Digitale Betriebsstätte: Besteuerung der digitalen Wirtschaft
Die großen hochdigitalisierten Unternehmen (Google, Amazon, Facebook, Apple) zahlen kaum Steuern. Grund dafür ist, dass die digitale Wirtschaft diverse Steuergestaltungsmodelle in ihrer Umsetzung erheblich erleichtern. Das hat auch die OECD erkannt. Deswegen wurde das BEPS-Projekt entwickelt. Ziel dieses Projektes ist es, die digitale Wirtschaft durch internationale Besteuerungsregeln besser erfassen zu können. Dazu stellten die involvierten Staaten einen 2-Säulen-Plan vor. Ohne Umsetzungsakt durch uni-, bi-, multilaterale Regelungen oder Vereinbarungen entfalten die Maßnahmen aber noch keine Rechtswirkung. Demungeachtet führen sie dazu, dass von den derzeitigen Regelungen zur Verteilung der Besteuerungsrechte erheblich abgewichen werden kann. Mithin ist die Thematik nicht nur für die GAFA-Unternehmen relevant. Sie hat sich vielmehr zu einer grundlegenden Diskussion über die Verteilung von Besteuerungsrechten entwickelt. Durch diese Maßnahmen werden den Unternehmen erheblicher Verwaltungsaufwand und hohe Kosten entstehen. Deswegen sind es die Maßnahmen würdig im Folgenden besprochen zu werden.
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In diesem Video erklären wir, die Gestaltungsmodelle der großen hochdigitalisierten GAFA-Unternehmen.
Inhaltsverzeichnis
1. OECD und BEPS-Projekt mit Blick auf die digitale Wirtschaft
BEPS steht für Base Erosion and Profit Shifting, auf Deutsch etwa Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung. Zu diesem Projekt haben sich alle Mitgliedstaaten der OECD und G20 zusammengeschlossen. Dabei einigte man sich auf fünfzehn Aktionspunkte. 2015 wurde der Abschlussbericht zu allen Aktionspunkten veröffentlicht. Darin wurde darauf hingewiesen, dass weiter an den steuerlichen Problemen im Zusammenhang mit digitalen Leistungen gearbeitet werden muss. Es wurde vereinbart, dass ein weiterer Rahmen erschaffen wird, der die Umsetzung der BEPS-Ergebnisse sicherstellt und weitere fachliche Arbeiten durchführt, sog. Inclusive Framework on BEPS. Diesem Rahmen gehören neben den Industriestaaten auch Schwellen und Entwicklungsländer an. Folgend wurde im Jahr 2020 der sogenannte Blueprint veröffentlicht. Dabei befasst sich die Säule eins dieses Berichts mit der Verteilung von Besteuerungsrechten und der Gewinnallokation, also der Zurechnung von Gewinnen mit Blick auf die digitale Wirtschaft.
2. Ausgangssituation mit Blick auf die digitale Wirtschaft
Um die Vorschläge auf Ebene der OECD verstehen zu können muss zunächst erklärt werden, warum sich die ertragsteuerliche Behandlung der digitalen Wirtschaft so schwierig gestaltet.
2.1. Merkmale digitaler Wirtschaft
Kennzeichnend für digitale Leistungen ist zum einen, dass Waren oder Dienstleistungen über das Internet ohne tatsächliche Präsenz im Absatzmarkt dort schnell und einfach angeboten werden können. Zum anderen kann die Reichweite des Unternehmens ohne großen Aufwand grenzenlos erweitert werden. Überdies ist die Nutzung immaterieller Rechte insbesondere das Sammeln von Kundendaten elementar für die digitalen Leistungen. Daher nehmen immaterielle Wirtschaftsgüter eine bedeutende Rolle ein. Weiterhin ist zu beobachten, dass je mehr Daten hinsichtlich eines Nutzers vorhanden sind, die Datenanalyse sich umso gewinnbringender gestaltet.
