Immobiliengutachten – so schreiben Sie Ihre Immobilie schnell ab!
Immobilien, egal ob gewerblich oder zu Wohnzwecken vermietet, sind üblicherweise nach den Prozentsätzen in § 7 Absatz 4 Satz 1 EStG abzuschreiben. Die jährliche Abschreibung liegt dabei bei maximal 3 %, für die meisten Wohngebäude gilt allerdings ein Satz von 2 % pro Jahr. Hieraus ergibt sich eine Abschreibungsdauer zwischen 33 und 50 Jahren – und hier kommt Satz 2 der genannten Vorschrift ins Spiel. Denn mit einem Immobiliengutachten kann die Abschreibung beschleunigt werden, wenn die tatsächliche Nutzungsdauer unter 33 respektive 50 Jahren liegt. Mit Schreiben vom 22.02.2023 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hier neue Maßstäbe vorgegeben.
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Inhaltsverzeichnis
1. Grundlage: So sind Immobilien steuerrechtlich abzuschreiben
Für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gelten grundsätzlich die Abschreibungsvorschriften des § 7 Absatz 1 EStG. Entsprechende Gegenstände sind linear auf Basis ihrer gewöhnlichen Nutzungsdauer abzuschreiben. Für eine Maschine, die EUR 1.000 kostet und voraussichtlich fünf Jahre genutzt wird, setzt der Steuerpflichtige pro Jahr EUR 200,00 als Abschreibung an. Dies gilt über § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 7 EStG auch für Überschusseinkünfte, zum Beispiel solche aus Vermietung und Verpachtung.
Für Immobilien gelten allerdings andere Grundsätze. Denn hier gibt der Gesetzgeber den jährlichen Prozentsatz, mit dem eine Abschreibung zulässig ist, vor. Von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Gebäudes sind nach § 7 Absatz 4 Satz 1 EStG
- 3 % pro Jahr anzusetzen, wenn das Gebäude Teil eines Betriebsvermögens ist und zu anderen als Wohnzwecken genutzt wird.
- 3 % pro Jahr anzusetzen, wenn das Gebäude zu Wohnzwecken genutzt wird und/oder sich im Privatvermögen befindet, wenn es nach dem 31.12.2022 fertiggestellt wurde (Änderung durch das JStG 2022).
- 2 % pro Jahr anzusetzen, wenn es sich um eine Immobilie des Privatvermögens und/oder ein zu Wohnzwecken genutztes Gebäude handelt, das nach dem 31.12.1924 fertiggestellt wurde.
In der Regel kommt (Stand 2023) ein Abschreibungssatz von 3 % für gewerbliche und 2 % für sonstige Immobilien zum Ansatz.
In vielen Fällen entspricht die pauschale Vorgabe des Gesetzgebers allerdings nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Mit § 7 Absatz 4 Satz 2 EStG existiert daher die Möglichkeit, über ein Immobiliengutachten zu einem höheren Abschreibungssatz zu gelangen. Mit einem solchen Gutachten ist allerdings lediglich eine Verkürzung, keine Verlängerung der Abschreibungszeit möglich.
2. Neuregelung der Immobiliengutachten seit 2023
Seit Februar 2023 gelten für die Anwendung des § 7 Absatz 4 Satz 2 EStG neue Grundsätze, wenngleich die Norm inhaltlich keine wesentlichen Änderungen erfahren hat. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat die Anwendungsbestimmungen im Schreiben vom 22.02.2023 (IV C 3 – S 2196/22/10006 :005) zusammengefasst. Bei Immobiliengutachten sind daher folgende Grundsätze zu beachten:
- Begriff der „kürzeren“ Nutzungsdauer, Ausschlusstatbestände
- Anwendung auf bestimmte Betriebsgebäude und selbstständige, unbewegliche Wirtschaftsgüter, die Gebäudeteile darstellen
- Nachweismethode und zugrunde zu legende Kriterien
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2.1. Begriff der kürzeren Nutzungsdauer
Mit § 7 Absatz 4 Satz 2 EStG stellt der Gesetzgeber auf eine „kürzere Nutzungsdauer“ ab. Der Begriff „kürzer“ bezieht sich dabei auf die typisierten AfA-Sätze des Satzes 1, meint also eine solche von weniger als 33, 40 oder 50 Jahren. Auszugehen ist stets von der typisierten Nutzungsdauer des im Einzelfall vorliegenden Gebäudetyps. Diese wird dann der voraussichtlich kürzeren Nutzungsdauer gegenübergestellt.
