Zwischenstaatliche Amtshilfe

Voraussetzungen, Verfahren

Zwischenstaatliche Amtshilfe: Ermittlung des steuerlichen Sachverhalts im Ausland

Deutschland kann, soweit ein steuerlicher Anknüpfungspunkt in Deutschland liegt, regelmäßig das Welteinkommen, also auch Einkünfte aus dem Ausland besteuern. Dazu muss die deutsche Finanzbehörde jedoch erstmal Kenntnis von den ausländischen Einkünften haben. Problematisch ist dabei aber, dass die staatlichen Hoheitsbefugnisse auf das eigene Staatsgebiet beschränkt sind. Daher sind eigene Ermittlungsmaßnahmen im Ausland nicht möglich. Um dennoch Informationen über die Einkünfte aus dem Ausland zu erhalten, gibt es die zwischenstaatliche Amtshilfe. Wir erklären im Folgenden dessen Zulässigkeit und den Ablauf des Verfahrens.

poster

Unser Video: Rechtsgrundlagen (EStG, AStG, DBA, AEUV) & Mitwirkungspflichten

In diesem Video erklären wir, die Rechtsgrundlagen des internationalen Steuerrechts.

Inhaltsverzeichnis


1. Zweck der internationalen Amtshilfe

1.1. Konflikt zwischen Besteuerungsauftrag und Handlungsmöglichkeiten

Das Steuerrecht knüpft in aller Regel an das globale Einkommen, sogenanntes „Welteinkommen“ an. Soweit ein tatsächlicher Anknüpfungspunkt, sogenannter steuerlicher Nexus in einem Staat liegt, darf dieser Staat Rechtsfolgen auch an Tatbestände knüpfen, die außerhalb seines eigenen Hoheitsgebiets liegen.

Demgegenüber ist es dem Staat versperrt, Hoheitsakte auf fremden Staatsgebiet zu setzen. Vielmehr endet der nationale Handlungsrahmen grundsätzlich an der eigenen Staatsgrenze. Dies gilt nicht nur für Vollstreckungs- und Ermittlungsmaßnahmen unter Zwangsanwendung, sondern auch für tatsächliches Handeln, wie die Inaugenscheinnahme oder sonstige direkte Nachforschungen auf ausländischem Hoheitsgebiet. Vor diesem Hintergrund ist jede Art von Informationsbeschaffung auf fremden Territorium in der Regel völkerrechtlich untersagt. Dann stellt sich aber die Frage, wenn der Staat doch auch auf Einkünfte außerhalb seines Territoriums Steuern erheben kann, wie er diese ermittelt.

Insbesondere trifft die deutsche Finanzverwaltung auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten die Pflicht, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Da der behördliche Handlungsbereich aber auf das eigene Staatsgebiet begrenzt ist, kommt diese Pflicht mit den Handlungsmöglichkeiten der Finanzverwaltung in Konflikt.

1.2. Konfliktlösung durch die Abgabenordnung

Diesen Konflikt löst die Abgabenordung durch unterschiedliche Regelungen, die der Erfassung und Aufklärung von Auslandssachverhalten dienen. Beispielsweise unterliegen Beteiligte bei Sachverhalten, die sich auf Vorgänge außerhalb Deutschlands beziehen einer erhöhten Mitwirkungspflicht (§ 90 Absatz 2 und 3 AO). Daneben bestehen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten besondere Ordnungsvorschriften für die Buchführung und sonstige Aufzeichnungen (§ 146 Absatz 2 AO). Zusätzlich gibt es besondere Vorschriften für die Anzeige einer Erwerbstätigkeit (§ 138 Absatz 2 AO).

