Unzulässige Beihilfe

Anforderungen an Verrechnungspreise

Unzulässige Beihilfe: Anforderungen an Verrechnungspreise

Bekannt sind Fälle, in denen Unternehmen Gewinne über Verrechnungspreise ins Ausland verlagern, um so die Steuerlast zu senken. Dann strengen regelmäßig die Mitgliedstaaten der Europäischen Union den Fremdvergleichsgrundsatz an, um Besteuerungssubstrat in ihrem Land zu halten. Seit 2012/2013 untersucht die EU-Kommission nun aber systematisch sogenannte „Tax Rulings“ im Hinblick auf ihre Beihilfekonformität. Bei den „Tax Rulings“ handelt es sich um Steuervorbescheide der Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten über Verrechnungspreise. Die Kommission prüft dabei, ob diese nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz genügen und daher unzulässige Beihilfe darstellen. In den Urteilen stellen die Unionsgerichte ganz besondere Anforderungen an die Prüfung der Unionsrechtskonformität von Verrechnungspreisen auf. In diesem Beitrag erklären wir die Anforderungen.

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Inhaltsverzeichnis


1. Problem: Verrechnungspreise als unzulässige Beihilfe

1.1. Tax Rulings als Ausgangspunkt

Seit 2012/2013 kommt das Problem auf, ob die staatliche Billigung von Verrechnungspreisen eine unzulässige Beihilfe darstellt. Seit dem überprüft die EU-Kommission systematisch sogenannte „Tax Rulings“ auf ihre Beihilfenkonformität. Tax Rulings sind Steuervorbescheide über Verrechnungspreise.

Tax Rulings sollen den Unternehmen Rechtssicherheit und Planungssicherheit gewähren und sind vollkommen legal. Dabei haben sie insbesondere hinsichtlich Verrechnungspreissachverhalten Bedeutung. Grund dafür ist, dass Verrechnungspreise die Grundlage für die Steuerlast eines Unternehmens in einer bestimmten Steuerjursidiktion bilden. Problematisch dabei ist indes, dass Steuervorbescheide auch Wettbewerbsverfälschendes Potenzial haben. Einerseits können Mitgliedstaaten solche Auskunftsinstrumente im internationalen Standortwettbewerb nutzen, um Investitionen anzulocken. Zum anderen können solche Auskünfte aber auch genutzt werden, um bestimmten Unternehmen steuerliche Vorteile gegenüber anderen Unternehmen einzuräumen. Insbesondere mit Blick auf die letzte Erwägung können Tax Rulings unstreitig staatliche Beihilfen beinhalten.

1.2. Relevanz besonders bei großen Unternehmen

Regelmäßig gewähren die Mitgliedstaaten über solche Steuervorbescheide die Möglichkeit Gewinne mittels Verrechnungspreisen ins niedrigbesteuerte Ausland zu verlagern. Dadurch reduziert sich insgesamt die Steuerlast des Unternehmens. Bedeutung haben diese Praktiken gewonnen, weil große Unternehmen betroffen sind. So wollen Mitgliedstaaten – wie Irland im Falle von Apple – großen Unternehmen Anreize schaffen in dem Land zu bleiben, um beispielsweise Arbeitsplätze zu erhalten. Aus diesem Grund wehrte sich Irland auch selbst gegen die Entscheidung der Kommission, die Steuervorbescheide als unzulässige Beihilfe einzustufen. Laut Ausführungen der Kommission schuldet Apple Irland ca. EUR 13 Mrd. Steuernachzahlungen.

Bei der Prüfung, ob diese Steuervorbescheide eine unzulässige Beihilfe darstellen, geht es im Kern um die Frage, ob die betreffenden Mitgliedstaaten im Rahmen von Steuervorbescheiden Verrechnungspreise akzeptiert haben, die nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Dann gewähren sie dem betreffenden Unternehmen Vorteile, die andere Unternehmen nicht in Anspruch nehmen können.

1.3. Fremdvergleichsgrundsatzes als Gegenstand der Beihilfenkontrolle

Der Fremdvergleichsgrundsatz hat im Unionsrecht bezüglich Verrechnungspreisen eine neue Bedeutung erlangt. Bislang hat er eine andere Rolle gespielt. Ursprünglich haben sich die Mitgliedstaaten auf den Fremdvergleichsgrundsatz berufen, um eine künstliche Verringerung der Bemessungsgrundlage ins Ausland zu verhindern.

