Grundsätze der Täterschaft im Steuerstrafrecht

Wer wird für welche Handlung belangt?

Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe zu Steuerstraftaten

Für das Steuerstrafverfahren gelten die allgemeinen strafrechtlichen Vorschriften, zu finden insbesondere im Strafgesetzbuch (StGB). Insbesondere bei einer Steuerhinterziehung ist daher zwischen originärer Täterschaft und Mittätern, Beihilfe sowie der Anstiftung zu unterscheiden. Besonderheiten ergeben sich dabei im Einzelnen durch gemeinsame Erklärungspflichten und die Mitwirkung von Steuerbevollmächtigten. Ein Überblick!

Unser Video:
Täterschaft bei Steuerstraftaten

In diesem Video gehen wir detailliert auf Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe bei Steuerhinterziehung sowie anderen Straftaten ein!

Inhaltsverzeichnis

1. Grundsatz: Täterschaft im Steuerstrafverfahren

Nach § 370 Absatz 1 AO wird mit bis zu fünf, in besonders schweren Fällen des Absatzes 3 auch mit bis zu zehn, Jahren Freiheitsstrafe bestraft, wer eine Steuerhinterziehung im Sinne der genannten Norm begeht. Für uns interessant ist dabei das Wörtchen „wer“, denn dieses bezieht sich auf die Täterschaft im Sinne strafrechtlicher und prozessualer Normen. Über § 385 Absatz 1 AO gelten die Vorschriften des StGB entsprechend, wobei es vor allem auf die folgenden Definitionen ankommt:

  • Täterschaft und Mittäterschaft im Sinne des § 25 StGB
  • Anstiftung zu einer Straftat im Sinne des § 26 StGB
  • Beihilfe zur Steuerstraftat im Sinne des § 27 StGB

Den Strafvorschriften gegenüber stehen die Vorschriften über Ordnungswidrigkeiten, insbesondere des OWiG, die nach § 377 Absatz 2 AO auch für das Verfahren in Steuerordnungswidrigkeiten nach den §§ 378 bis 384a AO anzuwenden sind. Die Definitionen und Regelungen des StGB gelten im OWi-Verfahren nur, soweit das OWiG selbst auf sie verweist.

Schauen wir uns nun einmal an, wie sich Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe bei Steuerhinterziehung darstellen. Im Fokus stehen dabei neben den allgemeinen Definitionen auch die Besonderheiten des Besteuerungsverfahrens, etwa durch die gesonderte Feststellung oder eine Zusammenveranlagung von Ehegatten.

1.1. Täterschaft und Mittäterschaft im Sinne des § 25 StGB

Bei der Steuerhinterziehung handelt es sich nach ständiger Rechtssprechung des BGH um ein sogenanntes „Jedermannsdelikt“. Für die Anwendung des § 370 Absatz 1 AO ist daher unerheblich, ob der Steuerpflichtige selbst die Steuer hinterzieht (unmittelbare Täterschaft) oder ob die Hinterziehung – mit oder ohne Wissen des Beteiligten – durch eine andere Person erfolgt (mittelbare Täterschaft; unter anderem BGH vom 06.06.2007, 5 StR 127/07). Ausschlaggebend ist nur, dass die handelnde Person Einfluss auf das Besteuerungsverfahren nimmt und dadurch eine Verkürzung von Abgaben oder die Gewährung ungerechtfertigter Vorteile im Sinne des § 370 Absatz 4 AO bewirkt (Klein/Jäger, AO, § 370, Randziffer 25a).

Täter im Sinne des § 25 Absatz 1 StGB ist, wer eine (Steuer-) Straftat durch

begeht. Als sogenannte Mittäter werden Personen bestraft, die die Straftat gemeinschaftlich begehen (§ 25 Absatz 2 StGB). Juristische Personen können keine Täter im Sinne des § 25 StGB sein, sodass beispielsweise bei der Steuerhinterziehung für eine GmbH der handelnde Geschäftsführer zu bestrafen ist. Ausgeschlossen ist in derartigen Fällen, dass der GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer gemeinsam mit „seiner“ GmbH als Mittäter bestraft wird.

