Das Steuerstrafverfahren ist dem Grunde nach ein „Strafverfahren wie jedes andere“. Die Abgabenordnung enthält zwar bestimmte Regelungen, beispielsweise zur Zuständigkeit und Abgabe von Fällen an die Staatsanwaltschaft, schlussendlich entscheidet aber auch hier das Amts- oder Landgericht über die zu verhängende Strafe (gesetzliche Zuständigkeiten nach den §§ 24, 74, 74a sowie 120 und 120b GVG). Steht eine Freiheitsstrafe von mehr als vier Jahren im Raum, ist stets das Landgericht zuständig.
Streitigkeiten aus dem Besteuerungsverfahren, insbesondere zur Auslegung einer Rechtsnorm, werden vor den Finanzgerichten verhandelt. Das Besteuerungsverfahren ist daher auch auf dem Rechtsweg klar vom Strafverfahren zu unterscheiden.
Bei der Strafzumessung nach den §§ 46 bis 51 StGB sind die folgenden Normen von besonderer Bedeutung:
- Allgemeine Grundsätze der Strafzumessung nach § 46 StGB
- Milderungsgrund der Schadenswiedergutmachung nach § 46a StGB
- Milderungsgrund der Mithilfe zur Sachverhaltsaufklärung nach § 46b StGB
- Besondere gesetzliche Milderungsgründe im Sinne des § 49 StGB
- Anrechnung von Untersuchungshaft und anderen Freiheitsentziehungen auf die Gesamtfreiheitsstrafe nach § 51 StGB

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Strafzumessung bei Steuerhinterziehung?
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2.1. Allgemeine Zumessungsgrundsätze des § 46 StGB
Nach § 46 Absatz 1 StGB ist die Schuld des Täters Grundlage für die Zumessung der Strafe. Das Gericht hat insbesondere die Wirkungen der Strafe auf das Leben des Täters sowie die Gesellschaft in die Strafzumessung einzubeziehen. Namentlich sind es dabei insbesondere die folgenden Umstände, die einen Niederschlag in der schlussendlichen Strafe finden müssen (§ 46 Absatz 2 StGB):
- Beweggründe und Ziele des Täters
- Gesinnung und Wille, der bei der Tat aufgewendet wurde
- Maß der Pflichtwidrigkeit/Grad des Verschuldens
- Art der Ausführung und Auswirkungen der Tat
- Vorleben, persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse sowie gesellschaftliche Stellung des Täters
- Verhalten nach der Tat, insbesondere der Versuch, den angerichteten Schaden wiedergutzumachen
Ist ein solcher Umstand bereits Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes (etwa „Steuerschaden im großen Ausmaß“ nach § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 AO), darf dieser weder strafschärfend noch strafmindernd Berücksichtigung finden (§ 46 Absatz 3 StGB).
Die genannten Umstände stehen zwar dem Grunde nach gleichwertig nebeneinander, das Gericht kann aber den Gegebenheiten des Einzelfalls entsprechend eine abweichende Gewichtung vornehmen. So ist beispielsweise ein dauerhafter Verlust der einzigen Einkommensquelle mitunter schwerer zu gewichten als ein vorübergehender finanzieller Engpass.
2.2. Strafzumessung: Gesetzliche Milderungsgründe der §§ 46a bis 49 StGB
Das Strafrecht kennt sogenannte Milderungsgründe, die das Gericht bei der Strafzumessung berücksichtigen kann. „Kann“ ist allerdings kein „Muss“, sodass die abschließende Entscheidung über die Milderung der Strafe stets im Ermessen des Gerichts respektive der Kammer steht. Eine Strafmilderung kommt nach den folgenden Vorschriften in Betracht:
- Täter-Opfer-Ausgleich und Schadenswiedergutmachung: Hat der Täter seine Tat ganz oder teilweise wiedergutgemacht oder sich zumindest ernsthaft um einen solchen Ausgleich bemüht, findet § 46a StGB Anwendung. Das Gericht kann die Strafe nach den Grundsätzen des § 49 StGB mindern oder, wenn eine Freiheitsstrafe von weniger als einem Jahr verwirkt wurde, von Strafe absehen. Entsprechendes gilt bei Geldstrafen mit weniger als 360 Tagessätzen
- Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung einer schweren Straftat: Trägt der Täter durch Offenbarung seines Wissens dazu bei, eine schwere Straftat aufzuklären oder zu verhindern, kann das Gericht ebenfalls nach § 49 StGB eine Strafmilderung aussprechen (§ 46b Absatz 1 StGB). „Schwer“ sind Steuerstraftaten durch den Verweis auf § 100a Absatz 2 Nummer 2 StPO immer dann, wenn es sich um einen schweren Fall der Steuerhinterziehung, des Schmuggels oder der Steuerhehlerei handelt
- Besondere Milderungsgründe nach § 49 StGB: Ist eine Milderung der Strafe nach § 49 StGB zugelassen – etwa durch die eben genannten Vorschriften – so normiert die Vorschrift den Umfang der Strafmilderung
Nach § 49 Absatz 1
- Nummer 1 StGB kann anstelle einer lebenslangen Freiheitsstrafe auf eine Freiheitsstrafe von drei Jahren oder darüber erkannt werden.