Nunmehr bemüht jedoch die Kommission eigens den Fremdvergleichsgrundsatz. Damit will sie Praktiken der Mitgliedstaaten begegnen, mit denen diese eine ungerechtfertigte Minderung der Bemessungsgrundlage bei den jeweiligen Unternehmen zulassen.

1.4. Unzulässige Beihilfe trotz Steuersouveränität möglich

Es überschreitet den Zuständigkeitsbereich der EU-Kommission nicht, wenn diese auch Tax Rulings der Beihilfekontrolle unterzieht. Dem steht die Steuersouveränität der Mitgliedstaaten nicht entgegen. Die Mitgliedstaaten sind auch in dem nicht harmonisierten Bereich des Steuerrechts an das Unionsrecht gebunden. Die Kommission betreibt insoweit auch keine verschleierte Harmonisierung. Sie übt die ihr obliegende Beihilfekontrolle aus. Damit möchte sie das Spannungsfeld zwischen dem Schutz des unverfälschten Wettbewerb und der Steuersouveränität beziehungsweise den wirtschaftspolitischen Lenkungszielen der Mitgliedstaaten klären.

1.5. Kein Ausschluss der Rücknahme wegen Planungssicherheit

Vor dem Hintergrund, dass Tax Rulings Rechtssicherheit und Planungssicherheit gewähren sollen, ist es besonders misslich, wenn diese im Nachhinein beanstandet und aufgehoben werden. Dann kann es zu immensen Steuernachzahlungen kommen. Nach Ansicht des EuG steht der Grundsatz der Rechtssicherheit jedoch einer Rückforderung nicht entgegen. Die Mitgliedstaaten müssen auch im nicht harmonisierten Bereich des Steuerrechts das Unionsrecht wahren. Daher ist damit zu rechnen, dass die Kommission einzelne Steuervorbescheide einer Beihilfenprüfung unterzieht.

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2. Unzulässige Beihilfe Gerichtliche Auseinandersetzungen

2.1. Prüfungsumfang der europäischen Gerichte

Die Ermittlung von Verrechnungspreisen weist eine starke ökonomische Prägung auf und die Verrechnungspreispraxis ist durchaus komplex. Daher wäre es denkbar gewesen, dass die Kommission bei der Beurteilung von Verrechnungspreisen einen erheblichen Beurteilungsspielraum besitzt. Die EuG-Urteile zeigten jedoch, dass das Gericht eine ausführliche Prüfung vornahm. Die Kommission steht daher unter voller gerichtlicher Kontrolle.

2.2. Andere Beurteilung der unzulässigen Beihilfe

Die EU-Kommission beanstandete einen Großteil der Tax Rulings nicht. In einigen Fällen nahm sie aber unzulässige Beihilfe an. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Einschätzung übernehmen nun die Unionsgerichte. Das EuG hat in erster Instanz im Rahmen einer Nichtigkeitsklage lediglich in einem Fall die Sicht der Kommission bestätigt. Dieser Fall betraf Luxemburg und die Fiat/Chrysler Gruppe. Dieses Urteil hob der EuGH mit Entscheidung vom 08.11.2022 inzwischen aber wieder auf.

In den anderen Fällen nahm das EuG keine unzulässige Beihilfe an. Grund dafür sei, dass es der Kommission nicht gelungen sei, das Vorliegen eines Vorteils im Sinne des Artikel 107 Absatz 1 AEUV nachzuweisen. Wir erklären, welche strenge Anforderungen die europäischen Gerichte an die Frage, ob die Billigung von Verrechnungspreisen unzulässige Beihilfe darstellen kann, stellte.

3. Voraussetzungen der unzulässigen Beihilfe

3.1. Unzulässige Beihilfe: Relevanz im Steuerrecht

Der Artikel 107 Absatz 1 AEUV verbietet staatliche Beihilfen, die den Handel zwischen EU-Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Auch Steuergesetze oder steuerliche Einzelmaßnahmen können unzulässige Beihilfen darstellen, wenn dadurch eine homogene Gruppe von Unternehmen (oder ein einzelnes Unternehmen) weniger Steuern zahlen muss, als dies nach den allgemein geltenden steuerlich geltenden Regelungen des jeweiligen Mitgliedstaats als Referenzsystem eigentlich müsste.

