Eine unentgeltliche Betriebsübertragung führt grundsätzlich zur fiktiven Aufgabe der unternehmerischen Tätigkeit (§ 16 Absatz 3 EStG) und löst damit eine Versteuerung vorhandener stiller Reserven aus. Da der Gesetzgeber die Problematik insbesondere innerhalb von Familienverbünden erkannt hat, wurde § 6 Absatz 3 EStG ins Leben gerufen. Die Norm regelt, unter welchen Voraussetzungen eine – dem Grunde nach steuerpflichtige – Betriebsübertragung zu Buchwerten möglich ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Rechtlicher Hintergrund: Was ist eine Betriebsübertragung steuerlich?
Erbschaften und Schenkungen finden ausnahmslos und damit in allen Fällen im Privatvermögen des Steuerpflichtigen statt. Dies gilt entsprechend auch bei der Übertragung von vollständigen Betriebsvermögen oder Wirtschaftsgütern, die sich in einem solchen befinden. Eine Schenkung führt entsprechend zur fiktiven Entnahme, wird dann im Privatvermögen ausgeführt und der Übernehmer legt das Wirtschaftsgut wieder in ein (sein) Betriebsvermögen ein.
Der Nachteil liegt dabei auf der Hand. Denn die (Zwangs-) Entnahme, etwa bei Erbschaft, führt zur Aufdeckung der stillen Reserven, da sie mit ihrem gemeinen Wert als Einnahme zu berücksichtigen ist (§§ 4 Absatz 1 Satz 2 und 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 EStG). Da auf der anderen Seite nur der bisherige Buchwert erfolgswirksam und damit gewinnmindernd auszubuchen ist, unterliegen vorhandene stille Reserven bei der Betriebsübertragung der bis zu 45%igen Einkommensteuer.
Hintergrund ist schlicht die Intention des Gesetzgebers, stille Reserven spätestens bei Aufgabe des Betriebs oder Mitunternehmeranteils besteuern zu können. Eine Besteuerung sollte daher – um diesem genannten Willen zu folgen – gerade nicht stattfinden, wenn der Übernehmer des Unternehmens dieses weiterführt. An dieser Stelle kommt § 6 Absatz 3 EStG ins Spiel.
2. Die Systematik des § 6 Absatz 3 EStG im Überblick
Um die Übertragung und anschließende Weiterführung eines Unternehmens auch steuerlich attraktiv zu halten, sieht § 6 Absatz 3 EStG eine gewisse „Sonderbehandlung“ von Betriebsübertragungen vor. Dabei muss
- ein ganzer Betrieb, ein Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil
- unentgeltlich
- auf eine andere (natürliche wie juristische) Person
übergehen (§ 6 Absatz 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG). Rechtsfolge ist die Übernahme zu Buchwerten ohne Aufdeckung eventuell in den Wirtschaftsgütern „schlummernder“ stiller Reserven (Halbsatz 2). Allerdings muss die (spätere) Besteuerung dieser Reserven sichergestellt sein, was nur dann der Fall ist, wenn das übernommene Betriebsvermögen bei Aufgabe oder Verkauf der Besteuerung im Inland unterliegt (Tatbestände des § 16 EStG).
Nach § 6 Absatz 3 Satz 2 EStG ist ein (teilweiser) Rückbehalt von Wirtschaftsgütern im Betriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft durch den Überträger unschädlich, sofern der Übernehmer des Anteils diesen innerhalb einer Frist von fünf Jahren (Haltefrist) weder veräußert noch aufgibt.
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Übertragung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitutnernehmeranteilen?
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2.1. Übertragung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen
Für die Anwendung des § 6 Absatz 3 EStG gelten die allgemeinen Begriffsdefinitionen. Demnach handelt es sich
- bei einem ganzen Betrieb regelmäßig um ein Einzelunternehmen (§§ 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 18 Absatz 1 EStG),
- bei einem Teilbetrieb um einen organisatorisch abgeschlossenen Teil eines solchen Unternehmens, wenn dieser selbstständig lebensfähig wäre, und
- bei einem Mitunternehmeranteil um einen Anteil an einer Personengesellschaft,
wenn der Überträger als Mitunternehmer im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 1 EStG anzusehen ist.
Nach § 6 Absatz 7 Nummer 1 EStG wenden Sie Absatz 3 entsprechend an, wenn der übertragene Betrieb oder die anteilig übertragene Mitunternehmerschaft ihren Gewinn nach § 4 Absatz 3 EStG (EÜR) ermittelt.
Der Bundesfinanzhof hat im Zusammenhang mit § 6 Absatz 3 EStG entschieden, dass eine Übertragung nur dann zu Buchwerten möglich ist, wenn der bisherige Betriebsinhaber seine gewerbliche Tätigkeit insoweit einstellt (BFH vom 25.01.2017, X R 59/14).
Soweit funktional notwendiges Sonderbetriebsvermögen (R 4.2 Absatz 2 EStR) vorliegt, ist dieses zwingend mit zu übertragen. Generell fällt sowohl der prozentuale Anteil am Vermögen der Gesamthand (in der Regel feststehend laut Gesellschaftsvertrag) als auch das gesamte Sondern-BV des Mitunternehmers unter die Begünstigung nach § 6 Absatz 3 Satz 1 EStG. Im Umkehrschluss scheidet die Begünstigung aus, wenn der übertragende Mitunternehmer funktional wesentliches Sonder-BV zurückhält.
2.2. Unentgeltliche Betriebsübertragung
Die nach § 6 Absatz 3 Satz 1 EStG begünstigte Übertragung zu Buchwerten ist nur dann als solche zu behandeln, wenn sie unentgeltlich erfolgt. Eine Übertragung ist immer dann als unentgeltlich anzusehen, wenn keine rechtliche Verpflichtung zur Gegenleistung besteht. Schließen Übergeber und Übernehmer des Betriebsvermögens einen bindenden Kaufvertrag miteinander ab, kann selbst bei offensichtlicher Unausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung keine unentgeltliche Betriebsübertragung mehr vorliegen.
Selbst die Vereinbarung eines „symbolischen Euros“ als Kaufpreis führt damit zur Veräußerung des Betriebs oder des Anteils daran. Der Gewinn respektive Verlust fällt unter § 16 EStG und ist gegebenenfalls nach § 34 EStG begünstigt.
Geht der Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge über, fällt diese Übertragung dem Grunde nach unter § 6 Absatz 3 Satz 1 EStG. Dies gilt aber nur dann, wenn sie nach den Grundsätzen des BMF-Schreibens vom 13.01.1993 (IV B 3 – S 2190 – 37/92), Randziffern 4 und 25, als unentgeltlich zu behandeln ist. Dies ist regelmäßig bei lebenslangen Versorgungsleistungen des Übernehmers an den Übergeber im Sinne des § 22 Nummer 1 Satz 1 EStG der Fall.
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2.3. Kein Ausschluss des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland
Übergeber und Übernehmer haben bei einer Betriebsübertragung im Sinne des § 6 Absatz 3 Satz 1 EStG sicherzustellen, dass das übernommene Betriebsvermögen später im Inland der Besteuerung unterliegt.
Beispiel: Vater V mit Wohnsitz in Bonn überträgt seinen 30%igen Mitunternehmeranteil an seinen Sohn S, der in den USA lebt. Eine Übertragung zu Buchwerten scheidet aus, da der Anteil bei einer späteren Veräußerung oder Aufgabe nicht mehr der deutschen Einkommensteuer unterliegen würde. Hier läge vielmehr ein Fall des § 16 Absatz 3a EStG vor.
2.4. Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens
Werden nur einzelne Wirtschaftsgüter eines Betriebsvermögens übertragen, fallen diese Vorgänge unter § 6 Absatz 5 Satz 1 EStG. Übertragungen sind dabei zu Buchwerten möglich, wenn das Wirtschaftsgut
- zwischen zwei Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen übertragen wird,
- zwischen Betriebs- und Sonderbetriebsvermögen übertragen wird, und
- innerhalb einer Mitunternehmerschaft vom Sonderbetriebs- ins Gesamthandsvermögen oder zwischen den Sonderbetriebsvermögen mehrerer Mitunternehmer
übertragen wird. Voraussetzung für die Buchwertfortführung ist auch hier die sichergestellte spätere Besteuerung vorhandener stiller Reserven (§ 6 Absatz 5 Satz 1 Halbsatz 2 EStG).
3. Betriebsübertragungen aus umwandlungsteuerlicher Perspektive
Eine Betriebsübertragung ist neben der einkommen- auch aus umwandlungsteuerlicher Perspektive zu betrachten. Nach § 24 Absatz 1 UmwStG gelten bei der Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in das Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft verschiedene Wahlrechte. Maßgeblich für deren Ausübung ist, dass der Einbringende Mitunternehmer (R 15.8 Absatz 1 EStR) wird.
Dem Grunde nach hat die übernehmende Personengesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 24 Absatz 2 Satz 1 UmwStG). Nach Satz 2 ist ein Ansatz aber auch zu Buchwerten oder darunter möglich, soweit
- das Besteuerungsrecht der BRD mit Blick auf das eingebrachte Betriebsvermögen weder ausgeschlossen noch beschränkt wird,
- der gemeine Wert der über die Gesellschaftsanteile hinaus gewährten Gegenleistungen maximal 25 % des eingebrachten Betriebsvermögens oder EUR 500.000, maximal aber den Buchwert des eingebrachten Vermögens beträgt.
Der Wert, mit dem die Personengesellschaft das Betriebsvermögen ansetzt (§ 24 Absatz 2 Satz 1 oder 2 UmwStG), gilt als Veräußerungspreis. Insoweit ist beim einbringenden Mitunternehmer eine fiktive Veräußerung zu Buchwerten (Gewinn damit in der Regel EUR 0,00) zu versteuern (§ 24 Absatz 3 Satz 1 UmwStG in Verbindung mit § 16 EStG).
4. Exkurs: Erbschaft-, Schenkungs- und Umsatzsteuer bei der Betriebsübertragung
Abseits des Einkommensteuergesetzes gelten für Betriebsübertragungen noch die folgenden Regelungen:
- Erbschaft- und Schenkungsteuer: Die Übertragung von Betriebsvermögen ist ein steuerpflichtiger Vorgang. Er ist gegebenenfalls nach §§ 13a bis 13c ErbStG begünstigt respektive steuerfrei
- Umsatzsteuer: Betriebsübertragungen sind keine steuerbaren Vorgänge, sofern eine Betriebsveräußerung im Ganzen vorliegt (§ 1 Absatz 1a UStG). Dies kann auch bei einem Teilbetrieb der Fall sein. Die Übertragung eines Anteils an einer Personengesellschaft ist unabhängig von der Stellung des Überträgers umsatzsteuerbar, aber steuerfrei (§§ 1 Absatz 1 Nummer 1 und 4 Nummer 8 Buchstabe f UStG)
- Grunderwerbsteuer: Gehört zum übertragenen Betriebsvermögen ein Grundstück, löst die Übertragung mitunter Grunderwerbsteuer aus (§ 1 Absatz 1 Nummer 1 und 3 Satz 1 GrEStG).
Mitunter ist bei der Anwendung des § 6 Absatz 3 EStG der sprichwörtliche „Blick über den Tellerrand hinaus“ unabdingbar. Denn Vermögensübertragungen, zu denen auch die (anteilige) Betriebsübertragung gehört, lösen regelmäßig mehrere steuerliche Tatbestände parallel aus.
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Im Umsatzsteuerrecht ist maßgeblich zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen zu unterscheiden. Das Vorliegen einer solchen ist Voraussetzung für die Umsatzsteuerbarkeit – also die grundlegende Anwendung des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Die Ausführung der Leistung muss außerdem im Inland, durch einen Unternehmer und im Rahmen seines Unternehmens erfolgen. Schauen wir uns etwas genauer an, welche Voraussetzungen zu erfüllen sind!
Inhaltsverzeichnis
1. Rechtsgrundlage: Was sind Lieferungen und sonstige Leistungen?
Die Differenzierung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung ist eine der entscheidendsten im gesamten Umsatzsteuerrecht. Denn nahezu alle Normen (mit Ausnahme der Einfuhr und des innergemeinschaftlichen Erwerbs) bauen auf den entsprechenden Bezeichnungen auf. Dabei sind nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 UStG alle Lieferungen und sonstigen Leistungen, die von einem Unternehmer im Inland ausgeführt werden, steuerbar.
„Steuerbar“ ist dabei klar von „steuerpflichtig“ zu unterscheiden. Denn der Begriff meint lediglich, dass ein Sachverhalt durch seine inländische Belegenheit grundsätzlich in Deutschland zu besteuern ist. Ob der Fiskus von diesem Besteuerungsrecht auch tatsächlich Gebrauch macht, ergibt sich dann aus den Steuerbefreiungen des § 4 UStG – fällt ein Umsatz unter diese Norm, fällt auf ihn ganz oder teilweise keine Umsatzsteuer an.
Neben Lieferungen und sonstigen Leistungen unterliegen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 und 5 UStG auch
- die Einfuhr von Gegenständen ins Inland oder in die österreichischen (Grenz-) Gebiete Jungholz und Mittelberg sowie
- der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen nach § 1a UStG
der Umsatzsteuer.
„Inland“ im Sinne des UStG ist das gesamte Bundesgebiet, allerings ohne die Inseln Helgoland, Büsingen sowie diversen Gewässern und Watten (§ 1 Absatz 2 Satz 1 UStG). Im Umkehrschluss fallen alle anderen Gebiete unter den Begriff des Auslandes. Für Sachverhalte mit Bezug zu anderen Mitglieds- oder Drittstaaten spielt außerdem die Unterscheidung zwischen EU-Ausland und „sonstigem“ Ausland eine Rolle:
- Gemeinschaftsgebiet ist das gesamte Gebiet der Europäischen Union, soweit es nach den entsprechenden Abkommen als solches zu behandeln ist
- Zum „sonstigen“ Ausland gehören alle Gebiete, die weder unter den Begriff des Inlandes noch unter das sonstige Gemeinschaftsgebiet fallen (§ 1 Absatz 2 Satz 3 UStG)
Werfen wir also einen Blick auf die konkreten Unterschiede zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen sowie entsprechenden Grenzfällen!