- Nummer 2 StGB darf eine zeitige Freiheitsstrafe (ein Jahr, drei Jahre, zehn Jahre, …) nur zu einem Viertel des angedrohten Höchstmaßes verhängt werden.
- Nummer 3 StGB ermäßigt sich das erhöhte Mindestmaß bei einer Freiheitsstrafe von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate und von einem Jahr auf drei Monate.
Das Gericht kann außerdem anstelle einer Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
2.3. Anrechnung bereits verhängter Freiheitsentziehung auf die Gesamtstrafe
Nach § 51 Absatz 1 StGB sind Zeiten, die der Verurteilte in Untersuchungshaft verbracht hat, auf die zu verhängende Haftstrafe anzurechnen. Dies gilt auch dann, wenn das Gericht eine Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetzt. Entsprechendes gilt nach § 51 Absatz 2 StGB, wenn eine verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe verhängt wird. Die Zeit, die der Täter bis dahin bereits „abgesessen“ hat, wird angerechnet.
Auch Geldstrafen kann das Gericht auf die Haftstrafe anrechnen. Je geleistetem Tagessatz wird dabei ein Tag Freiheitsentziehung veranschlagt (§ 51 Absatz 4 Satz 1 StGB).

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2.4. Besonderheiten der Strafzumessung bei Bewährungs- und Geldstrafen
Zahlreiche Straftaten, insbesondere die in der Abgabenordnung geregelten, können neben Freiheitsentzug auch mit einer Geldstrafe geahndet werden. Außerdem hat das Gericht die Möglichkeit, eine Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen und eine entsprechende Bewährungszeit festzulegen. Dabei gelten die folgenden Grundätze:
- Geldstrafen sind nach § 40 Absatz 1 StGB in Tagessätzen zu verhängen. Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters. Im Ergebnis soll ein Tagessatz dem täglichen Nettoeinkommen entsprechen (§ 40 Absätze 2 und 3 StGB)
- Freiheitsstrafen, die zwei Jahre nicht übersteigen, kann das Gericht zur Bewährung aussetzen. Voraussetzung ist, dass es davon ausgehen kann, dass der Verurteilte auch ohne Vollzug der Haftstrafe keine weiteren Straftaten mehr begehen wird (§ 56 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 StGB)
Die Bewährungszeit muss zwischen zwei und fünf Jahren liegen. Außerdem kann das Gericht Auflagen verhängen (§§ 56a und 56b StGB). Begeht die verurteilte Person innerhalb der Bewährungszeit (erneut) eine Straftat, kann das Gericht den Vollzug der Haftstrafe anordnen. Entsprechend ist gilt bei einem Verstoß gegen verhängte Auflagen und Weisungen vorzugehen (§ 56f StGB).
3. Grundsatzentscheidungen des BGH zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung
Der Bundesgerichtshof (BGH) als oberste Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit musste sich bereits des Öfteren mit den Grundsätzen der Strafzumessung in Fällen der Steuerhinterziehung beschäftigen. Dabei hat er mehrere Grundsatzentscheidungen gefällt, von denen wir uns zwei einmal etwas genauer anschauen wollen.
3.1. Höhe der verkürzten Steuer als bestimmender Strafzumessungsgrund
In Fall eins musste der BGH mit Urteil vom 22. Januar 2018 (1 StR 535/17) über den maßgeblichen Strafzumessungsgrund nach § 46 StGB entscheiden. Der Entscheidung lag ein Sachverhalt mit insgesamt neun Steuerhinterziehungen zugunsten der GmbH des Angeklagten zugrunde. Dieser haftet als Vertreter der Gesellschaft gemäß § 71 AO für die hinterzogenen Steuerbeträge. Insgesamt wurden für die Jahre 2008 bis 2014 über EUR 520.000 an Körperschaft-, Einkommen- und Gewerbesteuer sowie der darauf entfallenden Solidaritätszuschläge hinterzogen.
Der Bundesgerichtshof musste insbesondere über die konkrete Schuldfrage entscheiden. Er kam dabei zum Ergebnis, dass in den Fällen des § 370 AO die Höhe des hinterzogenen Steuerbetrages der maßgebende Umstand für die Strafzumessung nach § 46 AO ist. Nur in Ausnahmefällen, etwa bei einer körperlichen oder psychischen Erkrankung des Beschuldigten, käme diesem Aspekt eine noch darüber liegende Bedeutung zu.
Im Ergebnis kam der BGH zu einer Verurteilung aufgrund „Steuerhinterziehung durch Unterlassen“.
3.2. Beschäftigung von Schwarzarbeitern wirkt strafschärfend
Im zweiten Fall hatte der Bundesgerichtshof neben der Hinterziehung von Steuern auch über die Nichtentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 14 Absatz 2 Satz 2 und § 266a SGB IV) zu entscheiden. Insgesamt lag der Entscheidung vom 02. Dezember 2008 (1 StR 416/08) eine Umsatz- und Lohnsteuerverkürzung von rund EUR 730.000 und eine Hinterziehung von Sozialabgaben in Höhe von EUR 947.000 zugrunde.