In den Fällen der Mittäterschaft muss sich jeder Beteiligte den Tatbeitrag der jeweils anderen Person zurechnen lassen. Im Ergebnis erfolgt die Festlegung der Strafe so, als wären alle Handlungen nur von einer (natürlichen) Person vorgenommen worden. Gibt beispielsweise ein Drittschuldner wie die Bank eine falsche Drittschuldnererklärung ab und hat der Vollstreckungsschuldner hiervon Kenntnis, machen sich beide mitunter der Steuerhinterziehung strafbar (BGH vom 18.12.1975, 4 StR 472/75).  

Nach herrschender Meinung können Täter eine Steuerhinterziehung nur Personen sein, die auch Mitwirkungspflichten im weiten Sinne treffen. Dies sind beispielsweise

  • Abgabe der Steuererklärung (en) nach § 149 AO,
  • Mitwirkungspflichten bei der Aufklärung des Sachverhalts nach § 90 AO und
  • Pflicht zur Anmeldung eines Unternehmens nach § 138 AO.

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1.2. Anstiftung zu einer Straftat nach § 26 StGB

Nach § 26 StGB sind Personen, die vorsätzlich

  • eine andere Person
  • zu deren vorsätzlich begangener
  • Tat (Vergehen oder Verbrechen)

bestimmt haben, entsprechend einer originären Täterschaft und damit wie der Täter selbst zu bestrafen. Entscheidend ist die tatsächliche Begehung der Tat durch den schlussendlichen Täter im Sinne des § 25 StGB (Wortlaut der Norm, „…vorsätzlich begangener…“). Nach herrschender Meinung liegt eine Anstiftung in allen Fällen des Hervorrufens eines konkreten Tatentschlusses vor. Ungeklärt ist, ob hierunter auch das bloße Herbeiführen einer „verlockenden“ Situation fällt.

Eine Anstiftung kann außerdem nur dann vorliegen, wenn der Täter den Tatentschluss nicht bereits selbst gefasst hat. Mindestens der sprichwörtliche „Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“, muss also vom Anstifter ausgehen. Außerdem ist Vorsatz erforderlich, die anstiftende Person muss also ebenfalls wollen, dass der jeweilige Taterfolg eintritt (unter anderem Fischer, § 26 StGB, Randziffer 3).

Eine Anstiftung im Sinne des § 26 StGB ist außerdem zu verneinen, wenn der Anstifter den Täter lediglich als „Werkzeug“ benutzt und dieser – etwa aus mangelndem Sachverständnis heraus – in Unkenntnis über die Rechtswidrigkeit seiner Handlung gelassen wird. Denn hier scheitert es am Vorsatz des Ausführenden; vielmehr liegt eine mittelbare Täterschaft der anstiftenden Person vor (§ 25 Absatz 1 Alternative 2 StGB).

1.3. Beihilfehandlungen im Sinne des § 27 StGB

Beihilfe im Sinne des § 27 Absatz 1 StGB unterscheidet sich dadurch von der originären Täterschaft, dass der Gehilfe lediglich eine psychische oder physische Förderung zum Eintritt des Taterfolges geleistet hat. Maßgebend für die Annahme einer Beihilfe ist daher, dass der Taterfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch ohne die Unterstützung des Gehilfen eingetreten wäre (unter anderem BGH vom 01.08.2000, 5 StR 624/99).

Unerheblich ist nach ständiger Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes außerdem, ob

  • der Gehilfe den Eintritt des Taterfolges, etwa die finale Verkürzung objektiv geschuldeter Steuerbeträge, selbst wünscht,
  • der Gehilfe über die Bedeutung seiner Handlung in Kenntnis gesetzt oder in Unkenntnis gelassen wurde, oder
  • die Hilfsleistung im Vorbereitungs- oder Ausführungsstadium der Straftat geleistet wird.

Prominente Fälle zur Abgrenzung zwischen Beihilfe und Täterschaft sind manipulierte Softwares für Kassensysteme. Wer die Software programmiert, nimmt billigend in Kauf, dass diese später potenziell auch für die Ausführung von Steuerstraftaten genutzt wird. Unmittelbare Täterschaft ist hingegen beim Anwender der Software anzunehmen (BGH vom 01.09.2020, 1 StR 205/20).