1.1. Der Leistungsaustausch als Voraussetzung für die Steuerbarkeit
Der Umsatzsteuer unterliegen sämtliche Leistungen eines Unternehmers, aufgeteilt in Lieferungen auf der einen und sonstige Leistungen auf der anderen Seite. Wenngleich das UStG selbst den Begriff des Leistungsaustauschs als solchen nicht kennt, ist das Vorliegen eines solchen zwingende Voraussetzung für die Steuerbarkeit.
Ein Leistungsaustausch besteht nach Abschnitt 1.1. Absatz 1 Satz 1 und 2 UStAE, wenn und soweit
- eine die Leistung erbringende und eine sie empfangende Person vorhanden ist,
- der erbrachten Leistung eine Gegenleistung (Entgelt) gegenübersteht, und
- zwischen beiden Bestandteilen ein direkter Zusammenhang besteht, das Entgelt also für die spezifische Leistung gezahlt oder hingegeben wird.
Reine Geldzahlungen begründen keinen Leistungsaustausch, weil es an einer entsprechenden Gegenleistung fehlt (Abschnitt 1.1. Absatz 3 Satz 2 und 3 UStAE). Selbiges gilt für Schadensersatzleistungen, sofern es sich um „echten Schadensersatz“ handelt (Abschnitt 1.3. Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 UStAE). Hintergrund ist, dass die Geldzahlung nicht als Gegenleistung, sondern der Erfüllung einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung dient. Von einer echten Schadensersatzleistung ist auszugehen, wenn sie der Wiedergutmachung von Schäden dient oder wenn eine Vertragsstrafe zu leisten ist.
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Lieferung oder sonstigen Leistung?
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1.2. Die umsatzsteuerliche Lieferung
Eine Lieferung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes liegt nach § 3 Absatz 1 UStG vor, wenn ein Unternehmer einer anderen Person die Verfügungsmacht über einen körperlichen Gegenstand überträgt (Verschaffung der Verfügungsmacht). Daher liegt eine Lieferung regelmäßig beim Verkauf von Sachen (im Sinne des § 90 BGB) vor, unabhängig davon, ob diese tatsächlich „geliefert“ werden, an Ort und Stelle verbleiben oder der Käufer sie abholt. Maßgeblich ist allerdings der Wille, den Gegenstand mit seinem gesamten Wert, seiner Substanz und den (zukünftigen) Erträgen auf eine andere Person zu übertragen (Abschnitt 3.1. Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 und 2 UStAE).
Ein Sonderfall ergibt sich daher bei der Sicherungsübereignung. Beispiel: Unternehmer U gibt Privatmann P ein Darlehen über EUR 60.000. Als Sicherheit gilt der Wagen des P, den U bei Zahlungsunfähigkeit veräußern darf. Nach Abschnitt 1.2. Absatz 1 Satz 1 UStAE findet die für die Besteuerung maßgebende Lieferung erst bei tatsächlicher Verwertung des Gegenstandes statt. Hier kommt es zu einem „Doppelumsatz“, denn einerseits verkauft der P den Wagen an U, andererseits veräußert ihn U unmittelbar an eine dritte Person weiter (Abschnitt 1.2. Absatz 1 Satz 2 UStAE).
Ob der Ort einer Lieferung im Inland liegt, bestimmt sich nach den folgenden Regelungen:
- Wird der Gegenstand befördert, bestimmt sich der Ort danach, wo die Beförderung beginnt (§ 3 Absatz 6 Satz 1 UStG)
- Gibt es keine Beförderung, verbleibt der Gegenstand bei Übergang des Eigentums also an Ort und Stelle, entspricht dieser auch dem Leistungsort (§ 3 Absatz 7 Satz 1 UStG)
- Gelangt der Gegenstand aus dem Drittland nach Deutschland, liegt der Lieferort im Inland, wenn der liefernde Unternehmer Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) ist (§ 3 Absatz 8 UStG)
In den Fällen der Beförderung ist unerheblich, wer sie übernommen hat. Wer die EUSt schuldet, bestimmt sich nach den Normen für die Einfuhr (§ 21 UStG).
1.3. Sonderfall: das Reihengeschäft nach § 3 Absatz 6a UStG
Schön wäre es, wenn es bei der Lieferung von Person A an Person B bleibt. Dies ist allerdings weder in der Theorie noch in der Praxis häufig der Fall. Meist erschweren komplexe Zusatzvoraussetzungen oder die Durchführung von Lieferungen über Ländergrenzen hinweg die umsatzsteuerliche Behandlung des gesamten Vorgangs. Einer dieser Sonderfälle ist das sogenannte Reihengeschäft, das nach § 3 Absatz 6a Satz 1 UStG vorliegt, wenn
- mehrere Unternehmer
- über einen Gegenstand
- Liefergeschäfte abschließen, und
- der Gegenstand dabei unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangt.
Beispiel: Großhändler G verkauft Kleidung an Zwischenhändler Z, der sie an den uns bereits bekannten Privatmann P weiterveräußert. Die Bestellung des Z bei G geht erst ein, wenn der P bei Z bestellt hat. Aus Vereinfachungsgründen beauftragt Z daher eine Spedition, die die Ware unmittelbar bei G abholt und zum Einfamilienhaus des P transportiert.
Maßgeblich für die weitere steuerliche Behandlung ist die Festlegung der Beförderungslieferung. Bei ihr handelt es sich regelmäßig um die Lieferung des Unternehmers, der den schlussendlichen Versand veranlasst (§ 3 Absatz 6a Satz 3 und 4 UStG). Hier hat der Z den Transport veranlasst; daher ist die Lieferung an ihn die Beförderungslieferung („bewegte Lieferung“). Der Verkauf von Z an P ist entsprechend eine „ruhende Lieferung“.
Es kann immer nur eine bewegte Lieferung geben! Auch wenn – im Extremfall – 10 Unternehmer ins Reihengeschäft eingebunden sind, ist die Beförderungslieferung nur demjenigen zuzuordnen, der die Beförderung auch tatsächlich veranlasst. Im genannten Fall lägen also 9 ruhende Lieferungen vor.
Für die Ortsbestimmung gilt:
- Die bewegte Lieferung wird nach § 3 Absatz 6 Satz 1 UStG am Beginn der Beförderung bewirkt
- Die ruhende Lieferung wird nach § 3 Absatz 7 Satz 2 UStG am Beginn der Beförderung bewirkt, wenn sie der bewegten Lieferung vorausgeht. Folgt die ruhende hingegen der bewegten Lieferung, wird sie am Zielort bewirkt
1.4. Die sonstige Leistung
Unter die sonstigen Leistungen fallen nach § 3 Absatz 9 UStG sämtliche Leistungen, die keine Lieferungen sind. Demnach sind insbesondere
- die Erbringung von Dienstleistungen jeglicher Art,
- die Überlassung beweglicher Gegenstände,
- die Vermietung oder zeitlich beschränkte Übertragung von Lizenzen, und
- die Vermietung von Grundstücken und Immobilien
sonstige Leistungen im steuerlichen Sinne. Auch in der Praxis bietet sich die Negativabgrenzung an; im ersten Schritt prüfen Sie also das Vorliegen einer Lieferung.
Sonstige Leistungen werden dort ausgeführt, wo der leistende Unternehmer sein Unternehmen betreibt (§ 3a Absatz 1 UStG). Erfolgt die Leistungserbringung an einen anderen Unternehmer (B2B), liegt der Leistungsort beim Empfänger (§ 3a Absatz 2 UStG). Für bestimmte Umsätze gelten unabhängig von den genannten Vorschriften weitere Sonderregeln, unter anderem:
- Sonstige Leistungen in Zusammenhang mit Grundstücken (vor allem Vermietungsleistungen) werden dort ausgeführt, wo das Grundstück liegt (§ 3a Absatz 3 Nummer 1 Satz 1 UStG)
- Die Vermietung von Beförderungsmitteln findet dort statt, wo das Beförderungsmittel dem Empfänger tatsächlich übergeben wird (§ 3a Absatz 3 Nummer 2 UStG)
- Kulturelle, künstlerisch und unterrichtende Leistungen sowie die Abgabe von Speisen und Getränken finden am Ort der tatsächlichen Erbringung statt (§ 3a Absatz 3 Nummer 3 UStG)
In § 3a Absatz 4 Satz 1 UStG finden sich weitere Regelungen für die Erbringung sonstiger Leistungen an Privatpersonen, die ihren Wohnsitz im Drittlandsgebiet unterhalten. Unter anderem die Übertragung von Rechten, Personalgestellungen, Vermietungen von Beförderungsmitteln und rechtsberatende Tätigkeiten werden in diesen Fällen im Drittland ausgeübt.
Beispiel: Der Münchner Steuerberater S berät einen Mandanten aus der Schweiz. Die sonstige Leistung ist nicht steuerbar, da der Ort nach § 3a Absatz 4 Satz 2 Nummer 3 UStG in der Schweiz liegt (§ 1 Absatz 1 Nummer 1 UStG).
1.5. Sonderfälle: Werklieferung und Werkleistung
Mit Werklieferungen und Werkleistungen kennt das Umsatzsteuergesetz zwei Sonderfälle der Lieferung respektive sonstigen Leistung. Betroffen sind Sachverhalte, in denen der leistende Unternehmer die für seine Leistung benötigten Stoffe
- ganz oder teilweise selbst beschafft oder
- vom Leistungsempfänger oder einer anderen Person beschaffen (beistellen) lässt.
In der Praxis treffen die entsprechenden Normen zum Beispiel auf Bauunternehmer zu. Der Bauunternehmer übernimmt zwar den Aufbau der Immobilie mit eigenen Maschinen, erhält die benötigten Materialien aber vom Kunden.
Es stellt sich also die Frage, ob die vom (Bau-) Unternehmer erbrachte Leistung als Lieferung oder als sonstige Leistung zu behandeln ist. Die hier vorliegende Abgrenzungsproblematik löst der Gesetzgeber mit § 3 Absatz 4 und 10 UStG:
- Verwendet der leistende Unternehmer Stoffe, die er selbst beschafft oder deren Beschaffung er veranlasst, so ist eine den Lieferungen gleichgestellte Werklieferung gegeben (§ 3 Absatz 4 UStG). Ungeschriebene, aber entscheidende Voraussetzung ist, dass der Unternehmer mindestens einen für den fertigen Gegenstand wesentlichen Stoff (Hauptstoff) verwendet (Abschnitt 3.8. Absatz 1 Satz 1 UStAE). Besteht ein Werk aus mehreren Hauptstoffen, liegt eine Werklieferung bereits vor, wenn der Unternehmer lediglich einen davon selbst beschafft hat
- Sind die Voraussetzungen des § 3 Absatz 4 UStG nicht erfüllt, handelt es sich bei der Leistung des Unternehmers um eine Werkleistung nach § 3 Absatz 10 UStG, die den sonstigen Leistungen gleichgestellt ist. Praktisch ist dieser Fall insbesondere dann gegeben, wenn der leistende Unternehmer nur Nebensachen beschafft, die Hauptstoffe aber durch den Kunden zur Verfügung gestellt werden (Abschnitt 3.8. Absatz 1 Satz 3 UStAE)
Soweit der leistende Unternehmer Abfallprodukte oder Nebenerzeugnisse an den Kunden zurückgeben muss, beschränkt sich die (Werk-) Lieferung auf den tatsächlich verarbeiteten und somit beim Kunden verbleibenden Teil der Materialien (§ 3 Absatz 5 Satz 1 UStG).
2. Fiktive Lieferung und sonstige Leistung bei Entnahme
Einkommensteuerlich führen Entnahmen zu einer Gewinnerhöhung, um zu vermeiden, dass Unternehmer einen Betriebsausgabenabzug für am Ende privat genutzte Gegenstände erhalten (§ 4 Absatz 1 Satz 2 EStG). Selbiges gilt im Umsatzsteuerrecht mit Blick auf einen (dann ungerechtfertigten) Vorsteuerabzug nach § 15 UStG. Die im Folgenden genannten Normen greifen also nur, sofern der entsprechende Leistungsbezug ganz oder teilweise zum Abzug der Vorsteuer berechtigt hat.
Die Entnahme eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes in das Privatvermögen des Unternehmers gilt nach § 3 Absatz 1b Satz 1 Nummer 1 UStG als Lieferung. Für die Ortsbestimmung gelten die üblichen Vorschriften. Eine Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs – etwa durch die Behandlung als rückwirkendes Ereignis nach § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 AO – ist obsolet, da die gewünschte steuerliche Folge durch die Vollversteuerung der Entnahme eintritt.
Nach § 3 Absatz 9a UStG werden außerdem die folgenden Handlungen als sonstige Leistungen behandelt:
- Die Verwendung eines Gegenstandes, der dem Unternehmen zugeordnet ist, für Zwecke außerhalb des Unternehmens; hierzu gehört auch der private Bedarf des beim Unternehmen beschäftigten Personals
- Die unentgeltliche Erbringung einer sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke außerhalb des Unternehmens
Jeweils ausgenommen sind sogenannte Aufmerksamkeiten. Sie sind beispielsweise bei üblichen Gelegenheitsgeschenken oder Betriebsfeiern gegeben; derartige Vorgänge lösen (noch) keine Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Absatz 9a Satz 1 Nummer 1 UStG aus.
