Wegzugsbesteuerung: Wegzug nach Großbritannien vor dem Brexit lohnt!
Der gefürchtete Brexit rückt immer näher. In gut zwei Monaten steht der mögliche Austritt des vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union bevor, und noch immer herrschen Unklarheiten und Unsicherheiten. Über die steuerlichen Folgen und mögliche Gestaltungsalternativen auf Ebene der Limited haben wir bereits in vorherigen Artikeln informiert. Im nachfolgenden Beitrag möchten wir Sie daher über eine mögliche anfallende Wegzugsteuer nach § 6 AStG auf Ebene der Gesellschafter informieren.
Dieser Beitrag wurde zusammen mit der FOM-Hochschule angefertigt. Die Ausarbeitung wurde von Herrn Daniel Maurice Frings (Bachelor of Art in Steuerrecht) nach wissenschaftlichen Kriterien und unter zweitgutachterlicher Betreuung von FOM-Dozent Christoph Juhn LL.M./StB erstellt.
1. Löst der Brexit eine Wegzugsbesteuerung aus?
1.1 Besteuerung natürlicher Personen ohne Beteiligungen an Kapitalgesellschaften
Eine natürliche Person bleibt nach § 2 Abs. 1 Außensteuergesetz auch nach dem Wegzug aus Deutschland für zehn Jahre unbeschränkt steuerpflichtig, wenn diese in ein Land mit einer niedrigeren Besteuerung zieht und die natürliche Person in den letzten zehn Jahren vor dem Ende der unbeschränkten Steuerpflicht als Deutscher mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war.
Als Niedrigsteuerland definiert § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG Länder, in denen die dort entstehende Einkommensteuer um mehr als ein Drittel geringer ist, als sie bei einer ledigen in Deutschland ansässigen Person mit einem steuerpflichtigen Einkommen von 77.000 Euro wäre.
Die britische income tax rate ist regelmäßig hoch genug, um mit dem Wegzug nach Großbritannien nicht in ein Land zu ziehen, welches eine niedrigere Besteuerung gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG begründen würde.[1]
Zu beachten ist, dass § 2 AStG gem. des Wortlautes des § 2 (1) S. 1 AStG nur greift, wenn die natürliche Person auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt.[2] Ein Wegzug nach Großbritannien löst somit keine Besteuerung nach § 2 AStG aus.
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1.2 Besteuerung natürlicher Personen mit Beteiligungen an Kapitalgesellschaften
Hält der Steuerpflichtige allerdings Anteile von mehr als ein Prozent an einer oder mehreren Kapitalgesellschaften, können diese der Besteuerung nach § 6 Abs. 1 AStG in Verbindung mit § 17 EStG unterliegen.[3]
Zur Wegzugsbesteuerung, der Berechnung der Steuer und Strategien zur Reduzierung dieser, hatten wir bereits in vorherigen Beiträgen informiert. Mit der Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2004 zur französischen Wegzugsteuer wurde die Vorschrift angepasst und bietet Steuerpflichtigen nun die Möglichkeit die Wegzugsteuer stunden zu lassen. Im machen Fälle ist sogar der teilweise Erlass der Steuer möglich.
Voraussetzung dafür ist, dass die steuerpflichtige Person gem. § 6 (1) S. 1 AStG insgesamt mindestens zehn Jahre nach § 1 (1) EStG unbeschränkt steuerpflichtig war und deren unbeschränkte Steuerpflicht durch den Wegzug endet und Anteile im Sinne des § 17 (1) S. 1 EStG hält. Als Anteil im Sinne des § 17 (1) S. 1 EStG gehört die mittelbare oder unmittelbare Beteiligung zu mindestens ein Prozent am Kapital einer Gesellschaft.
Die Anteile gelten dabei gem. § 6 (1) S. 1 AStG als fiktiv veräußert und § 17 (1) S. 1 EStG ist anzuwenden. Anstelle des Veräußerungspreises tritt dabei, mangels tatsächlichen Verkaufs, nach § 6 (1) S. 4 AStG der gemeine Wert.
