Allgemeine Besteuerungsgrundsätze nach der AO

Worauf muss das Finanzamt achten?

Besteuerungsgrundsätze im Verfahrensrecht – §§ 85 bis 90 AO

Die Abgabenordnung (AO) ist das „Steuergrundgesetz“ und regelt das gesamte Verwaltungsverfahren – von der Abgabe einer Steuererklärung über die Festsetzung und Erhebung der Steuer bis hin zur Zwangsvollstreckung. Dabei haben aber nicht nur die Steuerpflichtigen, sondern auch die Finanzbehörden bestimmte Vorgaben einzuhalten. Schauen wir uns mit den allgemeinen Besteuerungsgrundsätzen einmal die bundesweit einheitlichen „Leitlinien“ für das Finanzamt an!

Unser Video:
Untersuchungs- und Besteuerungsgrundsätze

In diesem Video erklären wir, welche Grundsätze im Hinblick auf die Besteuerung gelten.

Inhaltsverzeichnis

1. Sinn und Zweck einheitlicher Besteuerungsgrundsätze

Nach § 1 Absatz 1 Satz 1 AO gilt die Abgabenordnung für alle Steuern, die durch Bundes- und Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Dies schließt Kommunen, die ihre eigenen Steuersatzungen anwenden, zunächst aus. Gesetze wie das Einkommen- oder Umsatzsteuergesetz sind allerdings ebenfalls Bundesgesetze. Ihre Verwaltung erfolgt allerdings durch keine eigenständige Behörde („Bundesfinanzamt“), sondern durch die jeweiligen Finanzverwaltungen der Länder.

Ohne einheitliche Besteuerungsgrundsätze könnte es nun beispielhaft zu folgenden Situationen kommen:

  • Werbungskosten nach § 9 EStG werden vom Finanzamt Bonn anerkannt, während das Finanzamt München eine identische Ausgabe vom Abzug ausschließt
  • Zwei niedersächsische Finanzämter legen ein gleichlautendes Schreiben einmal als Einspruch und einmal als Antrag auf schlichte Änderung aus
  • Zwei Betriebsprüferinnen sind sich uneinig über die Zulässigkeit einer Außenprüfung bei einem vermögenden Steuerpflichtigen

Um derartigen Ungleichmäßigkeiten von vornherein zu begegnen, hat der Gesetzgeber mit den §§ 85 bis 90 AO einheitliche Grundsätze für die Besteuerung festgelegt. Auf ihnen fußt die gesamte Anwendung der AO. Um auch auf den darüberliegenden Ebenen für Gleichmäßigkeit zu sorgen, erlässt das Bundesministerium der Finanzen (BMF) für alle Länder bindende Verwaltungsanweisungen. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) ist ein Bundes- und kein Landesgericht.

2. Diese Besteuerungsgrundsätze finden sich in §§ 85 bis 90 AO

Praktischerweise hat der Gesetzgeber die wichtigsten Besteuerungsgrundsätze dicht beieinander in den §§ 85 bis 90 AO festgehalten. Viele Normen ähneln dabei den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), wurden aber in der AO erneut niedergeschrieben, da das VwVfG im Steuerverwaltungsverfahren keine Anwendung findet (lex specialis; § 2 Absatz 2 Nummer 1 VwVfG).

Folgende Verfahrensgrundsätze finden sich in den genannten AO-Normen:

  • Gleichmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 Satz 1 AO)
  • Vermeidung von Steuerverkürzung und unrechtmäßiger Versagung von Steuervorteilen (§ 85 Satz 2 AO)
  • Beginn des Verwaltungsverfahrens (§ 86 AO)
  • Amtssprache (§ 87 Absatz 1 AO)
  • Untersuchungs- und Ermittlungsgrundsatz (§ 88 AO)
  • Beratung und (verbindliche) Auskunft (§ 89 AO
  • Mitwirkungspflichten der Beteiligten (§ 90 AO)

Werfen wir einmal einen etwas praxisnäheren Blick auf die genannten Vorschriften und ihre Bedeutung für das Besteuerungsverfahren.

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2.1. Gleichmäßigkeit der Besteuerung

Die Finanzämter sind verpflichtet, alle Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen. Damit schließt der Gesetzgeber vor allem Ungleichbehandlungen mehrerer Steuerpflichtiger mit vergleichbaren Sachverhalten aus. Durch weitgehend enge gesetzliche Vorgaben – zum Beispiel im EStG – stellt bereits das materielle Steuerrecht eine gleichmäßige Besteuerung sicher. § 85 Satz 1 AO bezieht sich damit in erster Linie auf diejenigen Fälle, in denen das Finanzamt ein Ermessen (§ 5 AO) ausüben kann.