3.2. Dreistufiger Aufbau

Im Steuerrecht liegt der Schwerpunkt der Prüfung der Beihilfe auf der Frage, ob ein selektiver Vorteil gewährt wurde. Ein Vorteil liegt dabei dann vor, wenn ein Unternehmen finanziell im Vergleich zu anderen Unternehmen bessergestellt wird. Das Kriterium der Selektivität dient dann der Feststellung, ob eine steuerliche Maßnahme im Kontext des Steuersystems dazu angetan ist, bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige gegenüber anderen Unternehmen zu begünstigen.

Die Prüfung nehmen die europäischen Gerichte grundsätzlich dreistufig vor.

  1. Zunächst ist die in dem Mitgliedstaat geltende normale steuerliche Behandlung des Sachverhalts festzustellen.
  2. Ausgehend von diesem Bezugsrahmen ist bedeutend, ob die konkrete steuerliche Behandlung des Sachverhalts von der Regelbesteuerung abweicht und so verschiedene Gruppen von Steuerpflichtigen unterschiedlich behandelt, die sich jedoch im Hinblick auf die maßgebliche Zielsetzung der jeweiligen Steuer in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist der Vorteil selektiver Natur.
  3. Die Selektivität des Vorteils kann aber dadurch widerlegt werden, dass die betreffende Maßnahme durch das Wesen oder die allgemeinen Zwecke des Systems, zu dem sie gehört, gerechtfertigt ist.

3.3. Bestimmung des Bezugsrahmens

Zur Feststellung, ob dem Steuerpflichtigen ein Vorteil gewährt worden ist, ist die Situation des Steuerpflichtigen unter Anwendung des betreffenden Steuervorbescheids mit der Situation zu vergleichen, die gelten würde, wenn dieser Steuervorbescheid nicht existieren würde. Letztere Situation ist die Normalbesteuerung (sogenannter Bezugsrahmen). Die Normalbesteuerung leitet sich aus den systemtragenden Prinzipien eines breiteren Regelungskontextes (in der Regel einer Steuerart) ab.

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3.4. Abweichung von der Normalbesteuerung und Wertungsspielraum

Ein wirtschaftlicher Vorteil liegt vor, wenn eine Abweichung von der Normalbesteuerung auszumachen ist. Maßgeblich ist insoweit, ob die gebilligten Verrechnungspreise fremdüblich sind. Dazu müssen die Abweichungen aber über Ungenauigkeiten hinausgehen, die der zur Ermittlung des Fremdvergleichspreises verwendeten Methode üblicherweise innewohnen.

Damit erkennt das EuG ausdrücklich an, dass es bei der Bestimmung des richtigen Verrechnungspreises einen Wertungsspielraum gibt. Dies entspricht auch der im Bereich der Verrechnungspreise verbreiteten Ansicht, dass es nicht den einen richtigen Verrechnungspreis gibt. Vielmehr können eine gewisse Bandbreite an Werten festgestellt werden. Konkret führt das EuG auch aus, dass die Analyse von Verrechnungspreisen keine exakte Wissenschaft sei. Daher sei bei der Suche nach einem fremdvergleichskonformen Preisniveau nicht mit genauen Ergebnissen zu rechnen.

Auf Grund der Vielzahl an Ergebnissen muss die Kommission konkret nachweisen, dass die vereinbarte Vergütung derart von einem fremdvergleichskonformen Ergebnis abweicht, dass sie nicht als eine Vergütung angesehen werden kann die unter Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt erzielt worden wäre. Im Ergebnis liegt daher eine Abweichung nur vor, wenn ein wesentlicher Verstoß gegen die Verrechnungspreisgrundsätze vorliegt.

3.5. Bloße methodische Ungenauigkeiten reichen nicht

Wichtig ist zu wissen, dass nicht jeder Verstoß gegen steuerliche Vorgaben beziehungsweise gegen Vorgaben der Verrechnungspreispraxis zwingend auch den Schluss zulässt, dass damit die Gewährung eines beihilferelevanten Vorteils einherginge. Daher begründet die bloße Missachtung methodischer Vorschriften oder eine Abweichung von OECD-Leitlinien für sich genommen noch nicht die Annahme eines beihilferelevanten Vorteils. Allein das Argument, dass die Wahl einer anderen Verrechnungspreismethode passender gewesen wäre, reicht für die Annahme eines Vorteils im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV noch nicht. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass alle bekannten Verrechnungspreismethoden das Ziel haben, ein fremdvergleichskonformes Ergebnis zu ermitteln.