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3. Der innergemeinschaftliche Erwerb als „besondere“ Lieferung
Auch der innergemeinschaftliche Erwerb (igE) unterliegt nach § 1 Absatz 1 Nummer 5 UStG der Besteuerung. Er stellt de facto eine Lieferung dar, die aber – abweichend vom uns bekannten Grundprinzip – beim Empfänger anstelle des leistenden Unternehmers der Besteuerung unterliegt. Nach § 1a Absatz 1 UStG liegt ein igE vor, wenn
- ein Gegenstand bei der Lieferung aus dem Gebiet des einen in das Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates gelangt,
- sowohl Erwerber als auch Lieferer sind Unternehmer im Sinne des § 2 Absatz 1 UStG,
- die Lieferung im Rahmen des Unternehmens des Lieferers erfolgt und für unternehmerische Zwecke des Empfängers durchgeführt wird, sowie
- keine Steuerbefreiung nach § 19 UStG – respektive der entsprechenden Regelung im anderen Mitgliedsstaat – greift.
Dem innergemeinschaftlichen Erwerb ist das Verbringen gleichgestellt (§ 1a Absatz 2 UStG). Dieser Tatbestand ist erfüllt, wenn der Unternehmer den Gegenstand im EU-Ausland für sein Unternehmen erwirbt, ihn im Anschluss aber selbst über die Grenze befördert. Nach § 3d Absatz 1 UStG befindet sich der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs – abweichend von der originären Lieferung – dort, wo die Beförderung endet.
Rechtlicher Hintergrund: Im innergemeinschaftlichen Warenverkehr gelten zahlreiche Steuerbefreiungen, so etwa für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b UStG). Auf der anderen Seite muss der Empfänger dann den innergemeinschaftlichen Erwerb versteuern. Soweit dieser für unternehmerische Zwecke erfolgt, ist ein Vorsteuerabzug möglich (§ 15 Absatz 1 Nummer 3 UStG).
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- Beurteilung der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs
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- Entwicklung von Verteidigungsstrategien gegenüber der Finanzverwaltung bei Einspruchsverfahren, Betriebsprüfungen, FG-Klageverfahren und BFH-Revisionsverfahren
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Eine Betriebsaufspaltung entsteht, wenn zwischen dem Betriebsvermögen einer GmbH und dem Privatvermögen des dahinterstehenden Anteilseigners sachliche und personelle Verflechtung vorliegen. Dabei ist besonders die Auflösung der Betriebsaufspaltung problematisch, denn sie führt mitunter zur Versteuerung aller in der GmbH „schlummernden“ stillen Reserven. Wir zeigen vier Möglichkeiten auf, mit denen die Betriebsaufspaltung ohne steuerliche Folgen neutralisiert werden kann!
Inhaltsverzeichnis
1. Ausgangsfall und Problematik: Steuerlast bei Auflösung der Betriebsaufspaltung
Mit der Betriebsaufspaltung hat der BFH, unter anderem mit Urteil vom 17.11.2020, I R 72/16, ein so nicht im Einkommen- oder Körperschaftsteuergesetz zu findendes steuerliches Rechtsinstitut entwickelt. Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn zwischen einer Kapitalgesellschaft und dem jeweiligen Anteilseigner einerseits eine sachliche und andererseits eine personelle Verflechtung besteht. Diese Voraussetzungen sind in folgendem Fall erfüllt (R und H 15.7 Absatz 4 bis 8 EStH):
- Sachliche Verflechtung: Der Gesellschafter überlässt ein Wirtschaftsgut, das aus Sicht der Kapitalgesellschaft eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellt, entgeltlich oder unentgeltlich an diese („seine“) Gesellschaft
- Personelle Verflechtung: Der das Wirtschaftsgut überlassende Gesellschafter beherrscht sowohl die Kapitalgesellschaft und kann gleichzeitig alleine über das entsprechende Wirtschaftsgut verfügen
Beispiel: Sie sind an Ihrer GmbH mit 100 % beteiligt. Nun vermieten Sie eine Ihnen gehörende Immobilie, die sich im Privatvermögen befindet, an die GmbH. Die Immobilie stellt eine wesentliche Betriebsgrundlage dar (BFH vom 23.05.2000, VII R 11/99). Gleichzeitig beherrschen Sie sowohl die Gesellschaft als auch die Immobilie – es entsteht eine Betriebsaufspaltung.
Auf Ebene der Privatperson entsteht nun ein weiteres Einzelunternehmen, das sogenannte Besitzunternehmen. In dieses sind neben der Immobilie auch die Anteile an der GmbH (steuerneutral) nach §§ 4 Absatz 1 Satz 8 und 6 Absatz 1 Nummer 5 EStG einzulegen. Vermietungseinkünfte werden nach § 21 Absatz 3 EStG zu gewerblichen Einkünften; selbiges gilt nach § 20 Absatz 8 Satz 1 EStG für originäre Kapitalerträge aus den eingelegten Anteilen.
2. Vier Möglichkeiten zur steuerneutralen Auflösung der Betriebsaufspaltung
In aller Regel entsteht eine Betriebsaufspaltung aus Unwissenheit oder durch Unachtsamkeiten bei der Ausgestaltung von Vertragsbeziehungen. Die eigentliche „Katastrophe“ folgt allerdings erst bei Auflösung der Betriebsaufspaltung, da der gesamte Wert der Kapitalgesellschaft der regulären Einkommensbesteuerung unterliegt. Das Problem besteht vor allem darin, dass die Gesellschaft weder verkauft noch tatsächlich aufgelöst wurde – und es dem Gesellschaft dadurch an der notwendigen Liquidität fehlt.
Ist das sprichwörtliche Kind also einmal in den Brunnen gefallen, kommt es darauf an, es dort auch wieder herauszubekommen. Wir haben vier Gestaltungsmöglichkeiten zur steuerlich neutralen Auflösung einer Betriebsaufspaltung entwickelt:
- Steuerneutrale Einbringung des Besitzunternehmens in die bestehende GmbH
- Umwandlung des Besitzunternehmens in eine weitere GmbH (Holding-Gesellschaft)
- Umwandlung des Besitzunternehmens in eine GmbH & Co. KG
- Gründung einer atypisch stillen Gesellschaft durch (weitere, stille) Beteiligung an der GmbH
Haben Sie Fragen zur
nachträglichen Auflösung einer Betriebsaufspaltung?
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2.1. Die steuerneutrale Einbringung des Besitzunternehmens in die GmbH
Bei der Betriebsaufspaltung sind Betriebs- der GmbH und originäres Privatvermögen des Gesellschafters über ein weiteres Einzelunternehmen faktisch untrennbar verbunden. Eine steuerneutrale Auflösung der Betriebsaufspaltung ist entsprechend möglich, indem aus bislang zwei Betriebsvermögen ein gemeinsames wird. Hierzu erfolgt eine Einbringung des Besitzunternehmens in die Kapitalgesellschaft, die die Betriebsaufspaltung begründet.
Eine solche Einbringung ist nach § 20 Absatz 1 und 2 Satz 2 UmwStG zu Buchwerten und damit ohne Aufdeckung stiller Reserven möglich. Wichtig hierbei sind insbesondere folgende Punkte:
- Der Gesellschafter muss neue Anteile an der GmbH erhalten. Regelmäßig erfolgt daher eine Kapitalerhöhung gegen Einbringung des Einzelunternehmens, sodass das Stammkapital der GmbH beispielsweise auf EUR 25.001 erhöht wird
- Das Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich des Einzelunternehmens gewahrt bleiben; die Einbringung in eine ausländische Kapitalgesellschaft scheidet also aus
Besonders versierte Leser könnten das Problem hier bereits erkannt haben: Auch die Anteile an der bestehenden GmbH sind Teil des Betriebsvermögens im Besitzunternehmen. Nach dem Wortlaut des § 20 Absatz 1 UmwStG müssten Sie daher die GmbH-Anteile in die GmbH selbst einbringen. Da dies aber rein faktisch unmöglich ist, hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Schreiben vom 10.11.2016 (UmwStE), Randziffern 01.44 fort folgende, eine entsprechende Ausnahme gebilligt.
Das vorgestellte Gestaltungsmodell ist zwar vergleichsweise sicher, die wesentliche Betriebsgrundlage befindet sich allerdings im Haftungsvermögen der GmbH. Außerdem löst die Einbringung regelmäßig Grunderwerbsteuer, die in Nordrhein-Westfalen etwa bei 6,5 % liegt, aus (§ 1 Absatz 1 Nummer 1 GrEStG). Für den Einbringungsvorgang gilt eine Sperrfrist von sieben Jahren, innerhalb derer die erhaltenen Anteile im Besitz des Gesellschafters verbleiben müssen (§ 22 Absatz 1 Satz 1 UmwStG). Eine Veräußerung löst die rückwirkende Einbringung des Besitzunternehmens zu Buchwerten mit Versteuerung aller Teilwerte aus, § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 AO.
2.2. Umwandlung des Einzelunternehmens in eine Holding-Gesellschaft
Auch durch die Umwandlung des Besitzunternehmens in eine Holding-GmbH ist eine steuerneutrale Auflösung der Betriebsaufspaltung möglich. Dabei erfolgt im ersten Schritt die Gründung der GmbH, in die im zweiten Schritt das Einzelunternehmen eingebracht wird. Auch hier gelten die Grundsätze der §§ 20 und 22 UmwStG. Die Beteiligung an der operativen GmbH, die bislang Teil des Betriebsvermögens des Besitzunternehmens war, befindet sich nun im Betriebsvermögen der Holding.
Dadurch lassen sich alle Vorteile einer Holding-Struktur nutzen, unter anderem
- die Besteuerung von Ausschüttungen und Verkaufsgewinnen auf Ebene der Holding mit maximal 1,5 % (§ 8b KStG),
- die Gewerbesteuerfreiheit der Einkünfte, wenn die Beteiligung an der operativen Gesellschaft mindestens 15 % beträgt (§ 9 Nummer 2a GewStG) und
- die haftungsrechtliche Trennung der Betriebsvermögen beider Gesellschaften; insbesondere die wesentliche Betriebsgrundlage stellt kein Vermögen der operativen GmbH dar
Eine „echte“ Auflösung der Betriebsaufspaltung kann durch dieses Modell nicht erfolgen, da sachliche und personelle Verflechtung nun zwischen Holding (Besitzunternehmen) und operativer Gesellschaft bestehen. Die steuerlichen Auswirkungen sind allerdings weit weniger problematisch.
Auch dieser Vorgang löst Grunderwerbsteuer aus. Außerdem gilt die siebenjährige Sperrfrist des § 22 Absatz 1 Satz 1 UmwStG.
2.3. Auflösung der Betriebsaufspaltung durch Umwandlung in GmbH & Co. KG
Im dritten Modell wird das bestehende Besitzunternehmen – steuerneutral nach § 24 Absatz 2 Satz 2 UmwStG – in eine GmbH & Co. KG (Personengesellschaft) eingebracht. Dadurch entsteht in erster Linie eine „Absicherung“ der Betriebsaufspaltung, da eine versehentliche Auflösung – etwa durch den Verkauf nur der Immobilie – keine Entnahme und Versteuerung des Teilwerts der GmbH-Anteile auslösen kann. Nach der Umwandlung ist die GmbH & Co. KG an der operativen Gesellschaft beteiligt; in der Regel mit 100 %.
Mangels Rechtsträgerwechsel löst dieser Vorgang keine Grunderwerbsteuer (sofern es sich bei der wesentlichen Betriebsgrundlage überhaupt um eine Immobilie handelt) aus. Bei einer Veräußerung der GmbH-Anteile aus dem Gesamthandsvermögen der KG verbleibt die Immobilie in diesem; selbiges gilt für die Anteile im Falle eines Immobilienverkaufs. Außerdem ist eine Übertragung der GmbH & Co. KG (entgeltlich wie unentgeltlich) jederzeit möglich.
Bei der GmbH & Co. KG handelt es sich um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft nach § 15 Absatz 3 Nummer 2 EStG. Alle Einkünfte sind damit solche aus Gewerbebetrieb; Gewinnausschüttungen der operativen GmbH allerdings nur zu 60 % zu versteuern (§ 3 Nummer 40 Buchstabe d EStG).
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2.4. Gründung einer atypisch stillen Gesellschaft
Die vierte und letzte Alternative besteht in der Gründung einer atypisch stillen Gesellschaft. Die natürliche Person (Einzelunternehmer/Besitzunternehmer) beteiligt sich dabei atypisch still an der operativen GmbH. Sowohl die GmbH-Anteile als auch die wesentliche Betriebsgrundlage, de facto also das gesamte Betriebsvermögen des Einzelunternehmens, bleiben dabei zunächst in dieser betrieblichen Sphäre (R 4.2 Absatz 1 EStR).
Die Vorteile der im Vorfeld (während die Betriebsaufspaltung noch besteht) gegründeten, atypisch stillen „Zusatzgesellschaft“ kommen erst bei einer Übertragung von Wirtschaftsgütern zum Tragen.
Verkauft der Gesellschafter beispielsweise den GmbH-Anteil, führt dies zur Auflösung der Betriebsaufspaltung (so etwa BFH vom 29.11.2017, X R 8/16). Für die ebenfalls im Betriebsvermögen des Besitzunternehmens befindliche wesentliche Betriebsgrundlage ist aber nach § 6 Absatz 5 Satz 2 EStG eine der Überführung ins Privatvermögen vorgehende, steuerneutrale Übertragung in das Sonderbetriebsvermögen (SBV) des Gesellschafters bei der atypisch stillen (Zusatz-) Gesellschaft möglich (Kahle in Frotscher/Geurts, Anhang 2 zu § 15 EStG, Randziffer 261).
