Satzungsdurchbrechender Beschluss

Abgrenzung, Rechtsfolgen

Satzungsdurchbrechender Beschluss im Aktienrecht

Die Beurteilung eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses ist umstritten. Zu den grundlegenden Problemen des Beschlussmängelrechts gehört dabei das Verhältnis zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit. Dieses entzündet sich vor allem bei Verstößen von Hauptversammlungsbeschlüssen gegen die Satzung einer Aktiengesellschaft. Wir erklären die unterschiedlichen Kriterien zur Beurteilung von satzungsdurchbrechenden Hauptversammlungsbeschlüssen.

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Unser Video: Aktiengesellschaft (AG): Organe und Grundsatz der Satzungsstrenge

In diesem Video erklären wir, was eine Aktiengesellschaft ist und welche Organe sie hat.

Inhaltsverzeichnis


1. Problem des satzungsdurchbrechenden Beschlusses

1.1. Gebot der Satzungsstrenge

Im Aktienrecht gibt es das Gebot der Satzungsstrenge. Die Satzung einer AG ist bei der Gründung festzulegen und muss bestimmte Mindestinhalte haben (§ 23 AktG). Änderungen der Satzung können nur unter bestimmten Voraussetzungen durch Beschluss der Hauptversammlung erfolgen. Dabei ist aber in der Regel eine qualifizierte Mehrheit erforderlich (§ 179 Absatz 2 AktG). Der Spielraum satzungsmäßiger Regelungen muss sich innerhalb des Aktiengesetzes halten. Dies gilt nicht nur für die Gründungssatzung, sondern auch für jede spätere Satzungsänderung.

Die Organe der AG, insbesondere Vorstand und Aufsichtsrat, sind in ihrer Geschäftsführung an die Satzung gebunden. Handlungen, die der Satzung widersprechen, können rechtswidrig sein. Das Gebot der Satzungsstrenge schützt letztlich die Interessen der Aktionäre, indem es sicherstellt, dass die Unternehmensführung im Rahmen der vereinbarten Regeln erfolgt.

Das Aktiengesetz, insbesondere in Kombination mit der Rechtsprechung, etabliert dadurch ein System, in dem die Satzung der AG eine zentrale Rolle für die Organisation und die interne Governance der Gesellschaft spielt. Hierdurch wird ein verlässlicher rechtlicher Rahmen für Investoren, Gläubiger, Arbeitnehmer und andere Stakeholder geschaffen.

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1.2. Zulässigkeit eines satzungsändernden Beschlusses

§ 179 AktG ist die zentrale Vorschrift im Abschnitt über die Satzungsänderung. Sie enthält allgemeine Regeln über die Mehrheitserfordernisse und etwaige sonstige Erfordernisse (§ 179 Absatz 2 AktG). Satzungsänderungen sind mit qualifizierter Mehrheit zu beschließen. Das bedeutet, dass neben einer einfachen Stimmenmehrheit (mehr als 50% der abgegebenen Stimmen) zusätzlich mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals zustimmen müssen (§ 179 Absatz 2 AktG). Für eine Satzungsänderung ist grundsätzlich die Hauptversammlung zuständig. Der Beschluss der Hauptversammlung über eine Satzungsänderung bedarf der notariellen Beurkundung (§ 130 AktG).

Von Bedeutung für das Verfahren der Satzungsänderung ist § 124 Absatz 2 Satz 3 AktG. Dieser verlangt, dass der Wortlaut einer vorgeschlagenen Satzungsänderung bereits mit der Bekanntmachung der Tagesordnung der Hauptversammlung bekannt gemacht wird. Nachdem die Hauptversammlung die Änderung beschlossen hat, muss diese zur Wirksamkeit ins Handelsregister eingetragen werden (§ 181 AktG). Die Eintragung erfolgt auf Anmeldung des Vorstands.

Weiterhin gibt es Sondervorschriften für bestimmte Fälle von Satzungsänderungen. Das gilt beispielsweise für Maßnahmen der Kapitalerhöhung und der Kapitalherabsetzung.

Die AG kann Änderungen ihrer Satzung nicht wirksam ausschließen. Gemäß § 179 Absatz 2 Satz 2, 3 AktG können aber Erschwerungen der Satzungsänderung vorgesehen werden. Dabei kann es sich um erhöhte Mehrheiten in der Hauptversammlung und um weitere Erfordernisse handeln.