Der BGH stellte dabei zunächst im Grundsatz fest, dass die Auswirkung einer Steuer- und Abgabenverkürzung grundsätzlich im fiskalischen Ausfall von Einnahmen besteht. Die Höhe dieser Verkürzung ist daher maßgebender Umstand für die Strafzumessung nach § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB.
Als strafschärfend sah das Gericht die vom Beschuldigten aufgebaute, für die Hinterziehung optimierte, Unternehmensstruktur an. Kern dieser Struktur waren der Abschluss von Scheingeschäften und die Beschäftigung von Schwarzarbeitern in Form illegaler Arbeitnehmerüberlassungen. Wesentliches Tatbestandsmerkmal war der im SGB IV normierte, „grobe Eigennutz“, der mit der Handlung erreicht werden sollte.
Der BGH stellte daher abschließend einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung nach § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 AO fest. Diese wurde in Tateinheit mit dem Vorenthalten von Arbeitsentgelt im besonders schweren Fall nach § 266a Absatz 4 Nummer 1 SGB IV, auf das ebenfalls eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren steht, begangen.
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Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die steuerrechtliche Fachberatung im Bereich des Strafrechtes spezialisiert. Dabei schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:
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- Abgrenzung zwischen Steuerstraftat und Steuerordnungswidrigkeit
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Steuerpflichtige, die Steuern verkürzen oder ungerechtfertigte Steuervergütungen erhalten, können insbesondere wegen Steuerhinterziehung nach § 370 AO belangt werden. Auf das Steuerstrafverfahren finden dabei die allgemeinen Regelungen des Strafgesetzbuches (StGB) und der Strafprozessordnung (StPO) Anwendung. Gemeinsam mit den jeweiligen Normen der Abgabenordnung stellen sie das Steuerstrafrecht dar.
Inhaltsverzeichnis
1. Steuer- versus Steuerstrafrecht: Konkurrenzen und Zusammenhänge
Mit den Regelungen zum Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren (§§ 369 bis 412 AO) gelten für originär steuerrechtliche Sachverhalte die Regelungen der Strafprozessordnung (StPO), des Strafgesetzbuches (StGB) und des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) entsprechend. Die Abgabenordnung regelt dabei insbesondere,
- welche tatbestandlichen Merkmale für das Vorliegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit gegeben sein müssen,
- welche Kompetenzen die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes hat,
- inwieweit laufendes Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren nebeneinanderlaufen und
- wo Staatsanwaltschaft und Gerichte das Verfahren übernehmen respektive über die zu verhängende Strafe entscheiden.
Das Steuerstrafrecht ist dabei „mehr Straf- als Steuerrecht“, da das laufende Besteuerungsverfahren auch bei einem gleichzeitig anhängigen Strafverfahren weiterläuft. Steuerpflichtige haben also weiterhin alle Rechte und Pflichten, die sich aus den Einzelsteuergesetzen und der Abgabenordnung ergeben. Aus diesem Grund unterhalten alle deutschen Finanzämter eigene Abteilungen oder Stellen für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten einerseits sowie das laufende Besteuerungsverfahren andererseits.
2. Die wichtigsten Regelungen des Steuerstrafrechts kurz zusammengefasst
Schauen wir uns nun einmal die wichtigsten Vorschriften des Steuerstrafrechts, zu finden in mehreren Gesetzen und Verordnungen, etwas genauer an. Soweit die Abgabenordnung abweichende Normen enthält, gehen diese als leges specialis den strafprozessualen Regelungen vor. Im Übrigen gelten dieselben Gesetze, die beispielsweise auf Straftaten wie Körperverletzung und Ordnungswidrigkeiten wie eine Geschwindigkeitsübertretung gelten, auch im Steuerstrafverfahren.
Relevante Vorschriften sind dabei insbesondere:
- Straf- und Bußgeldtatbestände in den §§ 369 bis 384a AO
- Allgemeine Vorschriften für das Steuerstrafverfahren in den §§ 385 bis 396 AO
- Einleitung und Einstellung des Verfahrens nach §§ 397 bis 398a AO
- Rechte und Pflichten der Finanzbehörden (§§ 399 bis 401 AO)
- Stellung des Finanzamtes im staatsanwaltlichen Verfahren (§§ 402 bis 404 AO)
Außerdem beziehen sich verschiedene Normen der Abgabenordnung auf die im letzten Abschnitt genannten Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestände. Es gilt beispielsweise
- dass Bescheide, die aufgrund einer Außenprüfung ergangen sind, nur bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung und leichtfertigen Steuerverkürzung geändert werden können (§ 173 Absatz 2 AO).
- eine verlängerte Festsetzungsfrist von fünf respektive zehn Jahren bei leichtfertiger Verkürzung und Hinterziehung von Steuern (§ 169 Absatz 2 Satz 2 AO).
- eine Ablaufhemmung bis zur Unanfechtbarkeit der aufgrund einer Fahndungsprüfung ergangenen oder geänderten Steuerbescheide (§ 171 Absatz 5 AO).