Ferner muss die EU-Kommission stets nachweisen, dass der methodische Fehler, den sie festgestellt hat, zu einer Verminderung der Steuerlast und damit zu einem wirtschaftlichen Vorteil führt. Daher muss die Kommission immer darlegen, dass die Steuerlast in Anwendung einer anderen, vermeintlich geeigneteren Verrechnungspreismethode höher gewesen wäre.

Daher kann ein Verrechnungspreis trotz eines Fehlers in der Funktionsanalyse noch angemessen sein. Zwar ist es wahrscheinlich, dass bei fehlender ordnungsgemäßer Ermittlung bestimmter Funktionen und Nichtberücksichtigung bei der Berechnung der Vergütung, die Vergütung hätte höher ausfallen müssen. Jedoch muss die Kommission konkret nachweisen, dass der festgestellte Fehler zu einer zusätzlichen Vergütung hätte führen müssen.

Dennoch ist es nicht gänzlich ausgeschlossen, dass in bestimmten Fällen ein methodischer Fehler so geartet ist, dass er es keinesfalls erlaubt, zu einem fremdvergleichskonformen Ergebnis zu gelangen. Dann ist zwangsläufig von einer zu niedrigen Vergütung auszugehen. Dies dürfte jedoch nur offenkundige und äußerst schwerwiegende methodische Fehler betreffen und damit der Ausnahmefall sein.

3.6. Weitere Voraussetzungen einer unzulässigen Beihilfe

3.6.1. Nachrangige Bedeutung der weiteren Tatbestandsmerkmalen

Damit die Billigung von Verrechnungspreisen unzulässige Beihilfe darstellt, müssen auch die weiteren Voraussetzungen des Artikel 107 Absatz 1 AEUV kumulativ erfüllt sein. Ist nur eine Voraussetzung nicht erfüllt, liegt keine unzulässige Beihilfe vor. In den Entscheidungen, die EuG und EuGH getroffen haben, konnte die Kommission schon gar keinen Vorteil nachweisen. Daher finden sich in den bisherigen Urteilen kaum Ausführungen zu den übrigen Merkmalen.

3.6.2. Selektivität des Vorteils

Bei dem Vorteil und der Selektivität des Vorteils handelt es sich um zwei eigene Tatbestandsmerkmale. Im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines Vorteils, kommt es darauf an, ob die beihilfeverdächtige Maßnahme die finanzielle Lage des Begünstigten verbessert. Selektiv ist dieser Vorteil dann, wenn er anderen Unternehmen, die sich in vergleichbarer Lage befinden, zugutekommt. Das EuG erachtet eine gemeinsame Prüfung nun ausdrücklich für zulässig, soweit die einheitliche Prüfung die relevanten Fragen beantwortet und das Vorliegen beider Voraussetzungen nachweist. Zu vermuten ist die Selektivität des Vorteils, wenn es um Steuervorbescheide geht, die lediglich einzelnen Unternehmen gewährt werden. Daher kommt es bei der Prüfung der unzulässigen Beihilfe durch Verrechnungspreise zentral auf die Prüfung der Gewährung eines Vorteils an. Die Prüfung der Selektivität des Vorteils ist nachrangig. Sie findet vielmehr bei anderen, beihilferelevanten Sachverhalten – insbesondere, wenn es um die Prüfung von Steuergesetzen geht – Anwendung.

3.6.3. Wettbewerbsverzerrung

Ferner liegt eine unzulässige Beihilfe nur dann vor, wenn es zu einer Wettbewerbsverzerrung und zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels kommt. Die Anforderungen für das Vorliegen dieser Tatbestandsmerkmale sind generell nicht besonders hoch. Eine Wettbewerbsverzerrung nimmt das EuG in der Regel sehr schnell an. Ein Fall betraf eine Holdinggesellschaft, die ausschließlich konzerninterne Dienstleistungen erbracht hat und ihre Leistungen nicht an fremde Marktteilnehmer anbot. Hier nahm das Gericht eine zumindest drohende Wettbewerbsverzerrung an. Die verringerte Steuerlast führt zu zusätzlichen finanziellen Mitteln. Im Ergebnis können daher konzerninterne Leistungen günstiger angeboten werden. Dies hat zur Folge, dass auch der Wettbewerb auf den Märkten der Leistungsempfänger verfälscht wird.

Daher kann eine unzulässige Beihilfe auch bei Holdinggesellschaften, die ihre Leistungen ausschließlich konzernintern erbringen und sonst gar nicht am Markt agieren, relevant werden. Grade solche Unternehmen sind regelmäßig von Verrechnungspreisen betroffen.

