Das Steueroasen-Abwehrgesetz: Hier gelten verschärfte Regeln!
Steueroasen erfreuen sich gerade im internationalen Unternehmenssteuerrecht einer großen Beliebtheit, denn sie ermöglichen die geschickte Verlagerung von Gewinnen ins In- oder Ausland. Gleichzeitig geht dem deutschen Fiskus Besteuerungssubrat verloren, wenn Erträge in andere Steuerregime „verschoben“ oder auf mehrere Staaten verteilt werden. Mit dem Steueroasen-Abwehrgesetz, dessen Bezeichnung durchaus eindeutig ist, erschwert der Gesetzgeber bestimmte Gestaltungen. Kern des Gesetzes ist eine „schwarze Liste“ von aktuell (2023) 12 Staaten, die in der dazugehörigen Rechtsverordnung aufgeführt sind.

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Inhaltsverzeichnis
1. Grundlage des Steueroasen-Abwehrgesetzes: die Steueroase
Wie der Name bereits verrät, möchte der Gesetzgeber mit dem Steueroasen-Abwehrgesetz aus seiner Sicht ungerechtfertigte oder unfaire Steuergestaltungen, in die bestimmte Staaten einbezogen sind, verhindern („abwehren“). Eine Steueroase ist dabei nach § 2 StAbwG ein Staat, der in Steuersachen keine ausreichende Kooperationsbereitschaft mitbringt. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn einer der folgenden Tatbestände erfüllt ist:
- Der Staat ist in Steuersachen intransparent
- Ein Hoheitsgebiet betreibt unfairen Steuerwettbewerb
- Das jeweilige Land erfüllt die BEPS-Mindeststandards nicht oder unzureichend
Allen Tatbeständen ist gemein, dass der Bundesrepublik Deutschland aus ihnen ein erheblicher Nachteil entstehen könnte. Werfen wir daher einen etwas genaueren Blick auf die §§ 4 bis 6 des StAbwG.
1.1. Die Intransparenz in Steuersachen
Unter den Begriff der „Intransparenz in Steuersachen“ fallen mehrere Verhaltens- oder „Nichtverhaltensweisen“ einzelner Staaten. Nach § 4 Absatz 2 StAbwG betrifft dies vor allem den automatischen Austausch von Finanzkonten und Einkommen. Staaten, die beispielsweise die Auskunft über in ihrem Hoheitsgebiet bestehende Bankkonten einzelner Steuerpflichtiger verweigern, gelten nach dem Steueroasen-Abwehrgesetz als intransparent.
Eine Intransparenz in Steuersachen ist allerdings auch dann gegeben, wenn die OECD-Mindeststandards für Transparenz und effektiven Informationsaustausch zumindest überwiegend nicht umgesetzt wurden. Sie wurden durch die G20 im Jahr 2014 entwickelt und umfassen insbesondere das Sammeln und (im Bedarfsfall) die Weiterleitung von Informationen über Finanztransaktionen, Dividenden und Konten.
1.2.Unfairer Steuerwettbewerb
Welche Verhaltensweisen unfair sind und welche nicht, liegt im Einzelfall üblicherweise im Auge des Betrachters. In § 5 StAbwG hat der Gesetzgeber allerdings bestimmte Fälle des unfairen Steuerwettbewerbs geregelt, wobei diese als besonders erheblich anzusehen sind. Im Ergebnis ist nach dem Steueroasen-Abwehrgesetz immer dann unfairer Steuerwettbewerb gegeben, wenn der jeweilige Staat
- Steuervorteile ausschließlich Gebietsfremden oder für Transaktionen mit ausländischen Personen gewährt,
- steuerliche Anreize auch dann gewährt, wenn die jeweilige Person keine Tätigkeit in Präsenz vor Ort ausübt, und
- durch seine Verwaltungsbehörden gesetzlich nicht klar definierte Grundsätze anwendet oder sogar von diesen abweicht, um der ausländischen Person steuerliche Vorteile gewähren zu können.
Weitere Voraussetzung ist nach § 5 Absatz 2 Satz 1 StAbwG eine im Ergebnis deutlich niedrigere Effektivbesteuerung, als sie bei vergleichbaren Geschäftsvorfällen in Deutschland gegeben wäre. Umfasst ist hiervon auch eine Nullbesteuerung, also die vollständige Freistellung bestimmter Einkünfte oder Erträge.
Verfügt ein Staat über kein Körperschaftsteuersystem und findet hierdurch keine Besteuerung statt, gilt auch das als unfairer Steuerwettbewerb. Auch hier muss aber das Ziel, ausländische Personen und ihre Gewinnverlagerung anzuziehen, zumindest erkennbar sein (§ 5 Absatz 3 StAbwG).