Die abgabenrechtlichen Normen des Steuerstrafrechts stellen dabei an vielen Stellen eine sogenannte „Blankettverweisung“ in die materiellen Steuergesetze dar. So bezieht sich § 369 Absatz 1 Nummer 1 AO beispielsweise auf „ (alle) Taten, die nach den Steuergesetzen strafbar sind“. Damit verweist der Gesetzgeber etwa auf § 26c UStG, aber auch auf Vorschriften mit Strafandrohung, die erst in Zukunft erlassen werden.
Der Gesetzgeber hat so jederzeit die Möglichkeit, einzelsteuerliche Normen um eine Strafandrohung zu ergänzen und damit automatisch § 369 Absatz 1 Nummer 1 AO mit zusätzlichem „Leben“ auszufüllen.

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2.1. Straf- und Bußgeldtatbestände der §§ 369 bis 384a AO
Zu den wichtigsten Tatbestandsnormen des Steuerstrafrechts gehören:
- Steuerhinterziehung nach § 370 AO: Sie ist nur bei Vollendung strafbar, wobei der Gesetzgeber eine vollendete Steuerhinterziehung annimmt, wenn die Steuern nicht, nicht in voller Höhe oder zu spät festgesetzt werden (§ 370 Absatz 4 Satz 1 AO). Dabei gilt eine unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende oder vorläufige Festsetzung ebenfalls als abschließend ergangen. Als Steuervorteil gilt auch die Steuervergütung, etwa in Fällen eines zu hohen Vorsteuerabzugs oder des unberechtigten Bezugs von Kindergeld (§ 370 Absatz 4 Satz 2 Halbsatz 1 AO)
- Bannbruch nach § 372 AO: Ein Bannbruch liegt vor, wenn Gegenstände gegen ein gesetzliches Verbot ein-, aus- oder durchgeführt werden. Relevant ist die Norm insbesondere bei Tabakwaren und Alkoholerzeugnissen; der Bannbruch wird entsprechend der Steuerhinterziehung geahndet (§ 372 Absatz 2 AO)
- Bandenmäßiger Schmuggel nach § 373 AO: Hierunter fällt die gewerbsmäßige Hinterziehung von Ein- oder Ausfuhrabgaben; dabei gilt das Handeln als Bande mit entsprechenden Strukturen regelmäßig als gewerblich
Steuerhinterziehung, Bannbruch und bandenmäßiger Schmuggel werden mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet. Das Gericht kann als Nebenfolge die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, aberkennen, wenn die Freiheitsstrafe mindestens ein Jahr beträgt (§ 375 Absatz 1 AO). Außerdem ist die Einziehung der aus der Straftat gewonnenen Erzeugnisse möglich (Absatz 2 in Verbindung mit § 74a StGB).
Zu den Steuerordnungswidrigkeiten gehören nach § 377 AO alle Taten, die nach der AO mit einem Bußgeld belegt sind. Dies sind insbesondere folgende Handlungen:
- Leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO: Sie liegt vor, wenn eine Steuerhinterziehung leichtfertig (fahrlässig) begangen wird
- Steuergefährdung nach den §§ 379 bis 382 AO: Ein solcher Fall ist insbesondere gegeben, wenn Steuerpflichtige Belege bewusst falsch ausstellen oder gegen abgabenrechtliche Aufzeichnungspflichten verstoßen
Je nach anzuwendender Norm und Schwere der Schuld ist eine Ahndung dieser Verstöße mit einem Bußgeld von bis zu EUR 50.000 möglich.
2.2. Allgemeine Verfahrensvorschriften des Steuerstrafrechts
Nach § 385 Absatz 1 AO sind die allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren auch für Sachverhalte im Steuerstrafrecht anzuwenden. Namentlich meint der Gesetzgeber damit insbesondere
- die Vorschriften des Strafgesetzbuches, soweit sie die allgemeine Täterschaft, Grundsätze der Strafzumessung und Strafbarkeit betreffen,
- die Normen der Strafprozessordnung, die vor allem Ermittlung und Beweiserhebung sowie den Ablauf des Gerichtsverfahrens regeln,
- das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), das Aufbau und Zuständigkeit der jeweiligen Gerichte regelt, und
- das Jugendgerichtsgesetz (JGG), das Regelungen zur Anwendung des StGB und der allgemeinen Strafvorschriften auf Personen, die älter als 14 und jünger als 21 Jahre alt sind, enthält.
Zuständig für Einleitung und Durchführung des Steuerstrafverfahrens ist dabei die Finanzbehörde, die die betroffene Steuer verwaltet (§ 387 Absatz 1 AO). Erkenntnisse, die Staatsanwaltschaft oder Finanzamt im Steuerstrafverfahren erlangen, dürfen auch im „normalen“ Besteuerungsverfahren verwertet werden (§ 393 Absatz 3 AO). Die Beamten des Finanzamtes gelten, soweit sie im Ermittlungsverfahren tätig werden, als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft. Sie haben dieselben Rechte wie die Beamten des Polizeidienstes (§ 402 AO).