Diese Sonderregelungen reichen aber noch nicht aus, um alle erforderlichen Informationen zu erhalten, die die deutschen Finanzämter bedürfen, um die Steuer gleichheitskonform festzusetzen und zu erheben. Deswegen sind die Staaten dazu übergegangen, sich gegenseitig bei der Durchführung des Besteuerungsauftrags zu unterstützen. Diese gegenseitige Unterstützung wird als zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe bezeichnet. Dadurch kann die Verwaltung des einen Staates die Verwaltung des anderen Staates als „verlängerten Arm“ einsetzen und sich deren Kontrollbefugnisse zu eigen machen.

image

Fachberatung für internationales Steuerrecht

Unsere spezialisierten Steuerberater und Rechtsanwälte beraten Sie gerne. Rufen Sie uns gerne an oder schildern Sie uns Ihr Anliegen per E-Mail:

1.3. Arten der Amtshilfe

In der Praxis haben sich verschiedene Formen zwischenstaatlicher Rechts- und Amtshilfe entwickelt. Zum einen können sich die Staaten bei der grenzüberschreitenden Zustellung ausländischer Hoheitsakte unterstützen, dazu zählen zum Beispiel Steuerbescheide oder Mitwirkungsverlangen. Diese Art der Unterstützung wird internationale Zustellungshilfe genannt. Zum anderen können sich die Staaten bei der zwangsweisen Durchsetzung ihrer Steueransprüche Beistand leisten, was als internationale Vollstreckungs– oder Beitreibungshilfe bezeichnet wird. Dabei ist es beispielsweise denkbar, dass der Staat mitteilt, wo der Vollstreckungsschuldner über verwertbares Vermögen verfügt oder er Maßnahmen ergreift, um den Anspruch zu sichern. Denkbar ist aber auch, die gesamte Vollstreckung des fälligen Steueranspruchs im Ausland.

Eine letzte Form der internationalen Amts- und Rechtshilfe ist die der internationalen Informationshilfe. Sie stellt zugleich die bedeutendste Form dar. Sie liegt vor, wenn die Steuerverwaltung eines Staates der Steuerverwaltung eines anderen Staates Informationen für Zwecke des dortigen Besteuerungsverfahrens zugänglich macht. Dabei gibt es drei mögliche Informationsquellen, die als Spontanauskunft, Ersuchenshilfe und automatische Auskunft bezeichnet werden.

Bei einer Ersuchenshilfe wird das internationale Informationshilfeverfahren dadurch eingeleitet, dass die Steuerverwaltung des einen Staates im Rahmen der Durchführung eines konkreten Steuerverfahrens erhebliche Informationen bei einem anderen Staat anfragt. Geht die Amtshilfe nicht auf ein konkretes Ersuchen zurück, liegt entweder eine automatische Auskunft oder eine Spontanauskunft vor. Diese beiden Auskunftsart lassen sich nicht trennscharf voneinander abzugrenzen. Automatische Auskünfte sind als solche Auskünfte zu verstehen, die wiederkehrend über bestimmte Fallgruppen gleichartiger Sachverhalte erteilt werden. Demgegenüber betreffen Spontanauskünfte solche Auskünfte, die die mitteilende Steuerverwaltung erteilt, weil sie Anzeichen für eine fehlerhafte Steuerfestsetzung oder Steuererhebung im Empfängerstaat hat.

2. Regelung des § 117 AO für zwischenstaatliche Amtshilfe

2.1. Überblick über § 117 AO

Der § 117 AO hat erstmals die zwischenstaatliche Rechtshilfe und Amtshilfe in Steuersachen normiert. Sie gilt als Grundnorm und regelt Voraussetzungen und Grenzen der Amtshilfe. Auf deutscher Seite ist sie daher bei zwischenstaatlicher Rechtshilfe oder Amtshilfe zur Durchführung der Besteuerung zu beachten. § 117 Absatz 1 AO betrifft die Inanspruchnahme zwischenstaatlicher Hilfe durch deutsche Finanzbehörden. § 117 Absätze 2 bis 4 AO regeln den umgekehrten Fall, also die Gewährung der Hilfe durch die deutschen Behörden.

image

Haben Sie Fragen zur Amtshilfe?

Unsere Kanzlei hat sich hierauf besonders spezialisiert. Vereinbaren Sie jetzt Ihren Beratungstermin mit unseren Steuerberatern und Rechtsanwälten:

2.2. Zulässigkeit der Amtshilfe

§ 117 Absatz 1 AO verweist für die Inanspruchnahme zwischenstaatlicher Amtshilfe auf das deutsche Recht. Dadurch werden die Regelungen der nationalen Amtshilfe (§§ 111 ff. AO) relevant. Die Inanspruchnahme der Amtshilfe steht im Ermessen der deutschen Finanzbehörde und ist nicht davon abhängig, dass völkerrechtliche Vereinbarungen oder innerstaatlich anwendbare Rechtsakte der EU sie zulassen.