1.3. Nichterfüllung der BEPS-Mindeststandards
Die BEPS-Standards, die ebenfalls von den G20 erarbeitet wurden, finden ihren Niederschlag in § 6 StAbwG. Relevant sind dabei die Aktionspunkte 5, 6, 13 und 14 der ausgearbeiteten Standards, wobei sich auch diese vor allem auf den automatisierten Austausch steuerlich relevanter Informationen beziehen.
Ein Auffangtatbestand findet sich in § 6 Absatz 2 StAbwG. Besteht weder mit der BRD noch mit anderen EU-Staaten ein Mechanismus zum Datenaustausch, gilt ein Steuerhoheitsgebiet automatisch als nicht kooperativ.

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2. Rechtsfolgen im Steueroasen-Abwehrgesetz
Damit das Steueroasen-Abwehrgesetz seine Wirkung als solches auch tatsächlich entfalten kann, finden sich in den §§ 7 bis 11 diverse Abwehrmaßnahmen. Dabei stellt § 7 Satz 1 StAbwG klar, dass die entsprechenden Regelungen nur anzuwenden sind, wenn inländische Steuerpflichtige eine Geschäftsbeziehung in nicht kooperative, ausländische Hoheitsgebiete unterhalten. Diese Gebiete sind in § 2 StAbwV geregelt und umfassen (Stand 2023):
- Amerikanisch-Samoa
- Anguilla
- Bahamas
- Fidschi
- Guam
- Palau
- Panama
- Samoa
- Trinidad und Tobago
- Turks- und Caicosinseln
- Amerikanische Jungferninseln
- Vanuatu
In den §§ 8 bis 11 des Steueroasen-Abwehrgesetzes finden sich dann die auf einzelne Vorgänge anzuwendenden Abwehrmaßnahmen. Sie beinhalten:
- Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzug
- Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung
- Quellensteuermaßnahmen
- Maßnahmen bei Gewinnausschüttungen und Anteilsverkäufen
Nach § 12 StAbwG gelten außerdem erweiterte, also über die Vorschriften der AO hinausgehende, Mitwirkungspflichten. Steuerpflichtige müssen in erster Linie ihre konkreten Geschäftsbeziehungen in die betroffenen Staaten einschließlich geschlossener Verträge offenlegen. Sie sind außerdem zur Auskunft über eingesetzte Vermögenswerte, Beteiligungsverhältnisse und ausgeübte Tätigkeiten verpflichtet. Alle Aufzeichnungen müssen schriftlich vorliegen.
2.1. Verbot des Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzugs
Für Betriebsausgaben und Werbungskosten, die in Steueroasen fließen, besteht ein Abzugsverbot nach § 8 Satz 1 StAbwG. Die entsprechenden Kosten mindern daher zunächst den Gewinn nach § 4 Absatz 4 EStG, sind aber außerhalb der Bilanz wieder hinzuzurechnen. Sie sind damit im weitesten Sinne den nicht abziehbaren Betriebsausgaben nach § 4 Absatz 5 EStG gleichgestellt, denn im Grundsatz liegen hier weiterhin betrieblich veranlasste Aufwendungen vor.
Mit § 8 Satz 2 StAbwG greift allerdings eine Rückausnahme. Der Abzug von Betriebsausgaben oder Werbungskosten ist also zulässig, wenn
- die mit den Aufwendungen in Zusammenhang stehenden Erträge der beschränkten oder unbeschränkten Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuerpflicht unterliegen.
- die Einnahmen, die mit den Ausgaben in Zusammenhang stehen, in einen Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Absatz 1 Satz 1 AStG einfließen.
Im Ergebnis greift das Abzugsverbot also nur, wenn der fiskalische Vorteil für die Bundesrepublik Deutschland durch den Abfluss der Mittel verloren ist. Fließen die Beträge auf irgendeine Weise wieder „zurück“ und unterliegen sie dadurch der inländischen Steuerpflicht, ist § 8 Satz 1 StAbwG nicht anzuwenden.
2.2. Die verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung im Steueroasen-Abwehrgesetz
Steuerpflichtige, die im Ausland eine niedrig besteuerte Gesellschaft gründen und hierüber ihre Gewinne versteuern möchten, unterfallen gegebenenfalls der Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 bis 14 AStG. Dies gilt immer dann, wenn die jeweilige Gesellschaft im Ausland keine wesentlichen wirtschaftlichen Interessen verfolgt und damit – so der Sinn der Hinzurechnungsbesteuerung – rein aus steuerlichen Gründen dort errichtet wurde. Die Einkünfte werden dann beim deutschen Steuerpflichtigen so behandelt, als hätte er sie direkt – ohne Einschaltung der ausländischen Gesellschaft- erzielt.
