Grenzgänger im deutschen Steuerrecht

Welche Besonderheiten gelten?

Grenzgänger – was gilt für die Einkommensteuer?

Grenzgänger sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die für ihre tägliche Arbeit über die Landesgrenze pendeln. Sie leben beispielsweise in Lindau am Bodensee, arbeiten aber in der Schweiz – oder umgekehrt. Für Grenzgänger gelten bestimmte Sonderregelungen, die allen voran aus den jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zu entnehmen sind. Denn regelmäßig haben zunächst beide Staaten das Besteuerungsrecht.

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Inhaltsverzeichnis


1. Grundsatz: Wer ist Grenzgänger im Sinne des Steuerrechts?

Das deutsche Steuerrecht kennt den Begriff des Grenzgängers zumindest nicht unmittelbar. Vielmehr enthält das Einkommensteuergesetz (EStG) lediglich bestimmte Vorschriften, die in erster Linie Personen, die aus beruflichen Gründen über die Grenze pendeln, betreffen. Im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter einem Grenzgänger einen Arbeitnehmer, der auf der einen Seite der Grenze lebt und auf der anderen arbeitet. Beispiele:

  • Person A lebt in Lindau am Bodensee, hat ihren Arbeitsplatz aber in Rorschacherberg unmittelbar hinter der Grenze. Um zum Arbeitgeber zu kommen, muss A zunächst die österreichische und dann die Schweizer Grenze überqueren
  • Ein Arbeitnehmer lebt in Maastricht, arbeitet aber in Aachen. Er pendelt jeden Tag über die niederländisch-deutsche Grenze

Dabei ist das Grenzgängerdasein nichts neues. Ein Wohnsitz in der Nähe der Schweizer Grenze hat beispielsweise den Vorteil, einerseits vom hohen Schweizer Lohnniveau, andererseits aber von den vergleichsweise niedrigen Lebenshaltungskosten in Deutschland zu profitieren. Mitunter ist der Fahrtweg vom Wohnsitz zum Arbeitsplatz dabei sogar kürzer, als es bei einem Arbeitgeber im Inland der Fall wäre.

Wenngleich auch Unternehmer, Vermieter oder Landwirte häufig über die Grenze pendeln, meint der Begriff „Grenzgänger“ ausschließlich Arbeitnehmer. Hintergrund ist die besondere Behandlung dieser Personengruppe in einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen. Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes fallen im Übrigen ebenfalls nicht unter den Grenzgängerbegriff, da das Besteuerungsrecht hier regelmäßig nur dem Beschäftigungsstaat zusteht.

2. Steuerpflicht und Besteuerungsgrundsatz bei Grenzgängern

Grenzgänger unterliegen mit ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit regelmäßig auf beiden Seiten der Grenze – also im Tätigkeits- einerseits und im Wohnsitzstaat andererseits – einer Besteuerung. Hintergrund ist die Unterscheidung zwischen Quellensteuerabzug (in Deutschland unter anderem in Form der Lohnsteuer) und Steuerfestsetzung im Rahmen der Veranlagung.

Beispiel: Ein Arbeitnehmer lebt in Deutschland, arbeitet allerdings in Österreich. Der österreichische Arbeitgeber behält die dortige Lohnsteuer unmittelbar vom Arbeitslohn ein und zahlt nur das gesetzliche Nettogehalt aus. Da der Arbeitnehmer aber in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist (§ 1 EStG), muss er eine Steuererklärung abgeben. Hier unterliegt der Arbeitslohn abzüglich aller Werbungskosten und Sonderausgaben (§§ 9 und 10 EStG) erneut der Besteuerung.

Es käme also zu einer doppelten Besteuerung, die einschlägige Doppelbesteuerungsabkommen vermeiden. Dabei gilt es, zwischen folgenden Stufen der Besteuerung zu unterscheiden:

  • Unmittelbarer Steuerabzug durch den Arbeitgeber (Lohnsteuer)
  • Steuerfestsetzung im Rahmen der Jahresveranlagung
  • Steuererstattung durch die Regelungen eines gütigen DBA

Schauen wir uns die einzelnen Schritte einmal auf Grundlage des deutschen EStG sowie des OECD-Musterabkommens (OECD-MA) etwas genauer an. Andere Staaten, insbesondere die an Deutschland angrenzenden, setzen auf vergleichbare Regelungen; im Einzelfall gibt es aber teils erhebliche Unterschiede.

