Gesetzesänderungen

Bei Abfindungen für Personengesellschafter

Abfindungen für Personengesellschafter: So hoch müssen sie sein

Ausgeschiedene Personengesellschafter haben gemäß § 728 BGB und § 135 HGB einen Abfindungsanspruch gegen die Personengesellschaft. Dieser wird durch das MoPeG geändert und gilt zum 01.01.2024. Ursprünglich war der Abfindungsanspruch in dem § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelt. Wir erklären die Änderungen, welche Folgen sie in der Praxis haben und wie sich Abfindungen an Personengesellschafter nun berechnen.

Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die Beratung von Gesellschaftern spezialisiert. Dabei arbeiten wir für unsere Mandanten auch individuelle Gestaltungsmodelle zur Reduktion der Steuerlast auf Abfindungen aus. Deswegen haben wir auch schon mehrere Beiträge zu Abfindungen publiziert:

Datum

Thema
21. August 2019 Abfindung eines GmbH-Gesellschafters: Abfindungsklauseln vs. Gesetz
11. Februar 2020 Abfindung bei Gesellschaftsaustritt – rechtliche Grenzen und die Abfindungsklauseln
22. Januar 2021 Abfindung durch Wegzug ins Ausland steuerfrei auszahlen: ist dies möglich?
23. Mai 2022 Abfindungen für Personengesellschafter: So hoch müssen sie sein (dieser Beitrag)

Unser Video: Unternehmensbewertung: Vereinfachtes Ertragswertverfahren vs. IDW S1 Gutachten

Wir klären, wie Sie Ihr Unternehmen bewerten.

Inhaltsverzeichnis


1. Abfindungen an Personengesellschafter: Überblick über die Änderungen

Der § 728 BGB-neu regelt nunmehr die Ansprüche des ausgeschiedenen Gesellschafters. Im Unterschied zu der alten Regelung des § 738 Absatz 1 Satz 2 BGB ist die Gesellschaft verpflichtet, dem ausgeschiedenen Gesellschafter eine dem Wert seines Anteils angemessene Abfindung zu zahlen. Nach der bisherigen Regelung hingegen war dem Ausgeschiedenen das zu zahlen, was er bei der Auseinandersetzung erhalten hätte, wenn die Gesellschaft zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre. Diese Berechnung bezeichnet sich Liquidationshypothese. Wir klären nun, ob das neue Rechte eine Abkehr dazu schafft und damit eine neue Bewertungsvorgabe am Maßstab des Anteils begründet.

2. Bisherige Regelung zu Abfindungen

Dem § 738 Absatz 1 Satz 2 BGB liegt die sogenannte Liquidationshypothese zugrunde. Für die Abfindung stellt das Gesetz auf ein hypothetisches Auseinandersetzungsguthaben ab, das sich bei der Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft ergäbe. Daher nimmt das Gesetz auf eine fiktive Liquidation im Zeitpunkt des Ausscheidens Bezug. Mithin soll der ausscheidende Gesellschafter wertmäßig in gleicher Weise profitieren, wie die verbleibenden Gesellschafter. Daher ist der wahre Wert der Gesellschaft zu ermitteln und auf den wahren Anteil herunterzubrechen. Folglich erfolgt die Bewertung indirekt, da der Wert der Beteiligung aus dem Wert der Gesellschaft abzuleiten ist. Mithin interessiert es den ausscheidenden Gesellschafter nicht mehr, wenn die verbleibenden Gesellschafter eine unvorteilhafte Geschäftstätigkeit fortsetzen.

Bei einer Holdinggesellschaft kommt es daher naturgemäß auf den Wert des getragenen Unternehmens an. Zudem hat der ausscheidende Gesellschafter einen Anspruch auf denjenigen Liquidationserlös, der sich bei einer optimalen Verwertung des Gesellschaftsvermögens ergäbe. Bei werbenden Unternehmen besteht die optimale Verwertung regelmäßig in einer Veräußerung als Einheit.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in § 738 Absatz 1 Satz 2 BGB keine direkte Bewertung einer Personengesellschaftsbeteiligung angelegt ist. Der Wert der Beteiligung ergibt sich vielmehr aus dem Wert des Gesellschaftsvermögens. Eine direkte Bewertung des Anteils findet vielmehr nur ausnahmsweise statt, wenn aufgrund anderer gesetzlicher Bewertungsvorgaben auf den Anteil als solchen abzustellen ist. Dies ist beispielsweise in familienrechtlichen oder erbrechtlichen Kotexten denkbar.

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3. Probleme der Änderung der Abfindungen an Personengesellschafter

3.1. Änderung des Gesetzestext

Ab dem 01.01.2024 gilt der neue § 728 Absatz 1 Satz 1 BGB, der in der Fassung vom 10.8.2021 den folgenden Gesetzeswortlaut hat: Sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vereinbart ist, ist die Gesellschaft verpflichtet, den ausgeschiedenen Gesellschafter von der Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu befreien und ihm eine dem Wert seines Anteils angemessene Abfindung zu zahlen. Diese gesetzlichen Änderung könnten eine Abkehr von der Liquidationshypothese hin zu einer direkten Bewertung der Anteile bewirkt haben.

