Einstellung eines Steuerstrafverfahrens

Welche Voraussetzungen gelten?

Einstellung des Steuerstrafverfahrens: Diese Möglichkeiten gibt es

Ein Steuerstrafverfahren ist dem Grunde nach ein „Verfahren wie jedes andere“ – und kann mit empfindlichen Strafen für die Beschuldigte oder den Beschuldigten enden. Auf den besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung (§ 370 Absatz 3 AO) stehen beispielsweise bis zu 10 Jahre Freiheitsentzug. Gleichzeitig scheidet eine Selbstanzeige nach § 371 AO bereits bei einem hinterzogenen Betrag von mehr als EUR 25.000 aus. In diesen Fällen besteht allerdings mitunter die Möglichkeit einer Einstellung des Steuerstrafverfahrens nach AO oder StPO.

Unser Video:
Grundsätze des Steuerstrafverfahrens

In diesem Video gehen wir auf einige der wichtigsten Grundzüge des steuerlichen Strafverfahrens ein.

1. Was ist eigentlich ein Steuerstrafverfahren?

Das Finanzamt leitet als zuständige Ermittlungsbehörde der Staatsanwaltschaft immer dann ein Steuerstrafverfahren ein, wenn der Verdacht einer Steuerstraftat besteht. Platz eins wird hier seit Jahrzehnten, wie könnte es anders sein, von der Steuerhinterziehung nach § 370 AO belegt. Diesen Tatbestand erfüllt ein Steuerpflichtiger nach § 370 Absatz 1 AO, wenn er

  • den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
  • das Finanzamt über Tatsachen, die offenzulegen sind, pflichtwidrig in Unkenntnis lässt, oder
  • die Verwendung vorgeschriebener Steuerzeichen (relevant beispielsweise bei Tabakwaren) unterlässt,

und dadurch Steuern verkürzt, Steuervorteile erlangt oder Steuervergütungen erhält (§ 370 Absatz 4 Satz 1 AO). Die Steuerhinterziehung ist ein sogenanntes Erfolgsdelikt, da der Tatbestand erst erfüllt ist, wenn der entsprechende Steuerbescheid tatsächlich erlassen wurde. Unerheblich ist allerdings, ob das Finanzamt die Steuern unter Vorbehalt der Nachprüfung oder vorläufig festsetzt (§§ 164 und 165 AO).

Stellt das Finanzamt – gegebenenfalls auch durch die Veranlagungsstelle – fest, dass ein entsprechender Tatbestand erfüllt ist, kann es das Steuerstrafverfahren einleiten. Hierüber ist ein entsprechender Aktenvermerk anzulegen. Neben dem Finanzamt haben auch Polizei und Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, das Steuerstrafverfahren zu eröffnen (§ 397 Absatz 1 und 2 AO).

Zu einer Einstellung des Steuerstrafverfahrens kann es, der Logik des Gesetzes folgend, also erst nach dessen Einleitung kommen. Hat der Steuerpflichtige eine wirksame Selbstanzeige nach § 371 AO abgegeben, ist auf das Verfahren zu verzichten – denn das Finanzamt darf den Täter dann nicht wegen der Steuerstraftat verfolgen.

2. Einstellung des Steuerstrafverfahrens trotz unwirksamer Selbstanzeige?

Eine Selbstanzeige führt zwar dem Grunde nach zur Straffreiheit, für die Wirksamkeit einer solchen gelten aber hohe Hürden. Der Steuerpflichtige muss nach § 371 Absatz 1 Satz 1 AO

  • zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart,
  • die zum Zeitpunkt der Anzeige unverjährt sind,
  • mindestens aber für die letzten zehn Jahre

sämtliche Angaben berichtigen oder nachholen. Nach § 371 Absatz 2 AO ist Straffreiheit, auch wenn alle Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind, ausgeschlossen, wenn

  • das Finanzamt bereits Ermittlungsmaßnahmen eingeleitet hat und der Steuerpflichtige hiervon wusste oder damit rechnen musste,
  • die Tat bereits entdeckt war,
  • die – je Tat – hinterzogene Steuer den Betrag von EUR 25.000 übersteigt, oder
  • einer der besonders schweren Fälle des § 370 Absatz 3 Nummern 2 bis 6 AO vorliegt.

Mitunter kommt es also erst durch die Einreichung einer (unwirksamen) Selbstanzeige zur Einleitung eines strafrechtlichen Verfahrens. Einer der häufigsten Gründe für ihre Unwirksamkeit ist die Höhe der hinterzogenen Steuer respektive das Überschreiten der EUR-25.000-Grenze. Hier bleibt im Ergebnis nur noch die Einstellung des Steuerstrafverfahrens, wenn die Täterin oder der Täter straffrei bleiben möchte.

Zuständig für die Entscheidung für oder gegen die Einstellung des Verfahrens ist die Staatsanwaltschaft als „Verfahrensherrin“. Sie hat hierbei die Auswahl aus drei zentralen Vorschriften:

  • Einstellung wegen Geringfügigkeit nach § 398 AO
  • Einstellung des Steuerstrafverfahrens in besonderen Fällen des § 398a AO
  • Einstellung unter Auflage und Weisung nach § 153a StPO

Die Verhängung einer Freiheitsstrafe auf Bewährung stellt eine Verurteilung und keine Einstellung des Steuerstrafverfahrens dar. Dies gilt auch dann, wenn dem Täter durch das Gericht zusätzlich zur Freiheitsstrafe Auflagen gemacht werden.

