Gewerbliche Infizierung

Risiko für Freiberufler-Personengesellschaften

Gewerbliche Infizierung: Risiko für Freiberufler-Personengesellschaften

Die gewerbliche Infizierung ist in der Praxis von großer Bedeutung. Sie sind Freiberufler und wollen sich zu einer GbR oder Partnerschaft zusammenschließen? Hierbei ist höchste Vorsicht geboten, da bei Überschreitung einer bestimmten Grenze der gewerblichen Einkünfte, die sogenannte „Abfärbetheorie“ greift. Die gewerblichen Einkünfte infizieren die übrigen Einkünfte. So führt beispielsweise ein gewerblicher Handel mit Arzneimitteln bei Ärzten dazu, dass die gesamte Praxistätigkeit als Gewerbebetrieb anzusehen ist und der erwirtschaftete Gewinn nun der Gewerbesteuer unterliegt. Der nachfolgende Beitrag gibt Ihnen einen kurzen Überblick über die aktuelle Rechtslage zur gewerblichen Infizierung von Personengesellschaft und dessen Gestaltungsmöglichkeiten.

Aufgrund der Praxisrelevanz haben wir zusammen mit der FOM-Hochschule nachfolgenden Beitrag angefertigt. Die Ausarbeitung wurde von Frau Nicola Pospich (Bachelor of Art in Steuerrecht) nach wissenschaftlichen Kriterien und unter Betreuung von FOM-Dozent Christoph Juhn LL.M./StB ertstellt.

Unser Video:
Gewerbliche Prägung

Im Video erklären wir Ihnen die Vorteile & Nachteile der gewerblichen Prägung einer klassischen GmbH & Co. KG und die Möglichkeiten der Vermeidung.

1. Einleitung

Die gewerbliche Infizierung – auch „Abfärbetheorie“ genannt – ist in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gesetzlich geregelt. Diese Regelung schreibt vor, wann eine Personengesellschaft mit ihrer Tätigkeit in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt. Die zweite Alternative des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, durch das JStG 2007[40] eingeführt, erweitert die Norm dahingehend, dass die Rechtsfolge auch eintritt, wenn die Gesellschaft Einnahmen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erzielt.


2. Tatbestandsvoraussetzungen

Voraussetzung für § 15 Abs. 3 Nr. 1 1. Alternative EStG ist, dass eine Personengesellschaft zwei voneinander abgrenzende Tätigkeiten ausübt, von denen eine als originär gewerblich einzuordnen ist. Dabei ist darauf zu achten, dass die Tätigkeiten nicht miteinander verflochten sind, da die Gesellschaft durch eine Verflechtung als einheitlich originär gewerblich zu qualifizieren ist und § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG keine Anwendung findet[41]. Durch diese gewerbliche Tätigkeit gilt die Personengesellschaft insgesamt als Gewerbebetrieb – Infektion der nicht gewerblichen Einkünfte, § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. Die zweite Tätigkeit kann sowohl freiberuflicher § 18 EStG[42], land- und forstwirtschaftlicher § 13 EStG[43] oder vermögensverwaltender §§ 20, 21 EStG[44] Natur sein. Auch wenn nur ein Teil der Gesellschafter nebenbei gewerbliche Einkünfte erzielt greift die Infizierung durch diese Tätigkeit auf alle Gesellschafter über[45].

Als Personengesellschaft im Sinne dieses Absatzes kommen die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft, welche namentlich in der Norm genannt sind, sowie die GbR, die atypisch stille Gesellschaft, die Unterbeteiligungsgesellschaft und die Partnerschaftsgesellschaft in Betracht[46].

Voraussetzung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Alternative EStG ist das Vorliegen von Einnahmen aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Hier sind die  Einnahmen als Mitunternehmer einer weiteren Gesellschaft gesetzlich als Einkünfte aus Gewerbebetrieben verankert. Das bedeutet, dass die Personengesellschaft wiederrum unmittelbar beteiligte Gesellschafterin einer Mitunternehmergesellschaft ist und somit die Gesellschafter der Personengesellschaft mittelbar an der Mitunternehmergesellschaft beteiligt sind.

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gewerblichen Infizierung?

