Das Belegenheitsprinzip in Doppelbesteuerungsabkommen
Doppelbesteuerungsabkommen, kurz DBA, regeln die Besteuerung natürlicher und juristischer Personen, die in mehreren Vertragsstaaten ansässig sind. Ziel ist die Vermeidung einer doppelten Besteuerung von Erträgen, da regelmäßig in beiden Staaten eine unbeschränkte Steuerpflicht gegeben ist. Ein maßgeblicher Grundsatz hierbei ist das Belegenheitsprinzip, das für die Besteuerung an die Belegenheit (den „Standort“) einer Einkunftsquelle anknüpft.
Unser Video:
Geltung und Anwendung von DBA
In diesem Video gehen wir auf wichtige Grundsätze rund um die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen ein.
Inhaltsverzeichnis
1. Was steckt hinter dem Belegenheitsprinzip?
Das Belegenheitsprinzip basiert auf dem Grundsatz, dass Vermögenswerte, die sich in einem Staat „X“ befinden, auch die dortige Infrastruktur und mögliche staatliche Leistungen nutzen. Das Besteuerungsrecht an den „Früchten“ dieser Tätigkeiten soll daher ebenfalls derjenige Staat haben, der Infrastruktur und sonstige Leistungen zur Verfügung stellt. Im Ergebnis folgen die DBA-Regelungen damit einem gewissen Fairnessgedanken.
Beispiel: Ein in Deutschland lebender Steuerpflichtiger vermietet in Kroatien mehrere Ferienimmobilien. Nun entscheidet er sich für die Veräußerung an einen kroatischen Staatsbürger. Es entsteht ein Gewinn von EUR 1.500.000.
Lösung (ohne DBA): Der Gewinn ist, sofern kein Fall des § 23 EStG vorliegt, voll in Deutschland zu versteuern.
Problem: Nach einem gesunden Moralverständnis steht die Steuer dem Land Kroatien zu. Denn die dort belegene Immobilie hat gegebenenfalls Schäden an der Umwelt verursacht, zu einer Versiegelung des Bodens geführt und durch zahlreiche Fahrzeuge auch eine Instandsetzung der Straße erforderlich gemacht. Zusätzlich wurden kroatische Arbeitskräfte für den laufenden Unterhalt der Immobilie eingesetzt.
Lösung (mit DBA): Um die dem Land Kroatien – direkt wie indirekt – entstandenen Kosten zumindest in Teilen zu ersetzen, unterliegt der Gewinn auch der kroatischen Einkommensteuer. Denn das Belegenheitsprinzip des DBA-Kroatien stellt auf die Lage der Immobilie ab.
Nun ist der Steuerpflichtige allerdings in beiden Staaten steuerpflichtig. Im Ergebnis kann es zu einer Steuerlast von über 80 % kommen. Auch hier kommt das DBA ins Spiel, denn dieses regelt abschließend, welcher der beiden Vertragsstaaten nun auf einen Teil der ihm (eigentlich) zustehenden Steuer verzichtet.
2. Das Belegenheitsprinzip am Beispiel des OECD-Musterabkommens
Das OECD-Musterabkommen, an dem sich die meisten DBA orientieren, enthält verschiedene Ausprägungen des Belegenheitsprinzips. Zu finden ist es beispielsweise in folgenden Artikeln:
- Artikel 6 und 13 OECD-MA: Einkünfte aus (unbeweglichem) Vermögen dürfen in dem Staat, in dem sich das Vermögen befindet, besteuert werden
- Artikel 7 Absatz 2 OECD-MA: Liegt eine Betriebsstätte eines Unternehmens aus Staat A in Staat B, dürfen die Gewinne dieser Betriebsstätte in Staat B besteuert werden
- Artikel 10 Absatz 2 OECD-MA: Zahlt ein in Staat A ansässiges Unternehmen Dividenden an eine Gesellschaft als Anteilseigner in Staat B, dürfen die Dividenden an der Quelle in Staat A besteuert werden. Es gelten allerdings Höchstgrenzen für den Steuerabzug, regelmäßig 15 % der Bruttodividende
Die Gemeinsamkeit aller genannten Fälle besteht darin, dass die „Ertragsquelle“ in einem Staat liegt, der nicht dem Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen entspricht. Das DBA findet aber auch Anwendung, wenn ein Steuerpflichtiger in beiden Vertragsstaaten lebt.
