Organschaft

Innenumsätze bald umsatzsteuerbar?

Innenumsatz in der Organschaft bald umsatzsteuerbar? Urteil des EuGH erwartet

Der Grundsatz gilt schon lange: Innenumsätze einer Organschaft sind nicht umsatzsteuerbar. Er könnte nun aber kippen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nämlich für erhebliche Unsicherheit im Zusammenhang mit der Umsatzsteuerbarkeit des Innenumsatzes in einer Organschaft gesorgt. Die deutsche Regelung des § 2 Absatz 2 Nummer 2 UStG sieht die Nicht-Steuerbarkeit des Innenumsatzes vor. Diese Regelung könnte aber unionsrechtswidrig sein. Eine eindeutige Entscheidung des EuGH dazu ist in naher Zukunft erwartet. Wir klären, warum Innenumsätze umsatzsteuerbar sein könnten und welche Folgen dies hätte.

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Unser Video: Was ist eine umsatzsteuerliche Organschaft?

In diesem Video erklären wir, was eine umsatzsteuerliche Organschaft ist und welche Rechtsfolgen sie hat.

Inhaltsverzeichnis


1. Umsatzsteuerfreiheit des Innenumsatzes

Grundlage der Organschaft im Umsatzsteuerrecht ist der § 2 Absatz 2 Nummer 2 UStG. Die Norm sieht vor, dass die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit dann nicht selbstständig ausgeübt wird, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Dann liegt eine sogenannte umsatzsteuerliche Organschaft vor. Dabei sind die Wirkungen der Organschaft auf die Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt.

Die Rechtsfolge einer umsatzsteuerlichen Organschaft ist bisher, dass Leistungen zwischen Organträger und Organgesellschaften oder zwischen Organgesellschaften desselben Organkreises nicht steuerbare Innenleistungen darstellen. Damit unterliegen sie nicht der Umsatzsteuer. Diese Praxis gilt nun schon eine lange Zeit.

Sinn und Zweck dieser Regelung ist aus umsatzsteuerlicher Sicht die Vereinfachung der Abwicklung von Leistungsbeziehungen im Konzern. Die Organschaft hat für Konzerne, die steuerfreie Ausgangsumsätze tätigen, erhebliche Bedeutung, da sie nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind.

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2. Ausgangspunkt: Urteil des EuGH

2.1. Vorlagen des BFH

Zur Klärung der Unionskonformität dieser Regelung legten der V. Senat und der XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) dem EuGH jeweils Vorlagefragen vor. Der BFH hielt es für möglich, dass die deutsche Regelung, nach der Organgesellschaften unselbstständig sind, zwar nicht mit Artikel 4 Absatz 4 Unterabsatz 22 Sechste RL 77/388/EWG (Artikel 11 MwStSystRL) vereinbar ist. Sie könnte aber dennoch durch die allgemeinen Grundsätze zur Selbstständigkeit gerechtfertigt und damit zulässig sein. Falls letzteres zutrifft, wollte der BFH wissen, ob EU-Mitgliedstaaten die Unselbstständigkeit typisierend festlegen dürfen.

2.2. Entscheidung des EuGH

Das Urteil EuGH vom 01.12.2022 C-141/20 (Rechtssache Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie) hat für erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der Unionsrechtskonformität des § 2 Absatz 2 Nummer 2 UStG gesorgt. Der EuGH äußerte erstmalig Zweifel an der Nicht-Steuerbarkeit der Innenumsätze einer Organschaft.

Der EuGH entschied, dass die Mitglieder einer Mehrwertsteuergruppe grundsätzlich ihre umsatzsteuerliche Selbstständigkeit behielten. Er nahm nicht an, dass sich die Unselbstständigkeit aus allgemeinen Grundsätzen zur Selbstständigkeit ergeben kann. Die Organgesellschaften seien vielmehr selbstständig wirtschaftlich tätig.

Ohne, dass der BFH dies jedoch nachgefragt hat, äußerte sich der EuGH außerdem zu der Umsatzsteuerbarkeit des Innenumsatzes. Für die Frage, ob die Innenumsätze der Mehrwertsteuer unterliegen, ist zu untersuchen, ob das Mitglied des Organkreises einer selbstständigen Wirtschaftstätigkeit nachgeht. Dazu ist zu prüfen, ob es seine Tätigkeiten im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung ausübt und das mit der Ausübung dieser Tätigkeiten einhergehende wirtschaftliche Risiko trägt.

2.3. Nachfolgeentscheidung des BFH

Der BFH hatte sich in den, der EuGH-Entscheidung nachfolgenden Entscheidungen dessen Grundsätzen angeschlossen. Dementsprechend hat er entschieden, dass der Organträger Steuerschuldner für die Umsätze des Organkreises ist. Weiterhin änderte er seine Rechtsprechung in Bezug auf die finanzielle Eingliederung. Diese kann nunmehr – entsprechend der EuGH-Entscheidung – auch vorliegen, wenn der Organträger zwar über nur 50 % der Stimmrechte verfügt, er aber eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Organgesellschaft hält und er den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft stellt.