Entsprechendes gilt auch bei der Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlage selbst, sodass die steuerlichen Folgen einer Entnahme (Aufdeckung der stillen Reserven) durch Fortführung der Buchwerte vermieden werden können.
Beispiel: Zwischen A und der A-GmbH besteht eine Betriebsaufspaltung. Die sachliche Verflechtung ist durch die Vermietung eines Verwaltungsgebäudes durch A an seine GmbH entstanden. Würde A sich nun entscheiden, die Immobilie anderweitig zu nutzen, fällt die sachliche Verflechtung weg und es kommt zur Auflösung der Betriebsaufspaltung. Alle stillen Reserven in Immobilie und GmbH-Beteiligung sind mit bis zu 45 % (zuzüglich Solidaritätszuschlag) zu versteuern.
Alternative: Wie der Ausgangsfall, A hat sich aber bereits vor der Nutzungsänderung dazu entschieden, eine atypisch stille Beteiligung an der A-GmbH zu erwerben. Durch den Wegfall der sachlichen Verflechtung endet die Betriebsaufspaltung. Die GmbH-Beteiligung geht aber nicht ins Privat-, sondern in das Sonderbetriebsvermögen des A über. So entsteht keinerlei Aufgabe- oder Entnahmegewinn.
3. Fazit: Betriebsaufspaltung von vornherein vermeiden!
Besser als die nachträgliche Auflösung einer Betriebsaufspaltung ist eine besonders sorgfältige Vorgehensweise von Anfang an. Mit einer Ehegatten-GbR können Gesellschafter etwa ihre private Immobilie an die GmbH vermieten, ohne dass eine personelle Verflechtung vorliegt. Wichtig, eher sogar essentiell, ist aber, dass derartige Schritte bereits im Vorfeld unternommen werden!
Steuerberater für die Vermeidung von Betriebsaufspaltungen
Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die steuerrechtliche Gestaltungsberatung im GmbH-Steuerrecht spezialisiert. Unter anderem bei der Auflösung und Neutralisierung einer Betriebsaufspaltung schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:
- Strategische Beratung bei Kapitalgesellschaften (Erwerb eigener Anteile, disquotale Gewinnausschüttung, Organschaft, Holdingstrukturen)
- Vermeidung von Betriebsaufspaltungen durch Ausarbeitung der richtigen Gesellschaftsstruktur (etwa durch zusätzliche Gründung einer Ehegatten-GbR)
- Beratung zu sämtlichen Umwandlungsvorgängen (Einbringung, Verschmelzung, Formwechsel, Anteilstausch)
- Ausarbeitung von Vermeidungsstrategien für den Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO
Hierzu stehen Ihnen unsere Steuerberater und Rechtsanwälte an den Standorten Köln und Bonn gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Zudem beraten wir deutschlandweit per Telefon und Videokonferenz:
Beim innergemeinschaftlichen Erwerb ergeben sich unter anderem mit Blick auf die Steuerschuldnerschaft einige Besonderheiten. Denn diese liegt grundsätzlich beim Empfänger der Lieferung, während der Absender eine steuerfreie Leistung erbringt. Schauen wir uns den in § 1a UStG geregelten innergemeinschaftlichen Erwerb, seine Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen sowie diverse Sonderfälle einmal etwas genauer an!
Inhaltsverzeichnis
1. Rechtliche Grundlage: Was ist ein innergemeinschaftlicher Erwerb?
Der innergemeinschaftliche Erwerb (igE) unterliegt nach § 1 Absatz 1 Nummer 5 UStG der Umsatzsteuer, sofern und soweit er im Inland bewirkt wird. Doch was ist eigentlich ein innergemeinschaftlicher Erwerb?
Werfen wir hierzu einen Blick in § 1a Absatz 1 UStG. Demnach liegt ein igE vor, wenn
- ein Gegenstand bei einer Lieferung vom einen in den anderen Mitgliedstaat gelangt,
- der Erwerber ein Unternehmer im Sinne des § 2 Absatz 1 UStG ist,
- dieser den Gegenstand für sein Unternehmen zu verwenden beabsichtigt und
- der Lieferer ebenfalls Unternehmer ist, der die Lieferung im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
Nach § 1a Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe b UStG darf der Lieferer außerdem kein Kleinunternehmer im Sinne des § 19 UStG sein. Da durch die Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MWStSystRL) einheitliche Umsatzsteuergesetze in allen Mitgliedsstaaten gelten, kennen auch diese den Begriff des Kleinunternehmers.
Mit § 1a UStG erfasst der Gesetzgeber also grenzüberschreitende B2B-Warenumsätze. Betroffen sind ausschließlich Unternehmer, da für den innergemeinschaftlichen Warenhandel mit Privatpersonen eigene Vorschriften gelten. Neben einer direkten Beförderung des Wirtschaftsgutes aus Mitgliedsstaat 1 in Mitgliedsstaat 2 liegt ein innergemeinschaftlicher Erwerb auch dann vor, wenn der Gegenstand ursprünglich aus einem Drittland (beispielsweise der Schweiz) stammt, im Mitgliedsstaat, den er als erstes erreicht, aber der Einfuhrumsatzsteuer unterliegt (Abschnitt 1a.1 Absatz 1 Satz 4 UStAE).
Beispiel: Waren werden aus der Schweiz über ein österreichisches Zwischenlager nach Deutschland geliefert; der Zwischenhändler ist österreichischer Unternehmer. Er hat auf die Lieferung aus der Schweiz Einfuhrumsatzsteuer entrichtet. Aus deutscher Sicht liegt durch den Einkauf aus Österreich ein innergemeinschaftlicher Erwerb vor.
Abwandlung: Wie das eigentliche Beispiel, die Waren werden bei Einfuhr nach Österreich allerdings nicht mit Einfuhrumsatzsteuer belastet. Entsprechend liegt kein innergemeinschaftlicher Erwerb vor, der deutsche Unternehmer löst aber eine Besteuerung der Einfuhr ins Gemeinschaftsgebiet (§ 1 Absatz 1 Nummer 4 UStG) aus.
1.1. Grenzüberschreitende Beförderung eines Gegenstandes
Kernvoraussetzung des § 1a Absatz 1 Nummer 1 UStG ist die Beförderung eines Gegenstandes. Gegenstände im Sinne der Norm sind alle Sachen, die nach § 90 BGB als solche anzusehen sind. Auch Tiere, die zwar keine Gegenstände im rechtlichen Sinne sind, aber entsprechend behandelt werden, können bei einer grenzüberschreitenden Beförderung der Umsatzbesteuerung in Form eines innergemeinschaftlichen Erwerbs unterfallen (§ 90a BGB, Abschnitt 3.1 Absatz 1 Satz 1 und 2 UStAE).
Explizit ausgenommen sind hingegen Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz sowie von Elektrizität, auch wenn es sich bei ihnen dem Grunde nach um Gegenstände handelt (§ 3g Absatz 3 UStG, Abschnitt 1a.1 Absatz 1 Satz 7 UStAE).
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1.2. Verwendung für unternehmerische Zwecke
Die in § 1a Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a UStG normierte Voraussetzung der „unternehmerischen Nutzung“ stellt auf das generelle Zuordnungsgebot im Umsatzsteuerrecht ab. Es ist im Kern in Abschnitt 15.2c Absatz 2 Satz 1 UStAE geregelt und basiert neben der Verwaltungsauffassung auch auf der laufend fortentwickelten Rechtssprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Zu unterscheiden ist demnach zwischen Zuordnungsgebot, Zuordnungsverbot und Zuordnungswahlrecht:
- Zuordnungsgebot: Lieferungen und sonstigen Leistungen (damit auch innergemeinschaftlich erworbene Wirtschaftsgüter) sind in vollem Umfang dem Unternehmensvermögen zuzuordnen, wenn sie ausschließlich betrieblich genutzt werden (A 15.2c Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe b UStAE)
- Zuordnungsverbot: Die Zuordnung zum Unternehmensvermögen ist ausgeschlossen, wenn die unternehmerische Nutzung eines einheitlichen Gegenstandes weniger als 10 % (Prognoseentscheidung) beträgt (§ 15 Absatz 1 Satz 2 UStG und Abschnitt 15.2c Absatz 1 Satz 3 UStAE)
- Zuordnungswahlrecht: Beabsichtigt der Unternehmer eine Verwendung sowohl für unternehmerische als auch für nichtunternehmerische (private) Zwecke, hat er ein Zuordnungswahlrecht (Abschnitt 15.2c Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe b UStAE)
Die hiesigen Ausführungen betreffen ausschließlich einheitliche, also nicht aufteilbare, Gegenstände und Leistungen (zum Beispiel Fahrzeuge, Grundstücke und EDV). Bei vertretbaren Sachen kann eine präzise Aufteilung in „unternehmerisch“ und „nichtunternehmerisch“ erfolgen, sodass keine Zuordnung mehr erforderlich ist (Abschnitt 15.2c Absatz 2 Satz 1 UStAE).
Beispiel: Der Unternehmer tankt 120 Liter Super pro Woche. Hiervon entfallen – nachweislich – 40 Liter auf das private Fahrzeug der Ehefrau. Die übrigen 80 Liter werden für das im Betriebsvermögen liegende Kfz bezogen.
Für die Anwendung des § 1a UStG ist also entscheidend, dass der Unternehmer den erworbenen Gegenstand zu mindestens 10 % unternehmerisch nutzt. Erwirbt er vertretbare Sachen, liegt nur insoweit ein innergemeinschaftlicher Erwerb vor, als diese für die unternehmerische Tätigkeit beschafft werden.
1.3. Ausnahmen und Erwerbsschwelle
Nach § 1a Absatz 3 UStG ist kein innergemeinschaftlicher Erwerb zu versteuern, selbst wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen. Hierzu muss einer der folgenden Fälle gegeben sein:
- Der Erwerber ist ein Unternehmer, der nur steuerfreie Umsätze ausführt, für die er nach § 15 Absatz 2 Nummer 1 UStG keinen Vorsteuerabzug beanspruchen kann. Dies ist der Fall bei Umsätzen im Sinne des § 4 UStG, mit Ausnahme der Nummern 1 bis 7
- Beim Erwerber handelt es sich um einen umsatzsteuerlichen Kleinunternehmer im Sinne des § 19 Absatz 1 UStG; verzichtet der Unternehmer auf die Kleinunternehmerregelung, findet § 1a Absatz 1 UStG Anwendung
- Der Erwerber erwirbt den Gegenstand für Umsätze, die der Besteuerung nach Durchschnittssätzen (§ 24 UStG) unterliegen
Außerdem muss die sogenannte Erwerbsschwelle im vorangegangenen Kalenderjahr unterschritten worden sein und darf im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht überschritten werden. Die Erwerbsschwelle liegt bei EUR 12.500 (§ 1a Absatz 3 Nummer 2 UStG); einzubeziehen sind alle innergemeinschaftlichen Erwerbe im Sinne des § 1a Absatz 1 und 2 UStG.
Nach § 1a Absatz 5 UStG ist Absatz 3 weder auf den Erwerb neuer Fahrzeuge noch auf verbrauchssteuerpflichtige Waren (Alkohol, Tabak, Mineralöle) anzuwenden. Zudem kann auch ein Kleinunternehmer im Sinne des § 19 Absatz 1 UStG oder ein solcher, der nur steuerfreie Umsätze erzielt, auf die Anwendung des § 1a Absatz 3 UStG verzichten (Option). Die Ausübung dieses Optionsrechts erfolgt durch Verwendung der Umsatzsteuer-ID gegenüber dem Lieferer; sie bindet den Erwerber für wenigstens zwei Jahre (§ 1a Absatz 4 UStG).
1.4. Ort und Bemessungsgrundlage beim innergemeinschaftlichen Erwerb
Der innergemeinschaftliche Erwerb wird nach § 3d Satz 1 UStG am Ende der Beförderung, regelmäßig also in Deutschland, bewirkt. Etwas anderes gilt nur, wenn der Lieferer gegenüber dem Erwerber eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet, die ihm von einem anderen Mitgliedsstaat erteilt wurde (§ 3d Satz 2 UStG).
Beispiel: Ein italienischer Unternehmer (U) versendet Waren an die österreichische Betriebsstätte eines deutschen Einzelhändlers (E). E verwendet gegenüber U seine deutsche USt-ID. Die Beförderung endet damit zwar in Österreich; durch § 3d Satz 2 UStG gilt der innergemeinschaftliche Erwerb allerdings als in Deutschland bewirkt. Er unterliegt nach § 1 Absatz 1 Nummer 5 UStG hier der Besteuerung, bis E die Versteuerung als igE in Österreich nachweist.
Die Höhe der Umsatzsteuer (19 % oder 7 %) richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen des § 12 Absatz 1 und 2 UStG. Bemessungsgrundlage ist der Gesamtwert der Gegenleistung des Empfängers, regelmäßig also der Rechnungsbetrag (§ 10 Absatz 1 Satz 1 und 2 UStG). Da beim Lieferer analog zu § 4 Nummer 1 Buchstabe b UStG eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vorliegt, ist die Rechnung „netto“ auszustellen (§ 14 Absatz 4 Nummer 8 Alternative 2 UStG).
Ausnahme: Der innergemeinschaftliche Erwerb ist nach § 4b steuerfrei. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn der Unternehmer den erworbenen Gegenstand für eine steuerfreie innergemeinschaftliche oder Ausfuhrlieferung zu verwenden beabsichtigt (§ 4b Nummer 4 in Verbindung mit § 15 Absatz 3 Nummer 1 UStG). Diese Verwendung muss im Zeitpunkt des Erwerbs bereits feststehen (Abschnitt 4b.1 Absatz 3 UStAE).