3.2. Mehr Freiraum für die Gesellschafter?

Es ist zwischen zwei Ebenen, dem gesetzlichen Bewertungsziel und der Abweichungsbefugnis der Gesellschafter, zu unterscheiden. Der Wortlaut deutet daraufhin, dass die Gesellschafter berufen sein könnten, die Kriterien für die Abfindung selbst zu konkretisieren. Dann käme man zu der Folge, dass dem Gesetz allenfalls Mindeststandards zu entnehmen sind.

Das kann von dem Gesetzgeber aber nicht gewollt sein. Vielmehr soll die Festlegung des Abfindungsanspruchs auch weiterhin einer gerichtlichen Überprüfung unterliegen. Dafür ist aber erforderlich, zu bestimmen, wann eine Abfindung als angemessen angesehen werden kann. Zwar gibt der Gesetzgeber an, der Wert des Anteils ergebe sich in erster Linie aus dem Unternehmenswert. Dennoch soll die auch eine direkte Bewertung des Anteils möglich sein. In diese Richtung geht auch der geänderte Wortlaut der Vorschrift. Fraglich ist daher, wie sich die Bemessungsgrundlage der Abfindung ermittelt. Klar ist jedoch, dass den Gesellschaftern in Folge der Gesetzesänderung zwar mehr Gestaltungsspielraum eingeräumt werden sollte. Dieser sollte aber insoweit beschränkt sind, als dass die Abfindung noch angemessen sein muss. Wann die Abfindung angemessen ist, klären wir folgend.

3.3. Auswirkungen von unternehmensbezogenen und anteilsbezogenen Bewertungen

Das Problem der Bemessung der Abfindung hängt davon ab, ob die Anteilsbewertung unternehmensbezogen oder anteilsbezogen ausgestaltet ist. Beide Bewertungsansätze lassen sich aber nicht kombinieren, da sie auf gegensätzlichen Bewertungsvorgaben beruhen. Die Bewertung mit Bezug auf den Anteil läuft auf eine Bewertung aus Sicht eines gedachten Erwerbers der Beteiligung hinaus. Das würde zur Folge haben, das beispielsweise Minderheitsgesellschafter einen Minderheitsgesellschafterabschlag erleiden würden und Mehrheitsgesellschafter Zuschläge erhalten würden. Auch gesellschaftlich vereinbarte Entnahmebeschränkungen, Kündigungsbeschränkungen oder Veräußerungsbeschränkungen würden die Abfindung reduzieren. Die Möglichkeiten von Abzugsbeschränkungen würde daher durch eine anteilsbezogene Bewertung sehr erweitert. Hingegen kennzeichnet die unternehmensbezogene Bewertung, dass die Gesellschafter einen Anspruch auf den wirklichen Unternehmenswert im Falle einer Liquidation haben.

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4. Die neuen Regelungen zu Abfindungen

4.1. Angemessene Abfindungen entsprechen anteiligem Wert des Gesellschaftsvermögens

Auch unter Geltung des neuen Rechts ist nur eine solche Abfindung als angemessen anzusehen, die dem anteiligen Wert des Gesellschaftsvermögens entspricht. Denn nur die Abfindung zum quotalen Unternehmenswert wahrt die in der Gesetzbegründung vorgesehene Ausgleichung der divergierenden Interessen von ausscheidenden und verbleibenden Gesellschaftern und begründet den Gleichlauf von Ausscheiden und Auflösung. Nur ein so berechneter Anteil bildet ein vollständiges Äquivalent für den durch das Ausscheiden aus der Gesellschaft bedingten Verlust der Mitgliedschaft. Daher müssen anteilsbezogene Bewertungsfaktoren, wie z.B. besondere Stimmrechtsverhältnisse oder Entnahmebeschränkungen außer Acht bleiben. Dieses Verständnis ergibt sich aus der gesellschaftsrechtlichen Funktion der Abfindung und bildet die Kehrseite des Verlusts der vermögensmäßigen Beteiligung. Auch der Wortlaut steht dem Verständnis nicht entgegen. Systematisch deckt sich sich dieses Verständnis auch mit dem der Angemessenheit im Rahmen der aktienrechtlichen Abfindung.

4.2. Funktion einer Abfindung für ausscheidende Gesellschafter

Die Abfindung ist gesellschaftsrechtlich eine Teilauseinandersetzung. Sie verhindert den mühevollen Weg einer Auflösung und Auseinandersetzung der Gesellschaft mit anschließender Neugründung unter den fortführungswilligen Gesellschaftern. Dieser Umweg würde den wirtschaftlichen Bestand der gemeinsam geschaffenen Werte gefährden. Mithin erhalten die anderen fortführenden Gesellschafter in gewisser Weise Vorteile aus der Abfindung im Verhältnis zu einer generellen Auflösung. Das gebietet es jedoch, dass dem Ausgeschiedene durch die Abfindung keine Nachteile entstehen dürfen. Daher darf die Abfindung nicht hinter dem zurückbleiben, was der Gesellschafter im Falle einer fiktiven Liquidation erhalten würde. Auch die Gesetzesbegründung weist auf diesen Gleichlauf von Ausscheiden und Auflösung hin.