Jedoch enthielten entsprechende Entscheidungen des BFH keine Ausführung dazu, ob Innenumsätze einer umsatzsteuerlichen Organschaft steuerbar sind. Nach Auffassung des BFH konnte diese Frage offengelassen werden. Er verwies darauf, dass diese Frage im Besteuerungsverfahren des Organträger als Steuerschuldner der Organschaft zu entscheiden sei. Klägerin im maßgeblichen Verfahren war jedoch die Organgesellschaft.

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2.4. Steuerbarkeit des Innenumsatzes weiterhin ungeklärt

Im Parallelverfahren wollte der V. Senats des BFH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchen klären, ob die nationale Regelung zur Organschaft überhaupt unionsrechtskonform ist. Dabei stellt der BFH die folgenden Vorlagefragen:

  1. Sind die Innenumsätze zwischen Mitgliedern einer umsatzsteuerlichen Organschaft generell steuerbar?
  2. Sind Innenumsätze zwischen Mitgliedern einer umsatzsteuerlichen Organschaft zumindest dann steuerbar, wenn der Leistungsempfänger nicht (oder nur teilweise) zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, da ansonsten die Gefahr von Steuerverluste besteht?

Dafür nennt der BFH unterschiedliche Gründe.

Zunächst soll der ursprüngliche Regelungszweck der Organschaft entfallen sein. Sinn und Zweck der Regelungen zur Organschaft war ursprünglich, im damals gültigen Brutto-Allphasensystem ohne Vorsteuerabzug eine Mehrbelastung in Leistungsketten auszuschließen. Diese Zweck entfiel mit der Einführung der Allphasen-Netto-Umsatzsteuer, da die Mehrbelastung in Leistungsketten durch die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug beseitigt wurde.

Der einzig mögliche Zweck der umsatzsteuerlichen Organschaft liegt daher in der Verwaltungsvereinfachung. Es ist nur eine einzige Steuerklärung für den gesamten Organkreis abzugeben. Demgegenüber kann es aber infolge der umsatzsteuerlichen Organschaft zu einer Nichtbesteuerung kommen. Diese entsteht dann, wenn der Leistungsempfänger nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Dann wäre seine Umsatzsteuerbelastung endgültig. Infolge der umsatzsteuerlichen Organschaft zum Leistungserbringer fällt auf den Umsatz aber keine Umsatzsteuer an. Ist nun bei jeder umsatzsteuerlichen Organschaft zunächst zu prüfen, ob der Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, kann von Verwaltungsvereinfachung nicht mehr die Rede sein.

Infolge der genannten Nichtbesteuerung wäre ein Missbrauch der umsatzsteuerlichen Organschaft denkbar. Möglich ist, dass der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer die entgeltlichen Leistungen aus dem Organkreis bezieht, um die Entstehung einer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Steuer zu vermeiden.

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Unser Video: Die Organschaft im Körperschaftsteuerrecht

In diesem Video erklären wir, welche Folgen die Organschaft im Körperschaftsteuerrecht hat.

3. Auswirkungen der Steuerbarkeit des Innenumsatzes auf die Praxis

Derzeit ist es offen, ob der EuGH die Umsatzsteuerfreiheit der Innenumsätze bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft anerkennt. Es ergibt sich kein Handlungsbedarf für den Unternehmer, wenn der EuGH die Nichtsteuerbarkeit anerkennt. Dann bleibt alles beim Alten.

Es kann aber auch dazu kommen, dass der EuGH die Steuerbarkeit der Innenumsätze annimmt. Dann geben sich für Mitgliedstaaten, die die Steuerfreiheit der Innenumsätze annehmen, erhebliche Auswirkungen. Zu diesen Mitgliedstaaten zählen neben Deutschland beispielsweise die Niederlande oder Österreich.

Es stellt sich die Frage, ob sich die Entscheidung rückwirkend auf die Besteuerung auswirkt. Dies hätte weitreichende Folgen. In Vertrauen auf die gesetzliche Regelung, die Verwaltungsauffassung und die ständige Rechtsprechung des BFH wurden Innenumsätze regelmäßig ohne Umsatzsteuer und ordnungsgemäße Rechnung abgerechnet. Die Umsatzsteuer wäre nach zu erklären. Der korrespondierende Vorsteuerabzug wäre von der ordnungsgemäßen Rechnung abhängig. Es kann zu erheblichen Auswirkungen auf die Konzernstruktur kommen.

Um den Verwaltungsaufwand, der durch die Abführung der Steuer, der Erteilung der Rechnung und des Vorsteuerabzug angemessen bewältigen zu können und sich an die geänderten Rahmenbedingungen anzupassen, wären Übergangsregelungen sinnvoll.


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