1.3. Satzungsdurchbrechender Beschluss mit formellen Verstoß

Von der Satzung abweichende Hauptversammlungsbeschlüsse, die weder durch die Satzung gedeckt sind, noch den Anforderungen an eine Satzungsänderung genügen, werden als satzungsdurchbrechende Beschlüsse bezeichnet.

Dann stellt sich die Frage, wie ein solcher Beschluss zu behandeln ist. Dabei kommt es darauf an, ob solche Beschlüsse nichtig oder bloß anfechtbar sind.

Zwar ist der Beschluss in beiden Modellen rechtswidrig. Unterschiedlich sind aber die Rechtswirkungen. Ist der Beschluss lediglich anfechtbar, so führt das Versäumnis der Erhebung einer Beschlussmängelklage zur Wirksamkeit des Beschlossenen, § 246 Absatz 1 AktG. Erst diese potenzielle Erstarkung des rechtswidrigen in einen wirksamen Beschluss macht es erforderlich, zu prüfen ob satzungsdurchbrechende Hauptversammlungsbeschlüsse rechtswidrig oder lediglich anfechtbar sind.

Betrachtet man den satzungswidrigen Beschluss als missglückten Versuch einer Satzungsänderung, der beispielsweise die qualifizierte Beschlussmehrheit gemäß § 179 Absatz 2 Satz 1 AktG oder das Eintragungserfordernis des § 181 Absatz 1 Satz 1 AktG verfehlt hat, so ist der Beschluss nichtig. § 181 Absatz 3 AktG zeigt, dass der Beschluss keine Wirkungen zeigt. Das gilt unabhängig von der Einleitung eines Beschlussmängelverfahrens.

Versteht man den Beschluss hingegen als Maßnahme, bei der die Aktionäre den Widerspruch zur geltenden Satzung schlicht nicht erkannten, liegt bloße Anfechtbarkeit vor. Folge dessen ist, dass der Beschluss fortbesteht. Der Satzungsverstoß wird in § 243 Absatz 1 Variante 2 AktG erwähnt. Demgegenüber halten die Nichtigkeitsgründe in § 241 AktG dem Satzungsverstoß keine eigene Kategorie vor.

Letztendlich geht es daher um die Frage, ob es neben der regulären Satzungsänderung einen weiteren legalen Weg gibt, das geltende Satzungsrecht vorübergehend zu suspendieren.

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2. Die unterschiedlichen Lösungsansätze für einen satzungsdurchbrechenden Beschluss

Der Umgang mit solchen satzungsdurchbrechenden Beschlüssen ist auf mehreren Ebenen umstritten. Für ein Kriterium zur Unterscheidung zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit gibt es unterschiedliche Vorschläge.

In früheren Entscheidungen stellte der BGH auf die Dauer der Wirkung ab. Dabei eine einen Einzelfall regelnde Satzungsdurchbrechung im Grundsatz auch ohne Einhaltung der formellen Voraussetzungen einer Satzungsänderung nicht zur Nichtigkeit, sondern allenfalls zur Anfechtbarkeit führt. Demgegenüber soll nur die zustandsbegründende, also auf Dauer angelegte Satzungsdurchbrechung ohne Weiteres nichtig sein.

Andere wiederum erkennen im Satzungsverstoß stets eine missglückte Satzungsänderung mit der Folge der Nichtigkeit. Das soll unabhängig davon sein, ob die Maßnahme dauerhaft oder nur im Einzelfall wirken soll. Grund dafür ist, dass sich punktuelle und zustandsbegründende Wirkung nicht genau voneinander abgrenzen lassen.

Daneben kommt die Intention als Unterscheidungskriterium in Betracht. Geschah der Verstoß gegen die Satzung ohne ein entsprechendes Bewusstsein, so soll der Beschluss eine schlichte Satzungsverletzung darstellen. Sie soll daher lediglich anfechtbar sein. Eine solche Abgrenzung überzeugt jedoch nicht. Es leuchtet nicht ein, warum ein so gefasster Beschluss gegenüber dem bewussten Satzungsverstoß privilegiert sein soll. Weiter stellt sich dann die Frage, in welcher Person dieses subjektive Element zu welchem Zeitpunkt vorhanden sein muss. Seine tatsächliche Feststellungen stellt zudem eine Herausforderung dar.