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3. Bagatellgrenze

Der Umfang der gewerblichen Tätigkeit, welcher zur Infizierung der übrigen Einkünfte einer Personengesellschaft führt blieb bis 2014 umstritten. Im BFH Urteil vom 27.08.2014[47] wurden jedoch zwei Grenzen festgelegt bis zu denen eine gewerbliche Tätigkeit unschädlich für die weiteren Einkünfte ist. Übersteigen die jährlichen Nettoumsatzerlöse aus der gewerblichen Tätigkeit nicht

  • 3 % der Gesamtumsatzerlöse und
  • den Betrag von 24.500,00 €

so werden die übrigen Einkünfte nicht umqualifiziert[48]. Diese Bagatellgrenze, welche sich nur in der Rechtsprechung finden lässt, betrifft jedoch nur § 15 Abs. 3 Nr. 1 1. Alternative EStG[49]. Auf die 2. Alternative trifft diese nicht zu und soll es auch in Zukunft nicht, allerdings ist das Verfahren noch angängig[50]. Die Bemessung der Grenze misst sich an den Nettoerlösen, damit unterschiedliche Steuersätze außen vor bleiben[51]. Der Höchstbetrag wurde nachträglich hinzugefügt, damit Gesellschaften mit hohen Grenzen keinen Vorteil gegenüber Gesellschaften mit niedrigen Umsätzen haben. Kommt es aufgrund der Grenzen nicht zu einer Umqualifizierung der nicht gewerblichen Einkünfte, so sind die Tätigkeiten voneinander getrennt zu betrachten, es kommt also nicht zu einer umgekehrten Infektion der gewerblichen Einkünfte[52].


4. Verfassungsmäßigkeit

Anders als bei Einzelunternehmen, die mehrere Tätigkeiten nebeneinander betreiben können, z.B. eine gewerbliche und eine freiberufliche Tätigkeit, liegt im Fall einer Personengesellschaft nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, wie bereits erläutert, ein fingierter Gewerbebetrieb vor, soweit die Bagatellgrenzen überschritten sind. Gegen diese Differenzierung gab es diverse grundsätzliche Bedenken in Bezug auf die Ungleichbehandlung nach Art. 3 GG. Das Bundesverfassungsgericht wies bereits im Jahr 2004 diese Bedenken als unbegründet zurück[53]. Auch in 2008 blieb das Bundesverfassungsgericht[54] bei seiner Auffassung, dass das Gesetz verfassungskonform ist. Als Begründung gab das Gericht an, dass durch die Personengesellschaft der öffentlichen Hand höhere Infrastrukturaufwendungen entstehen, welche durch die Gewerbesteuereinnahmen wieder ausgeglichen werden[55]. Des Weiteren verweist das Urteil auf die Anrechenbarkeit der Gewerbesteuer, auf die Einkommensteuer der Mitunternehmer, sowie auf die  Gestaltungsmöglichkeiten zur Umgehung einer gewerblichen Infizierung[56].


5. Vermeidung der gewerblichen Infizierung

Zur Vermeidung der gewerblichen Infizierung bieten sich zwei Ausgliederungsmodelle an. In diesen Modellen wird jeweils der gewerbliche Anteil von der nicht gewerblichen Tätigkeit getrennt, sodass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 1. Alternative EStG nicht mehr gegeben sind. Die Gestaltungsempfehlung des BFH in mehreren Urteilen ist die „Personenidentische Schwestergesellschaft“. Daneben gibt es noch die Möglichkeit des „gewerblich tätigen Einzelunternehmens“. Im Falle des gewerblich tätigen Einzelunternehmens führt ein Gesellschafter, ein Mitarbeiter oder ein externer Dritter zusätzlich ein Einzelunternehmen, auf dessen Rechnung und Namen sämtliche gewerbliche Tätigkeiten durchgeführt werden[57]. Für die Personenidentische Schwestergesellschaft ist die Gründung einer personenidentischen Gesellschaft erforderlich[58]. Das bedeutet, dass die Gesellschafter der geprägten Gesellschaft, auch die Gesellschafter der neuen Gesellschaft sind, die Beteiligung an der neuen Gesellschaft hat jedoch im Privatvermögen der Gesellschafter zu liegen[59]. Für die neue Gesellschaft wird ein eigener Gesellschaftsvertrag erstellt[60]. Ebenso besitzt die neue Gesellschaft eigenes Gesellschaftsvermögen[61], sie muss weiterhin finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich unabhängig sein, damit keine Betriebsaufspaltung zustande kommt[62]. In diese Gesellschaft werden nun alle gewerblichen Tätigkeiten ausgelagert. Diese Tätigkeiten werden ausschließlich im Namen und auf Rechnung der neuen GbR realisiert.


6. Rechtliche Konsequenzen aus der gewerblichen Infizierung

Sowohl die gewerbliche Prägung als auch die gewerbliche Infizierung einer Personengesellschaft führen zur Entstehung bzw. zur Fiktion eines Gewerbebetriebes. Bei den steuerlichen und rechtlichen Folgen weisen sie jedoch teilweise Unterschiede auf. So beispielsweise bei der Einkommensteuer bei der Gewerbesteuer als auch bei der Abschreibung des Firmenwertes. Zur detaillierten Ausführung möchten wir an dieser Stelle auf das Kapitel 4 unseres Artikels zum Thema „Gewerbliche Prägung bei der GmbH & Co. KG: Vorteile & Nachteile“ verweisen.