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2.1. Quellensteuerabzug durch den Arbeitgeber (Lohnsteuer)

Hat der Arbeitgeber seinen Sitz oder die Geschäftsleitung im Inland und beschäftigt er Arbeitnehmer, ist er zum Einbehalt der Lohnsteuer verpflichtet (§ 38 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 EStG). „Sitz“ meint dabei auch Wohnsitz, wenn beispielsweise ein Gewerbetreibender als Einzelunternehmer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.

Die Höhe des Lohnsteuerabzugs richtet sich nach den im Einzelfall anzuwendenden Lohnsteuerabzugsmerkmalen. Wurde die Lohnsteuer einbehalten, führt der Arbeitgeber sie an das zuständige Finanzamt ab (§ 39b EStG). Er ist Schuldner der Lohnsteuer, haftet für diese und hat entsprechende Voranmeldungen abzugeben.
Dabei ist die Lohnsteuer nichts anderes als eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer. Sie stellt also eine Art „Vorauszahlung“ dar. Gibt der Arbeitnehmer später eine Steuererklärung ab, wird die bereits einbehaltene mit der tatsächlich geschuldeten Steuer verglichen. Die Veranlagung führt dann entweder zu einer Erstattung oder löst eine Nachzahlung seitens des Steuerpflichtigen aus.

Der Arbeitgeber hat den Lohnsteuerabzug allerdings auch dann vorzunehmen, wenn der Arbeitnehmer im Inland lediglich beschränkt steuerpflichtig ist (§ 49 Absatz 1 Nummer 4 EStG). Eine solche beschränkte Steuerpflicht entsteht durch die Ausübung der nichtselbständigen Tätigkeit im Inland. Etwas vereinfacht ausgedrückt, entsteht der fiskalische Anspruch mit der Ankunft des Arbeitnehmers an seinem deutschen Arbeitsplatz. Dabei ist es unerheblich, wo er seinen Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt hat.

2.2. Steuerveranlagung im Wohnsitzstaat

Arbeitnehmer müssen in Deutschland grundsätzlich keine Einkommensteuererklärung abgeben, wenn sie sonst nur bestimmte oder gar keine Einkünfte erzielt haben. Dies gilt nach § 46 Absatz 2 EStG aber nur, wenn von den entsprechenden Einkünften ein Steuerabzug nach den deutschen Regelungen vorgenommen wurde.

Arbeitet also eine in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Person bei einem Arbeitgeber im Ausland, wurde keine inländische Lohnsteuer einbehalten. Dies löst nach § 25 EStG eine Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung aus. Hier unterwirft der Fiskus – gesetzt dem Fall, es gäbe weder ein DBA noch inländische Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung – den Arbeitslohn erneut der Besteuerung.

Die unbeschränkte Steuerpflicht besteht dabei nach § 1 Absatz 1 Satz 1 EStG immer dann, wenn die natürliche Person einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im deutschen Bundesgebiet hat. Ein Wohnsitz liegt dabei bereits vor, wenn eine Zugangsmöglichkeit zu irgendeiner Wohnung besteht (sogenannte Schlüsselgewalt).

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2.3. Steuererstattung durch die Regelungen eines DBA und innerdeutsche Vorschriften

Nach Artikel 15 Absatz 1 und 2 OECD-MA gelten für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit besondere Regelungen. Das Besteuerungsrecht steht grundsätzlich dem Staat zu, in dem die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer ansässig ist. Wird die Tätigkeit aber in einem anderen Staat ausgeübt, beispielsweise in Österreich, so hat auch dieser Staat ein Besteuerungsrecht.
Das Besteuerungsrecht liegt ausschließlich beim Ansässigkeitsstaat, wenn

  • der Grenzgänger sich im anderen Staat maximal 183 Tage im jeweiligen Kalenderjahr aufgehalten hat,
  • der Arbeitgeber nicht im anderen Staat ansässig ist und
  • die Gehaltszahlungen auch nicht von einer Betriebsstätte, die im anderen Staat sitzt, geleistet werden.

