Doppelstöckige Mitunternehmerschaft: Spiegelbildmethode im Überblick
Eine doppelstöckige Mitunternehmerschaft liegt vor, wenn eine Obergesellschaft (OG) an einer Untergesellschaft (UG, nicht zu verwechseln mit der Unternehmergesellschaft als „1-€-GmbH“) beteiligt ist. Dabei können mehrere Betriebs- und Sonderbetriebsvermögen der beteiligten Gesellschafter entstehen. Außerdem stellt sich die Frage, wie der Anteil an der UG bei der Obergesellschaft bilanziell zu erfassen ist.
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Doppelstöckige Mitunternehmerschaften
In diesem Video erklären wir, wann eine doppelstöckige Mitunternehmerschaft vorliegt.
Inhaltsverzeichnis
1. Grundlagen der doppelstöckigen Mitunternehmerschaft
Nach der ertragsteuerlichen Definition liegt eine Mitunternehmerschaft vor, wenn natürliche wie juristische Personen an einer Personengesellschaft (zum Beispiel GbR und OHG) beteiligt sind. Diese Gesellschafterinnen und Gesellschafter müssen als Mitunternehmer anzusehen sein (§ 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 1 EStG). Dies ist der Fall, wenn sie
- einerseits Mitunternehmerinitiative entfalten können, und
- andererseits Mitunternehmerrisiko tragen.
Die genaue Definition der Mitunternehmerschaft haben wir in anderen Beiträgen bereits ausführlich behandelt.
Besonderheit der doppelstöckigen Mitunternehmerschaft ist nun, dass eine Personengesellschaft an einer anderen Personengesellschaft beteiligt ist. Die Beteiligung an der Untergesellschaft befindet sich dabei im Betriebsvermögen der Obergesellschaft und ist dort entsprechend zu bilanzieren. Handels- und steuerrechtlich gelten dabei unterschiedliche Ansätze, denn
- im Handelsrecht gilt der gewissermaßen „sture“ Ansatz der Anschaffungskosten oder des niedrigeren Teilwerts (§ 253 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 4 HGB),
- im Steuerrecht hingegen die sogenannte Spiegelbildmethode, da die OG rein rechtlich an den einzelnen Wirtschaftsgütern der UG beteiligt ist.
Die entsprechenden Differenzen ergeben sich aus Handels- und Steuerbilanzen, wobei letztere nach § 60 Absatz 2 Satz 1 EStDV stets auf der Handelsbilanz aufbaut.
Gesellschafter der Obergesellschaft sind dabei auch bei der Untergesellschaft als Mitunternehmer anzusehen (§ 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 2 EStG), wenn
- eine Mitunternehmerstellung bei der Obergesellschaft besteht,
- die Obergesellschaft selbst Mitunternehmer der Untergesellschaft ist
- der Gesellschafter bei der Untergesellschaft Mitunternehmerinitiative entfalten kann, und
- hier ein entsprechendes Mitunternehmerrisiko trägt.
Rechtsfolge ist eine steuerliche Gleichbehandlung beider (mittelbarer sowie unmittelbarer) Beteiligungen. In beiden Gesellschaften der doppelstöckigen Mitunternehmerschaft kann daher Sonderbetriebsvermögen bestehen; außerdem erfolgt eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte (§§ 179 Absatz 2 und 180 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a AO).

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2. Beispiel zum „doppelten Sonderbetriebsvermögen“
Steuerliche Besonderheit der doppelstöckigen Mitunternehmerschaft ist, dass Gesellschafter, die originär nur an einer Gesellschaft beteiligt sind, fiktiv zwei Beteiligungen innehaben. Schauen wir uns daher in einem Beispielfall an, wie das Sonderbetriebsvermögen (R 4.2 Absatz 2 EStR) aussehen könnte, wenn ein Wirtschaftsgut überlassen wird.
A und B sind an der AB-GbR zu jeweils 50 % beteiligt. Die AB-GbR hält eine 100-prozentige Beteiligung an der ABC-OHG, an der neben A und B auch der C mit 33 % beteiligt ist. Nach den jeweiligen Gesellschaftsverträgen haben alle Gesellschafter Stimm- und Widerspruchsrechte, sie sind außerdem an Gewinnen, Verlusten und stillen Reserven beteiligt. Alle Beteiligten sind entsprechend als Mitunternehmer im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG anzusehen.
A überlässt der GbR nun ein in seinem Eigentum stehendes Grundstück, das einen Wert von EUR 500.000 hat. Die GbR überlässt dieses Grundstück an die Untergesellschaft, hier also die ABC-OHG.