Es ist dabei unerheblich, ob Deutschland das Besteuerungsrecht an den Anteilen auch tatsächlich verliert.[4] Der Hintergrund für die Besteuerung nach § 6 AStG ist, dass Deutschland regelmäßig, abweichend von § 49 (1) Nr. 2e EStG, das Besteuerungsrecht an Gewinnen nach § 17 EStG gem. Artikel 13 (5) des OECD-Musterabkommens verliert.[5] In dem Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Vereinigten Königreich findet auch keine abweichende Regelung des Artikel 13 (5) OECD-Musterabkommen statt.
1.2.1 Antrag auf Steuerstundung nach dem Brexit
Dem Steuerpflichtigen wird die Möglichkeit gewährt, die entstehende Steuer des § 6 (1) AStG ohne Sicherheitsleistung und zinslos zu stunden nach § 6 (5) S. 1 AStG, wenn der Steuerschuldner Staatsangehöriger in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes ist und er nach dem Umzug in einem der genannten Staaten der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. Nach dem Austritt von Großbritannien aus der Europäischen Union und der damit verbundenen Behandlung als Drittland kann die Steuerstundung des § 6 (5) AStG nicht mehr gewährt werden.[6]
Möglich wäre auf Antrag die Stundung der Steuer nach § 6 (4) AStG über einen Zeitraum von fünf Jahren, wobei in diesem Fall der Steuerpflichtige Sicherheitsleistungen zu erbringen hat, die Steuer in fünf jährlich gleichbleibenden Ratenzahlungen zu tilgen ist und die baldige Zahlung eine erhebliche Härte für den Steuerpflichtigen darstellen würde.[7] Eine erhebliche Härte ist ein unbestimmter Rechtsbegriff,[8] in der Regel liegt diese vor bei fehlenden liquiden Mitteln des Steuerpflichtigen.[9]
Beantragt der Steuerpflichtige die Stundung nach § 6 (4) AStG, entstehen auf die gestundete Steuer Zinsen nach § 234 AO, da § 6 (4) AStG keine zinslose Stundung wie der nachfolgende Absatz 5 vorsieht. Der Steuerpflichtige kann dabei alle in den § 241 AO zugelassenen Sicherheiten wählen, andere Sicherheiten sind nur mit Zustimmung der Finanzbehörde geeignet.[10]
1.2.2 Antrag auf Steuerstundung vor dem Brexit
Rechtlich unklar ist, inwiefern eine bereits vor dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union gewährte Stundung nach § 6 Abs. 5 AStG zu behandeln ist. Die gewährte Stundung ist zu widerrufen, wenn ein Tatbestandsmerkmal des § 6 Abs. 5 S. 4 Nr. 1 bis 4 AStG erfüllt ist.[11]
Die Stundung ist demnach zu widerrufen nach § 6 Abs. 5 S. 4 Nr. 1 AStG im Falle der Veräußerung oder verdeckten Einlage in eine Gesellschaft oder nach § 6 Abs. 5 S. 4 Nr. 2 AStG bei einem Übergang auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person, welche nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes einer der deutschen Einkommensteuerpflicht vergleichbaren Steuerpflicht unterliegt, nach § 6 Abs. 5 S. 4 Nr. 3 AStG nach einer Entnahme der Anteile oder einem vergleichbaren Vorgang, der nach inländischem Recht zum Teilwert oder zum Ansatz des gemeinen Wert führt oder auch nach § 6 Abs. 5 S. 4 Nr. 4 AStG, wenn der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aufgibt und keine Steuerpflicht mehr nach Satz 1 des § 6 Abs. 5 AStG besteht.
Durch das Ausscheiden aus der Europäischen Union und der rechtlichen Einordnung von Großbritannien als Drittstaat ist keiner der Tatbestände erfüllt, die einen Widerruf der Stundung begründen würden.