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2. Das innergemeinschaftliche Verbringen nach § 1a Absatz 2 UStG
Mit dem innergemeinschaftlichen Verbringen kennt § 1a Absatz 2 UStG einen Sonderfall des innergemeinschaftlichen Erwerbs. Ein solcher ist gegeben, wenn der Unternehmer
- einen Gegenstand zu seiner Verfügung
- aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet (Ausgangsmitgliedsstaat) in das Inland (Bestimmungsmitgliedsstaat) befördert und
- ihn im Bestimmungsland nicht nur vorübergehend verwendet.
Der Gegenstand wird also unmittelbar oder mittelbar im Ausland erworben und – anders als beim originären innergemeinschaftlichen Erwerb – durch den Unternehmer selbst über die Grenze gebracht. „Zu seiner Verfügung“ ist dabei gleichzusetzen mit „für eigene unternehmerische Zwecke“; befördert der Unternehmer den Gegenstand für eine andere (dritte) Person, erbringt er hiermit lediglich eine sonstige Leistung. Der originär erwerbende Unternehmer hat einen innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 1a Absatz 1 UStG zu versteuern.
Beispiel: Bauunternehmer B entdeckt im Familienurlaub in Italien eine perfekt zu seinem Betrieb passende Säge. Er entscheidet sich kurzerhand dazu, sie dort zu erwerben und nach der Rückreise betrieblich zu verwenden. B bewirkt einen innergemeinschaftlichen Erwerb durch Verbringen (§ 1a Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 1 UStG).
Abwandlung: Ein Freund des B, Privatmann P, ist ebenfalls mit seiner Familie in Italien. B beauftragt den P damit, die Kreissäge für ihn über die Grenze zu transportieren. B bewirkt einen originären innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 1a Absatz 1 UStG, während P eine reine Transportleistung erbringt.
Eine „nicht nur vorübergehende Verwendung“ liegt vor, wenn der Gegenstand im Inland entweder dem Anlagevermögen zugeführt oder als Roh- respektive Hilfsstoff verbraucht wird (Abschnitt 1a.2 Absatz 5 Satz 2 UStAE). Ist eine nur vorübergehende Verwendung beabsichtigt und geht der Gegenstand unter, wird die vorübergehende Verwendung zu einer dauerhaften (Abschnitt 1a.2 Absatz 11 Satz 2 UStAE).
Andersherum (Verbringen aus dem Inland ins übrige Gemeinschaftsgebiet) gilt selbiges; § 3 Absatz 1a UStG. Eine solche Lieferung ist steuerfrei (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b in Verbindung mit § 6a Absatz 2 UStG).
3. Sonderfall: Innergemeinschaftlicher Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch Privatpersonen
Erwirbt ein Unternehmer ein Fahrzeug aus einem anderen Mitgliedsstaat, ist regelmäßig ein innergemeinschaftlicher Erwerb nach § 1a UStG gegeben. Unter den Voraussetzungen des § 1b UStG bewirken allerdings auch Nichtunternehmer einen innergemeinschaftlichen Erwerb, wenn sie
- ein neues Fahrzeug
- in einem anderen Mitgliedsstaat erwerben und
- dieses über die Grenze nach Deutschland transportieren (§ 1b Absatz 1 UStG).
Der etwas sperrige Begriff des „Nichtunternehmers“ meint dabei sowohl Privatpersonen als auch Unternehmer, die das neue Fahrzeug für ihren privaten Lebensbereich erwerben. Abzustellen ist also auf die geplante Verwendung des Fahrzeuges (Abschnitt 1b.1 Satz 1 UStAE). Ein Fahrzeug gilt nach § 1b Absatz 3 UStG als neu, wenn es
- ein Landfahrzeug ist und bisher maximal 6.000 Kilometer zurückgelegt hat oder vor weniger als sechs Monaten in Betrieb genommen wurde,
- ein Wasserfahrzeug ist, bislang maximal 100 Betriebsstunden gelaufen ist oder vor maximal drei Monaten erstmalig in Betrieb genommen wurde, oder
- ein Luftfahrzeug mit maximal 40 Betriebsstunden ist oder vor maximal drei Monaten erstmalig in Betrieb genommen wurde.
Achtung: Die Zulassung zum Straßen-, Wasser- oder Luftverkehr ist unerheblich; das UStG kennt lediglich die Voraussetzung der Inbetriebnahme. Diese kann mitunter auch ohne Zulassung, etwa auf Privatgrund, erfolgt sein (Abschnitt 1b.1 Satz 4 UStAE). Selbstfahrende Arbeitsmaschinen und Anhänger sind keine Fahrzeuge im umsatzsteuerlichen Sinne; maßgeblich ist die Geeignetheit zur Beförderung von Personen.
Der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 1b UStG unterliegt mit dem aufgewandten Entgelt der Umsatzsteuer (§ 10 Absatz 1 Satz 1 und § 12 UStG). Ein Vorsteuerabzug scheidet nach § 15 Absatz 1 Nummer 1 Satz 1 UStG aus. Außerdem kommt es zu einer sogenannten Fahrzeugeinzelbesteuerung, für die der Erwerber eine Steuererklärung bei seinem Wohnsitzfinanzamt abzugeben hat (§ 18 Absatz 5a Satz 1 UStG). Die Steuer berechnet und entrichtet der Erwerber selbst (Steueranmeldung).
Steuerberater für den innergemeinschaftlichen Leistungsverkehr
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- Ausarbeitung von Vermeidungsstrategien für den Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO
- Beratung bei komplexen Unternehmensstrukturen (Holdinggesellschaften, Organschaften)
- Beurteilung der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs
- Durchführung der Vorsteuerabzugsberichtigung nach § 15a UStG
- Beurteilung von Optionsmöglichkeiten nach § 9 UStG
- Geschickte Ausübung des Zuordnungswahlrechts bei gemischt genutzten Wirtschaftsgütern
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Der Erwerb eines PKWs durch den Unternehmer hat Vor-, aber auch Nachteile. Letztere bestehen vor allem in der Besteuerung der Privatnutzung sowie eines späteren Verkaufsgewinns. Mit einer PKW-Vermietung zwischen Ehegatten lassen sich gleich mehrere Kontra-Aspekte eliminieren, bislang bestand vor dem Hintergrund des § 42 AO (Gestaltungsmissbrauch) allerdings Uneinigkeit über die Zulässigkeit eines solchen Modells. Der Bundesfinanzhof hat diverse Rechtsfragen nun mit Urteil vom 29.09.2022, V R 29/20, veröffentlicht am 19.01.2023, geklärt.
Inhaltsverzeichnis
1. Ausgangsfall: PKW-Vermietung zwischen zwei Ehegatten
Dem vom BFH entschiedenen Fall lag der folgende Sachverhalt zugrunde: Die im Streitjahr nicht berufstätige Ehefrau beschaffte einen gebrauchten Oberklasse-PKW für brutto EUR 77.233,81. Im Kaufpreis des vom Händler erworbenen Wagens waren EUR 12.438,90 Umsatzsteuer (19 %) enthalten. Die Gesamtsumme wurde in voller Höhe von der – von ihrem als Arzt tätigen Ehemann finanziell unabhängigen – Ehefrau überwiesen.
Bereits bei Anschaffung war eine PKW-Vermietung zwischen den Ehegatten durch Abschluss eines entsprechenden Leasingvertrages beabsichtigt. Die Ehefrau meldete daher einen Gewerbebetrieb an und verzichtete – zugunsten des Vorsteuerabzugs – auf die Kleinunternehmerregelung im Sinne des § 19 Absatz 1 UStG.
Sodann schlossen die Ehegatten einen Leasingvertrag über den PKW ab. Hierbei wurde eine nach Auffassung des BFH unstrittig marktübliche Leasingrate von netto EUR 815,19 vereinbart; der Ehemann verpflichtete sich,
- den Wagen in einem Alter und Laufleistung entsprechenden Zustand zu halten,
- alle notwendigen Reparaturarbeiten und Inspektionen durchführen zu lassen und
- das Fahrzeug angemessen (vollkasko-) zu versichern.
Im Versicherungsschein der Kfz-Versicherung war die Ehefrau als weitere Fahrerin eingetragen. Der Leasingvertrag wurde entsprechend aller Vereinbarungen durchgeführt. Die Kosten für alle anfallenden Wartungsarbeiten hat die Ehefrau, die den Wagen zumindest gelegentlich mitnutzte, getragen.
Für das Streitjahr gab die Ehefrau wie vorgeschrieben eine Umsatzsteuererklärung ab. Sie machte hierin den Vorsteuerabzug für den Erwerb des Fahrzeuges geltend. Außerdem erklärte sie, soweit auf dieses Jahr entfallend, die Umsätze aus der PKW-Vermietung an ihren Ehemann.
Das Finanzamt erließ den ohne Abweichung von der Erklärung ergangenen Bescheid unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) und vorläufig (§ 165 Absatz 1 Satz 1 AO). Zur Begründung führte es an, dass erst nach Ablauf der fünfjährigen Bindungsfrist des § 19 Absatz 2 Satz 2 UStG und des ebenfalls fünf Jahre dauernden Berichtigungszeitraums des § 15a Absatz 1 Satz 1 UStG festgestellt werden könne, ob eine missbräuchliche Gestaltung im Sinne des § 42 AO vorliegt.
2. Einspruchsverfahren und Entscheidung der ersten Instanz
Die Ehefrau legte gegen die vorläufige Festsetzung einen zulässigen und begründeten Einspruch ein. Gegenstand des Einspruchsverfahrens war die Aufhebung der Vorläufigkeit, die einen eigenständigen Verwaltungsakt im Sinne des § 118 Satz 1 AO darstellt. Das Finanzamt gab diesem Begehren statt, erkannte im geänderten Bescheid aber weder den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung des PKW noch die erklärten Ausgangsumsätze aus der PKW-Vermietung selbst an.
Gegen die Einspruchsentscheidung erhob die Ehefrau Klage vor dem Finanzgericht. Dieses half dem Begehren in vollem Umfang ab, weil
- die Klägerin als Unternehmerin im Sinne des § 2 Absatz 1 UStG tätig wurde,
- der Erwerb des Fahrzeugs für unternehmerische und damit zum Vorsteuerabzug berechtigende Zwecke (§ 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 UStG) erfolgte und
- weder ein Scheingeschäft noch eine missbräuchliche Gestaltung anzunehmen sei.
Auch die private Nutzung des Wagens durch die Ehefrau sah das Finanzgericht als unproblematisch an, da im Leasingvertrag ausschließlich der Ehemann genannt wurde. Der PKW stünde dadurch zumindest während der vereinbarten Vertragslaufzeit ausschließlich zur Disposition des Ehegatten.
Gegen das erstinstanzliche Urteil erhob das Finanzamt Revision. Zur Begründung führte es die folgenden, vom BFH zu klärenden, Punkte an:
- Es liege keine Unternehmereigenschaft vor. Die Ehefrau bietet ihre Leistungen lediglich dem Ehemann, nicht aber am allgemeinen Markt an
- Es fehle an einem Leistungsaustausch, weil die Anschaffung des PKW lediglich als Beitrag zur ehelichen Lebensgemeinschaft anzusehen sei
- Ein Scheingeschäft sei bereits durch die Tatsache offensichtlich, dass der Ehemann zwar als Leasingnehmer genannt wird, die Ehefrau den PKW aber ebenfalls nutzt
- Die PKW-Vermietung stelle insgesamt einen Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO dar. Es gebe keine gewichtigen außersteuerlichen Interessen, die ein entsprechendes Modell zwischen Ehegatten rechtfertigen
Sodann musste sich der BFH erneut mit dem sogenannten Ehegatten-Vorschaltmodell beschäftigen; entsprechende Urteile existieren bislang in erster Linie zur Vermietung von Immobilien zwischen Familienangehörigen (etwa BFH vom 14.01.1992, IX R 33/89).
3. Abschließende BFH-Entscheidung zur PKW-Vermietung zwischen Ehegatten
Der BFH nahm im genannten Urteil insbesondere zu den folgenden, vom Finanzamt und den Ehegatten vorgetragenen, Aspekten Stellung:
- Vorliegen einer unternehmerischen Tätigkeit im Sinne des § 2 Absatz 1 UStG
- Erfüllung der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG
- Vorliegen eines Scheingeschäfts im Sinne des § 41 AO
- Beitrag zur ehelichen Lebensgemeinschaft durch Gestellung des PKW
- Gestaltungsmissbrauch, Anwendbarkeit des § 42 AO
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3.1. Unternehmerische Tätigkeit und Vorsteuerabzug der Ehefrau
Die Ehefrau erfüllt mit der Anschaffung und anschließenden PKW-Vermietung alle Voraussetzungen einer unternehmerischen Tätigkeit im Sinne des § 2 Absatz 1 UStG. Einnahmeerzielungsabsicht liegt – unabhängig von der ertragsteuerlichen Beurteilung (Gewinnerzielungsabsicht) – vor. Die unternehmerische Tätigkeit ist auch als wirtschaftlich im Sinne des Artikel 9 Absatz 1 MwSystRL anzusehen, weil sie nachhaltig (auf Dauer angelegt) und gegen Entgelt ausgeübt wird.
Das Unternehmen der Ehefrau umfasst nach § 2 Absatz 1 Satz 2 UStG die gesamte (Vermietungs-) Tätigkeit. Da der zu vermietende PKW für den Zweck dieses Unternehmens beschafft wurde, ja sogar die wesentliche Grundlage der Tätigkeit darstellt, ist ein Vorsteuerabzug möglich.
Ebenfalls unschädlich ist der „eingeschränkte Kundenkreis“ der Ehefrau, also die ausschließliche Vermietung an den Ehemann. Denn auch der Gesellschafter einer GmbH kann ein Fahrzeug lediglich an „seine“ Gesellschaft vermieten und gilt hierdurch als Unternehmer (Verweis auf BFH-Urteil vom 16.03.1993, XI R 45/90).