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2.1. Einstellung wegen Geringfügigkeit nach § 398 AO

Die Staatsanwaltschaft kann das Steuerstrafverfahren einstellen, wenn

  • durch die Steuerhinterziehung nur eine geringwertige Steuerverkürzung eingetreten ist,
  • die Schuld des Täters als gering anzusehen ist, und
  • kein öffentliches Interesse an der Eröffnung einer Hauptverhandlung

besteht (§ 398 Satz 1 AO). Führt das Finanzamt das Steuerstrafverfahren ausschließlich (also ohne Mitwirkung der Staatsanwaltschaft) durch, ist es ebenfalls zur Einstellung befugt (§ 386 Absatz 2 AO).

Wann eine Steuerhinterziehung „noch“ als „geringwertig“ anzusehen ist, ist in der Praxis umstritten. Als Durchschnitt können EUR 500 (je Tat) angesehen werden. Die völlig sanktionslose Einstellung ohne Auflagen von Verfahren, die einen höheren Hinterziehungsbetrag zum Gegenstand haben, scheine aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit bedenklich (Klein/Jäger, AO, § 398, Randziffer 4).

Die Voraussetzungen „geringe Schuld“ und „öffentliches Interesse“ sind nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Liegen gar keine Anhaltspunkte für eine Schuld des Täters vor, kommt die Einstellung des Steuerstrafverfahrens allerdings bereits nach § 170 Absatz 2 Satz 1 StPO in Betracht.

2.2. Einstellung des Steuerstrafverfahrens in besonderen Fällen des § 398a AO

Während § 398 AO lediglich auf die „Geringfügigkeit“ der Handlung abstellt, stellt § 398a AO erheblich umfassendere Anforderungen an die Einstellung des Steuerstrafverfahrens. Denn die Norm knüpft unmittelbar an die Unwirksamkeit einer eingereichten Selbstanzeige an, wobei diese entweder durch § 371 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 oder Nummer 4 AO gegeben sein musste.

Kernvoraussetzung ist also eine Selbstanzeige, die unwirksam ist, weil der Täter

  • mehr als EUR 25.000 hinterzogen hat oder
  • Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall begangen hat (unter anderem bei Missbrauch der Stellung als Amtsträger und bandenmäßiger Begehung der Taten),

gleichzeitig aber eine Selbstanzeige abgegeben hat, die nach § 371 Absatz 1 AO grundsätzlich wirksam und vollständig war.

Das Gesetz enthält außerdem verbindliche Weisungen, die einer Auflage im Sinne der StPO gleichkommen. Denn der Täter muss, um eine Einstellung des Steuerstrafverfahrens nach § 398a AO zu erreichen, folgende Beträge entrichten:

  • Sämtliche hinterzogenen Steuern, die auf sie entfallenden Zinsen sowie Hinterziehungszinsen (§§ 233a und 235 AO)
  • 10 % der hinterzogenen Steuer, wenn insgesamt weniger als EUR 100.000 hinterzogen wurden
  • 15 % des Hinterziehungsbetrages, wenn mehr als EUR 100.000, aber weniger als EUR 1.000.000 hinterzogen wurden
  • 20 % der hinterzogenen Steuer, wenn diese insgesamt bei EUR 1.000.000 oder darüber liegt

Die Einstellung erfolgt mit Leistung aller geforderten Geldbeträge innerhalb der durch die Staatsanwaltschaft oder das Finanzamt gesetzten Frist. Verstöße gegen § 398a AO führen zum „Wiederaufleben“ des Verfahrens; dies gilt insbesondere für Fälle, in denen sich erst nachträglich herausstellt, dass die Selbstanzeige unvollständig war (§ 398a Absatz 3 AO).

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2.3. Einstellung unter Auflagen und Weisungen nach § 153a StPO

Abschließend besteht die Möglichkeit einer Einstellung des Steuerstrafverfahrens nach § 153a Absatz 1 Satz 1 StPO, wobei die Zustimmung des zuständigen (Amts-) Gerichtes vorausgesetzt wird. Die Einstellung erfolgt unter Auflagen und Weisungen, die dadurch in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Straffreiheit stehen. Kommt der Täter seiner Verpflichtung nicht nach, ist Straffreiheit ausgeschlossen.

Als Auflagen oder Weisungen kommen nach § 153a Absatz 1 Satz 2 StPO insbesondere in Betracht:

  • Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens
  • Zahlung eines Geldbetrages zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse
  • Erbringung sonstiger gemeinnütziger Leistungen
  • Teilnahme an Kursen und Seminaren

Die Erteilung der Auflage erfolgt unter einer bindenden Frist. Werden alle Auflagen und Weisungen erfüllt, ist keine Verfolgung der Tat mehr möglich.

3. Wirksame Selbstanzeige von Anfang an gut vorbereiten!

Die Einstellung eines Steuerstrafverfahrens hängt regelmäßig von diversen Voraussetzungen und der Erfüllung zusätzlicher Pflichten ab. Sinnvoller ist daher, die Selbstanzeige nach § 371 AO von Anfang an so auszugestalten und einzureichen, dass sie unmittelbar zu Straffreiheit führt.

Allerdings bietet § 398a AO einen möglichen Ausweg, der aber de facto nur bei Scheitern der wirksamen Selbstanzeige durch eine betragsmäßig zu hohe Steuerhinterziehung infrage kommt. Auch hier ist die Anzeige selbst und ihr Inhalt also zentraler Bestandteil.

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