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3. Abschließende Vermeidung der Doppelbesteuerung (Artikel 23a und 23b OECD-MA)
Das OECD-Musterabkommen kennt, wie alle aktuell bestehenden DBA auch, die Unterscheidung zwischen Anrechnungs- und Freistellungsmethode. Dabei regeln stets die letzten Artikel des DBA,
- in welchen Fällen (Artikel 6,7, 13 etc.)
- welcher Staat
- auf sein Besteuerungsrecht verzichtet und
- es dem anderen Staat zuschreibt,
wobei Rückausnahmen zu beachten sind. Diese greifen, wenn Staat A zwar das Besteuerungsrecht hat, die Einkünfte dort aber keiner Besteuerung unterliegen. In diesen Fällen darf dann Vertragsstaat B sein Besteuerungsrecht ausüben.
3.1. Die Anrechnungsmethode
Bei der Anrechnungsmethode wird zunächst die deutsche Einkommensteuer, die auf die jeweiligen Einkünfte anfallen würde, berechnet. Anschließend ist zu prüfen, inwieweit der Steuerpflichtige im anderen Vertragsstaat bereits Steuern auf diese Erträge entrichtet hat. Dieser Steuerbetrag wird dann auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet und wie eine Steuerermäßigung behandelt (§ 34c Absatz 1 Satz 1 EStG, Artikel 23b OECD-MA). Eine Anrechnung ist aber regelmäßig maximal „bis null“ möglich (Artikel 23b Absatz 1 Satz 2 OECD-MA).
Grundsätzlich hat das DBA als völkerrechtliches Abkommen dabei Vorrang vor den deutschen Besteuerungsvorschriften (§ 2 AO, § 34c Absatz 6 Satz 1 EStG). Die nationalen Vorschriften gelten aber, soweit das jeweilige DBA keine Regelung zur Besteuerung eines bestimmten Ertrages enthält (§ 34c Absatz 1 Satz 3 Halbsatz 2 EStG).
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3.2. Die Freistellungsmethode
Kommt die Freistellungsmethode zur Anwendung, nimmt Staat A das Besteuerungsrecht wahr. Staat B unterwirft die bereits in Staat A versteuerten Einkünfte keiner Besteuerung mehr (Artikel 23a Absatz 1 OECD-MA). Sie unterliegen aber gegebenenfalls dem Progressionsvorbehalt, in Deutschland beispielsweise mit einigen Ausnahmen nach § 32b Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG.
Beispiel: Unser deutscher Besitzer kroatischer Immobilien hat in Kroatien EUR 590.000 auf den Veräußerungsgewinn entrichtet. In Deutschland erhöht der Gewinn von EUR 1.500.000 zwar durch den Progressionsvorbehalt den Steuersatz, der Steuerpflichtige muss aber keine Einkommensteuer mehr auf diese Summe entrichten.
4. Besonderheiten bestimmter Einkünfte beim Belegenheitsprinzip
Das DBA kann neben der eindeutigen Zuordnung des Besteuerungsrecht auch eine doppelte Besteuerungsbefugnis vorsehen. Dies ist beispielsweise bei Kapitalgesellschaften, die in Staat A sitzen, in Staat B aber eine Betriebsstätte unterhalten, der Fall.
Das OECD-MA regelt hierzu in Artikel 7 Absatz 2, dass das Belegenheitsprinzip nur für die Betriebsstätte in Staat B gilt. Diese Einkünfte sind nach deutschen Grundsätzen zu ermitteln und anzusetzen, die bereits gezahlte Steuer wird angerechnet. Alternativ erfolgt, je nach individueller Regelung, eine Freistellung dieser Einkünfte.
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