Berechnung der Gewerbesteuer – ein Praxisbeispiel
Die Gewerbesteuer, die nach § 1 GewStG den Gemeinden zusteht, wird nach einem festen Schema und ausgehend vom ertragsteuerlichen Gewinn ermittelt. Wir stellen die Berechnung der Gewerbesteuer anhand eines Praxisfalles dar. Hierzu gehen wir von einem fiktiven Gewerbebetrieb und gedachten, aber möglichst realistischen, Zahlen aus. Verschaffen Sie sich einen Überblick über die konkrete Berechnung!
Unser Video:
Berechnung der Gewerbesteuer
In diesem Video zeigen wir anhand eines gedachten Unternehmens, wie die Berechnung der Gewerbesteuer in der Praxis abläuft.
Inhaltsverzeichnis
1. Rechtliche Grundlage: Schema zur Berechnung der Gewerbesteuer
Im Vergleich zu anderen Steuergesetzen etwas unpraktisch ist die Tatsache, dass Sie im Gewerbesteuergesetz selbst kein vollständiges Berechnungsschema finden. Ein solches enthält das Einkommensteuergesetz (EStG) beispielsweise in seinen Richtlinien, konkret in R 2 Absatz 1 der EStR. Allerdings ist die Vorgehensweise im Gewerbesteuerrecht auch um einiges überschaubarer.
Bei der Berechnung der Gewerbesteuer gehen Sie nach folgendem Muster vor:
- Ausgangswert ist der Gewinn nach § 15 EStG oder das Einkommen nach § 8 Absatz 1 Satz 1 KStG (§ 7 Satz 1 GewStG)
- Der Gewinn ist zu erhöhen um Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und zu verringern um Kürzungen nach § 9 GewStG
- Verlustvorträge aus vorangegangen Erhebungszeiträumen sind abzuziehen (§ 10a GewStG)
- Personenunternehmen erhalten einen Freibetrag nach § 11 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 GewStG von EUR 24.500; er kann den Gewerbegewinn maximal auf EUR 0,00 mindern
Den so ermittelten Betrag multiplizieren Sie mit der Steuermesszahl von 3,5 % nach § 11 Absatz 2 GewStG. Auf den entsprechend ermittelten Messbetrag wendet die Gemeinde/Kommune ihren individuellen Hebesatz – im bundesweiten Schnitt 400 % – an (§ 16 GewStG). So ermittelt sich die festzusetzende Gewerbesteuer, die – gemindert um geleistete Vorauszahlungen (§§ 19 und 20 GewStG) – die zu zahlende Steuer respektive die dem Unternehmen zustehende Erstattung ergibt.
2. Unser Sachverhalt: Einzelunternehmen mit EUR 100.000 Gewinn
Für die Berechnung der Gewerbesteuer gehen wir von einem gewerblichen Einzelunternehmen im Sinne des § 15 Absatz 2 EStG aus. Der ertragsteuerliche Gewinn für das Wirtschaftsjahr 2022 liegt bei EUR 100.000 (§ 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 EStG). Im Betriebsvermögen befindet sich eine 20%ige Beteiligung an einer GmbH, aus der der Unternehmer im Jahr 2022 EUR 50.000 an Gewinnausschüttungen erhalten hat.
Der Unternehmer hat für größere Investitionen insgesamt EUR 5.000.000 Schulden aufgenommen. Hierauf sind 2022 EUR 210.000 Zinsen angefallen, die bei der Gewinnermittlung als Betriebsausgaben abgezogen wurden (§ 4 Absatz 4 EStG). Aus dem Vorjahr besteht ein gewerbesteuerlicher Verlustvortrag von EUR 20.000, außerdem hat der Einzelunternehmer EUR 15.000 an Gewerbesteuer-Vorauszahlungen an die Kommune geleistet. Der Hebesatz der Gemeinde liegt bei 400 %.
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3. Finale Berechnung der Gewerbesteuer
Ausgehend von den uns aus dem fiktiven Sachverhalt vorliegenden Daten führen wir nun die abschließende Berechnung der Gewerbesteuer durch. Dabei obliegen alle Schritte bis zur Festsetzung des Messbetrages dem Finanzamt, den Gewerbesteuerbescheid selbst erlässt am Ende die Gemeinde. Sie ist darüber hinaus für die Festsetzung von Vorauszahlungen und für das Einspruchsverfahren zuständig.
Einsprüche gegen den Grundlagenbescheid können Steuerpflichtige dabei auch bei der Kommune selbst einlegen (§ 357 Absatz 2 Satz 2 AO). Die entsprechende Änderung ist dann auch im Folgebescheid durchzuführen (§ 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 AO).
