Das subjektive Nettoprinzip

Beschränkung der Besteuerung auf das frei verfügbare Einkommen

Subjektives Nettoprinzip – Besteuerungsgrundsatz in Deutschland

Das Steuerrecht in Deutschland unterliegt gewissen Grundprinzipien, nach denen es sich richten soll. Neben einem objektiven Nettoprinzip und dem Leistungsfähigkeitsprinzip gibt es auch ein subjektives Nettoprinzip. Dieses regelt allgemein, in welcher Höhe Steuern anfallen dürfen und was von der Besteuerung ausgeschlossen sein sollte.

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Inhaltsverzeichnis


1. Subjektives Nettoprinzip – Einleitung

Fragt man Steuerpflichtige in Deutschland, ob sie die Höhe ihrer Steuern für zu hoch erachten, erfährt man meistens Zustimmung. Dabei ahnen wohl die wenigsten Steuerpflichtigen, dass Deutschland Steuern nur nach strengen Regeln erheben darf. Streng sind die Regeln, weil sie aus dem Grundgesetz abgeleitet werden. Zum Beispiel herrscht der Grundsatz, dass Steuern nur auf Basis von Gesetzen erhoben werden dürfen. Außerdem müssen diese Gesetze ihrerseits verfassungskonform sein. Im gegenteiligen Fall kann es nämlich zu einem Aussetzen der Steuer kommen, wie es beispielsweise der Vermögensteuer ergangen ist. Meistens führt der Gesetzgeber aber Änderungen in seine Steuergesetze ein, um sie wieder mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen, so, wie mit der Reform der Grundsteuer.

Eines dieser Prinzipien ist das subjektive Nettoprinzip. Wenn Sie erfahren wollen, welche besondere Bedeutung das subjektive Nettoprinzip für die Besteuerung in Deutschland hat, lesen Sie hier weiter. Wenn Sie sich lieber weiterhin über zu hohe Steuern beschweren wollen, ohne über Einzelheiten des subjektiven Nettoprinzips Bescheid zu wissen, dann können Sie auch Anregungen zum Steuern Sparen in vielen unserer anderen Blogbeiträge finden. Auch das verringert Ihr Beschwerdepotential, ja es mehrt potentiell sogar Ihre Zufriedenheit.

2. Subjektives Nettoprinzip: Regelungen zur Höhe der Steuern

Das subjektive Nettoprinzip kann man als Ergänzung des objektiven Nettoprinzips auffassen. Beide bestimmen ganz allgemein, was einer Besteuerung unterliegen und wie hoch die Steuer dabei ausfallen darf. Besonders relevant sind beide Prinzipien bei der Erhebung von Ertragsteuern. Das subjektive Nettoprinzip ist in dieser Beziehung aber das bedeutendere, weil es fordert, dass Steuern auf das frei verfügbare Einkommen beschränkt sein sollen.

Das frei verfügbare Einkommen muss man unter sozialpolitischen Gesichtspunkten betrachten. Denn dabei handelt es sich um den Teil des Einkommens, der über dem Existenzminimum liegt. Mit anderen Worten muss den Steuerpflichtigen von ihrem Einkommen immer ein Teil steuerfrei bleiben, damit sie ihren Lebensunterhalt aus diesem heraus bestreiten können.

Selbstverständlich ist schon der Versuch der Festlegung einer solchen Grenze keine leichte Aufgabe. So bestehen allein beim Mietniveau in den verschiedenen Regionen in Deutschland gewaltige Unterschiede. Immerhin führt die Anwendung des subjektiven Nettoprinzips zu einer regelmäßigen Anpassung des Grundfreibetrags, der ja der Absicherung des Existenzminimums dient. Zuletzt konnte man dies in der Anhebung des Grundfreibetrags im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2022 erkennen, die aufgrund der allgemeinen Teuerung erforderlich wurde.

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3. Subjektives Nettoprinzip: Anwendung über das Existenzminimum hinaus

Mit der Bewahrung des Existenzminimums vor Besteuerung hat das subjektive Nettoprinzip einen wesentlichen Aspekt im Regelungswerk deutscher Besteuerungsgrundsätze abgedeckt. Doch mit der Zeit musste man erkennen, dass man weitere Bereiche in diese Betrachtung einbeziehen sollte. Die Prüfung, ob Steuern zu erheben oder Leistungen zu erbringen sind, damit der Gesetzgeber dem Grundgesetz ausreichend Geltung leistet, oblag letzten Endes dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Dieses urteilte in diversen Verfahren, was der Staat unternehmen darf und was er zu unterlassen hat, damit dem objektiven ebenso wie dem subjektiven Nettoprinzip entsprochen wird. Dazu zählen wegweisende Urteile über den Ansatz von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen bei der Ermittlung des Einkommens sowie der Ansatz realitätsnaher Unterhaltsleistungen. Außerdem stellte das BVerfG klar, dass Kinderbetreuungskosten Alleinerziehender steuerlich angemessen zu würdigen sind. Ähnlich gelagert, wenn auch ohne direkten (aber indirektem) Bezug zum subjektiven Nettoprinzip, sind Urteile über die Höhe des Kindergeldes, beziehungsweise über die Zulässigkeit von Kindergeldkürzungen.