Grundsätzlich zuständig für die Anwendung des Steuerstrafrechts ist das jeweilige Finanzamt. „Herrin“ des Verfahrens ist allerdings stets die Staatsanwaltschaft, die das Verfahren entsprechend jederzeit an sich ziehen kann. Eine Abgabe des Falles kann aber auch durch das Finanzamt an die Staatsanwaltschaft erfolgen (§ 386 Absatz 4 AO).

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2.2.1. Für das Steuerstrafverfahren wichtige Vorschriften des StGB
Da die Normen des StGB auch im Steuerstrafrecht eine wichtige Rolle spielen, geben wir einen kurzen Überblick über die praktisch relevantesten Vorschriften. Sie betreffen insbesondere die Einordnung der Täterschaft, die Unterscheidung zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz sowie die Grundsätze der sogenannten Strafzumessung.
Täter im Sinne des § 25 Absatz 1 StGB ist, wer die Tathandlung selbst durchführt oder eine andere Person mit der Durchführung beauftragt. Personen, die eine Steuerstraftat gemeinsam begehen, werden als Mittäter bestraft (§ 25 Absatz 2 StGB). Anstifter sind Personen, die eine andere Person zur Durchführung einer Tat auffordern oder motivieren. Sie sind entsprechend des Täters zu bestrafen (§ 26 StGB). Entsprechendes gilt für die Beihilfe zu einer Tat.
Steuerstraftaten können auch durch Unterlassen begangen werden, etwa, indem der Steuerpflichtige keine Steuererklärung abgibt und dadurch eine zu niedrige Schätzung der Einkünfte bewirkt (§§ 370 Absatz 4 Satz 1, 162 AO und 12 Absatz 1 StGB).
Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Grob fahrlässiges Handeln liegt vor, wenn dem Täter alle möglichen Folgen seines Handelns von vorne herein bekannt waren oder er sie zumindest abschätzen konnte. Demgegenüber steht der Vorsatz, unter den alle absichtlichen Handlungen fallen. Wer vorsätzlich handelt, möchte mit seiner Handlung bewusst ein bestimmtes Ziel erreichen und ist sich der Strafbarkeit des Vorgehens bewusst (§ 15 StGB).
Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Strafzumessung. Strafmildernde und strafschärfende Umstände sind nach § 46 Absatz 1 und 2 StGB unter anderem:
- Beweggründe und Ziele des Täters
- Gesinnung und Hartnäckigkeit bei der Durchführung der Tat
- Maß der Pflichtwidrigkeit
- Art der Ausführung und Folgen der Handlung
Besondere gesetzliche Milderungsgründe liegen beispielsweise bei einem Irrtum über die Gesetzeswidrigkeit der Handlung vor. Das Gericht kann die Strafe daher zum Beispiel von zehn auf zwei Jahre mildern (§ 49 Absatz 1 Nummer 3 StGB).
2.2.2. Für das Ermittlungsverfahren relevante Normen der StPO
Da den Beamten der Finanzbehörde dieselben Befugnisse wie den Polizeibeamten im Ermittlungsverfahren zustehen, findet insbesondere die StPO Anwendung. Im Steuerstrafrecht steht dabei die Sammlung von Beweisen im Vordergrund; das Gerichtsverfahren unterscheidet sich hingegen nicht nennenswert von „normalen“ Strafverhandlungen. Ermittlungsmaßnahmen sind im achten Abschnitt der StPO, konkret in den §§ 94 bis 111g des Gesetzes, geregelt.
Die Steuerfahndung als Ermittlungsbehörde der Staatsanwaltschaft hat also weitreichende Befugnisse und kann nach § 404 Satz 1 AO in Verbindung mit
- § 94 StPO Beweismittel sicherstellen und beschlagnahmen, insbesondere auch gegen den Willen des Beschuldigten.
- § 98a StPO Fahndungen, auch Rasterfahndungen, durchführen lassen.
- §§ 100 bis 100c StPO das Briefgeheimnis verletzten, den Beschuldigten abhören, Wohnräume überwachen und EDV-Systeme hacken.
- § 110a StPO Verdeckte Ermittler einsetzen, um beispielsweise Banden von innen heraus auszuforschen.
Auch im Steuerstrafrecht ist Abschnitt neun der StPO, der vorläufige Festnahme und Verhaftung regelt, anzuwenden. Über allen Maßnahmen der Finanzbehörde steht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sodass das jeweilige Mittel stets zweckmäßig, notwendig und in seiner Intensität angemessen sein muss.
Das Finanzamt kann außerdem Zeugen vorladen und vernehmen, gegebenenfalls auch unter Eid (§§ 48 bis 71 StPO). Für bestimmte Berufsgruppen, im Steuerstrafverfahren insbesondere Steuerberater, gelten dabei Auskunftsverweigerungsrechte und Beschlagnahmeverbote. So ist es der Behörde nach § 97 Absatz 1 StPO beispielsweise untersagt, Unterlagen, die der Steuerberater transportiert, zu beschlagnahmen und entsprechende Erkenntnisse im Strafverfahren zu verwerten.
Der Beschuldigte selbst hat ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 136 Absatz 1 Satz 2 StPO. Er muss zum Sachverhalt keinerlei Angaben machen. Im laufenden Besteuerungsverfahren darf das Finanzamt kein Zwangsgeld festsetzen, wenn es dadurch eine Handlung erzwingen würde, durch die sich der Beschuldigte selbst belasten könnte (§ 393 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit § 328 AO).
