Steuerstrafverfahren

Verfahrensgang & Rechte des Beschuldigten

Steuerstrafverfahren: Ablauf, Einstellung des Ermittlungsverfahrens

Bei Fällen in denen Steuerhinterziehung vorliegen kann, kommt es regelmäßig zur Einleitung des Steuerstrafverfahrens. Nach § 385 Absatz 1 AO gelten für das Steuerstrafverfahren zwar grundsätzlich die allgemeinen Regeln des Strafverfahrens, also die Strafprozessordnung (StPO) und das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Das Steuerstrafverfahren erhält aber durch die Spezialvorschriften der §§ 385 fort folgend AO einige Modifikationen. Kern des Steuerstrafverfahrens ist das Ermittlungsverfahren. Nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens wird oft das gerichtliche Steuerstrafverfahren eingeleitet. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem Ermittlungsverfahren.

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Steuerhinterziehung: Strafbefreiung durch Selbstanzeige

In diesem Video erklären wir, was Steuerhinterziehung ist und, wie man eine Strafe umgehen kann.

Inhaltsverzeichnis


1. Zuständigkeit im Rahmen des Steuerstrafverfahrens

Grundsätzlich ist im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren die Staatsanwaltschaft sogenannte Herrin des Ermittlungsverfahrens. Das heißt, das sie für das Ermittlungsverfahren zuständig ist. Bei der Verfolgung von Steuerstraftaten ist aber regelmäßig die Finanzbehörde Ermittlungsbehörde. Mithin nimmt sie die Rechte und Pflichten im Ermittlungsverfahren wahr (§§ 386 Absatz 1 Satz 1, 399 AO). Die Finanzbehörde ermittelt selbstständig und ohne Weisungsgebundenheit gegenüber der Staatsanwaltschaft, wenn die Tat ausschließlich eine Steuerstraftat, ein Kirchensteuer- oder sonstiges Abgabenvergehen oder eine der Steuerstraftat gleichgestellte Tat darstellt. Die Staatsanwaltschaft kann das Verfahren aber jederzeit an sich ziehen (§ 386 Absatz 4 Satz 2 AO). Organisatorisch nehmen innerhalb des Finanzamtes die Straf- und Bußgeldstellen diese Aufgaben wahr. Davon zu unterscheiden ist die Dienststelle der Steuerfahndung. Sie ist Vollzugsorgan für die Straf- und Bußgeldstellen. Deren Beamte sind sogenannte Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft (§ 404 Satz 1 AO).

2. Einleitung des Steuerstrafverfahrens

Das Legalitätsprinzip gilt als tragendes Prinzip des Steuerstrafverfahrens. Das heißt, dass die Finanzbehörde zur Einleitung des Strafverfahrens verpflichtet ist, wenn sie Tatsachen erfährt, die den Verdacht einer Steuerstraftat rechtfertigen (§§ 385 Absatz 1 AO, 160 Absatz 1 StPO).

2.1. Voraussetzungen

Es muss dabei ein sogenannter Anfangsverdacht bestehen. Dieser liegt vor, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Tat vorliegen (§ 152 Absatz 2 StPO). Die bloße Vermutung der Straftat reicht also nicht aus. Das Steuerstrafverfahren ist eingeleitet, sobald die Finanzbehörde, die Staatsanwaltschaft oder ihre Ermittlungsbeamten Maßnahmen getroffen haben, die erkennbar darauf abzielt, gegen jemanden wegen einer Steuerstraftat strafrechtlich vorzugehen (§ 397 Absatz 1 AO). Die Einleitung des Steuerverfahrens ist in den Akten zu vermerken und dem Beschuldigten mitzuteilen (§ 397 Absatz 2 und 3 AO). Ist die Tat verjährt, so darf auch das Steuerstrafverfahren nicht mehr eingeleitet werden. Die Verjährung beginnt sobald die Tat beendet ist (§ 78a StGB) und beträgt grundsätzlich fünf Jahre. Ermittlungsmaßnahmen gegen den Beschuldigten führen zur Unterbrechung der Verjährung (§§ 369 Absatz 2 AO, 78c Absatz 1 StGB. Mithin beginnt die Verjährung nach jeder Unterbrechung neu zu laufen (§ 78c Absatz 3 Satz 1 StGB).