Soweit zu den wichtigsten Eckdaten. Schauen wir uns die beiden Schritte nun im Detail an.
3.1. Ermittlung des Gewerbesteuer-Messbetrages nach § 11 GewStG
Der Messbetrag ist ausgehend vom ertragsteuerlichen Gewinn in Höhe von EUR 100.000 zu ermitteln. Eine Hinzurechnung der Gewinnausschüttung von EUR 50.000 scheidet aus, da es sich um eine Schachtelbeteiligung im Sinne des § 9 Nummer 2a GewStG (größer 15 %) handelt. Nach § 3c Absatz 2 EStG eventuell nicht abziehbare Betriebsausgaben sind im ertragsteuerlichen Gewinn bereits enthalten, sodass bei der Gewerbesteuer insoweit keine weitere (Korrektur-) Veranlassung mehr besteht. Selbiges gilt für den steuerfreien Teil der Ausschüttung von 40 % (§ 3 Nummer 40 Buchstabe d EStG).
Der Unternehmer hat EUR 210.000 an Zinsen gezahlt. Diese sind nach § 8 Nummer 1 Buchstabe a GewStG nur bis EUR 200.000 abzugsfähig. EUR 10.000 sind dem Gewinn entsprechend wieder zuzurechnen. Es entsteht ein vorläufiger Gewerbeertrag von EUR 110.000 (§ 7 Satz 1 GewStG).
Nun erfolgt der Abzug des aus den Vorjahren bestehenden Verlustes (§ 10a Satz 1 GewStG). Der Gewinn mindert sich um EUR 20.000 auf EUR 90.000. Zusätzlich ziehen Sie nach § 11 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 GewStG einen Freibetrag von EUR 24.500 ab, da es sich um ein Personenunternehmen handelt. Es ergibt sich ein maßgebender Gewerbeertrag von EUR 65.500.
Auf den Gewerbeertrag ist final eine Steuermesszahl von – einheitlich – 3,5 % anzuwenden. Der Gewerbesteuermessbetrag beträgt damit originär EUR 2.292,50. Nach § 11 Absatz 1 Satz 3 Halbsatz 1 GewStG auf volle hundert Euro nach unten abgerundet, ergibt sich ein Messbetrag von EUR 2.200. Der entsprechende Feststellungsbescheid geht der Kommune als reine Mitteilung sowie dem Steuerpflichtigen iim Original zu.
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3.2. Ermittlung der Gewerbesteuer durch die Kommune
Die Kommune wendet den Hebesatz von 400 % auf den Messbetrag an (§ 11 Absatz 1 Satz 1 und 2 GewStG). Es ergibt sich eine festzusetzende Gewerbesteuer von EUR 8.800. Die Gewerbesteuerbelastung liegt damit – gemessen am originären Gewinn von EUR 100.000 – bei 8,8 %. Da der Einzelunternehmer bereits EUR 15.000 an Vorauszahlungen geleistet hat, erhält er eine Erstattung von EUR 6.200 (§ 20 Absatz 3 GewStG).
Für das Kalenderjahr 2023 berechnet die Kommune Vorauszahlungen von EUR 2.200 je Quartal, insgesamt also die Steuerschuld der letzten Veranlagung. Dies ergibt sich aus § 19 Absatz 2 GewStG. Eine Festsetzung von Vorauszahlungen würde unterbleiben, wenn die einzelne Vorauszahlung weniger als EUR 50 beträgt (§ 19 Absatz 5 Satz 2 GewStG).
4. Anrechnung der Gewerbe- auf die Einkommensteuer
Nach der Berechnung der Gewerbesteuer folgt deren Anrechnung auf die Einkommensteuer von Amts wegen. Nach § 35 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 EStG tritt die Minderung in Höhe des Vierfachen des für den entsprechenden Veranlagungszeitraum festgesetzten Messbetrages ein. In unserem Beispiel wurden EUR 2.200 festgesetzt, sodass die Einkommensteuer um EUR 8.800 reduziert wird.
Der Abzug im Rahmen des § 35 EStG ist
- zum einen auf einen Hebesatz von 400 % und
- zum anderen auf die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuer
beschränkt (§ 35 Absatz 1 Satz 5 EStG). Differenzen, die sich beispielsweise durch eine Änderung des Grundlagenbescheides ergeben, sind nach § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 AO durch eine entsprechende Anpassung des Einkommensteuerbescheides auszugleichen.
Während der Messbescheid Grundlagenbescheid für den Gewerbesteuerbescheid ist, stellt der Gewerbesteuerbescheid für Zwecke des § 35 EStG selbst einen Grundlagenbescheid dar. Die Änderung nach § 175 AO erfolgt daher ohne Antrag des Steuerpflichtigen und ebenfalls von Amts wegen.
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