2.2.3. Anwendung des Jugendgerichtsgesetzes
Sinn und Zweck des Jugendstrafrechts ist es, junge Menschen von der zukünftigen Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Dem Rehabilitationszweck kommt daher eine besonders maßgebende Bedeutung, die von den für „normale“ Erwachsene anzuwendenden Vorschriften teils gravierend abweicht, zu. Die Regelungen des StGB gelten daher nur, soweit sich im Jugendgerichtsgesetz keine abweichenden Normen finden (§ 2 Absatz 2 JGG).
An die Stelle der Freiheitsstrafe tritt die Jugendstrafe als „schärfstes Schwert“ des Gerichtes. Sie bedeutet einen vollständigen Freiheitsentzug für den entsprechenden Zeitraum (§ 17 Absatz 1 JGG). Das Höchstmaß der Jugendstrafe beträgt fünf Jahre für Vergehen und zehn Jahre für Verbrechen (§ 18 Absatz 1 JGG). Was als Vergehen und welche Handlungen als Verbrechen gelten, richtet sich nach § 12 StGB:
- Verbrechen sind Taten, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht sind
- Vergehen sind Straftaten, für die die Strafandrohung bei weniger als einem Jahr liegt
Maßgebend ist die grundlegende Strafandrohung des Gesetzes; auf bestimmte Milderungsgründe (etwa eingeschränkte Schuldfähigkeit, Geständigkeit oder Beihilfe) kommt es nicht an. Die Steuerhinterziehung ist stets ein Vergehen, da selbst der besonders schwere Fall nur mit einem Mindeststrafmaß von sechs Monaten belegt ist (§ 370 Absatz 3 Satz 1 AO).
2.3. Rechte und Pflichten des Finanzamtes im Steuerstrafrecht
Dem Grunde nach hat das Finanzamt die Befugnisse der Staatsanwaltschaft, soweit sie das Ermittlungsverfahren selbst durchführt (§ 399 Absatz 1 AO). Nach den Grundsätzen des § 111 AO sind andere Behörden, insbesondere die Polizei, zur Amtshilfe verpflichtet. Relevant ist die Norm etwa bei der Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen, wenn für die Steuerfahnder selbst ein zu hohes Risiko bestünde.
Das Finanzamt, regelmäßig nach außen hin tätig durch die Bußgeld- und Strafsachenstelle, kann einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls beim zuständigen Gericht stellen. Diese Möglichkeit besteht immer dann, wenn die bislang gesammelten Erkenntnisse einen ausreichenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage bieten. In allen anderen Fällen legt das Finanzamt die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft vor (§ 400 AO).
Soweit die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren durchführt, ist die für das Besteuerungsverfahren zuständige Finanzbehörde zur Teilnahme befugt. Die jeweiligen Bediensteten können beispielsweise Durchsuchungen beiwohnen (§ 403 Absatz 1 Satz 1 AO). Sie wirken außerdem an Zeugenbefragungen mit, soweit sie es wünschen (Sätze 2 und 3).
3. Einleitung, Einstellung und Absehen von der Verfolgung im Steuerstrafverfahren
Ein Steuerstrafverfahren gilt als eingeleitet, sobald eine Ermittlungsbehörde (Finanzamt, Staatsanwaltschaft, Polizei) die erste Maßnahme trifft, die darauf abzielt, gegen eine Person wegen einer Steuerstraftat vorzugehen (§ 397 Absatz 1 AO). Über die Einleitung ist ein Aktenvermerk anzufertigen, außerdem muss der Beschuldigte spätestens dann über sie informiert werden, wenn er Unterlagen vor- oder Tatsachen darlegen soll (§ 397 Absatz 2 und 3 AO).
Die Staatsanwaltschaft kann das Verfahren sodann entweder weiterbetreiben oder wegen Geringfügigkeit einstellen; insbesondere dann, wenn die erlangten Steuervorteile nur geringfügig sind (§ 398 Satz 1 AO). In besonderen Fällen kann sie außerdem von der Verfolgung absehen, wenn der Steuerpflichtige eine wirksame Selbstanzeige nach § 371 AO abgegeben hat und nur wegen des Überschreitens der EUR-25.000-Grenze (§ 371 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 AO) eine Strafverfolgung möglich ist. Voraussetzungen hierfür ist allerdings nach § 398a Absatz 1 Nummer 1 und 2 AO, dass
- der gesamte hinterzogene Steuerbetrag zuzüglich der nach § 235 AO anfallenden Zinsen an den Fiskus gezahlt wird, und
- der Steuerpflichtige 10 % bis 20 % der hinterzogenen Steuer zugunsten der Staatskasse entrichtet, wenn der Hinterziehungsbetrag bei weniger als EUR 100.000, über EUR 150.000 und unter EUR 1.000.000 oder über EUR 1.000.000 liegt.