Möglich wäre, wenn überhaupt, der Ansatz des § 6 Abs. 5 S. 4 Nr. 4 AStG, indem man eine Wohnsitzaufgabe unterstellt und danach keine unbeschränkte Steuerpflicht mehr besteht – weder in einem Staat der dem Europäischen Wirtschaftsraum angehört, noch in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union.[12] Allerdings erfolgt kein tatsächlicher Wegzug, der ein Ende der unbeschränkten Steuerpflicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union begründet, die unbeschränkte Steuerpflicht endet durch den Austritt von Großbritannien aus der Europäischen Union.[13]
Demnach fehlt es an einer Rechtsgrundlage, die bereits gewährte Stundung zu widerrufen,[14] die mögliche Betrachtung von Großbritannien als Drittstaat berechtigt grundsätzlich nicht zu einem Wegfall der Stundung durch Widerruf.[15]
Ob die in § 6 Abs. 5 S. 4 Nr. 4 AStG geforderte Aufgabe des Wohnsitzes fiktiv unterstellt werden kann, wird sich erst mit der Rechtsprechung ergeben. Sollte der Auffassung der Finanzverwaltung durch die Rechtsprechung gefolgt werden, dann müsste theoretisch wenigstens noch die Stundung nach § 6 Abs. 4 AStG gewährt werden,[16] wobei der Stundungszeitraum von fünf Jahren mit Wegzug beginnt und hier die Frage gestellt werden muss, ob dieser Zeitraum dann mit dem tatsächlichen Wegzug oder erst mit dem fiktiven Wegzug durch den Austritt von Großbritannien startet.
1.2.3 Klarstellende Regelung in § 6 Abs. 8 AStG
Zusätzlich wurde im Rahmen des Brexit-Steuerbegleitgesetzes ausdrücklich geregelt, dass der Brexit nicht zum Widerruf der Stundung führt. Diese Regelung hat nur klarstellenden Charakter, da der Stundung bereits aus den vorgenannten Gründen erhalten bleibt.
2. Fazit zum Wegzug vor dem Brexit
Wird ein Wegzug unter Aufgabe der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht nach England geplant und hält der Steuerpflichtige Anteile an Kapitalgesellschaften mit einer Beteiligungshöhe von mindestens ein Prozent, ist der Wegzug vor dem Austritt von Großbritannien aus der Europäischen Union sinnvoll, um die, Möglichkeit der Steuerstundung nach § 6 Abs. 5 AStG zu beanspruchen. Das gewährleistet auch der neue § 6 Abs. 8 AStG. Erfolg der Umzug nach dem vollzogenen Brexit, ist eine zinslose Steuerstundung des § 6 Abs. 5 AStG nicht mehr möglich. In diesem Fall bleibt nur noch die Stundung im Sinne des § 6 Abs. 4 AStG, für die Stundungszinsen nach § 234 AO entstehen.[17]
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[1] o. V., https://www.gov.uk/government/publications/autumn-budget-2017-overview-of-tax-legislation-and-rates-ootlar/annex-a-rates-and-allowances, 05. Januar 2019.
[2] BMF, 14. Mai 2004, IV B 4 – S 1340 – 11/04, Tz. 2.1.1.
[3] Frotscher, Brexit in 100 Fällen, HI11465955.
[4] Frotscher, Brexit in 100 Fällen, HI11465955.
[5] Rupp, IntStR – Wegzugsbesteuerung, 3.1.
[6] Frotscher, Brexit in 100 Fällen, HI11465955.
[7] Frotscher, Brexit in 100 Fällen, HI11465955.
[8] AO/FGO-Ko/Schwarz, § 222 AO Rz. 6.
[9] Frotscher, Brexit in 100 Fällen, HI11465955.
[10] AO/FGO-Ko/Kämper, § 241 AO Rz. 1.
[11] Frotscher, Brexit in 100 Fällen, HI11465956.
[12] Frotscher, Brexit in 100 Fällen, HI11465956.
[13] Frotscher, Brexit in 100 Fällen, HI11465956.
[14] Frotscher, Brexit in 100 Fällen, HI11465956.
[15] Häck, ISR 2018, 265.
[16] Frotscher, Brexit in 100 Fällen, HI11465956.
[17] Frotscher, Brexit in 100 Fällen, HI11465956.