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2.2. Probleme im Zusammenhang mit der digitalen Wirtschaft
Diese Merkmale digitaler Wirtschaft führen zu vielen Problemen im Zusammenhang mit der internationalen Besteuerung. Zunächst ist bei digitalen Leistungen schon fraglich, wo überhaupt der Ort der Wertschöpfung zu sehen ist. Weitgehend wird angenommen, dass die Nutzer und ihre Daten einen erheblichen Teil der Wertschöpfungskette ausmachen. Daraufhin stellt sich die Frage, wenn man die Nutzer als Teil der Wertschöpfungskette ansieht, ob dann nicht ein neuer steuerlicher Anknüpfungspunkt entwickelt werden muss. Weiterhin muss geklärt werden, wie die Besteuerungsrechte dann zu verteilen sind.
2.3. Besteuerung digitaler Wirtschaft nach derzeitigem Recht
Die Merkmale digitaler Wirtschaft stellen das bestehende Steuerrecht vor erhebliche Probleme. Sowohl nationales Recht, als auch Doppelbesteuerungsabkommen kennen das Vorliegen einer Betriebsstätte als unterste Schwelle zur Begründung eines Besteuerungsrechts an (§ 49 I Nr. 2 lit. a) EStG ggf. iVm. §§ 2 Nr. 1, 8 I S. 1 KStG und Art 7, 5 OECD-MA). Daher ist maßgeblich, ob digitale Unternehmen, die im Marktstaat nicht tatsächlich präsent sind, dort eine Betriebsstätte begründen können.
Nach der Legaldefinition des § 12 I 1 AO ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Folglich ist erforderlich, dass die Geschäftseinrichtung Bezug zu einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche aufweist. Das ist aber bei digitalen Unternehmen, die in dem Marktstaat nicht physisch präsent sind, nicht der Fall. Als Anknüpfungspunkt könnte zwar die Internetseite in Betracht kommen. Die Internetseite der Unternehmen ist aber lediglich virtuell und kann bei entsprechendem Internetzugang von jedem Ort aus abgerufen werden. Mithin lässt sich die Internetseite nicht hinreichend konkret lokalisieren. Weiterhin könnte man die Nutzer als Anknüpfungspunkt ansehen. Das geltende Steuerrecht ist aber gerade darauf ausgerichtet, dass an einem Ort grundsätzlich nur besteuert werden darf, wenn das Unternehmen dort auch tatsächlich präsent ist. Mit dem gleichen Argument kann auch keine Betriebsstätte nach Doppelbesteuerungsabkommen vorliegen. Folglich unterliegen digitale Leistungen regelmäßig keiner Besteuerung im Marktstaat.
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3. Neuer Nexus für die digitale Wirtschaft
Im Rahmen des Aktionspunktes eins des Zwischenberichts des BEPS-Projektes wurden drei Konzepte dargestellt, die als Grundlage der Begründung des neuen Besteuerungsrechts bei digitaler Wirtschaft gelten können. Es soll dabei nicht mehr relevant sein, dass das Unternehmen in dem Staat, indem es Gewinne erzielt (Marktstaat) physisch präsent ist.
3.1. Signifikante Präsenz
Ein Vorschlag geht dahin, dem Staat das Besteuerungsrecht zuzurechnen, in dem das Unternehmen signifikant präsent ist. Hierbei ist zu beachten, dass dieser Vorschlag nicht nur digitale Leistungen neu regelt. Vielmehr könnten schon vermehrte Leistungen und Lieferungen in einen bestimmten Staat die signifikante Präsenz begründen. Auf Grund dessen beschränkt sich dieses Konzept in Abweichung zu dem User-Participation-Konzept nicht auf die Nutzerbeteiligung. Eine signifikante Präsenz soll bei Überschreitung der 750-Millionen-Euro Umsatzschwelle in dem bestimmten Land anzunehmen sein.