Beispiel: U hat Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt EUR 200.000 hinterzogen. Er hat alle Taten durch eine wirksame Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO eingeräumt und den hinterzogenen Betrag inklusive Zinsen nachgezahlt. Die Selbstanzeige ist zwar wirksam, sie führt aber nur dann zu einer Strafbefreiung, wenn der hinterzogene Betrag bei maximal EUR 25.000 liegt. Dies ist hier nicht der Fall, die Grenze ist um mehr als das Siebenfache überschritten.
Aber: Der Staatsanwalt kann das Verfahren nach § 398a Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b AO einstellen, wenn U 15 % der hinterzogenen Steuer (EUR 30.000) zusätzlich an die Staatskasse zahlt.
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Steuerstrafrecht
- Einreichung einer strafbefreienden Selbstanzeige beim Finanzamt
- Begleitung des gerichtlichen Strafverfahrens im Steuerrecht
- Abgrenzung zwischen Steuerstraftat und Steuerordnungswidrigkeit
- Entwicklung steuerlicher Gestaltungsmodelle zur Vermeidung des § 42 AO
- Optimierung der Unternehmensstruktur, etwa durch Gründung einer Holding
- Beratung zu sämtlichen Umwandlungsvorgängen (Einbringung, Verschmelzung, Formwechsel, Anteilstausch)
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Die neuen Änderungen des § 376 AO verschärfen die Strafverfolgung von Steuerstraftaten. Diese können auch die Möglichkeit der Selbstanzeige erschweren. Zudem wirkt es sich auf die Handlungsalternativen bei dem Vorwurf der Steuerhinterziehung bei wiederkehrenden Steuerarten aus. Das widerspricht dem verfassungsrechtlich gesicherten Recht des Steuerhinterziehers sich selbst nicht belasten zu müssen. Wir erklären, welche steuerstrafrechtlichen Probleme auftreten und wie sich diese vermeiden lassen.
Inhaltsverzeichnis
1. Änderungen der Steuerhinterziehungsvorschriften
Am 01.01.2021 ist die verlängerte Verfolgungsverjährungsfrist von 15 Jahren für die Katalogfälle der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Absatz 3 AO in Kraft getreten. Diese Änderung hat aber Folgen, die über die strafrechtliche Verjährung hinausreichen. Beispielsweise kommt es zu einem verlängerten Berichtigungszeitraum für Selbstanzeigen nach §§ 371, 398a AO. Daneben berührt diese gesetzgeberische Maßnahme die Selbstbelastungsfreiheit der Steuerpflichtigen. Diese würden sich durch Erfüllung ihrer Mitwirkungspflichten mittelbar selbst auf ihre bereits begangenen Steuerstraftaten aus früheren Besteuerungszeiträumen belasten. Das wiederum hat Auswirkungen auf die Handlungsalternativen bei periodisch widerkehrenden Steuerarten, wie der Einkommensteuer oder Gewerbesteuer. Wir erklären folgend, wie Sie aus dieser Konfliktsituation herauskommen.
2. Selbstbelastungsfreiheit des Steuerpflichtigen
Die Selbstbelastungsfreiheit (nemo tenetur se ipso accusare) wird als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 1 GG geschützt. Der Steuerpflichtige muss sich daher in einem Strafverfahren nicht selbst belasten. Dabei kommt es dann zu einem unzulässigem Selbstbelastungszwang, wenn der Steuerpflichtige gezwungen wird, sich mittelbar selbst wegen einer Steuerstraftat aus einem vorherigen Besteuerungszeitraum zu belasten. Dazu kann es aber bei wiederkehrenden Steuerarten kommen. Wir erklären folgend Sie dennoch Steuerhinterziehung bei wiederkehrenden Steuerarten vermeiden.
3. Problem: Steuerhinterziehung bei wiederkehrenden Steuerarten
Probleme im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung entstehen bei periodisch wiederkehrenden Steuerarten. Dabei kann der Steuerpflichtige bereits in einem vorherigen Veranlagungszeitraum eine Steuerhinterziehung begangen haben. Sie bleibt dabei aber nur dann unentdeckt, wenn er sein steuerunehrliches und strafbares Verhalten in den weiteren Veranlagungszeiträumen fortsetzt. Wenn er hingegen steuerehrliche wird, kann die Finanzbehörde Rückschlüsse auf die schon begangene Tat des vorherigen Veranlagungszeitraums ziehen.
Dann belastet sich der Steuerpflichtige durch die Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten selbst im Hinblick auf den früheren Besteuerungszeitraum. Bei Nichterfüllung seiner Mitwirkungspflichten hingegen würde er sich weiter der Steuerhinterziehung strafbar machen. Will der Steuerpflichtige beispielsweise bei der Erfüllung seiner Erklärungspflicht eine im Vorjahr schon existente aber verheimlichte Einkunftsquelle erstmalig offenbaren kommt er in eine entsprechende Konfliktsituation.
4. Rechtsprechung zur Steuerhinterziehung bei wiederkehrenden Steuerarten
4.1. Suspendierung der strafbewehrten Steuererklärungspflicht
Der Bundesgerichtshof (BGH) löst einige ähnliche Konflikte, indem er unter Voraussetzungen die Strafbewehrung der Steuererklärungspflicht suspendiert. Das gilt dann, wenn der Steuerpflichtige ansonsten in eine unauflösbare Konfliktsituation gerät. Voraussetzung der Unauflösbarkeit ist die Unzumutbarkeit des normgemäßen Verhaltens. Dies erkennt der BGH allerdings nur dann an, soweit ein Strafverfahren hinsichtlich des nämlichen Unrechts eingeleitet war.