Um Hilfe darf nur ersucht werden, wenn die Voraussetzungen des § 112 Absatz 1 AO vorliegen. In den meisten Fällen wird dies aber unproblematisch anzunehmen sein, weil die begehrte Hilfeleistung aus völkerrechtlichen Gründen von der ersuchenden Behörde nicht selbst vorgenommen werden kann (§ 112 Absatz 1 Nummer 1 AO), sie aus diesem Grund bestimmte Tatsachen nicht ermitteln kann (§ 112 Absatz 1 Nummer 3 AO) oder weil sie die begehrte Handlung nur mit wesentlich größerem Aufwand vornehmen könnte als die ersuchte Stelle (§ 112 Absatz 1 Nummer 5 AO).

Auch im Rahmen der Amtshilfe gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Demnach muss das Ersuchen geeignet, erforderlich und angemessen sein. Dabei ist zu beachten, dass die Befragung des Beteiligten ist in aller Regel das mildere Mittel darstellt und somit vorrangig ist.

Zudem ist es der Finanzverwaltung untersagt Auskunftsersuchen zur Befugniserweiterung zu missbrauchen. Das gilt insbesondere, wenn im ausländischen Staat weitergehende Ermittlungsmaßnahmen zulässig sind. Dann ist eine Auskunft nur unter den Befugnissen die im Inland existieren möglich.

Häufig ist zur Verständlichkeit des Auskunftsersuchens erforderlich, dass die deutschen Behörden den ausländischen Stellen bestimmte Hintergrundinformationen zur Verfügung stellt. Dabei muss sie dann auch regelmäßig Daten über den Steuerpflichtigen weitergeben. Ist nicht gewährleistet, dass die dem Ersuchen beigefügten Daten im ersuchten Staat geheim gehalten werden, so muss die Finanzverwaltung von dem Auskunftsersuchen absehen, wenn die Gefahr besteht, dass dem Steuerpflichtigen durch die Preisgabe seiner wirtschaftlichen Daten ein unverhältnismäßiger Schaden entsteht. Im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sind die Daten ohnehin auf das Notwendigste zu beschränken.

3. Weitere Rechtsgrundlagen für die Amtshilfe

3.1. Auskunftsklauseln in Doppelbesteuerungsabkommen

Es gibt neben der nationalen Regelung auch internationale Rechtsgrundlagen für die Amtshilfe. Von der Frage der Zulässigkeit der Amtshilfe ist die Frage, in wie weit der andere Staat zur Hilfeleistung verpflichtet ist, klar abzugrenzen. Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung ist oft in internationalen Rechtsgrundlagen geregelt, ob der befragte Staat zur Auskunft verpflichtet ist. Lediglich, wenn der befragte Staat zur Auskunft verpflichtet ist, hat der andere Staat einen Anspruch auf die Information.

Bedeutend sind Auskunftsklauseln in Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Vorbild ist in der Regel die Regelung des Art 26 OECD-MA. Große Auskunftsklauseln umfassen dabei nicht nur die Übermittlung von Daten, die der Durchführung des Abkommens selbst dienen. Sie decken daneben auch den Austausch von Daten, die nur für die Durchführung des rein innerstaatlichen Steuerrechts relevant sind. Während kleine Auskunftsklauseln lediglich die Durchführung des Abkommens selbst umfassen.

poster

Doppelbesteuerungsabkommen: Steuerpflicht & Steuerfreistellung

In diesem Video erklären wir, was ein Doppelbesteuerungsabkommen ist und welche Regelungen es hat.

3.2. Abkommen über die Amtshilfe

Zudem gibt es noch besondere völkerrechtliche Amtshilfeabkommen. Dabei handelt es sich um Verträge, die ausschließlich den Ablauf des Verfahrens einer zwischenstaatlichen Amtshilfe regeln. Deutschland hat mit 24 Staaten solche Amtshilfeabkommen abgeschlossen.