3.7. Rechtsfolge einer unzulässigen Beihilfe

Zwingende Folge eines Verstoßes gegen das Beihilfeverbot ist die Rückforderung. Insbesondere soll der Einwand, dass die Rückforderung der gewährten Vorteile im betreffenden Mitgliedstaat möglicherweise mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Auswirkungen einhergeht, nicht dazu führen, dass die Mitgliedstaaten auf die Rückforderung verzichten könnten. Demnach ist das Beihilfeverbot unabhängig von der Größe und der wirtschaftlichen Bedeutung des betreffenden Unternehmens und unabhängig von der Höhe des gewährten Vorteils durchzusetzen. Sind die akzeptierten Verrechnungspreise nicht fremdüblich, kommt es daher zur Nachversteuerung.

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4. Zentral: Darlegungs- und Beweislast der unzulässigen Beihilfe

Von erheblicher Bedeutung ist, ob die EU-Kommission nachweisen kann, dass die Billigung von Verrechnungspreisen durch die Mitgliedstaaten unzulässige Beihilfe darstellt. In diversen Entscheidungen urteilte das EuG, dass die Kommission ihrer Nachweispflicht nicht genügt.

Die Rechtsprechung macht der Kommission hinsichtlich des Nachweises nämlich strenge Vorgaben. Danach trägt die EU-Kommission die Darlegungslast und Beweislast für die Tatbestandsmerkmale des Beihilfenbegriffs.

  1. Sie muss die Untersuchung so führen, dass sie zu einer Entscheidung auf Basis einer vollständigen Faktengrundlage in der Lage ist.
  2. Die Entscheidung steht unter voller gerichtlicher Kontrolle.
  3. Sie genügt der Beweislast nicht durch den bloßen Verweis auf methodische Defizite beim Zustandekommen des überprüften Steuervorbescheid.
  4. Sie darf die Entscheidung nicht auf Informationen stützen die dem Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Vereinbarung des fraglichen Verrechnungspreises nicht vorliegen konnten. Hat das betreffende Unternehmen zu einem späteren Zeitpunkt Verträge abgeschlossen, in denen andere Bedingungen vereinbart wurden, kann darauf nicht abgestellt werden.

Natürlich spricht vieles dafür, große Unternehmen im eigenen Land behalten zu wollen. Daher ist die Billigung günstiger steuerlicher Bedingungen regelmäßig eine Gegenleistung für die Niederlassung in diesem Mitgliedstaat. Daher spricht vieles auf den ersten Blick für das Vorliegen einer Beihilfe. Jedoch muss die Kommission auch in einem solchen Fall substanziell nachweisen, dass eine Abweichung von der Regelbesteuerung und damit ein Vorteil im Sinne des Artikel 107 AEUV gewährt wurde. Soweit der Antrag auf den Steuervorbescheid, oder auch der Steuervorbescheid selbst, einen Hinweis auf die hohe Beschäftigtenzahl enthält, liegt die Vermutung nahe, die Verrechnungspreise seien aus beschäftigungspolitischen Motiven akzeptiert worden. Dies reicht aber ebenfalls nach Ansicht des EuG nicht aus, um einen beihilferelevanten Vorteil zu begründen. Die Angaben zur Beschäftigtenzahl gehören zu den allgemeinen Informationen über das Unternehmen.

Zudem muss die Abweichung über die Ungenauigkeiten hinausgehen, die der Ermittlung von Fremdvergleichspreisen naturgemäß innewohnen. Sie darf daher nicht bloß geringfügig sein. Dieser Nachweises ist durchaus nicht einfach zu erbringen.

5. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidungen gehen im Kern um die korrekte Ermittlung des Gewinns gebietsansässiger Konzerngesellschaften beziehungsweise Betriebsstätten unter Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes als Grundlage der Normalbesteuerung. Selbst, wenn der Fremdvergleichsgrundsatz in dem nationalen Steuergesetz nicht festgelegt ist, so wird ein hypothetisches Idealsystem der Besteuerung festgelegt.

Billigt die Steuerverwaltung Verstöße gegen den Fremdvergleichsgrundsatz und gewährt eine günstigere Behandlung, so kann dies nach Auffassung der EU-Kommission und des EuG unter Umständen einen selektiven Vorteil im Sinne von Art 107 AEUV begründen. Die Bemessungsgrundlage wird dann ungerechtfertigt reduziert und der Steuerpflichtige steuerlich entlastet. Das Beihilferecht sieht dann als Rechtsfolge die Rückforderung unabhängig von nationalen Verjährungsvorschriften vor.