Wenn zum Beispiel bereits wegen hinterzogener monatlicher Umsatzsteuervorauszahlung aus einem bestimmten Kalenderjahr das Steuerstrafverfahren eingeleitet ist, ist diese Nämlichkeit im Verhältnis zur späteren strafbewehrten Umsatzsteueranmeldung für ebendieses Kalenderjahr gegeben. Die strafbewehrte Verpflichtung ist auch dann suspendiert, wenn das Strafverfahren bereits wegen versuchter Steuerhinterziehung hinsichtlich derselben Steuerart und desselben Besteuerungszeitraums eingeleitet ist.
Ansonsten besteht die Strafandrohung des § 370 AO hingegen – trotz der Gefahr der Selbstbelastung im Hinblick auf frühere Besteuerungszeiträume – fort, wenn der Steuerpflichtige mit einer unrichtigen beziehungsweise unterlassenen Erklärung neues Unrecht begehen würde. Das betrifft die hier in Rede stehenden periodisch wiederkehrenden Erklärungspflichten, in denen der Steuerpflichtige durch die Strafandrohung gezwungen würde, sich mittelbar selbst wegen einer Steuerstraftat aus einem Vorjahr zu belasten.

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4.2. Beweisverwertungsverbot
Um in solchen Konfliktsituationen dem Nemo-tenetur-Grundsatz trotz der fortbestehenden Strafandrohung gerecht zu werden, nimmt die Rechtsprechung ein Beweisverwendungsverbot an. Das gilt jedoch nur, sofern der Steuerhinterzieher keine wirksame Selbstanzeige mehr erstatten kann, beispielsweise weil bereits Sperrgründe nach § 371 Absatz 2 AO eingetreten sind.
4.3. Selbstanzeige zur Vermeidung der Steuerhinterziehung bei wiederkehrenden Steuerarten
Wenn für die ursprüngliche Steuerhinterziehung die Möglichkeit einer wirksamen Selbstanzeige noch fortbesteht, so sieht der BGH den Steuerpflichtigen nicht in einer Konfliktlage. Daher soll ihm ein Beweisverwertungsverbot nicht zu stehen. Vielmehr soll der der Steuerpflichtige sich selbst aus der Situation befreien, indem er seine Taten aus einem früheren Besteuerungszeitraum offenbart. Grund dafür soll die strafaufhebende Wirkung der Selbstanzeige sein.
Die Angaben in der Selbstanzeige müssen in vollem Umfang und zu allen noch nicht verfolgungsverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart erfolgen. Die oben angesprochene verlängerte Verfolgungsverjährung bezieht sich auf die Katalogfälle des § 370 Absatz 3 AO. Der Strafverfolgung und der geschilderten Konfliktsituation kann der Steuerhinterzieher in den Katalogfällen damit nunmehr nur noch entgehen, wenn er alle in den letzten 15 Jahren hinterzogenen Steuern einer Steuerart nacherklärt und gegebenenfalls verzinst nachentrichtet.
Da der Berichtigungszeitraum so weit in die Vergangenheit zurückreicht ist es für den Steuerpflichtigen schwierig, die notwendigen Daten vollständig und in der für die Selbstanzeige gebotenen hohen Qualität zusammenzutragen. Unabhängig davon gerät zudem die Abgrenzung des bedingten Vorsatzes von der – nicht strafbaren – bewussten Fahrlässigkeit immer mehr zu einem für den Steuerpflichtigen unkalkulierbaren Glücksspiel, je länger die objektive Steuerverkürzung zurückliegt. Es bedarf daher eine besonders aufmerksamen Dokumentation.
Eine Selbstanzeige, die nicht hinreichend präzise ist nicht nur unwirksam. Darüber hinaus liefert sie den Strafverfolgungsbehörden einen Anfangsverdacht und damit den Anlass für die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens. Wir beraten Sie gerne zum Einreichen der optimalen Selbstanzeige.

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5. Fazit: Auswege aus der Steuerhinterziehung bei wiederkehrenden Steuerarten
Hat der sich in einer Konfliktsituation befindliche Steuerpflichtige bezogen auf zurückliegende Besteuerungszeiträume keine Selbstanzeigemöglichkeit mehr, beispielsweise wegen bereits eingetretener Sperrgründe, ist die Erfüllung von Erklärungspflichten für spätere Besteuerungszeiträume nur dann weiter zumutbar, wenn die offenbarten Informationen allein im Besteuerungsverfahren verwendet werden dürfen. Sie dürfen, soweit sie unmittelbar oder auch nur mittelbar zum Nachweis einer Steuerhinterziehung für die zurückliegenden Steuerjahre führen können, nicht für Strafverfolgungszwecke herangezogen werden.
Ist das Einreichen einer Selbstanzeige noch möglich, so müssen Sie diese stellen.
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