Dennoch können die Gesellschafter künftig im Gesellschaftsvertrag abweichende Regelungen treffen und die Abfindung mit Rücksicht auf das Kontinuitätsinteresse der verbleibenden Gesellschafter und die wirtschaftlichen Folgen der Abfindung in bestimmten Grenzen einschränken oder eine verzögerte Auszahlung festlegen. Diese Einschränkung muss aber gewisse Grenzen wahren, um das gesetzliche Kündigungsrecht jedes Gesellschafters nicht zu entwerten. Wie dargelegt kann aber nur die volle Abfindung in Form des Anteils des Ausscheidenden am Gesellschaftsvermögen im Fall einer fiktiven Auseinandersetzung als angemessen angesehen werden.

4.3. Ausgleich für den Verlust einer vermögensmäßigen Beteiligung

Die angemessene Abfindung soll dem ausscheidenden Gesellschafter ein vollwertiges Äquivalent für den Verlust seiner Mitgliedschaft gewähren. Stellt man auf die Sicht des ausscheidenden Gesellschafters ab, so könnte man auf eine isolierte Bewertung des Gesellschaftsanteils abstellen. Dann wäre die Abfindung aus der Perspektive eines gedachten Anteilserwerbes zu bemessen, der unter Umständen auf Grund der konkreten Ausgestaltung des Anteils, weniger zu zahlen bereit gewesen wäre.

Die Abfindung verfolgt aber einen anderen Zweck. Der Gesellschafter steht den Mitgesellschaftern nicht, wie ein Dritter gegenüber und die Abfindung soll auch nicht die individuelle Vermögenseinbuße des Ausscheidenden kompensieren. Die Abfindung ist allein Ausgleich dafür, dass der Gesellschafter ohne Liquidation seine anteilige vermögensmäßige Teilhabe an den Chancen und Risiken der Gesellschaft verliert. Der Ausscheidende partizipiert künftig nicht mehr an den Gesellschaftsergebnissen. Daher ist weiterhin auf die durch seine Beteiligungsquote festgelegte Teilhabe am Ertragswert des „lebenden Unternehmens“ im Zeitpunkt des Ausscheidens abzustellen.

Wenn hingegen die Abfindung anteilsbezogen ist, so kann es dazu kommen, dass die Summe der, auf die einzelnen Gesellschafter entfallenden Abfindungsansprüche vom Wert des Gesellschaftsvermögen abweichen, da die einzelnen Rechte und Pflichten bei der Bemessung zu beachten sind. Dafür gibt es aber keinen sachlichen Grund.

4.4. Vergleich zur Abfindung ausgeschiedener Aktionäre

Die Anteilsbezogene Abfindung würde zu einer nicht gerechtfertigten Abweichung zum Aktienrecht führen. Im Hinblick auf die angemessene Abfindung im Sinne von § 305 AktG geht die herrschende Literatur davon aus, dass der ausgeschiedene Aktionär einen Anspruch auf eine quotale Teilhabe am Gesamtunternehmenswert hat. Dieses Verständnis hat der BGH erst kürzlich bestätigt. Es wäre daher nicht verständlich, wieso bei Personengesellschaften im nun auf den Wert des Anteils abzustellen wäre.

5. Fazit zur Änderungen der Abfindungen an Personengesellschafter

Trotz der Änderung des Wortlauts besteht auch künftig kein Erfordernis, von der bisherigen Dogmatik abzuweichen. Die Maßgeblichkeit des Unternehmenswerts für die Abfindung führt zu interessengerechten Ergebnissen. Der Wert der Beteiligung ist daher weiterhin indirekt aus dem Unternehmenswert zu gewinnen. Indem nunmehr auf „eine dem Wert des Anteils angemessene Abfindung“ abgestellt wird, orientiert sich das Gesetz am aktienrechtlichen Vorbild der „angemessenen Abfindung“, die anerkanntermaßen zuvörderst aus dem Unternehmenswert abzuleiten ist. Insbesondere ist die Abfindung nur angemessen, wenn sie dem quotalen Unternehmenswert entspricht.


Steuerberater für Personengesellschaften

Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die steuerrechtliche Gestaltungsberatung für Personengesellschaften spezialisiert. Beim der Beurteilung von Abfindungen schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:

Personengesellschaften

  1. Besteuerung von Personengesellschaften nach dem Transparenzprinzip
  2. Abgrenzung der GbR zur Bruchteilsgemeinschaft
  3. Haftung der Personengesellschafter

Handelsrecht

  1. Kaufmannseigenschaft nach dem HGB
  2. Besonderheiten für Kaufmänner
  3. Rechtsfolgen bei einer fehlerhaften Gesellschaft
  4. Handelsregister und seine Publizitätswirkungen

Hierzu stehen Ihnen unsere Steuerberater und Rechtsanwälte an den Standorten Köln und Bonn gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Zudem beraten wir deutschlandweit per Telefon und Videokonferenz:

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