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4. Besteuerung unter Missachtung des subjektiven Nettoprinzips

Jetzt mag man den Eindruck erhalten haben, das subjektive Nettoprinzip sei universell zu beachten. In der Realität kann es aber durchaus Abweichungen von diesem Grundsatz geben. So erhebt man beispielsweise unter bestimmten Umständen selbst dann Einkommensteuer, wenn eigentlich ein über alle Einkünfte hinweg festzustellender Verlust vorliegt. Das kann dadurch auftreten, wenn man im Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen einen Verlust eingefahren hat, der größer ist, als alle anderen positiven Einkünfte. Der Grund hierfür liegt im Verrechnungsverbot von Verlusten aus Kapitaleinkünften mit anderen Einkünften. Auf diese Weise kann es vorkommen, dass eine steuerpflichtige Person Einkommensteuer aus ihrem Privatvermögen heraus zu entrichten hat.

Übersteigt die Steuerforderung aber das Privatvermögen, kann sogar Privatinsolvenz drohen. Dennoch ist dies steuerrechtlich zulässig. Schließlich geht diese Besteuerung mit der Gewährung eines Verlustvortrags einher. Ob dies aber tatsächlich mit dem subjektiven Nettoprinzip vereinbar ist, kann man bezweifeln. Immerhin hat das Finanzgericht Köln in einem aktuellen Urteil die Verletzung des subjektiven Nettoprinzips bejaht (Az.:5 K 1403/21). Da das Finanzamt jedoch Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) beantragt hat (Az.: IX 18/23), ist eine endgültige Entscheidung noch ausstehend.

Auch in einem anderen Zusammenhang mit der Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen besteht der dringende Verdacht, dass das subjektive Nettoprinzip keine Anwendung findet. Denn die Kapitalertragsteuer sieht als Abgeltungsteuer keine Berücksichtigung des Grundfreibetrags vor.

Andererseits bedeutet die Beschränkung des subjektiven Nettoprinzips auf die Einkommensteuer, dass Körperschaften bei ihrer Besteuerung keinen Anspruch auf ihre Wirkung haben. Schließlich kennen juristische Personen im Unterschied zu natürlichen Personen keine steuerrechtlich anerkanntes Existenzminimum, weil ihre Existenz im Wesentlichen keiner finanziellen Basis bedarf. Daher besteht auch kein rechtlicher Widerspruch zur unterschiedlichen Behandlung bei der Anrechnung der Gewerbesteuer bei natürlichen und juristischen Personen. So urteilte zumindest der BFH unlängst.

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5. Subjektives Nettoprinzip – Schlusswort

Das subjektive Nettoprinzip ist ein wichtiger Bestandteil des Instrumentariums, mit dem die Verfassung den Sozialstaat gewappnet, aber auch verpflichtet hat. Dass es sich hierbei um einen Grundsatz handelt, der lediglich auf die Besteuerung natürlicher Personen einwirkt, kann man befremdlich finden. Schließlich kann man als Unternehmer, der in der Rechtsform einer GmbH oder AG tätig ist, weder bei der Körperschaftsteuer noch bei der Kapitalertragsteuer eine faktische Berücksichtigung des Existenzminimums erkennen. Zumindest ist dort kein Gegenstück zum Grundfreibetrag vorgegeben. Auch bei der fehlenden Anrechnung der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe im Rahmen der Körperschaftbesteuerung kann man Zweifel hegen, ob die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft einen angemessenen Schutz ihres Existenzminimums erfahren. Daran ändert auch das zuvor erwähnte BFH-Urteil wenig, weil es sich lediglich auf die Besteuerung der juristischen Person bezog, ohne die steuerpflichtigen Gesellschafter dahinter ebenfalls mit einzubeziehen.

Solange aber die Besteuerung von Körperschaften und ihren Gesellschaftern insgesamt ausgewogen und der von natürlichen Personen in Personenunternehmen vergleichbar bleibt, dürfte es schwer fallen, das Argument einer ungleichen Behandlung durch Ausschluss des subjektiven Nettoprinzips bei der Körperschaftbesteuerung zu vertreten. Schließlich zahlen Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft im Endeffekt ähnlich viel Steuern wie Unternehmer, deren Existenzminimum durch Anwendung des subjektiven Nettoprinzips geschützt ist.


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