3.2. User Participation
Das User-Participation-Konzept umfasst nur digitale Leistungen. Demnach sind die Nutzer eines digitalen Dienstes, an der Wertschöpfung und Wertsteigerung des Unternehmens erheblich beteiligt. Durch diese Beteiligung generiert das Unternehmen weltweit Daten und Inhalte. Das ist im Vergleich zu herkömmlichen Geschäftsmodellen bei digitalen Leistungen von besonderer Bedeutung. Auf Grund der großen Bedeutung der Nutzerbeteiligung für digitale Unternehmen müsste laut dem Konzept der User-Participation das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat der einzelnen Nutzer zustehen. Dieses Konzept kommt dem Anerkennen einer virtuellen Betriebsstätte beachtlich nahe.
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4. Entwicklungen hinsichtlich der Besteuerung digitaler Wirtschaft
Die unterschiedlichen steuerlichen Anknüpfungspunkte wurden dargestellt. Auf Ebene des BEPS-Projektes wird im Blueprint die Einführung des Amount A diskutiert. Dieser soll einen Teil des Gewinnes auf einen Staat verteilen, indem das Unternehmen nicht tatsächlich präsent ist und daher das neue Besteuerungsrecht begründen. Weiterhin soll die Zurechnung der Gewinne durch Amount A weiteren Voraussetzungen unterliegen. Mithin soll der Marktstaat erst besteuern dürfen, wenn diese erfüllt sind.
4.1. Aktivititätstest
Als erstes ist erforderlich, das das Unternehmen bestimmte Aktivitäten ausübt, um in den Anwendungsbereich des Amount A zu fallen. Die Tätigkeit müsste dazu eine hoch automatisierte, digitale Dienstleistung (automated digital services kurz: ADS) darstellen oder von einem verbraucherorientierten Unternehmen (consumer facing businesses kurz: CFB) ausgeübt werden. Bestimmte Branchen werden von dem Anwendungsbereich des Amount A von vornherein nicht erfasst. Dazu gehören beispielsweise Branchen, die mit dem Abbau bzw. der Gewinnung von Rohstoffen befasst sind, Finanzdienstleistungen, die Baubranche, der Verkauf bzw. die Vermietung und Verpachtung von Wohnimmobilien sowie internationale Luft- und Schifffahrtunternehmen. Wichtig ist in diesem Kontext zu erkennen, dass ein Unternehmen auch, wenn es diese Tätigkeiten nicht durchführt, regelmäßig kontrollieren muss, ob nun doch ein Geschäftszweig eine Aktivität im Sinne des Amount A betreibt.
4.1.1. Digitale Wirtschaft als automated digital service
ADS soll Dienstleistungen kennzeichnen, die über das Internet angeboten werden und die nach der Bereitstellung des Dienstes nur minimalen menschlichen Einfluss seitens des Dienstleisters bedürfen. Es ist bei diesen Tätigkeiten keine Interaktion mit dem Lieferanten mehr nötig. Vielmehr erhält der Nutzer auf Grund der Eingabe bestimmter Parameter in das automatisierte System ein passendes Ergebnis.
Um feststellen zu können, ob ein Geschäftszweig eines Unternehmens eine ADS-Tätigkeit darstellt, ist zu überprüfen, ob sie der von der OECD erstellten positiv Liste unterfällt. Diese positiv Liste enthält neun Kategorien von Dienstleistungen, die als ADS gelten: Online-Werbedienste, Verkauf und andere Veräußerung von Nutzerdaten, Online-Suchmaschinen, Social-Media-Plattformen (wie YouTube), Online-Vermittlungsplattformen, Dienste in Zusammenhang mit der Bereitstellung digitaler Inhalte (digital content services), Online-Spiele, standardisierte Online-Training-Dienstleistungen und Cloud-Computing-Dienste. Sämtliche Tätigkeiten sind in dem Bericht auch definiert. Ist die Tätigkeit auf der negativ Liste zu finden, so liegt keine ADS-Tätigkeit vor. Steht die Tätigkeit auf keiner der Listen, so findet die gerade dargestellte generelle Definition Anwendung.