Die europäischen Gerichte haben aber hohe Anforderungen an die Annahme einer unzulässigen Beihilfe gestellt. Das hat zur Folge, dass in Verbindung mit einer Beschränkung der materiellen Prüfung auf eine Plausibilitätskontrolle nur noch ganz offensichtliche Fälle beihilferelevant sind. Wenn die EU Kommission ihre Prüfungspraxis auf Extremfälle beschränkt, dürften Vorbescheide über Verrechnungspreise ein geeignetes Instrument zur Erlangung von Rechtssicherheit und Investitionssicherheit bleiben.

Damit Sie in Zukunft auf den Bestand der behördlichen Auskunft vertrauen können, ist es wichtig darauf zu achten, dass die Steuerverwaltungen Vereinbarungen über Verrechnungspreise billigen, die möglichst fremdüblich sind. Darauf sollten nicht nur Steuerpflichtige und Steuerberater achten, sondern auch die Finanzverwaltung selbst. So lässt sich eine Rückforderung der erhaltenen Vorteile vermeiden. Rückforderungen können natürlich mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Auswirkungen einhergehen. Dies führt aber nach Ansicht des EuG nicht dazu, dass die Mitgliedstaaten auf eine Rückforderung verzichten könnten.

6. Prüfungsschwerpunkte der Kommission

Insgesamt ist zu erkennen, dass die Kommission in tatsächlicher Hinsicht prüft, ob die Funktionen der betreffenden Gesellschaft zutreffend beschrieben wurde. Zudem prüft sie auch in rechtlicher Hinsicht, ob die gewählte Verrechnungspreismethode richtig angewendet wurde und die Vorgaben der OECD-Leitlinien beachtet wurden. Um beihilferechtliche Beanstandungen zu vermeiden ist daher auf diese Bereiche besonders zu achten

7. Beispiele für Fehler der Kommission

Der Nachweis der unzulässigen Beihilfe durch die Billigung von Verrechnungspreisen ist schwer zu erbringen. Dies zeigt auch exemplarisch der Rechtsstreit Apple & Irland gegen die Kommission. Dort war für die Kommission offensichtlich, dass wesentliche Funktionen durch die Betriebsstätten in Irland ausgeübt worden sein müssen, da die Unternehmen außerhalb Irlands keine Beschäftigten hatten. Das Gericht sah dies jedoch anders. Die Kommission hätte erörtern müssen, dass die Funktionen tatsächlich durch Personal der irischen Betriebsstätte ausgeübt werden. Das Vorgehen nach dem Ausschlussverfahren hat das Gericht als Beweis daher nicht gelten lassen.

Die hohen Beweisanforderungen wurden an anderer Stelle ersichtlich. Das Gericht stellt nach eingehender Analyse fest, dass die streitigen Steuervorbescheide lückenhaft und stellenweise widersprüchlich sind. Auch dies reichte aber nicht, um das Vorliegen eines Vorteils im Sinne des Artikel 107 AEUV nachzuweisen.

Ist die Kommission etwa der Meinung, dass statt der TNMM die Profit Split Methode anzuwenden ist, muss sie auch darlegen, welcher (ihrer Ansicht nach) der richtige Aufteilungsschlüssel ist. So ist dann in einem weiteren Schritt möglich, festzustellen, ob die steuerpflichtigen Gewinne bei Anwendung einer alternativen Verrechnungspreismethode höher gewesen wären.

Folgende Ausführungen können daher nicht genügen, um allein daraus einen Vorteil im Sinne des Artikel 107 AEUV zu begründen: Die Feststellung, dass die Wahl eines anderen Gewinnindikators passender gewesen wäre oder, dass die Kostenbasis in anderer Weise zu ermitteln wäre. Dann muss die Kommission vielmehr weiterhin belegen, dass das alternative Vorgehen zu einer höheren Steuerlast geführt hätte.

Insgesamt lässt sich daher festhalten, dass die Kommission regelmäßig nicht an inhaltlichen, sondern an handwerklichen Fehlern gescheitert ist. Hätte sie tiefergehend argumentiert und besser begründet, wäre der Nachweis eines Vorteils möglicherweise gelungen.


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