„Wesentliche wirtschaftliche Interessen“ hat eine ausländische Gesellschaft insbesondere dann, wenn sie Tätigkeiten vor Ort ausübt. Dies ist etwa bei einem aktiven Gewerbebetrieb, einer selbständigen Tätigkeit oder Vermietungsleistungen der Fall.
Nach dem Steueroasen-Abwehrgesetz greift allerdings eine verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung, wenn die ausländische Gesellschaft in einer Steueroase liegt. Denn hier ist es unerheblich, ob vor Ort wesentliche wirtschaftliche Interessen verfolgt werden. Entsprechende Gesellschaften gelten stets als Zwischengesellschaften im Sinne des AStG, sodass es zu einer Besteuerung nach § 20 Absatz 1 Nummer 1 EStG beim inländischen Anteilseigner kommt.

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2.3. Maßnahmen im Bereich des Quellensteuerabzugs
In § 1 Absatz 4 EStG ist die beschränkte Steuerpflicht geregelt. Sie betrifft Personen, die in Deutschland zwar weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, aber inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG beziehen. Die Norm ist dabei abschließend, sodass Einkunftsarten, die dort nicht aufgeführt sind, auch keine beschränkte Steuerpflicht im Sinne des EStG oder KStG begründen können.
Mit § 10 des Steueroasen-Abwehrgesetzes wird der Katalog nach § 49 EStG allerdings erweitert, wenn natürliche oder juristische Personen in einer Steueroase ansässig sind. Konkret unterliegen dabei auch die folgenden Einkünfte, die aus Deutschland abfließen, dem Quellensteuerabzug:
- Versicherungs- und Rückversicherungsprämien
- Erbringung von Dienstleistungen, soweit es sich hierbei nicht um reine Nutzungsüberlassungen handelt
- Handel mit Waren und Dienstleistungen
- Vermietung und Verpachtung von Rechten, die in ein deutsches Register (insbesondere das Grundbuch) eingetragen sind
Einkünfte unterliegen allerdings nur insoweit der Besteuerung, als sie dies nach § 2 EStG auch bei unbeschränkter Steuerpflicht täten. Der Steuerabzug beträgt bei den genannten Leistungen und Einkünften in der Regel 15 % der jeweiligen Bruttosumme (§ 10 Absatz 2 Satz 2 StAbwG).
2.4. Gewinnausschüttungen und Anteilsverkäufe im Steueroasen-Abwehrgesetz
Auch im Bereich der Gewinnausschüttungen und bei Anteilsverkäufen sieht das Steueroasen-Abwehrgesetz mit § 11 verschärfte Regelungen vor. Konkret entfallen dabei die „klassischen“ Steuerbefreiungen, wenn sie sich auf eine Körperschaft beziehen, die in einer Steueroase ihren Sitz hat oder zumindest teilweise dort ansässig ist (beispielsweise mit einer Tochtergesellschaft). Auf Bezüge im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 EStG ist § 8b KStG nicht anzuwenden.
Werden Anteile an einer solchen Körperschaft veräußert, ist gilt auch hier ein Anwendungsverbot des § 8b KStG. Entsprechende Veräußerungsgewinne unterliegen damit in voller Höhe der deutschen Körperschaftsbesteuerung, ohne dass 95 % der Erträge steuerfrei gestellt werden. Für natürliche Personen verweist § 11 StAbwG auf § 3 Nummer 40 EStG, sodass auch die 40%ige Steuerfreistellung keine Anwendung findet.
Die einzige Rückausnahme findet sich in § 11 Absatz 3 StAbwG. Der Ausschluss von den Steuerfreistellungen greift nicht, wenn Geschäftsbeziehungen zur ausländischen Körperschaft bereits den §§ 8 oder 10 StAbwG unterfielen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn an die ausländische Gesellschaft gezahlte Betriebsausgaben vom deutschen Finanzamt gekürzt wurden.
3. Praktische Bedeutung des Steueroasen-Abwehrgesetzes
Das Steueroasen-Abwehrgesetz sieht durchaus einschneidende Maßnahmen für Steuerpflichtige, die Geschäftsbeziehungen in sogenannte Steueroasen unterhalten, vor. In § 1 Absatz 3 StAbwG ist außerdem explizit geregelt, dass die Vorschriften des Gesetzes eventuell bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen im Einzelfall vorgehen.
Gleichzeitig lassen sich die Rechtsfolgen des Gesetzes vor allem dadurch vermeiden, dass die inländischen Anknüpfungspunkte möglichst auf null reduziert werden. Denn alle Vorschriften des StAbwG knüpfen daran an, dass eine natürliche oder juristische Person überhaupt dem Einkommen- oder Körperschaftsteuergesetz unterfällt. Fehlt es bereits an dieser Grundvoraussetzung, sind sie obsolet.
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