Steuerberater für Personengesellschaften

Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die steuerrechtliche Gestaltungsberatung von Unternehmen spezialisiert. Bei der Gestaltungsberatung schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:

  1. Klärung steuerlicher Einzelfragen
  2. maßgeschneiderte Entwicklung von Strategien zur Steuerreduktion
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Hierzu stehen Ihnen unsere Steuerberater und Rechtsanwälte an den Standorten Köln und Bonn gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Zudem beraten wir deutschlandweit per Telefon und Videokonferenz:

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Fachreferent beim Steuerberaterverband für Personegesellschaften

Durch diesen Beitrag wird deutlich, dass die Personengesellschaft viele Vorteile gegenüber der Kapitalgesellschaft hat. Seit 2014 sind die Partner unserer Kanzlei regelmäßige Fachreferenten des Steuerberaterverbands Köln. Dabei besuchen ca. 1500 Steuerberater pro Jahr unsere Seminare. Wegen der hohen Nachfrage zu den Vor- und Nachteile einer Personengesellschaft stellen wir Ihnen unsere Präsentation zum Rechtsformvergleich zwischen einer GmbH und einer GmbH & Co. KG gerne kostenlos zum Download zur Verfügung:

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[40]Vgl. JStG 2007, 13.12.2006, BGBl. 2006 I. S. 2878.

[41]Vgl. BFH, 24.04.1997, IV R 60/95, BStBl. 1997 II S. 567.

[42]Vgl. BFH, 03.11.2015, VIII 62/13, BStBl. 2016 II S. 381.

[43]Vgl. BFH, 01.02.1990, IV R 45/89, BStBl. 1991 II S.  625.

[44]Vgl. BFH, 29.11.2012 IV R 37/10.

[45]Vgl. BFH, 23.04.2009, IV R 73/06, BStBl. 2009 II.

[46]Vgl. Reiß in Kirchhof, EStG, § 15 Rn. 149.

[47]Vgl. BFH, 27.08.2014, VIII R 6/12, BStBl. 2015 II S. 1002.

[48]Vgl. BFH, 27.08.2014, VIII R 6/12, BStBl. 2015 II S. 1002.

[49]Vgl. FG BaWü., 22.04.2016, 13 K 3651/13, EFG 2016, 1246 (Rev. IV R 30/16).

[50]Vgl. FG BaWü., 22.04.2016, 13 K 3651/13, EFG 2016, 1246 (Rev. IV R 30/16).

[51]Vgl. Bolk W., www.personengesellschaften.info, Bilanzierung und Besteuerung der Personengesellschaft und ihrer Gesellschafter, Gewerbliche Infizierung – Umqualifizierung der Einkünfte, 04.07.2016, Abrufdatum: 22.01.2018.

[52]Vgl. BFH, 27.08.2014, VIII R 12/98, DB 2015, 357, Rn. 66; BFH, 11.08.1999, XI R 12/98, BStBl. 2000 II, 229; Bolk W., www.personengesellschaften.info,  Abfärbetheorie, PersG-Basics, 15 EStG, Abfärbung, 4.07.2016, Abrufdatum: 30.01.2018.

[53]Vgl. BVerfG, 26.10.2004, 2 BvR 246/98, FR 2005, 139; BFH, 29.11.2001, IV R 91/99, BStBl. 2002 II, 221.

[54]Vgl. BVerfG, 15.01.2008, 1 BvL 2/04.

[55]Vgl. Reiß in Kirchhof, EStG, § 15 Rn. 147.

[56]Vgl. BVerfG, 15.01.2008, 1 BvL 2/04.

[57]Vgl. Bingel/Göttsching, www.iww.de, Gewerbliche Infizierung der Einkünfte, 01.06.2012, Abrufdatum: 30.01.2018.

[58]Vgl. BFH, 19.02.1998, IV R 11/97.

[59]Vgl. Bordewin A., Abfärbung gewerblicher Tätigkeit, NWB Seite 297, Fach 3 Seite 10703.

[60]Vgl. Bordewin A., Abfärbung gewerblicher Tätigkeit, NWB Seite 297, Fach 3 Seite 10703.

[61]Vgl. Bordewin A., Abfärbung gewerblicher Tätigkeit, NWB Seite 297, Fach 3 Seite 10703.

[62]Vgl. BMF, 14.5.1997, BStBl. 1997 I S. 566.

[63]Vgl. BFH, 24.2.1994, IV R 33/93, BStBl. 1994 II, 590.

[64]Vgl. BFH, 29.4.2011, BFH/NV 2011, 1345.

[65]Vgl. FG Münster, 24.10.2014, 13 K 2297/12 F.

[66]Vgl. FG Münster, 24.10.2014, 13 K 2297/12 F.

[67]Vgl. FG Münster, 24.10.2014, 13 K 2297/12 F.