Im Ergebnis bejaht der BFH – analog zur Vorentscheidung des FG – sowohl die unternehmerische Tätigkeit als auch den vollen Vorsteuerabzug.
3.2. Vorliegen eines Scheingeschäfts und ehelicher Gemeinschaftsbeitrag
Scheingeschäfte sind Rechtsgeschäfte, die die Vertragspartner nur zum Schein abschließen, ohne aber die damit einhergehenden Rechtswirkungen tatsächlich herbeirufen zu wollen (§ 41 Absatz 2 Satz 1 AO in Verbindung mit § 117 BGB). Im Falle des vorliegenden Leasingvertrags wäre ein solches Scheingeschäft anzunehmen, wenn die Vereinbarung etwa für Zwecke eines Betriebsausgaben- und Vorsteuerabzugs geschlossen worden wäre, ohne aber den Ehemann tatsächlich zur alleinigen Nutzung des PKW zu berechtigten.
Ein Scheingeschäft, das nach § 41 Absatz 1 AO für steuerliche Zwecke keine Gültigkeit hätte, hat der BFH hier verneint. Der Leasingvertrag wurde entsprechend der vereinbarten Hauptpflichten auch tatsächlich durchgeführt. Die Tatsache, dass die Ehefrau insgesamt vier Rechnungen über durchgeführte Service- und Reparaturarbeiten selbst übernommen hat, reichen für sich nicht aus, um insgesamt von einem Scheingeschäft auszugehen.
Das Argument, der zur Verfügung gestellte PKW wäre ein reiner Beitrag zur ehelichen Lebensgemeinschaft, geht nach Auffassung des BFH ebenfalls ins Leere. Denn der Leasingvertrag zeichnet sich gerade durch seinen eigenen schuldrechtlichen Charakter, der auf eine „Heraushebung“ aus der ehelichen Gemeinschaft hindeutet, aus. In einer Ehe übliche Beiträge werden hingegen – so unter anderem durch Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23.08.1999, GrS 1/97 festgestellt – rein freiwillig und insbesondere ohne vertragliche Vereinbarung geleistet.
Auch hier konnte der Bundesfinanzhof im Ergebnis keinen Ausschlussgrund annehmen. Mangels Beitrag zur ehelichen Lebensgemeinschaft ist die PKW-Vermietung keine Tätigkeit im Sinne des § 12 Nummer 1 EStG, für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1a UStG ausgeschlossen wäre.
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3.3. Gestaltungsmissbrauch durch PKW-Vermietung innerhalb der Ehe
Die Anwendung des § 42 AO setzt voraus, dass Steuerpflichtige rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten auf unangemessene Art und Weise ausnutzen, um hierdurch einen Steuervorteil zu erlangen. Dabei stellt der Gesetzgeber im Wesentlichen auf seine eigene Intention beim Erlass von Steuergesetzen ab. Außerdem spielt eine erhebliche Rolle, ob es für die gewählte Gestaltung auch andere als steuerliche, aber durchaus gewichtige, Gründe gibt (§ 42 Absatz 2 Satz 2 AO).
Das reine Motiv, Steuern zu sparen, führt zu keiner Unangemessenheit im Sinne des § 42 AO. Vielmehr liegt eine solche erst dann vor, wenn der Steuerpflichtige einen „Weg zum Ziel“ wählt, der vom Gesetzgeber bei Verabschiedung der entsprechenden Norm nicht gewollt war (BFH vom 29.05.2008, I X 77/06).
Im vorliegenden Fall hat der BFH einen Gestaltungsmissbrauch insbesondere aus folgenden Gründen verneint:
- Die Ehefrau, die die PKW-Vermietung durchführt, ist von ihrem Ehegatten wirtschaftlich unabhängig
- Der vermietete PKW dient vor allem dem unternehmerischen Bedarf des Ehemanns. Dafür spricht, dass die Familie insgesamt über mehrere Fahrzeuge verfügt
- Der in § 42 Absatz 2 Satz 2 AO geforderte, außersteuerliche, Grund besteht in der Sicherung der Liquidität des Ehemanns, der den PKW nicht aus seinem eigenen (Betrieb-) Vermögen erwerben muss
4. Fazit: PKW-Vermietung unter bestimmten Voraussetzungen unproblematisch
Im Ergebnis hat der BFH bei der vorliegenden PKW-Vermietung eine überwiegend klassische unternehmerische Leistungsbeziehung zwischen der Ehefrau als Vermieterin und dem Ehemann als Mieter angenommen. Maßgeblich hierfür war der rechtlich bindend abgeschlossene Leasingvertrag und die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Ehegattin. Letztere ermöglichte ihr unter anderem auch den Erwerb des Fahrzeugs für EUR 77.233,81.
Der Bundesfinanzhof hat damit gleichzeitig diverse Abgrenzungsproblematiken gelöst und zusätzlich zur privaten (Mit-) Nutzung des Wagens durch die Ehefrau Stellung genommen. Diese ist als unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Absatz 9a Satz 1 Nummer 1 UStG in ihrem Unternehmen zu versteuern. Er hat außerdem klargestellt, dass die unternehmerische Mindestnutzung von 10 % (§ 15 Absatz 1 Satz 2 UStG) im vorliegenden Fall als überschritten anzunehmen sei, da die Ehefrau über ein eigenes Fahrzeug verfügte.
5. Exkurs: Steuerfreiheit beim Verkauf des PKW
Läge der PKW im Betriebsvermögen des Arztes, müsste dieser den den Buchwert übersteigenden Teil des Erlöses bei einem Verkauf versteuern. Hinzu käme, dass der Ehemann durch die Steuerfreiheit seiner Tätigkeit (§ 4 Nummer 14 Buchstabe a UStG) keinen Vorsteuerabzug aus dem Erwerb geltend machen kann (§ 15 Absatz 2 Nummer 1 UStG).
Befindet sich der PKW aber im ertragsteuerlichen Privatvermögen der Ehefrau, ist eine Veräußerung jederzeit steuerfrei möglich. Denn ein Fahrzeug gehört, auch wenn es zur Erzielung von Einkünften (hier: PKW-Vermietung) genutzt wurde, zu den Gegenständen des täglichen Bedarfs im Sinne des § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 2 EStG (Lindberg in Frotscher/Geurts, § 23 EStG, Randziffer 52e).
Umsatzsteuerlich nutzt die Ehefrau bei Anschaffung die Optionsmöglichkeit des § 19 Absatz 2 Satz 1 UStG, sie verzichtet also auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung. Nach fünf Jahren nimmt sie sie entsprechend § 19 Absatz 1 UStG wieder in Anspruch. Dies eröffnet der Unternehmerin die Möglichkeit einer umsatzsteuerfreien Veräußerung des PKW. Eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs scheidet nach § 15a Absatz 1 Satz 1 UStG ebenfalls nach fünf Jahren aus.
Steuerberater für umsatzsteuerliche Gestaltungsmodelle
Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die umsatzsteuerrechtliche Gestaltungsberatung spezialisiert. Dabei schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:
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Tauschvorgänge unterliegen dem Grunde nach der Besteuerung, wenn die jeweiligen stillen Reserven zu einem Gewinn führen. Um nachteilige Folgen für Privatpersonen sowie Unternehmer zu vermeiden, existiert mit § 6 Absatz 5 EStG eine Sondervorschrift. Sie ermöglicht eine steuerneutrale Übertragung zwischen Betriebsvermögen und Sonderbetriebsvermögen, sofern eine spätere Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Wir schauen uns Tatbestand sowie Rechtsfolgen einmal in der Praxis an!
Inhaltsverzeichnis
1. Rechtsgrundsatz: Tauschvorgänge im Einkommensteuerrecht
Entscheiden sich zwei Personen, ein Wirtschaftsgut „A“ gegen ein Wirtschaftsgut „B“ zu tauschen, ist dieser Vorgang in Anschaffung und Veräußerung aufzuteilen. Die Anschaffungskosten bemessen sich dabei nach dem gemeinen Wert des übertragenen Wirtschaftsgutes (§ 6 Absatz 6 Satz 1 EStG). „Gemeiner Wert“ ist der im allgemeinen Wirtschaftsverkehr erzielbare Preis inklusive der gegebenenfalls enthaltenen Umsatzsteuer (§ 9 BewG).
Beispiel: Schreiner S vereinbart mit Händler H, dass er als Gegenleistung für die Renovierung des Empfangsbereichs einen gebrauchten Mittelklassewagen (gemeiner Wert EUR 30.000) erhält. Ohne Tausch (hier konkret: tauschähnlichen Umsatz) würde er für die handwerklichen Leistungen EUR 25.000 verlangen.
Lösung: S hat Anschaffungskosten in Höhe von EUR 25.000. Gleichzeitig hat H einen Verkaufserlös von EUR 30.000. Bei einem Buchwert des Firmenwagens von EUR 10.000 entsteht entsprechend ein Gewinn in Höhe von EUR 20.000.
Auch bei einer Übertragung von Wirtschaftsgütern auf eine Personengesellschaft käme es so zu einer steuerlich nachteiligen Aufdeckung stiller Reserven. Mit § 6 Absatz 5 EStG hat der Gesetzgeber daher eine Ausnahmeregelung vom allgemeinen Tauschgrundsatz geschaffen. Liegen die entsprechenden Voraussetzungen vor, ist dementsprechend eine steuerneutrale Übertragung zwischen Betriebsvermögen möglich.
2. Grundlage der steuerneutralen Übertragung zwischen Betriebsvermögen
Nach § 6 Absatz 5 Satz 1 EStG kommt eine steuerneutrale Übertragung zwischen zwei Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen infrage. Der Gesetzgeber löst den Fall dergestalt, dass der Buchwert im aufnehmenden Betriebsvermögen vom abgegebenen Betriebsvermögen übernommen wird. Die Übertragung zu Buchwerten scheidet allerdings aus, wenn das Besteuerungsrecht der BRD an vorhandenen stillen Reserven verloren geht (§ 6 Absatz 5 Satz 1 Halbsatz 2 EStG). Dies ist in aller Regel bei der Übertragung in ein ausländisches Betriebsvermögen der Fall.
Einer steuerneutralen Übertragung zwischen zwei Betriebsvermögen im Sinne des § 6 Absatz 5 Satz 1 EStG sind nach § 6 Absatz 5 Satz 2 sowie Satz 3 EStG folgende Vorgänge gleichgestellt:
- § 6 Absatz 5 Satz 2 EStG: Übertragung eines Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens in das eigene Sonderbetriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft und umgekehrt sowie zwischen mehreren Sonderbetriebsvermögen derselben Person
- § 6 Absatz 5 Satz 3 Nummer 1 EStG: Überführung aus dem Betriebs- in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft und umgekehrt
- § 6 Absatz 5 Satz 3 Nummer 2 EStG: Übertragung aus dem Sonderbetriebs- in das Gesamthandsvermögen und umgekehrt
- § 6 Absatz 5 Satz 3 Nummer 3 EStG: Überführung zwischen mehreren Sonderbetriebsvermögen unterschiedlicher Personen derselben Mitunternehmerschaft
Eine Übertragung nach § 6 Absatz 5 Satz 3 Nummer 1 und 2 EStG ist nur dann zu Buchwerten möglich, wenn
- das Wirtschaftsgut bislang dem (notwendigen oder gewillkürten) Betriebsvermögen oder Sonderbetriebsvermögen zuzuordnen war, und
- die übertragende Person als Mitunternehmerin oder Mitunternehmer der Personengesellschaft anzusehen ist (§ 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 1 EStG und H 15.8, Stichworte „Allgemeines“, „Mitunternehmerinitiative“ und „Mitunternehmerrisiko“ EStH).
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2.1. Grundfall: Steuerneutrale Übertragung zwischen Betriebsvermögen
Voraussetzung für die steuerneutrale Übertragung zwischen zwei Betriebsvermögen nach § 6 Absatz 5 Satz 1 EStG ist das Vorliegen zweier Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Übertragung in das Betriebsvermögen eines Dritten zur Aufdeckung der stillen Reserven nach § 6 Absatz 6 Satz 1 EStG führt.
Vom Grundtatbestand sind damit regelmäßig Einzelunternehmen betroffen. Die Übertragung in das Betriebsvermögen einer Ein-Mann-GmbH scheidet aus, da die Kapitalgesellschaft selbstständiger Träger von Rechten und Pflichten ist. Es handelt sich entsprechend und ausnahmslos nicht um das Betriebsvermögen des Anteilseigners, sondern um das (von der natürlichen Person getrennte) GmbH-Vermögen.
Eine steuerneutrale Übertragung in ein Betriebsvermögen desselben Rechtsträgers scheidet aus, wenn hierdurch das Besteuerungsrecht Deutschlands verloren geht. Eine solche Überführung gilt nach § 4 Absatz 1 Satz 3 EStG als Entnahme, die entsprechend mit dem Teilwert anzusetzen ist (§ 6 Absatz 1 Nummer 3 Satz 1 EStG)
2.2. Alternative: Übertragung zwischen Betriebs- und Sonderbetriebsvermögen
Nach den in § 6 Absatz 5 Satz 2 und 3 EStG geregelten Alternativen ist eine Übertragung auch zu Buchwerten möglich, soweit
- sie vom Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens in das Sonderbetriebsvermögen,
- vom Sonderbetriebsvermögen ins Gesamthandsvermögen, und
- vom Sonderbetriebsvermögen eines in das Sonderbetriebsvermögen eines anderen Gesellschafters erfolgt.
Relevant ist dabei das unscheinbare Wörtchen „soweit“. Für den Anteil, der
- entgeltlich oder
- ohne Erhalt, Erweiterung oder Verminderung von Gesellschafterrechten
erfolgt, treten die Rechtsfolgen des § 6 Absatz 5 EStG nicht ein.