Der „andere Staat“ wäre hier beispielsweise Österreich, der Wohnsitz- beziehungsweise Ansässigkeitsstaat die Bundesrepublik Deutschland.

Der Staat, der kein Besteuerungsrecht hat, nimmt die Einkünfte von der Besteuerung aus (Freistellungsmethode, Artikel 23a OECD-MA) oder rechnet die im Ausland gezahlte Steuer auf die im Inland fällige an (Anrechnungsmethode, Artikel 23b OECD-MA). Die Staaten haben im Rahmen ihrer Abkommen hier ein Wahlrecht, weshalb in jedem Doppelbesteuerungsabkommen auch andere Regelungen für nichtselbständige Einkünfte zu finden sind.

Besteht kein Doppelbesteuerungsabkommen, gilt als rein innerdeutsche Norm § 34c EStG. Auch sie kennt die Unterscheidung zwischen Anrechnungs- und Freistellungsmethode. Die Anrechnung ist dabei die Regel, nur auf Antrag kommt die Freistellungsmethode zur Anwendung (§ 34c Absatz 2 EStG).

3. Besondere Besteuerungsgrundsätze für bestimmte Steuerpflichtige

Neben der unbeschränkten und der beschränkten kennt das deutsche Steuerrecht auch eine „erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht“. Sie ist normiert in § 1 Absatz 2 Satz 1 EStG und betrifft Personen, die

  • deutsche Staatsangehörige sind, also die deutsche Staatsbürgerschaft haben,
  • in Deutschland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und
  • zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis (Arbeits-, Beamten- oder Soldatenverhältnis)

stehen. Sie sind unabhängig von ihrem Aufenthalts- und Wohnort immer unbeschränkt einkommensteuerpflichtig im Sinne des § 1 Absatz 1 EStG. Mit § 1 Absatz 2 Satz 2 EStG gilt aber auch eine Einschränkung. Denn die entsprechenden Personen sind nur unbeschränkt steuerpflichtig, wenn ihre Steuerbelastung im Ausland mit der beschränkten Steuerpflicht im Sinne der §§ 1 Absatz 4 und 49 EStG vergleichbar ist.

In den meisten DBA findet sich für entsprechende Grenzgänger eine vergleichbare Regelung. Artikel 19 OECD-MA normiert beispielsweise:

  • Gehälter und Vergütungen juristischer Personen des öffentlichen Rechts dürfen nur in dem Staat besteuert werden, aus dessen Kasse auch die Zahlung erfolgt
  • Das Besteuerungsrecht geht auf den anderen Staat über, wenn die Tätigkeit dort ausgeübt wird und die Person entweder die Staatsbürgerschaft des anderen Staates hat oder zumindest nicht nur dort lebt, um beruflich tätig zu sein

Artikel 19 OECD-MA gilt allerdings nur für Bezüge aus aktiven Dienstverhältnissen. Ruhegehälter, insbesondere Beamtenpensionen und Renten, sind ausgeschlossen. Für ihre Besteuerung gilt – da die entsprechende Person regelmäßig kein Grenzgänger mehr ist – Artikel 18 des Abkommens.

4. Grenzgänger und die unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag

Personen, die weder ihren Wohnsitz noch den gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland haben, können auf Antrag wie unbeschränkt Steuerpflichtige behandelt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Einkünfte der entsprechenden Person zu mindestens 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen und unter § 49 EStG fallen.

In diesen Fällen werden beispielsweise Grenzgänger aus Österreich, die ausschließlich Einkünfte vom deutschen Arbeitgeber beziehen, wie ein originär Steuerpflichtiger behandelt. Für die betroffenen Personen ergibt sich durch das Wahlrecht der Vorteil, sich das im Einzelfall günstigere Steuerrecht aussuchen zu können.


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