4.1.2. Digitale Wirtschaft als consumer facing businesses
Auch, wenn die Tätigkeit nicht als ADS angesehen werden kann, kann sie dennoch eine CFB-Aktivität darstellen. CFB Aktivitäten sind solche, bei denen Dienstleistungen und Waren, die üblicherweise für den privaten Gebrauch bestimmt sind, an einen Verbraucher direkt oder indirekt angeboten werden. Darunter sollen sowohl Verkauf als auch Vermietung und Lizenzen fallen. Es soll maßgeblich sein, dass der Endkunde ein Verbraucher ist.
4.2. Überschreiten der Unternehmensumsatzschwelle
Ein Unternehmen unterfällt zudem der neuen Regelung nur, wenn weiterhin bestimmte Schwellenwerte überschritten werden. Für den Anfang soll die relevante Grenze bei einem Umsatz des gesamten Unternehmens von 1 Mrd. – 5 Mrd. Euro liegen.
4.3. Landesbezogene Umsatzschwelle
Ferner sind solche Unternehmen dem Amount A auszuschließen, die zwar die Umsatzschwellen erreichen, aber nur geringe ausländische Einkünfte erzielen. Daher ist zu bestimmen, wieviel ausländische Gewinne ein Unternehmen erzielt. Ein Land erhält das Besteuerungsrecht nach Amount A nur, wenn die ADS- oder CFB-Aktivitäten in diesem Land die noch nicht festgelegte Umsatzschwelle überschreiten.
4.4. Zuordnung der Gewinne der digitalen Wirtschaft
Weiterhin bestehen Regelungen, die die Gewinne den Ländern zuordnen. Die Zuordnung soll auf Grund gewisser Indikatoren erfolgen. Die Indikatoren sind dabei in einer gewissen Reihenfolge anzuwenden. Der in der Hierarchie erste Indikator ist der genauste und vorzugswürdig anzuwenden. Erst, wenn dieser nicht hinreichend genau ermittelt werden kann, darf auf hintere Indikatoren zurückgegriffen werden. Als Indikator wird beispielsweise, der Standort des Gerätes des Nutzers oder die IP-Adresse vorgeschlagen. Dieses Konzept führt dazu, dass die Betriebsprüfer und Steuerabteilungsleiter zukünftig auch weitergehende Qualifikationen im Bereich der Informationstechnik vorweisen müssen, damit sie beurteilen können, welche Informationen technisch darstellbar sind. Ferner müssen sie auch erkennen, wo und in welchem Umfang es zu Manipulationen kommen kann.
4.5. Bestimmung des Rechtsträgers der Gewinne der digitalen Wirtschaft
Wenn einem Staat das Besteuerungsrecht nach Amount A zusteht, so ist weiterhin zu ermitteln, welcher Rechtsträger des Konzerns welchen Gewinn erwirtschaftet hat. Daher wird in einem nächsten Schritt ermittelt, welcher Rechtsträger die relevante Aktivität ausführt, die Profitabilitätsschwelle überschreitet und eine Verbindung zum Marktstaat aufweist. Erst, wenn dies nicht bestimmt werden kann, so ist der Betrag, der durch Amount A ermittelt wurde, gleichmäßig auf die profitablen Rechtsträger der Unternehmensgruppe zu verteilen.
5. Ausblick
Auch in dem Bericht wurde erkannt, dass das Amount A erheblichen Verwaltungsaufwand und Kosten verursacht. Diese entstehen sowohl auf Behörden als auch auf Unternehmensseite. Es bleibt daher abzuwarten, ob sich dieses Konzept tatsächlich durchsetzen kann.
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