Beispiel: A, der als Mitunternehmer zu einem Drittel an der ABC-OHG beteiligt ist, überträgt ein Grundstück im Wert von EUR 100.000 auf die Gesellschaft. Hierfür erhält er zusätzliche Anteile, die einen gemeinen Wert von EUR 80.000 haben. In Höhe der „fehlenden“ EUR 20.000 liegt ein entgeltlicher Tauschvorgang zu gemeinen Werten im Sinne des § 6 Absatz 6 Satz 1 EStG vor.
Eine Beteiligung an einer Personengesellschaft ohne Mitunternehmerstellung (etwa durch stille Beteiligung) schließt die Anwendung von § 6 Absatz 5 Satz 2 sowie Satz 3 EStG aus.
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2.3. Rechtsfolgen bei der steuerneutralen Übertragung zwischen Betriebsvermögen
Liegen die Voraussetzungen des § 6 Absatz 5 Satz 3 EStG vor, erfolgt eine steuerneutrale Übertragung zwischen beiden Betriebsvermögen (respektive Sonderbetriebs- und Gesamthandsvermögen). Nach § 6 Absatz 5 Satz 4 EStG gilt für eine anschließende Veräußerung oder die Entnahme ins Privatvermögen allerdings eine Sperrfrist von drei Jahren. Die Frist beginnt mit der Abgabe der Steuererklärung für den Veranlagungszeitraum, in dem die Übertragung erfolgte.
Wird das übertragene Wirtschaftsgut innerhalb dieser drei Jahre entnommen oder verkauft, ist rückwirkend der Teilwert anzusetzen. Insoweit liegt ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 AO vor. Der entsprechende Feststellungsbescheid ist dann vom Amts wegen zu ändern.
Einzige Ausnahme: Die im übertragenen Wirtschaftsgut „schlummernden“ stillen Reserven wurden bei Übertragung bereits durch eine Ergänzungsbilanz des übertragenden Mitunternehmers abgebildet.
Ist an der Mitunternehmerschaft eine Kapitalgesellschaft beteiligt (etwa zu 50%), ist in dieser Höhe ebenfalls der Teilwert anzusetzen; insoweit scheidet die Anwendung des § 6 Absatz 5 Satz 3 EStG aus (§ 6 Absatz 5 Satz 5 EStG). Wird eine solche Beteiligung (insbesondere durch die Umstrukturierung in eine GmbH & Co. KG) innerhalb von sieben Jahren nach der Übertragung begründet, führt dies ebenfalls zum Ansatz des Teilwertes (§ 6 Absatz 5 Satz 6 EStG).
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Die Abgabenordnung (AO) regelt das gesamte Besteuerungsverfahren und stellt damit ein „Steuergrundgesetz“ dar. Denn ohne die wichtigsten Inhalte und den Aufbau der Abgabenordnung zu kennen, wissen Sie zwar, welche Einkünfte (etwa nach dem EStG) vorliegen, Ihnen fehlt aber das Knowhow zur Geltendmachung der Steueransprüche durch das Finanzamt. Schauen wir uns daher einmal an, wie die AO in ihren Grundzügen strukturiert ist!
Inhaltsverzeichnis
1. Überblick: Aufbau der Abgabenordnung in neun Kapiteln
Mit der Abgabenordnung hat der Gesetzgeber ein dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) an vielen Stellen ähnelndes „Steuergrundgesetz“ geschaffen. Es gilt ausschließlich für Steuern, Steuervergütungen und steuerliche Nebenleistungen (§ 1 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 AO). Keine Anwendung findet die AO hingegen auf sonstige Verwaltungsverfahren, etwa im Bußgeld-, Bau- und Familienrecht.
Im Umkehrschluss sind auch die Normen des VwVfG für das Besteuerungsverfahren ohne Bedeutung, soweit die AO nicht ausdrücklich auf diese Vorschriften verweist (§ 2 Absatz 2 Nummer 1 VwVfG). Der Aufbau der Abgabenordnung lässt sich dabei im Wesentlichen in neun Kapiteln darstellen:
- Grundlegender Aufbau, Anwendbarkeit und Zweck der AO (§§ 1 bis 15 AO)
- Allgemeine Grundsätze der Besteuerung (§§ 16 bis 68 AO)
- Verwaltungsakte (§§ 118 bis 133 AO)
- Festsetzung und Festsetzungsverjährung (§§ 155 bis 171 AO)
- Korrekturvorschriften (§§ 172 bis 177 AO)
- Einspruchsverfahren (§§ 347 bis 367 AO)
- Haftungsrecht (§§ 69 bis 77 und §§ 191 bis 192 AO)
- Steuererhebungsverfahren (§§ 218 bis 248 AO)
- Vollstreckungsverfahren (§§ 249 bis 346 AO)
Beim Aufbau der Abgabenordnung von einem „einfachen“ Gesetz zu sprechen, wäre bereits aufgrund der schieren Menge an Vorschriften falsch. Daher widmen wir jedem der genannten Kapitel einen eigenen Beitrag mit tiefergehenden Informationen. Heute werfen wir lediglich einen groben Blick auf die einzelnen Inhalte.
2. Aufbau der AO, Besteuerungsgrundsätze und Verwaltungsakte
Vor allem im Rahmen von Aus- und Weiterbildungen kommt dem Aufbau der Abgabenordnung eine große Bedeutung zu. Selbiges gilt für kleine, aber bedeutende Details innerhalb der Besteuerungsgrundsätze, wobei auch der Begriff des Verwaltungsakts häufig der sprichwörtliche Knackpunkt sein kann.
2.1. Allgemeines zur Abgabenordnung
Die Abgabenordnung gehört als allgemeines Verfahrensgesetz zum formellen Recht und steht damit neben den materiell-rechtlichen Vorschriften der Einzelsteuergesetze. Die wesentlichen Unterschiede stellen sich wie folgt dar:
- Formelles Recht (AO, VwVfG, StPO): Sie regeln die Durchsetzung der Ansprüche, die sich aus Einzelsteuergesetzen (EStG, UStG, GrEStG) ergeben. Ohne die AO wäre das materielle Recht nutzlos, da dem Fiskus zwar die jeweiligen Steuerbeträge (etwa nach § 32a EStG) zustehen, es aber an einem einheitlichen Festsetzungs- und Erhebungsverfahren fehlt
- Materielles Recht: Einzelsteuergesetze gehören zum materiellen Recht. Sie normieren, nach welchen Tatbeständen, wann und in welcher Höhe ein Steueranspruch entsteht. Wie dieser Anspruch dann am Ende durchgesetzt wird, schreibt die Abgabenordnung vor
Ohne ein steuerartenübergreifendes Verfahrensrecht müsste der Gesetzgeber die Einzelsteuergesetze selbst mit entsprechenden Normen ausstatten. Daher regelt die AO beispielsweise, dass ein Steueranspruch stets mittels Steuerbescheid festgesetzt wird. Sie normiert außerdem, wer die Steuer schuldet und wann deren Fälligkeit eintritt. Zusätzlich sieht sie ein einheitliches Erhebungs- und Vollstreckungsverfahren vor.
Beispiel: Unternehmer U erzielt EUR 100.000 an Umsätzen (§ 10 Absatz 1 Satz 1 UStG). Hierauf fallen EUR 19.000 Umsatzsteuer an (§ 12 Absatz 1 UStG). Das Finanzamt setzt den Anspruch mittels Steuerbescheid fest (§ 218 Absatz 1 AO). Da der Unternehmer seine offene Steuerschuld einen Monat zu spät entrichtet, fallen Säumniszuschläge von EUR 190 an (§ 240 Absatz 1 Satz 1 AO).
Denken wir uns in diesem Beispiel alle Normen des UStG weg, gäbe es für die Abgabenordnung keinen Anknüpfungspunkt im materiellen Steuerrecht mehr.
2.2. Besteuerungsgrundsätze nach der AO
Zum Aufbau der Abgabenordnung gehören auch die in den §§ 16 bis 68 AO enthaltenen Besteuerungsgrundsätze, die unter anderem folgende Regelungen umfassen:
- Sachliche Zuständigkeit der Finanzbehörden nach § 16 AO in Verbindung mit dem Finanzverwaltungsgesetz (FVG). Es regelt beispielsweise, dass für die Einkommensteuer die Landes- und für die Tabaksteuer die Bundesfinanzverwaltung zuständig ist
- Örtliche Zuständigkeit des Finanzamtes nach den §§ 17 bis 22 AO (relevant etwa bei der Unterscheidung zwischen Wohnsitzfinanzamt für die Einkommensteuer und Betriebsstättenfinanzamt für die gesonderte Feststellung oder Umsatzbesteuerung)
- Vorgehensweise bei Gefahr im Verzug, mehrfacher örtlicher Zuständigkeit und Zuständigkeitswechsel durch Umzug
- Wahrung des Steuergeheimnisses durch Amtsträger und entsprechende Ausnahmen (§§ 30 fort folgende AO)
Zusätzlich regelt § 37 Absatz 1 AO, welche Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen können. In § 37 Absatz 2 AO ist das Verfahren bei ohne rechtlichen Grund gezahlten Steuern und Steuervergütungen normiert. Beispiel: Rückforderung von Kindergeld, da die Anspruchsvoraussetzungen nur in 10 von 12 Monaten vorlagen.
Die §§ 43 bis 45 AO regeln die Steuerschuldnerschaft, und zwar zum einen
- bei der Einzelveranlagung und
- bei der Zusammenveranlagung
sowie zum anderen in den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge. Insoweit verweist die AO auf § 1922 BGB und die dort zu findenden Grundsätze der Erbfolge.
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2.3. Verwaltungsakte im Aufbau der Abgabenordnung
Der Begriff des Verwaltungsaktes spielt beim Aufbau der Abgabenordnung eine Kernrolle. Nach § 118 Satz 1 AO ist ein Verwaltungsakt
- jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme,
- die eine Behörde (§ 6 AO)
- zur Regelung eines Einzelfalles
- auf dem Gebiet des öffentlichen Rechtes trifft und
- die unmittelbare Rechtswirkung nach außen,
etwa gegenüber der steuerpflichtigen Person, entfaltet. Steuerbescheide sind stets Verwaltungsakte (§ 155 Absatz 1 Satz 2 AO). Ein Verwaltungsakt kann mit verschiedenen Nebenbestimmungen (zum Beispiel einem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO) verbunden werden. Eine solche Nebenbestimmung wird unmittelbarer Teil des Bescheides selbst und entfaltet damit ebenfalls eine rechtliche Bindungswirkung für beide Seiten (§ 120 Absatz 2 AO).
Fehlt es an einer der Tatbestandsvoraussetzungen des § 118 AO, ist ein Verwaltungsakt kein solcher mehr. Damit fallen zum Beispiel Miet- oder Lieferverträge, die Finanzämter mit Unternehmen schließen, in den Bereich des privaten Vertragsrechts. Derartige Vereinbarungen sind keine Verwaltungsakte.
Nur gegen Verwaltungsakte ist der Einspruch statthaft, außerdem ist ein solcher Voraussetzung für den Beginn der Vollstreckung. Ein Verwaltungsakt wird nach § 122 Absatz 1 Satz 1 AO an den Beteiligten (§ 78 AO) bekannt gegeben. Dies ist in der Regel der Steuerpflichtige selbst, die Bekanntgabe kann aber auch an die Steuerkanzlei oder einen anderen Bevollmächtigten erfolgen.
3. Festsetzung, Korrekturnormen und Einspruch im Aufbau der Abgabenordnung
Nach dem weitgehend allgemeinen Teil im Aufbau der Abgabenordnung geht es nun ans „Eingemachte“. Denn im Rahmen von Festsetzung, Korrektur und Einspruch finden
- die erstmalige Festsetzung einer Steuer,
- die Korrektur bereits erlassener Bescheide,
- die Verjährung und damit der Wegfall von Änderungsmöglichkeiten, und
- das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren
statt. Schauen wir uns auch hier wieder die wichtigsten Eckdaten und Grundlagen an, bevor wir in separaten Beiträgen näher auf die Thematik eingehen!
3.1. Festsetzung mit und ohne Nebenbestimmungen
Steuern im Sinne des § 3 AO, zu denen auch Steuervergütungen und Nebenleistungen gehören, setzt das Finanzamt mittels Steuerbescheid fest (§ 155 Absatz 1 Satz 1 AO). Auf diese Weise kann es die Festsetzung einer Steuer auch ablehnen. Sofern für einen Steuerbescheid ein Grundlagenbescheid bindend ist (§ 182 Absatz 1 AO), darf das Finanzamt den Steuerbescheid bereits erlassen, auch wenn der Grundlagenbescheid noch aussteht.
Beispiel: Unternehmer U hat seine Einkommensteuererklärung bereits abgegeben. Das Finanzamt könnte den Einkommensteuerbescheid erlassen, der Feststellungsbescheid eines anderen Finanzamtes steht aber noch aus. Nach § 155 Absatz 2 AO erfolgt der Erlass des Einkommensteuerbescheides, die Änderungen aufgrund der gesonderten Feststellung erfolgen später nach § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 AO.
Steuerbescheide sind stets schriftlich oder elektronisch zu erteilen. Sie müssen angeben, wer die Steuer schuldet und in welcher Höhe sie anfällt. Darüber hinaus ist eine Rechtsbehelfsbelehrung notwendig (§ 356 Absatz 1 AO). Gegebenenfalls ist eine Festsetzung der Besteuerungsgrundlagen im Wege der Schätzung möglich.