Dadurch hat die Sonderbilanz des A bei der AB-GbR folgendes Bild:
Aktiva | Passiva |
Grundstück EUR 500.000 | Kapital EUR 500.000 |
Auch bei der OHG sieht die Sonderbilanz des Gesellschafters A folgendermaßen aus:
Aktiva | Passiva |
Grundstück EUR 500.000 | Kapital EUR 500.000 |
Hintergrund ist, dass
- A ein Grundstück unmittelbar an die GbR überlässt (Sonderbetriebsvermögen des A bei der GbR),
- A das Grundstück mittelbar auch der OHG überlässt (Sonderbetriebsvermögen des A bei der OHG; 50 % mal 33 % ergibt eine mittelbare Beteiligung von 16,5 %)
- die AB-GbR selbst steuerlicher Mitunternehmer der ABC-OHG ist, da mit zwei Dritteln der Stimmrechte sogar eine absolute Mehrheit vorliegt

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3. Bilanzierung der Anteile bei der doppelstöckigen Mitunternehmerschaft
Bei einer doppelstöckigen Mitunternehmerschaft gelten die besonderen Vorschriften des Steuerrechts, da diese teils erheblich vom Handelsrecht abweichen. Wir zeigen, an welchen Stellen die konkreten Unterschiede zur Bilanzierung von Anteilen an Kapitalgesellschaften wie der GmbH liegen.
3.1. Handelsrechtliche Erfassung des Mitunternehmeranteils
Im Handelsrecht gilt die geleistete Gesellschaftereinlage als Anschaffungskosten des Wirtschaftsgutes „Anteil an der Personengesellschaft XY“. Relevant ist dabei die nach dem Gesellschaftsvertrag zu leistende Einlage, ergänzt um später zusätzlich eingelegte Wirtschaftsgüter. Der Anteil an einer (doppelstöckigen) Mitunternehmerschaft ist regelmäßig ein immaterielles sowie nicht abschreibungsfähiges Wirtschaftsgut des Anlagevermögens (§ 253 Absatz 1 Satz 1 HGB).
Die Anschaffungskosten bilden die gesetzliche Obergrenze. Abschreibungen auf einen niedrigeren Teilwert sind nach § 253 Absatz 3 Satz 5 HGB zulässig, wenn die Wertminderung voraussichtlich dauerhaft besteht. Hiervon ist in der Praxis zum Beispiel in Insolvenzfällen auszugehen.
Stehen die Anschaffung und gegebenenfalls ein niedrigerer Teilwert fest, ist der Mitunternehmeranteil bei der Obergesellschaft im Aktiva zu bilanzieren. Selbiges gilt für Einzelunternehmen, soweit diese aufgrund gesetzlicher Vorgaben oder freiwilliger Entscheidung eine Bilanz aufstellen.
Bei Kapitalgesellschaften ist der jeweilige Anteil handels- sowie steuerrechtlich mit der geleisteten Stammeinlage zu erfassen. Verdeckte Einlagen erhöhen die Anschaffungskosten (§ 6 Absatz 6 Satz 2 EStG); Teilwertabschreibungen mindern den bilanziellen Ansatz entsprechend.
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3.2. Steuerrechtliche Bilanzierung des Anteils an der doppelstöckigen Mitunternehmerschaft
Steuerlich ist der Anteil an der doppelstöckigen Mitunternehmerschaft kein eigenständiges Wirtschaftsgut. Vielmehr kommt hier die sogenannte „Spiegelbildmethode“ zur Anwendung. Bei ihr wird das Kapitalkonto der Untergesellschaft in die Bilanz der Obergesellschaft „hineingespiegelt“, soweit diese an ihr beteiligt ist. Dabei ist die steuerrechtliche Zurechnung nach § 39 Absatz 2 Nummer 2 AO und § 15 Absatz 1 Nummer 2 EStG zu beachten.
Für die praktische Bilanzierung des Mitunternehmeranteils an der UG bei der OG bedeuten die entsprechenden Vorschriften Folgendes:
- Zunächst ist das (anteilige) Kapitalkonto aus dem Gesamthandsvermögen zu betrachten, mit der entsprechenden Beteiligungsquote zu multiplizieren und in entsprechender Höhe zu erfassen
- Anschließend wird das jeweilige Sonderbetriebsvermögen, soweit es der Obergesellschaft zuzurechnen ist, erfasst
- Im letzten Schritt sind eventuell vorliegende Kapitalkonten aus Ergänzungsbilanzen einzubeziehen
Der Stand des Kapitalkontos ergibt sich aus der ursprünglichen Einlage zuzüglich erhaltener Gewinne und weiterer Einlagen. Abzuziehen sind Verluste sowie Entnahmen.
Die Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmer, die rein mittelbar nach § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 2 EStG beteiligt sind, spielen auf Ebene der Obergesellschaft keine Rolle. Sie fließen im Rahmen der gesonderten Feststellung in die Einkommensbesteuerung der Gesellschafter ein.
Innerhalb der doppelstöckigen Mitunternehmerschaft kann aber auch für die GbR ein Sonderbetriebsvermögen entstehen. Dies wäre der Fall, wenn das Eigentum am Wirtschaftsgut (etwa dem oben angeführten Grundvermögen) bei allen und nicht (mehr) nur einem Gesellschafter läge.
Die Obergesellschaft der doppelstöckigen Mitunternehmerschaft bilanziert den Anteil an der Untergesellschaft abschließend mit der Summe aus
- dem anteiligen Kapital der Gesamthand,
- dem Kapitalkonto bestehender Sonderbilanzen, und
- dem Kapitalkonto eventuell vorhandener Ergänzungsbilanzen.
Dies ist der steuerbilanzielle Ansatz nach § 39 Absatz 2 Nummer 2 AO, der sich regelmäßig vom handelsrechtlichen unterscheidet.
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