Campione d’Italia

Steueroase am Luganer See

Campione – alpine Steueroase im Mikroformat

Steueroasen gibt es viele auf der Welt. Oft handelt es sich um Inseln in der Karibik oder in der Südsee. Außerdem sind viele Steueroasen relativ kleine Länder, wie etwa Belize, Malta oder San Marino. Doch gibt es auch Steueroasen, die keine eigene staatliche Souveränität im klassischen Sinne besitzen, zum Beispiel Isle of Man oder die Kanalinseln. In diese Kategorie fällt auch die italienische Exklave Campione d’Italia in den Alpen. Auch sie gilt als Steueroase. Zu recht?

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Inhaltsverzeichnis


1. Steueroase Campione d’Italia – Einleitung

Campione d’Italia, oder kurz Campione, ist eine italienische Ortschaft. Sie liegt am Ostufer des sich nach Süden ausstreckenden Arms des Luganer Sees. Wer aber auf die Karte schaut oder aus eigener Reiseerfahrung weiß, dass sowohl das West als auch das Ostufer des Sees an dieser Stelle zur Schweiz gehören, dem muss ich beipflichten. Doch Campione d’Itlalia ist eine Exklave die durch einen schmalen Streifen Tessins vom italienischen Stammland getrennt ist.

Es sind genau diese Situationen, in denen Territorien durch ihre isolierte Lage jedweder Art oft den Weg besonderer steuerlicher Regelungen gehen. So gilt auch Campione d’Italia als Steueroase. Doch ist der kleine Ort mit seinen knapp 2.000 Einwohnern kaum jemandem in Deutschland für diese Besonderheit bekannt. Dabei hat auch Deutschland mit Büsingen am Oberrhein eine ähnliche Exklave in der Schweiz. Wenn man aber in Italien in bestimmten Kreisen nach Campione d’Italia fragt, erhält man trotz der geringen Größe des Ortes sowie seiner abseitigen Lage erstaunlich oft die Antwort: „Klar, Campione kennt jeder, der sich in Italien für Glückspiel interessiert.“ Denn in Campione steht einerseits eines von nur fünf Casinos in Italien, andererseits ist es sogar das größte. Und Letzteres hat auch mit der Geschichte des Ortes zu tun.

2. Campione – kurzer Blick in die Historie

2.1. Campione: von den Römern in die Neuzeit

Schon die Römer fanden den Ort für ihre Zwecke geeignet. So gründeten sie hier die Garnisonsstadt Campilonum, um sich gegen die Überfälle der Helveten zu wehren.

Nach dem Untergang des Römischen Reiches übernahmen die Langobarden diese Region. Einer ihrer Anführer, Toto von Campione, vermachte den kleinen Ort im Jahr 777 dem Mailänder Kloster Sant’Ambrogio. Dies sollte mehr als 1.000 Jahre später dazu führen, dass aus dem beschaulichen Weiler ein Gegenstand politischer Auseinandersetzungen wurde. Denn die Zugehörigkeit Campiones zu diesem Mailänder Kloster blieb all die Jahrhunderte bestehen.

2.2. Die Zeitenwende: Napoleon in Italien

So blieb es, bis Napoleon Bonaparte Ende des 18. Jahrhunderts in Italien einmarschierte. Als Vertreter der französischen Revolution setzte er ganz in ihrem Geiste auch dort die Säkularisierung durch. Damit löste er die Verbindung zwischen dem Kloster Sant’Ambrogio und dem Ort Campione. Da er aber auch den Kanton Tessin neu einrichtete, lag es nahe, dass Campione nun endlich diesem zugeordnet wurde. Denn in den vergangenen Jahrhunderten hatte sich Campione in die lokale eidgenössische Struktur so weit eingegliedert, wie es seine Zugehörigkeit zum Kloster Sant’Ambrogio erlaubte. Beispielsweise stellten sie den Eidgenossen Truppen oder gehörten zu deren Zollgebiet. Doch selbst Napoleon hielt Campione der Schweiz vor. Jedenfalls blieben alle Bemühungen des Tessins zur Eingliederung Campiones während Napoleons Herrschaft und auch danach erfolglos. Lediglich kleinere Grenzbereinigungen nahm man vor.

2.3. Campione im 19. Jahrhundert

Damit kommen wir in eine neue Ära. Es ist die Zeit, in der Italien als Staatsgebilde Form annimmt und damit auch das winzige Anhängsel Campione erhält. Etwa zur gleichen Zeit hob die Schweiz die Binnenzölle zwischen ihren Kantonen auf. So verfuhr man aus rein praktischen Gründen auch mit Campione: es wurde fester Bestandteil des eidgenössischen Zollgebiets. Und das für lange Zeit. Erst 2020, als Italien die eigene Zollhoheit über den Ort reklamierte, änderte sich dies; eine weitere Zeitenwende für die kleine Gemeinde. Seitdem gehört Campione d’Italia zum Gebiet der EU-Zollunion. Doch dazu gleich mehr.