2.2. Folgen der Einleitung des Steuerstrafverfahrens

Der Zeitpunkt der Einleitung des Steuerstrafverfahrens ist von besonderer Bedeutung. Ab da ändert sich die Rechtstellung des Steuerpflichtigen. Im fortlaufenden Besteuerungsverfahren ist der Steuerpflichtige zur Mitwirkung verpflichtet. Im Steuerstrafverfahren hingegen braucht er nicht zu seiner Überführung beizutragen (§ 136 Absatz 1 Satz 2 StPO). Deswegen regelt § 393 Absatz 1 Satz 2 AO, dass die Mitwirkung im Besteuerungsverfahren nicht mehr erzwungen werden darf. Der BGH nimmt daher an, dass eine strafbewehrte Steuererklärungspflicht solange und soweit ausgeschlossen ist, als für denselben Zeitraum ein Steuerstrafverfahren gegen den Steuerpflichtigen läuft. Für nachfolgende Besteuerungszeiträume gilt dies nicht, auch wenn daraus negative Schlussfolgerungen für das eingeleitete Steuerstrafverfahren gezogen werden können.

Mit Einleitung des Steuerverfahrens endet auch die Möglichkeit der steuerbefreienden Selbstanzeige (§ 371 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b) AO). Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist der Beschuldigte über sein Aussageverweigerungsrecht und darüber, dass seine Mitwirkungspflichten nicht erzwungen werden können zu belehren. Ohne Belehrung entsteht ein Beweisverwertungsverbot und es ist eine qualifizierte Belehrung nachzuholen. Das heißt, dass der Beschuldigte über das Schweigerecht und darüber, dass frühere Aussagen unverwertbar sind zu belehren.

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3. Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden

Zur Sachverhaltsermittlung darf die Finanzbehörde bzw. die Staatsanwaltschaft im Steuerstrafverfahren Ermittlungen jeder Art selbst durchführen oder durch Beamte des Polizeidienstes (insb. der Steuerfahndung) durchführen lassen (s. § 161 StPO). Sie darf insbesondere den Beschuldigten und Zeugen vernehmen. Weitere Ermittlungsmaßnahmen sind unteranderem die Durchsuchung, Beschlagnahme, Observation, Telekommunikationsüberwachung und die vorläufige Festnahme. Die Ermittlungsbehörde darf diese Maßnahmen nur bei Gefahr in Verzug anordnen, da sie erhebliche Eingriffe in die Grundrechte darstellen. Ansonsten ist zur Anordnung allein der Ermittlungsrichter befugt. Auf Grund dessen ist Gefahr in Verzug als Voraussetzung auch nur eng auszulegen. Sie besteht, wenn die an sich erforderliche richterliche Anordnung nicht eingeholt werden kann, ohne dass der Zweck der Maßnahme gefährdet wird. Die Staatsanwaltschaft oder Finanzbehörde hat demnach nur Antragsrechte (§ 162 StPO). Die genannten Befugnisse der Ermittlungsbehörde sind bei weitem nicht abschließend.

3.1. Durchsuchung

Zweck der Durchsuchung besteht entweder in der Ergreifung des Verdächtigen oder in der Erlangung von Beweismitteln. Als Durchsuchungsobjekte kommen Wohnungen und andere Räume, sowie Personen und Sachen in Betracht. Wird bei einem Unverdächtigen durchsucht, so sind an die Zulässigkeit höhere Anforderungen als im Falle der Durchsuchung bei einem Verdächtigen zu stellen (§§ 102, 103 StPO). Der Durchsuchungsbeschluss hat über Folgendes Auskunft zu geben: Steuerart, Zeitraum und die Tathandlung, auf die sich der konkrete Tatverdacht bezieht, Art und denkbarer Inhalt der gesuchten Beweismittel und Umfang der zu durchsuchenden Räumlichkeiten. Gegen die Durchsuchungsanordnung ist die Beschwerde möglich.