Außerdem normiert § 85 Satz 1 AO eine gleichmäßige Erhebung der Steuern. Hiermit meint der Gesetzgeber beispielsweise

  • einheitliche Fristen für die Zahlung von Steuerrückständen,
  • einheitliche Festsetzung und im Zweifel Vollstreckung von Säumniszuschlägen und Zinsen und
  • ein identisches Vorgehen der Finanzbehörde bei ausbleibenden oder zu niedrigen Zahlungen.

Das Finanzamt hat dabei für jeden Veranlagungszeitraum erneut zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen eines Tatbestandes vorliegen. Hiervon kann es nur dann abweichen, wenn dem Steuerpflichtigen bereits im Vorjahr oder durch eine regelmäßige Akzeptanz seitens der Finanzverwaltung ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde (AEAO zu § 85, Randziffer 2).

Für Gleichmäßigkeit haben die Finanzämter und ihnen gleichgestellte Behörden, die den Normen der AO unterliegen (etwa die Familienkassen; § 6 Absatz 2 Nummer 6 AO) auch bei Steuervergütungen zu sorgen. Ein Steuervorteil ist daher im Zweifel zu versagen, wenn zweifelhaft oder widerlegt ist, dass die entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen (§ 85 Satz 2 AO). „Betriebsnahe Veranlagungen“ (BNV) sind Teil des Steuerfestsetzungsverfahrens und keine Außenprüfungen, wenn es an einer entsprechenden Anordnung (§ 196 AO) fehlt (AEAO zu § 85, Randziffer 3).

Die in § 85 AO normierten Besteuerungsgrundsätze gelten auch für das Steuerstraf- und Ermittlungsverfahren, soweit die Normen der AO hier nicht durch strafrechtliche Sondervorschriften (etwa den Ermittlungsgrundsätzen der §§ 160 und 244 StPO) verdrängt werden.

2.2. Beginn des Verwaltungsverfahrens und Amtssprache

Im Grundsatz entscheidet das Finanzamt nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführt (§ 86 Satz 1 AO). Dieses Ermessen spielt beispielsweise bei der Frage, ob mit einer steuerlichen Außen- oder Fahndungsprüfung begonnen werden soll, eine Rolle. Darüber hinaus gelten mit § 86 Satz 2 AO zwei besondere Besteuerungsgrundsätze. Den Nummern 1 und 2 der Vorschrift zufolge ist der Beginn eines Verwaltungsverfahrens ausgeschlossen, wenn

  • das Finanzamt von Amts wegen oder auf Antrag tätig werden muss (etwa durch eine Abgabeverpflichtung des Steuerpflichtigen) und
  • das Finanzamt nur auf Antrag tätig werden darf, es aber an einem solchen Antrag fehlt (zum Beispiel in Fällen der Antragsveranlagung zur Einkommensteuer).

Nach § 87 Absatz 1 AO ist die Amtssprache Deutsch. Bei Anträgen und sonstigen Schreiben in fremder Sprache kann das Finanzamt eine Übersetzung verlangen. Zugunsten des Steuerpflichtigen ist dabei der Eingang des Anliegens in fremder Sprache für die Einhaltung von Fristen maßgeblich, wenn die Übersetzung innerhalb einer behördlich gesetzten, angemessenen Frist eingeht (§ 87 Absatz 2 und 4 AO). Im Übrigen gilt der Eingang der Übersetzung als maßgebend.

2.3. Untersuchungs- und Ermittlungsgrundsatz

Nach § 88 Absatz 1 AO muss für die Besteuerung relevante Sachverhalte von Amts wegen ermitteln. Dabei hat sie alle für und gegen den Beteiligten sprechende Tatsachen zu berücksichtigen und hierfür alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen (AEAO zu § 88, Randziffer 1). Außerdem gilt der aus anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung bekannte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 88 Absatz 2 AO).

Der Ermittlungsgrundsatz gehört einerseits zu den wichtigsten Besteuerungsgrundsätzen, führt anderseits aber auch zu einem kaum zu stemmenden Verwaltungsaufwand. Durch § 88 Absatz 5 Satz 1 und 3 AO ist daher auch der Einsatz maschineller Risikomanagementsysteme (RMS) zulässig. Ein solches System muss allerdings bestimmte Sachverhalte zufalls- und sachverhaltsbasiert zur personellen Prüfung aussteuern.