2.4. Wie aus Campione Campione d’Italia wurde

Übrigens heißt Campione erst seit 1933 Campione d’Italia. Denn mit Benito Mussolini drückte ein weiterer Anführer, der sich sicherlich ebenfalls zu den Großen zählte, dem Ort seinen Stempel auf. Um klarzustellen, dass diese Exklave italienisches Hoheitsgebet darstellt, verfügte er, dass der Zusatz d’Italia den Namen fortan ergänzen sollte. Es war also eine rein nationalistisch motivierte Ergänzung, die aber bestehen blieb, obwohl man im Alltag stets nur von Campione spricht.

Offenbar hat Campione mehr als genug Aufmerksamkeit wichtiger historischer Persönlichkeiten auf sich gezogen. Dazu zählt sicherlich auch der deutsche Literaturnobelpreisträger Hermann Hesse, der auf der gegenüberliegenden Seite des Sees in Montagnola seinen Lebensabend verbrachte. Zumindest sei mir diese Einschätzung in Anbetracht der langen Geschichte sowie der unbedeutenden Größe Campiones an dieser Stelle erlaubt.

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3. Casinò di Campione

3.1. Das Casino als idealer Ort für Geheimdienstaktivitäten

Wer ein besseres Verständnis über die Eigenheiten Campiones entwickeln möchte, sollte auch die Geschichte seines Casinos berücksichtigen. Der italienische Staat gründete 1917 das Casinó di Campione in der Absicht, ausländische Diplomaten anzuziehen, um ihnen dort militärische und andere Geheimnisse zu entlocken. Denn durch die Lage Campiones innerhalb der Schweiz konnten Diplomaten aus feindlichen Staaten, die in der Schweiz akkreditiert waren, ohne die italienischen Grenzen zu überschreiten nach Italien kommen.

Kleiner historischer Einschub: auch der OSS, der US-Geheimdienst, nutzte im Zweiten Weltkrieg diesen Vorteil, um unter Wahrung der Schweizer Neutralität Zugang zu Italien zu erhalten. Solange sie sich auf ihre Neutralität berufen konnten, ließen die Eidgenossen den OSS gewähren. Der OSS wiederum nutzte Campione als Basis zur Ausbildung italienischer Partisanen und Vorbereitung sowie Durchführung anderer Aktionen in Italien. Das war dadurch möglich, weil die Einwohner Campiones die örtlichen Polizisten, die der faschistischen Republik von Salò in den letzten Monaten des Krieges unterstanden, festsetzten. Hätten die Faschisten aber in Campione eingreifen wollen, wäre das nur unter Verletzung der Schweizer Neutralität gelungen.

3.2. Das Casino von Campione nach dem Ersten Weltkrieg

Gehen wir zurück in die Anfangszeit. Als der Erste Weltkrieg 1918 endete, entfiel auch der Bedarf an geheimdienstlichen Informationen aus der Exklave. Ein Jahr später schlossen daher die Türen des Casinos. 1933 eröffnete man das Casino aber erneut. Das Casino gehörte nach wie vor dem Staat Italien, doch die Verwaltung unterstand der Gemeinde.

Und die Gemeinde verdiente mit dem Casino über viele Jahre hinweg viel Geld, was uns eine Verbindung zur Frage nach den Steuern schafft. Darauf gehen wir im nächsten Kapitel näher ein. Vorher berichten wir noch über die neueren Ereignisse rund um das Casino von Campione d’Italia.

In den 1990er Jahren war das Casino allmählich in die Jahre gekommen. Daher fasste man den Plan, ein neues Gebäude zu errichten. Mit dem Entwurf beauftragte man den schweizer Stararchitekten Mario Botta. So zog man 2007 in den gleich nebenan errichteten Neubau, einem Koloss mit neun Etagen fürs Spiel um Glück und Geld. Tatsächlich war es zu der Zeit das größte Casino Europas.

3.3. Der Abschwung und die heutige Lage

Doch die goldenen Zeiten gingen zur Neige. Allein die Wirtschaftskrise im Jahr darauf dürfte das allgemeine Interesse am Glücksspiel gedämpft haben. Im Laufe eines Jahrzehnts häuften sich auf diese Weise Schulden bis zu einer Höhe von EUR 132 Millionen an. Davon bestanden EUR 42 Millionen gegenüber Campione d’Italia, denn die Gemeinde war inzwischen zum Alleinaktionär aufgestiegen. Diese Entwicklung gipfelte 2018 in einem Insolvenzantrag. Es folgte die Schließung des Casinos. Dies wiederum führte zu einer kommunalen Krise, denn Campione war inzwischen von den Touristen, die das Casino besuchten, abhängig. Infolgedessen verließen viele Einwohner Campione d’Italia.

2022 schaffte man es allerdings das Casino wiederzueröffnen. Obwohl die Umstände alles andere als optimal sind, scheint die Rechnung der neuen Verwaltung aufzugehen. Denn das Casino konnte das für das erste Jahr nach der Wiedereröffnung erwartete Ergebnis sogar um 12 % übertreffen.