3.2. Sicherstellung und Beschlagnahmung

Zur Verfahrenssicherung können Gegenstände sichergestellt werden, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, damit diese nicht verloren gehen. Eine formlose Sicherstellung erfolgt, wenn der Gegenstand gewahrsamslos ist oder freiwillig herausgegeben wird (§ 94 Absatz 1 StPO). Eine förmliche Sicherstellung durch Beschlagnahme wird durchgeführt, wenn der Gegenstand nicht freiwillig herausgegeben wird bzw. worden ist (§ 94 Absatz 2 StPO). Es wird dann der Gegenstand entweder in amtlichen Gewahrsam gebracht oder eine Verfügungsbeschränkung verhangen.

3.3. Observation

Eine Observation unterliegt, wenn sie kurzfristig ist keinem Richtervorbehalt. Für Observationen, die länger als 24 Stunden dauern oder an mehr als zwei Tage stattfinden bedarf es, wenn keine Gefahr im Verzug ist, einer Anordnung durch den Ermittlungsrichter (§ 163f Absatz 3 StPO). Voraussetzung einer solchen Observation ist der Anfangsverdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung (§ 163f Absatz 1 Sastz 1 StPO). Die Observation muss zudem verhältnismäßig sein. Das ist dann der Fall, wenn der Sachverhalt auf anderer Weise erheblich weniger erfolgsversprechend oder nur schwer erforscht werden kann.

3.4. Telekommunikationsüberwachung

Die Telekommunikationsüberwachung ist nur bei bestimmten Steuerstraftaten zulässig (§ 100a Absatz 2 Nummer 2 StPO). Und gilt als ulitma ratio, das heißt sie soll das letzte Mittel sein. Nach § 393 Absatz 3 Satz 2 AO sind die rechtmäßig gewonnenen Erkenntnisse auch für das Besteuerungsverfahren aber nur für die genannten Katalogtaten verwertbar.

3.5. Untersuchungshaft im Steuerstrafverfahren

Untersuchungshaft ist nur möglich, wenn gegen den Beschuldigten ein richterlicher Haftbefehl vorliegt. Dafür muss dringender Tatverdacht und ein Haftgrund vorliegen. Haftgründe sind Flucht, Flucht- oder Verdunklungsgefahr (§ 112 Absatz 2 StPO). Ab Erlass des Haftbefehls geht die Zuständigkeit für die Strafverfolgung auf die Staatsanwaltschaft über (§ 386 Absatz 3 AO).

4. Rechtstellung des Beschuldigten im Steuerstrafverfahren

Auch im Steuerstrafverfahren hat der Beschuldigte Rechte, die er auch in Anspruch nehmen sollte. Es ist daher sehr wichtig, sie zu kennen. Der Beschuldigte hat unter anderem das Recht untätig zu blieben. Er muss bei einer Ladung zur Vernehmung durch die Steuer- bzw. Zollfahndung nicht erscheinen. Anders sieht das bei der Ladung vor Gericht, von der Staatsanwaltschaft oder Finanzbehörde aus. Hier muss er erscheinen. Zudem hat der Beschuldigte ein Aussageverweigerungsrecht und braucht sich daher nicht selbst zu belasten. Aus seinem Schweigen dürfen in dem Prozess keine nachteiligen Folgen gezogen werden.

Der Beschuldigte kann sich verteidigen, indem er Einwände oder Beweisanträge stellt. Er kann ebenfalls einen Verteidiger oder Steuerberater hinzuziehen (§ 392 AO). Insbesondere im Ermittlungsverfahren kann der Beschuldigte einen Steuerberater als Verteidiger wählen (§ 392 Absatz 1 Halbsatz 1 AO).