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3. Besteuerungsgrundsätze unter Teilhabe des Steuerpflichtigen: Auskunft, Beratung, Mitwirkung

Die §§ 89 und 90 AO stehen insoweit etwas abseits der bisher genannten Normen, als dass bei ihnen eine zumindest teilweise Mitwirkung des Steuerpflichtigen erforderlich ist. Dies betrifft im Falle des § 89 AO die Auskunft an Steuerpflichtige und dessen Beratung. Nach § 90 AO sind Beteiligte unmittelbar dazu verpflichtet, den Finanzbehörden gegenüber die geforderten Angaben vollständig und wahrheitsgemäß zu machen.

3.1. Auskunfts- und Beratungsverpflichtung der Finanzbehörde

Nach § 89 Absatz 1 Satz 1 AO soll das Finanzamt den Steuerpflichtigen anregen, offensichtlich unrichtige oder ungewollte Anträge vor deren Wirksamwerden zu berichtigen oder zurückzunehmen. Soweit erforderlich, erteilt die Behörde Auskunft über Rechte und Pflichten im Verwaltungsverfahren (§ 89 Absatz 1 Satz 2 AO).

Von der allgemeinen ist die verbindliche Auskunft nach § 89 Absatz 2 AO zu unterscheiden. Sie bezieht sich auf einen vom Steuerpflichtigen oder dessen Berater geschilderten Sachverhalt und dessen steuerlicher Beurteilung. Die verbindliche Auskunft ist gebührenpflichtig, für das Finanzamt allerdings bindend, wenn der tatsächliche vom beauskunfteten Sachverhalt nur unwesentlich abweicht. Näheres regelt die Steuer-Auskunftsverordnung (StAuskV) vom 30.11.2007.

3.2. Mitwirkungspflichten von Beteiligten

Beteiligte im Sinne des § 78 AO (Antragsteller und Antragsgegner, Inhaltsadressat, Vertragspartner) sind zur Mitwirkung verpflichtet. Nach § 90 Absatz 1 Satz 2 AO erfolgt diese vor allem durch Vorlage und/oder Offenlegung aller für die Besteuerung relevanter Tatsachen und Beweismittel. Dies sind beispielsweise:

  • Amtliche Dokumente
  • Verträge
  • Rechnungen
  • (Geschäfts-) Beziehungen

Erweiterte Mitwirkungspflichten gelten im Rahmen der Besteuerungsgrundsätze nach § 90 Absatz 2 und 3 AO für Sachverhalte mit direktem oder indirektem Bezug zum Ausland. Die §§ 91 bis 107 AO regeln darüber hinaus

  • die Anhörung von Beteiligten, etwa durch Anschreiben (§ 91 AO),
  • Definition und Nutzung von Beweismitteln durch Finanzbehörden (§ 92 AO),
  • Auskunftspflichten dritter Personen (§ 93 AO),
  • Vorgehensweisen bei Vernehmungen und Versicherungen an Eides statt (§§ 94 und 95 AO),
  • die Hinzuziehung von Sachverständigen (§ 95 AO)

sowie die Vorlage von Urkunden und bestimmte Auskunftsverweigerungsrechte. Zu erwähnen ist hier insbesondere § 101 Absatz 1 Satz 1 AO, der ein Aussageverweigerungsrecht für Angehörige im Sinne des § 15 AO normiert. Das strafrechtliche Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO gilt auch im Steuerstrafverfahren.

Steuerberater für abgabenrechtliche Optimierung

Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die steuerrechtliche Gestaltungsberatung im Unternehmensteuerrecht, das auch zahlreiche AO-Themen umfasst, spezialisiert. Bei der Beratung schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:

  1. Entwicklung von Maßnahmen zur Reduktion der Steuerlast (zum Beispiel RechtsformwahlSitzverlegung)
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  3. Rechtsberatung durch unsere Rechtsanwälte (insbesondere im Gesellschaftsrecht und Vertragsrecht)
  4. Entwicklung von Verteidigungsstrategien gegenüber der Finanzverwaltung bei Einspruchsverfahren, Betriebsprüfungen, FG-Klageverfahren und BFH-Revisionsverfahren
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Hierzu stehen Ihnen unsere Steuerberater und Rechtsanwälte an den Standorten Köln und Bonn gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Zudem beraten wir deutschlandweit per Telefon und Videokonferenz:

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