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4. Campione d’Italia – eine Steueroase?

Wer sich intensiv mit Steueroasen und Offshore-Paradiesen beschäftigt, kennt Campione d’Italia. Der Ort ist sicher kein Global Player unter den Steueroasen, doch gab es gute Gründe, um ihm dieses Attribut zuzuerkennen. Das lag lange Zeit daran, dass die Einwohner von Campione d’Italia einerseits den Schweizer Franken als ihre hauptsächliche Währung verwendeten. Der Grund hierfür ist, dass viele Einwohner Campiones in der Schweiz arbeiteten und somit ihr Einkommen, später auch ihre Renten, in dieser Währung ausgezahlt bekamen. Und der Schweizer Franken war schon immer ein deutlich günstigeres, weil zahlungskräftigeres Geldmittel als die in Italien verwendeten Währungen. Hinzu kam, dass die italienische Finanzverwaltung den Einwohnern Campiones bei ihrer Einkommensveranlagung stets einen generösen Umrechnungskurs zugestand. Dadurch konnte man bis zu 20 % der Steuern sparen.

Nachdem Italien 2017 besondere Steueranreize geschaffen hatte, um vermögende Investoren ins Land zu locken, profitiert Campione ebenfalls von diesen Regelungen. Denn neben der reizvollen Landschaft und dem milden Klima am Fuße der majestätischen Alpen sind es auch die steuerlichen Privilegien, die Ausländer, insbesondere aus der Schweiz, dazu veranlassten sich in Campione niederzulassen.

Doch auch auf dem Gebiet der Mehrwertbesteuerung erwies sich den Einwohnern Campiones die isolierte Lage ihres Ortes als glücklicher Umstand. So blieb Campione d’Italia über Jahrzehnte hinweg sogar ganz von der Umsatzbesteuerung verschont.

Allerdings sind diese Zeiten seit der 2020 erfolgten Wiedereingliederung Campiones in das Zollgebiet der EU passé. Zwar hat die Regierung in Rom darauf verzichtet in Campione d’Italia die hohen Mehrwertsteuersätze Italiens einzuführen. Dafür hat sie jedoch eine lokale Verbrauchsteuer eingeführt, die der Gemeinde zufließt. Diese Imposta locale sul consumo di Campione d’Italia (kurz ILCC) genannte Steuer orientiert sich dabei an den Steuersätzen zur Mehrwertsteuer in der Schweiz. Immerhin, diese Steuersätze und Ausnahmeregelungen sind durchaus moderat.

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5. Campione d’Italia als Steueroase – ein Fazit

Dem letzten Kapitel ging die Frage voran, ob Campione d’Italia eine Steueroase sei. Hier geben wir nun eine Einschätzung und somit ein Fazit.

Wer genau mitgelesen hat und auch über Erfahrung im Vergleich mit anderen klassischen Steueroasen verfügt, stellt wohl fest, dass Campione sicher kein klassisches Exempel für eine Steueroase darstellt. Zwar existieren Elemente, die zumindest in einigen Bereichen eine geringere Besteuerung im Vergleich zum Mutterland bedingen, doch gibt es kein eigenständiges Steuerregime wie es in anderen Steueroasen der Fall ist. Dennoch werben auch heutzutage viele Berater und Vermittler mit dem Hinweis auf den Status als Steueroase für eine Ansiedlung in Campione d’Italia. Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe an guten Gründen, warum sich vermögende Personen in Campione d’Italia niederlassen könnten, insbesondere, wenn sie aus der Schweiz oder aus anderen Ländern kommen.

So kann man den Zuzug nach Campione d’Italia durchaus mit den steuerlichen Vorteilen kombinieren, die Italien geschaffen hat – inklusive des Erwerbs eines Golden Visa. Doch auch die Infrastruktur vor Ort spricht für sich. Schließlich genießt man als Einwohner Campiones die Vorzüge des vorbildlichen Gesundheitswesens der Schweiz. Spezielle Vereinbarungen zwischen Italien und den Eidgenossen garantieren dies. Gleichzeitig profitiert man von der Kostenbefreiung, die in Italien etwa im Falle einer Notfallversorgung greift. Außerdem ist man in weniger als 30 Minuten per Fähre in Lugano, das sich seiner elitären Privatschulen rühmt, sodass auch wohlhabende Familien eine gehobene Schulbildung für ihre Kinder sicherstellen können. Gleichzeitig kann man von Lugano aus auch den eigenen Geschäften nachgehen. Stellt man es richtig an, genießen die Gewinne in der Schweiz nämlich tatsächlich Steuerfreiheit. Bleibt dann nur noch die pauschale Einkommensteuer, die man als steuerprivilegierte Person in Italien zu entrichten hat.

Insofern kann man Campione d’Italia vielleicht weniger als vollwertige, eigenständige Steueroase ansehen, dafür aber als bessere Alternative.


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