Der Beschuldigte muss spätestens vor Abschluss der Ermittlungen vernommen werden, damit das Recht auf Gehör beachtet wird. Davon kann abgesehen werden, wenn das Verfahren eingestellt wird.

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5. Aussetzung des Steuerstrafverfahrens

Die Strafgerichte sind unabhängige Gerichte. Daher sind sie berechtigt über steuerliche Vorfragen zu entscheiden. Es kann mithin dazu kommen, dass der Steuerpflichtige wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig im Steuerstrafverfahren verurteilt wird, die Finanzgerichte aber den Steueranspruch nicht anerkennen. Dieses Problem wird durch die Möglichkeit, das Steuerstrafverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Besteuerungsverfahrens auszusetzen, verhindert (§ 396 AO). Während der Aussetzung ruht die Strafverfolgungsverjährung (§ 396 Absatz 3 AO).

6. Abschluss des Ermittlungsverfahrens

Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie das Ermittlungsverfahren beendet werden kann.

6.1. Öffentliche Anklage, Strafbehelfsantrag

Voraussetzung eines Strafbehelfsantrages oder der öffentlichen Klage ist, dass hinreichender Tatverdacht besteht. Das ist der Fall, wenn nach dem gesamten Akteninhalt die Verurteilung des Beschuldigten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Hat die Finanzbehörde die Ermittlungen geleitet, so ist sie befugt, dass Ermittlungsverfahren durch Strafbehelfsantrag zu beenden oder das Steuerstrafverfahren einzustellen. Sie kann aber keine öffentliche Klage erheben. Dazu ist nur die Staatsanwaltschaft befugt.

6.2. Einstellung des Steuerstrafverfahrens

Das Steuerstrafverfahren kann eigestellt werden, wenn zwar hinreichender Tatverdacht besteht, aber die Tat nur eine Bagatellsache betrifft, bei der nur geringe Steuerverkürzung oder nur ein geringer Steuervorteil eingetreten ist, die Schuld des Täters als gering anzusehen ist und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht.

Das Steuerstrafverfahren kann gemäß § 153a Absatz 1 StPO nach der Erfüllung von Auflagen eingestellt werden. Voraussetzung dafür ist, dass das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung eines Vergehens durch Auflagen und Weisungen beseitigt werden kann. Zudem darf die Schuld nicht entgegenstehen. Weiterhin ist die Zustimmung des Beschuldigten und des Gerichts nötig.

Ab dem Betrag von EUR 25.000 verkürzter Steuer je Tat ist der persönliche Strafausschließungsgrund der Selbstanzeige ausgeschlossen (§ 371 AO). In diesem Fall führt die Selbstanzeige aber zwingend zum Absehen von der Verfolgung (§ 398a AO). Dafür muss der hinterzogene Betrag zuzüglich Hinterziehungszinsen zurückgezahlt und zusätzlich ein Geldbetrag an die Staatskasse entrichtet werden. Identisches gilt auch bei besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 bis 6 AO.

6.3. Verständigungen

Häufig kommt es im Steuerstrafverfahren zu Verständigungen. Ziel ist dabei eine Gesamtbereinigung des Falles. Dazu gehören unteranderem sogenannte tatsächliche Verständigungen. Hierbei muss zwischen dem Besteuerungsverfahren und dem Steuerstrafverfahren scharf unterscheiden werden. Im Besteuerungsfahren gibt es auf Grund der Beweismaßabstufungen Raum für rechtsverbindliche Verständigungen. Im Steuerstrafverfahren gilt indes der Grundsatz in dubio pro reo („Im Zweifel für den Angeklagten“). In Folge dessen darf die Verständigung nicht als Geständnis des Beschuldigten gewertet werden. Unzulässig ist zudem die Absprache „erhöhte Steuerfestsetzung gegen Einstellung des Strafverfahrens/milde Strafe durch Strafbefehl“.


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