Nach § 11c Absatz 1 EStDV bezeichnet die Nutzungsdauer den Zeitraum, in dem das Gebäude voraussichtlich entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann. Das Ende des Nutzungszeitraums kann dabei auch durch einen Leerstand entstehen, wenn absehbar ist, dass ab „Zeitpunkt X“ beispielsweise Einsturzgefahr besteht. Scheidet die beabsichtigte Nutzung hierdurch aus, endet die Nutzungsdauer, obwohl das Gebäude weiterhin an Ort und Stelle steht.
Möchte der Steuerpflichtige die kürzere Nutzungsdauer durch ein Immobiliengutachten nachweisen, so basiert dieses in aller Regel auf umfassenden Prognosen. Diese müssen allerdings so nah wie möglich an die größtmögliche Wahrscheinlichkeit angelehnt werden. Nicht ausreichend ist, mehr oder weniger „ins Blaue hinein“ von bestimmten Ereignissen oder Umständen auszugehen (BFH vom 28.09.1971, VIII R 73/68).
Besteht die Absicht, das Gebäude in einigen Jahren abzubrechen, rechtfertigt dies noch keine Annahme einer kürzeren Nutzungsdauer. Ein Immobiliengutachten ist hier entbehrlich, da der BFH einen kürzeren AfA-Zeitraum erst als gegeben sieht, wenn die Vorbereitungen des Abbruchs bereits so weit fortgeschritten sind, dass eine weitere Nutzung des Gebäudes nahezu ausscheidet (Urteil vom 22.08.1984, I R 198/80). Der Nachweis nach § 7 Absatz 4 Satz 2 EStG kann dann durch tatsächliche Gegebenheiten erfolgen.
2.2. Immobiliengutachten bei selbstständig nutzbaren Gebäudeteilen
Nach § 7 Absatz 5a EStG sind die Vorschriften des Absatzes 4 auch auf Gebäudeteile, die selbstständige Wirtschaftsgüter sind, anzuwenden. Gerade hier besteht oft die Notwendigkeit eines Immobiliengutachtens, da die Nutzungsdauer eines weniger massiv errichteten Gebäudeteils mitunter gravierend von den typisierten Annahmen in § 7 Absatz 4 Satz 1 EStG abweicht. Das BMF nennt im aktualisierten Schreiben unter anderem die folgenden Beispiele:
- Ladeneinbauten
- Schaufensteranlagen
- Mietereinbauten und -umbauten
Für selbstständig nutzbare Gebäudeteile ist im Einzelfall aber nicht zwingend ein Immobiliengutachten notwendig. Das Ministerium hält es im Grundsatz für ausreichend, wenn die tatsächliche Nutzungsdauer entsprechend der AfA-Tabellen (BMF-Schreiben vom 15.12.2000) bestimmt wird.
Wichtig ist, dass in den genannten Fällen weder Betriebsvorrichtungen noch Scheinbestandteile gegeben sind (R 4.2 Absatz 3 Satz 3 EStR).
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2.3. Nachweismethode und zugrunde zu legende Kriterien
Nach der Rechtsprechung des BFH, enthalten auch in der Verwaltungsauffassung, wird die zu schätzende Nutzungsdauer eines Gebäudes maßgeblich durch die sogenannten Determinanten (Einflussfaktoren) bestimmt. Zu diesen Faktoren gehören:
- Technischer Verschleiß des Gebäudes
- Wirtschaftliche Entwertung
- Rechtliche Gegebenheiten, wenn sie die Nutzungsdauer beeinträchtigen können
Bei einem Immobiliengutachten sind die jeweils maßgeblichen Faktoren entsprechend ihrer Gewichtung einzubeziehen.