3.3. EUAHiG

Innereuropäisch sind die Mitgliedstaaten per europäischer Amtshilferichtlinie zum Informationsaustausch verpflichtet. Diese Richtlinie setzt einen Mindeststandard, den alle Mitgliedstaaten zu gewährleisten haben. Die Richtlinie sieht Ersuchensauskünfte, ersuchensunabhängige Auskünfte, Simultanbetriebsprüfungen und die Hinzuziehung zu Ermittlungshandlungen vor.

Die Vorgaben der Richtlinie sind in dem EU-Amtshilfegesetz (EUAHiG) festgelegt. Darin ist geregelt, wie und unter welchen Voraussetzungen die deutsche Finanzverwaltung berechtigt oder verpflichtet ist, anderen Mitgliedstaaten Amtshilfe zu gewähren. Wann die deutsche Finanzverwaltung selbst innereuropäische Informationshilfe in Anspruch nehmen kann, ist hingegen nicht im EUAHiG geregelt. Insoweit sind vielmehr die einschlägigen Umsetzungsbestimmungen der anderen Mitgliedstaaten entscheidend.

4. Verwendung der durch Amtshilfe empfangenen Daten

Oft stellt die ausländische Behörde die Informationen in einem Bericht zur Verfügung, in dem sie ausführlich das Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens darlegt. Manchmal gibt es aber auch behördliche Protokolle über die Befragung des ausländischen Beteiligten oder einer dritten Person. Hat die Finanzbehörde die Informationen von der ausländischen Behörde erhalten, so stellt sich die Frage, wie sie diese verwerten kann.

Die Auskünfte ausländischer Behörden stellen eigenständige, unbenannte Beweismittel dar. Daher richtet sich die Auswertung nach dem deutschen Steuerverfahrensrecht. Somit gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Daher ist die deutsche Behörde nicht an die Feststellung der ausländischen Behörde gebunden. Fehlt den Auskünften die Überzeugungskraft, so sind sie außer Acht zulassen. Das gilt beispielsweise, wenn nicht deutlich wird, worauf die Feststellungen beruhen oder die Ausführungen in sich nicht schlüssig sind und anderen überzeugenden Beweismitteln widersprechen. Daher kann der Steuerpflichtige eine ihn betreffende Auskunft durchaus in Frage stellen. Im Allgemeinen wohnt den behördlichen Auskünften aber eine nicht unerhebliche Überzeugungskraft inne. Ob es sich um Pflichtauskünfte oder Kulanzauskünfte handelt spielt dabei keine Rolle.

Der deutsche Rechtsweg gegen die Hilfemaßnahmen ausländischer Behörden ist nicht gegeben. Daher muss der Betroffene seine Rechte in dem jeweiligen Staat nach dem dortigen Recht geltend machen.


Steuerberater für internationales Steuerrecht

Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die steuerrechtliche Gestaltungsberatung für Unternehmen spezialisiert. Bei der Beratung zur grenzüberschreitenden Sachverhaltens schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:

  1. Steuerrecht in anderen Staaten (Japan, Schweden, Rumänien, Texas, Gibraltar)
  2. Hinzurechnungsbesteuerung (Gegenbeweis,
  3. Wegzugsteuer (Vermeiden mit Stiftung oder Verein, Reform)
  4. Erläuterungen zur unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht in Deutschland und im Ausland
  5. Beratung zum Home Office im Ausland
  6. Empfehlungen zur Gründung von Unternehmen im Ausland
  7. Informationen zu Unternehmensformen im Ausland (Österreich, USA)
  8. Beratung zur Einstellung von Mitarbeitern in den USA
  9. Entwicklung steuerlicher Gestaltungsmodelle

Hierzu stehen Ihnen unsere Steuerberater und Rechtsanwälte an den Standorten Köln und Bonn gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Zudem beraten wir deutschlandweit per Telefon und Videokonferenz:

Standort Köln

image Telefon: 0221 999 832-10 E-Mail: office@juhn.com Mo.-Fr.: 8:30 bis 18:00 Uhr

Standort Bonn

image Telefon: 0228 299 748 10 E-Mail: office@juhn.com Mo.-Fr.: 8:30 bis 18:00 Uhr

Telefon-/Videokonferenz

image Telefon: 0221 999 832-10 E-Mail: office@juhn.com Mo.-Fr.: 8:30 bis 20:00 Uhr