Einigkeit besteht aber jedenfalls darin, dass faktische Änderungen der Satzung nicht möglich sind. Auch wiederholte Verstöße gegen die Satzung führen nicht dazu, dass die Satzung nachgibt.

Um den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern, sollten opponierende Aktionäre sicherhaltshalber Beschlussmängelklage gegen den entsprechenden Beschluss erheben.

3. Entscheidung des BGH zum satzungsdurchbrechenden Beschluss

3.1. Ausgestaltung des satzungsdurchbrechenden Beschlusses

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in einem Fall einen solchen satzungsdurchbrechenden Beschluss zu prüfen.

Die Satzung der beklagten Aktiengesellschaft sah vor, dass der Jahresabschluss unabhängig von gesetzlichen Pflichten stets zu prüfen ist. Diese Pflicht wurde in einigen Jahren nicht beachtet. Als die Kapitalgesellschaft dessen gewahr wurde, wollte sie das Thema für die Zukunft und die Vergangenheit lösen. Daher beschloss die Hauptversammlung ordnungsgemäß die Änderung der Satzung dahingehend, dass künftig eine Abschlussprüfung jenseits der gesetzlichen Verpflichtungen im Ermessen des Vorstandes liegt. Zudem fasste die Hauptversammlung den Beschluss, dass auf die unterlassenen Jahresabschlussprüfungen der vorangegangen Jahre verzichtet wird. Gegen den letzten Beschluss klagten zwei Aktionäre.

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3.2. Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanz hatte noch darauf abgestellt, dass sich die Hauptversammlung nachträglich mit dem Umgang der jahrelang unterbliebenen Prüfung beschäftigte. Damit hätte sie den Anforderungen der Satzung genügt. Das implizierte keine Satzungsänderung und auch keinen Satzungsverstoß. Das OLG hielt den Beschluss daher weder für nichtig noch für anfechtbar.

Der BGH hingegen teilte diese Einschätzung nicht. Zwar ist ohne Einfluss, dass der Vorstand tatsächlich über Jahre gegen die Satzungspflicht verstoßen habe. Bloßes satzungswidriges Verhalten bewirkt noch keine Satzungsänderung. Mit dem Verzicht auf die in der Satzung geregelte Pflicht zur Abschlussprüfung verstoße der Beschluss jedoch gegen das Gesellschaftsstatut.

Dann stellt sich aber die Frage, ob dieser Verzichtsbeschluss als punktuelle Satzungsdurchbrechung Wirksamkeit erlangen könnte. Der BGH wies daraufhin, dass das Rechtsinstitut der Satzungsdurchbrechung sowohl hinsichtlich seiner Fallgruppen als auch hinsichtlich des Bedürfnisses nach ihm umstritten ist. Anschließend lenkte der BGH ein und erläuterte, dass es angesichts des Verstoßes gegen die Satzung keiner Entscheidung zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit bedürfe. Deshalb sei der Beschluss jedenfalls für nichtig zu erklären.

Der BGH hatte in diesem Fall die Gelegenheit zu entscheiden, wie satzungsdurchbrechende Hauptversammlungsbeschlüsse zu beurteilen sind. Dennoch entschied er sich ein weiteres Mal dagegen. Richtigerweise hätte er den Beschluss nicht für jedenfalls nichtig erklären dürfen. Prozessual ist daran nämlich zu bemängeln, dass ein bereits nichtiger Beschluss nicht mehr für nichtig erklärt werden kann. In diesem Fall genießt die Feststellungklage logischen Vorrang gegenüber der Gestaltungsklage.

4. Auswirkungen bei der GmbH?

Ein satzungsdurchbrechender Beschluss ist auch bei der GmbH denkbar. Im Gegensatz zum Aktienrecht kennt das GmbH-Recht jedoch keine formelle Satzungsstrenge im Sinne. Auch hier fehlt aber noch eine klare Linie und damit eine Abgrenzung zum Recht der Aktiengesellschaft. Es kann jedoch davon ausgegangen, dass an die Nichtigkeit der Beschlüsse höhere Anforderungen zu stellen sind, als bei der Aktiengesellschaft.


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