Beihilfehandlungen sind entsprechend einer originären Täterschaft zu behandeln. Das Gericht kann die Strafe aber nach den Grundsätzen des § 49 Absatz 1 StGB mildern (§ 27 Absatz 2 StGB). Demnach gilt insbesondere für die Steuerhinterziehung, dass an die Stelle einer fünf- oder zehnjährigen Haftstrafe eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren tritt. Geldstrafen dürfen bei einer Milderung nach § 49 StGB maximal in Höhe von 75 % des im Raum stehenden, maximalen Strafmaßes betragen (§ 49 Absatz 1 Nummer 2 Satz 2 StGB).

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2. Beispielfall: Unmittelbare und mittelbare Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe

Schauen wir uns anhand des folgenden Beispiels nun einmal an, wie die jeweiligen Handlungen der an einer Steuerstraftat beteiligten Personen in der Praxis juristisch zu bewerten wären. Dabei sind beteiligt:

  • Ein Steuerberater, der seinen Mandanten empfiehlt, ausländische Einkünfte nicht in der Steuererklärung anzugeben
  • Ein Vermögensverwalter, an den der Steuerberater seine Mandanten weitervermittelt
  • Zwei verheiratete Steuerpflichtige, die dem Welteinkommensprinzip des § 1 Absatz 1 Satz 1 EStG unterliegen

Der Steuerberater empfiehlt seinen Mandanten, Zinseinkünfte aus einem ausländischen Staat, mit dem keine Auskunftsabkommen bestehen, in der Einkommensteuererklärung außen vor zu lassen. Um das Bestehen dieser Einkünfte bestmöglich zu verschleiern, vermittelt er die Mandanten weiter an einen ebenfalls in Deutschland ansässigen Vermögensverwalter, kommuniziert aber nicht unmittelbar mit diesem.

Abschließend geben die Ehegatten ihre Zinseinkünfte nicht in der Einkommensteuererklärung an.

Die Handlungen der Beteiligten sind nach den folgenden Vorschriften strafbar:

  • Der Steuerberater informiert den Steuerpflichtigen über die Möglichkeiten der Hinterziehung. Indem er einen Experten empfiehlt, schafft er eine für den Mandanten „verlockende“ Situation – eine Bestrafung kommt als Anstifter in Betracht
  • Der Vermögensverwalter weiß, dass er an einer Steuerhinterziehung mitwirkt, weil sich die Mandanten explizit mit dem Wunsch, Zinseinkünfte nicht zu versteuern, an ihn wenden. Indem er ein konkretes Konzept entwirft, wird er Mittäter
  • Haupttäter sind beide Steuerpflichtige, da sie beide ihre ausländischen Einkünfte unversteuert vereinnahmen

Die Steuerhinterziehung ist begangen, sobald der entsprechende (fehlerhafte weil unvollständige) Steuerbescheid ergeht (§ 370 Absatz 4 Satz 1 AO).

Hätte nur der Ehemann eine Steuerhinterziehung begangen, so wird die Ehefrau durch die Unterschrift der gemeinsamen Erklärung nicht automatisch zur Mittäterin. Denn die Zusammenveranlagung stellt rechtlich zwei getrennte Festsetzungen dar, die lediglich auf einem Bescheid miteinander verbunden werden (BGH vom 17.04.2008, 5 StR 547/07).

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  1. Einreichung einer strafbefreienden Selbstanzeige beim Finanzamt
  2. Begleitung des gerichtlichen Strafverfahrens im Steuerrecht
  3. Abgrenzung zwischen Steuerstraftat und Steuerordnungswidrigkeit
  4. Entwicklung von Verteidigungsstrategien gegenüber der Finanzverwaltung bei Einspruchsverfahren, Betriebsprüfungen, FG-Klageverfahren und BFH-Revisionsverfahren
  5. Ausarbeitung von Vermeidungsstrategien für den Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO
  6. Beratung bei komplexen Unternehmensstrukturen (Holdinggesellschaften, Organschaften)

Hierzu stehen Ihnen unsere Steuerberater und Rechtsanwälte an den Standorten Köln und Bonn gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Zudem beraten wir deutschlandweit per Telefon und Videokonferenz:

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