Um eine fach- und sachgerechte Anwendung der geltenden Normen sicherzustellen, muss der Gutachter öffentlich bestellt und vereidigt sein. Sie oder er muss alternativ eine Akkreditierung nach DIN EN ISO/IEC 17024 besitzen. Nur mit der entsprechenden Qualifikation besteht nach Auffassung des BMF die Eignung für die Bewertung bebauter und unbebauter Grundstücke.
Die bloße Übernahme einer Restnutzungsdauer aus einem Verkehrswertgutachten ist nicht als Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer im Sinne des § 7 Absatz 4 Satz 2 EStG geeignet. Der Gutachtenzweck muss sich ausdrücklich auf den Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer richten und zwingend die maßgeblichen Determinanten berücksichtigen. Hierbei ist auch eine mögliche Nachfolgenutzung des Gebäudes und deren Auswirkung auf die Nutzungsdauer einzubeziehen.
Die Restnutzungsdauer und die Gesamtnutzungsdauer nach der ImmoWertV entsprechen keinesfalls der tatsächlichen Gesamt- bzw. Restnutzungsdauer eines einzelnen Gebäudes. Sie sind lediglich Modellansätze, die nur im Gesamtkontext einer Verkehrswertermittlung zu sachgerechten Ergebnissen führen.
3. Folgen des Immobiliengutachtens für Abschreibungsdauer und -höhe
Regelmäßig werden Immobiliengutachten erst erstellt, nachdem das Gebäude bereits einige Jahre nach typisierten Sätzen abgeschrieben wurde. Entsprechendes gilt, wenn eine Immobilie unentgeltlich übergeht, da der Rechtsnachfolger im Rahmen der „Fußstapfentheorie“ die Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie die AfA des Vorgängers fortführt.
Durch ein Immobiliengutachten ändert sich nun die tatsächliche Nutzungsdauer und damit der AfA-Satz im Sinne des § 7 Absatz 4 EStG. Das Finanzamt prüft im ersten Schritt, wie viele Jahre und welche Beträge bereits abgeschrieben wurden. Die bereits abgeschriebenen Jahre vergleicht es mit der Nutzungsdauer laut Immobiliengutachten. Es ergibt sich eine Restnutzungsdauer „X“. Der noch abzuschreibende Betrag wird durch „X“ geteilt. Das Ergebnis ist die zukünftig anzusetzende, gegebenenfalls aber zeitanteilig zu berücksichtigende (§ 7 Absatz 1 Satz 4 EStG) Abschreibung.
Beispiel: A hat im Jahr 2021 ein vermietetes Wohngebäude für EUR 1.000.000 (Gebäudeanteil) erworben. Er schreibt es zwei Jahre mit 2 % pro Jahr ab und reicht mit Wirkung ab dem dritten Jahr ein Immobiliengutachten ein. Dieses weist eine tatsächliche Restnutzungsdauer ab Erwerb von lediglich 20 Jahren aus.
Lösung: Das Gebäude hat ab dem Jahr 2023 eine Restnutzungsdauer von 18 Jahren, da es bereits 2021 erworben wurde. Die AfA-Bemessungsgrundlage ist zu diesem Zeitpunkt bereits auf EUR 960.000 reduziert, da der Steuerpflichtige zwei Jahre lang je 2 % von EUR 1.000.000, also jeweils EUR 20.000, abschreiben konnte. Die zukünftig anzusetzende Abschreibung berechnet sich nach der Formel „Rest-Abschreibungsgrundlage / Restnutzungsdauer“. In unserem Beispiel ergibt sich eine jährliche Abschreibung von EUR 53.333,33 (EUR 960.000 / 18 Jahre).
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