Mit den §§ 164 und 165 AO finden Sie im Aufbau der Abgabenordnung zwei gängige Nebenbestimmungen, die häufig in Steuerbescheiden auftauchen:
- Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO): Durch einen VdN bleibt der Bescheid insgesamt „offen“. Änderungen sind jederzeit möglich, wobei die Nebenbestimmung mit dem Ablauf der Festsetzungsfrist wegfällt (§ 164 Absatz 4 Satz 1 AO). Hebt das Finanzamt den Vorbehalt auf, etwa nach einer Außenprüfung, scheidet eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 164 AO aus
- Vorläufige Festsetzung (§ 165 AO): Eine Vorläufigkeit wird – anders als der Vorbehalt der Nachprüfung – nur punktuell gesetzt (§ 165 Absatz 1 Satz 1 AO, Begriff „soweit“). Die vorläufige Festsetzung betrifft dann beispielsweise die Anerkennung einer bestimmten Gestaltung oder noch laufende Verfahren vor dem BVerfG
3.2. Korrekturvorschriften in der AO
Die Korrekturvorschriften der §§ 129 und 172 bis 177 AO greifen, soweit eine Änderung nicht bereits durch eine Nebenbestimmung (§§ 164 und 165 AO) möglich ist. Dabei sind im Aufbau der Abgabenordnung vor allem die folgenden Normen, die eine Änderung des Bescheides zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen zulassen, von Bedeutung:
- Offenbare Unrichtigkeiten nach § 129 AO: Hierunter fallen insbesondere „mechanische Versehen“ wie Tipp- und Rechenfehler, die dem Finanzamt unterlaufen. Auch die versehentlich unterbliebene Auswertung von Unterlagen fällt unter § 129 AO. Explizit ausgenommen sind Fehler bei der Auslegung von Rechtsnormen (AEAO zu § 129, Randziffer 2)
- Schlichte Änderung nach § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstaben a, c und d AO: Eine solche Änderung ist zugunsten des Steuerpflichtigen nur innerhalb der Einspruchsfrist möglich. Sie ist etwa dann relevant, wenn lediglich Unterlagen nachgereicht oder Begründungen vorgebracht werden (Buchstabe a). Buchstabe c der genannten Norm betrifft Verwaltungsakte, die durch anglistische Täuschung des Finanzamtes erwirkt wurden
- Neue Tatsache nach § 173 AO: Neue Tatsachen sind solche, die dem Finanzamt bei der erstmaligen Veranlagung unbekannt waren. Ermittlungsfehler (etwa durch unsauberes Auswerten von Unterlagen durch den Veranlagungsbeamten) ermöglichen keine Änderung nach § 173 AO (AEAO zu § 173, Randziffer 4). Typischerweise kommt § 173 Absatz 1 AO bei Außenprüfungen zur Anwendung
- Widerstreitende Steuerfestsetzung nach § 174 AO: Diese Norm betrifft Sachverhalte, die zu Unrecht in mehreren Bescheiden erfasst wurden. Außerdem findet sie Anwendung auf Fälle, in denen mehrere Finanzämter davon ausgingen, der entsprechende Sachverhalt sei bereits in einem anderen Bescheid berücksichtigt worden
- Grundlagenbescheide und rückwirkende Ereignisse nach § 175 AO: Der Erlass oder die Änderung eines Grundlagenbescheides bewirkt, wie auch der Eintritt eines Ereignisses mit Rückwirkung in die Vergangenheit, eine Änderung nach § 175 Absatz 1 Satz 1 AO
Abschließend normiert § 177 AO betragsmäßige Ober- und Untergrenzen für die Änderung von Steuerbescheiden.
3.3. Aufbau der Abgabenordnung: Festsetzungsfristen und Verjährung
Die §§ 169 bis 171 AO regeln alles, was Sie zur Verjährung von Änderungsmöglichkeiten wissen sollten. Dabei gilt dem Grunde nach eine Festsetzungsfrist von vier Jahren (§ 169 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 AO), die sich im Falle von Steuerordnungswidrigkeiten und -straftaten auf fünf respektive zehn Jahre verlängert (Satz 2). Nach Ablauf dieser jeweils geltenden Festsetzungsfristen ist eine Änderung oder Aufhebung der Festsetzung (§§ 129 bis 131 und §§ 164, 165 und 172 bis 177 AO) ausgeschlossen.
Die Festsetzungsfrist von regelmäßig vier Jahren beginnt nach § 170 Absatz 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer (etwa nach § 36 EStG und § 13 UStG) entstanden ist. Im Falle einer Abgabeverpflichtung (etwa durch Tätigkeiten im Sinne der §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG) beginnt die Frist erst mit Ende des Kalenderjahres, in dem die Erklärung abgegeben wurde (§ 170 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 AO).
Der reguläre Ablauf der Festsetzungsfrist ist nach § 171 AO gehemmt, wenn bestimmte Ereignisse eintreten. Im Aufbau der Abgabenordnung besonders relevant sind hier vor allem:
- Entscheidung über einen Einspruch oder eine Klage (§ 171 Absatz 3a AO). Während das Einspruchs- oder Klageverfahren läuft, gilt eine vollumfängliche Ablaufhemmung
- Beginn einer Außenprüfung (§ 171 Absatz 4 AO), wenn das Finanzamt vor dem originären Ende der Festsetzungsfrist mit Prüfungshandlungen beginnt
- Stellung einer Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO (§ 171 Absatz 9 AO)
- Erlass eines Grundlagenbescheides, auch wenn dieser nach dem Ende der Festsetzungsfrist erfolgt (§ 171 Absatz 10 Satz 1 AO)
- Eintritt eines Erbfalles; die Festsetzungsfrist endet frühestens sechs Monate nach Annahme des Nachlasses durch die Erben (§ 171 Absatz 12 Alternative 1 AO)
3.4. Das Einspruchsverfahren nach §§ 347 fort folgende AO
Im Aufbau der Abgabenordnung – genauer gesagt in deren siebenten Teil – ist das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren (Einspruch) geregelt. Bei ihm handelt es sich um die letzte Instanz innerhalb des Finanzamtes, bevor Steuerpflichtige Einwände nur noch im Wege der Klage vor dem Finanzgericht geltend machen können (§ 47 Absatz 1 FGO). Der Einspruch hindert den Eintritt der formellen und materiellen Bestandskraft des jeweiligen Verwaltungsaktes (AEAO vor § 347, Randziffer 1).
Es gilt der Grundsatz der Auslegung (§ 133 BGB). Das Finanzamt geht im Zweifel stets von einem Einspruch aus, auch wenn dieser zum Beispiel als „Antrag“, „Schreiben“ oder „Widerspruch“ bezeichnet ist.
Der Einspruch ist dabei statthaft gegen Verwaltungsakte in Abgabenangelegenheiten, auf die die AO Anwendung findet (§ 347 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und Absatz 2 AO). Er muss innerhalb einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe (§ 122 AO) beim Finanzamt eingehen (§ 355 Satz 1 AO). Für die Berechnung der Frist gelten die allgemeinen Grundsätze der §§ 187 und 188 BGB. Steuerpflichtige haben den Einspruch schriftlich oder elektronisch einzulegen (§ 357 Absatz 2 Satz 1 AO).
Das Einspruchsverfahren
- wird von der Behörde geführt, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat (§ 367 Absatz 1 Satz 1 AO),
- führt zu einer vollständigen Neuüberprüfung des Bescheides, was auch eine nachteilige Änderung bedingen kann (§ 367 Absatz 2 Satz 1 und 2 AO), und
- endet mit einer Einspruchsentscheidung, soweit das Finanzamt dem Anliegen des Steuerpflichtigen nicht abhilft (§ 367 Absatz 2 Satz 3 AO).
Gegen Einspruchsentscheidungen sind keine Einsprüche mehr möglich (§ 348 Nummer 1 AO).
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4. Aufbau der AO: Erhebung, Haftung und Vollstreckung
Werfen wir abschließend eine Blick auf die Normen der AO, die im Steuerverwaltungsverfahren regelmäßig ebenfalls „am Ende“ stehen. Während die Erhebung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis alle Steuerpflichtigen betrifft, sind Haftung und insbesondere Vollstreckung nur in Ausnahmefällen relevant. Dies wird bereits aus dem Aufbau der Abgabenordnung, in dem die genannten Vorgänge an die uns bereits bekannten Grundnormen anknüpfen, deutlich.
4.1. Erhebung von Steueransprüchen durch das Finanzamt
Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis macht das Finanzamt durch Steuerbescheid geltend (§ 218 Absatz 1 Satz 1 AO). Bereits geleistete Zahlungen sind anzurechnen; der sogenannte Anrechnungsbescheid kann mit dem Steuerbescheid verbunden werden (§ 218 Absatz 2 AO). Dies gilt auch für die Zahlungsaufforderung, wobei sich die Fälligkeit der Steuerschuld nach dem Einzelsteuerrecht richtet (§ 220 Absatz 1 AO).
Der Anspruch der Finanzbehörde verjährt fünf Jahre nach seiner Entstehung (Zahlungsverjährung; § 228 Satz 1 und 2 AO). Bei Steuerstraftaten verlängert sich diese Frist auf zehn Jahre.
Die zu zahlende Steuer erhöht respektive vermindert sich gegebenenfalls um
- Verspätungszuschläge bei verspäteter Abgabe der Steuererklärung,
- Säumniszuschläge nach § 240 AO bei verspäteter Zahlung der Steuerschuld und
- Zinsen, soweit gesetzlich vorgeschrieben, nach § 233a AO.
„Klassische“ Verzinsungstatbestände sind etwa bei Stundungen und Hinterziehungen erfüllt. Eine Verzinsung zugunsten des Steuerpflichtigen kann sich ergeben, wenn dieser seine Steuererklärung – mangels Verpflichtung zur Abgabe berechtigterweise – erst 15 Monate nach dem Ende des Veranlagungszeitraums oder später abgibt.
4.2. Haftungstatbestände in der Abgabenordnung
Soweit nach § 128 BGB, einem Einzelsteuergesetz oder einer AO-Norm eine Person für die Steuerschuld eines Anderen haftet, greift § 191 AO. Nach § 191 Absatz 1 Satz 1 AO nimmt das Finanzamt die jeweilige Person durch schriftlichen Haftungsbescheid in Anspruch.
Mögliche Haftungstatbestände im Aufbau der Abgabenordnung sind dabei:
- Haftung eines Vertreters (§ 69 Satz 1 AO): Ein Vertreter im Sinne der §§ 34 und 35 AO (insbesondere Erziehungsberechtigte) haftet bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Handlung. Voraussetzung ist, dass eine geschuldete Steuer (§ 37 AO) nicht, nicht rechtzeitig oder nicht in voller Höhe festgesetzt wurde
- Haftung des Steuerhinterziehers (§ 71 AO): Wer Steuern hinterzieht (§ 370 AO), haftet für die hinterzogene Steuer und sämtliche Nebenleistungen, vor allem Zinsen, die zu Unrecht gewährt wurden
- Haftung des Betriebsübernehmers (§ 75 AO): Die Übernehmerin oder der Übernehmer eines Unternehmens haftet für bestehende Steuerschulden. Diese Haftung ist auf den Wert des übernommenen Vermögens beschränkt (§ 75 Absatz 1 Satz 2 AO)
4.3. (Zwangs-) Vollstreckung im Aufbau der Abgabenordnung
Im Aufbau der Abgabenordnung haben wir uns nun viele relevante Aspekte rund um Entstehung und Zahlung von Steuerschulden angesehen. Praktisch geht eine reine Verpflichtung zur Zahlung aber ins Leere, wenn die Finanzbehörde keine Möglichkeit hat, auch gegen den Willen des Zahlungspflichtigen auf dessen Vermögen zuzugreifen.
Entsprechend gibt es auch im Steuer(-verfahrens-)recht den Weg der Zwangsvollstreckung. Nach § 251 Absatz 1 Satz 1 AO ist sie möglich, wenn aktuell keine Aussetzung der Vollziehung – § 361 Absatz 1 AO – besteht. Gegenstand der Vollstreckung ist ein Verwaltungsakt, der eine Geldforderung, Handlung, Duldung oder Unterlassung bewirken soll (§ 249 Absatz 1 Satz 1 AO).
Das Finanzamt darf mit der Vollstreckung beginnen, wenn
- die Leistung fällig ist,
- der Vollstreckungsschuldner zur Leistung aufgefordert wurde und
- seit dieser Aufforderung mindestens eine Woche vergangen ist (§ 254 Absatz 1 AO).
Die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen (Bar- und Buchgeld, Forderungen, Fahrzeuge, et cetera) erfolgt im Wege der Pfändung (§ 281 Absatz 1 AO). Für alles Weitere sind die folgenden Normen der AO und die Vollstreckungsanweisung (VollStrA; Anhang 36 zum AO-Handbuch) maßgeblich. Insbesondere muss auch das Finanzamt alle Pfändungsbeschränkungen der Zivilprozessordnung (Pfändungsfreibetrag, Unpfändbarkeit bestimmter Gegenstände) beachten.
Steuerberater für Abgabenrecht
Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die steuerrechtliche Gestaltungsberatung im Unternehmensteuerrecht spezialisiert. Mandanten schätzen unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:
- Erläuterungen zur unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht in Deutschland und im Ausland
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- Entwicklung von Maßnahmen zur Reduktion der Steuerlast (zum Beispiel Rechtsformwahl, Sitzverlegung)
- Ausarbeitung von Vermeidungsstrategien für den Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO
Hierzu stehen Ihnen unsere Steuerberater und Rechtsanwälte an den Standorten Köln und Bonn gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Zudem beraten wir deutschlandweit per Telefon und Videokonferenz:
Fachreferent beim Steuerberaterverband für Abgabenordnung
Seit 2014 sind die Partner unserer Kanzlei regelmäßige Fachreferenten des Steuerberaterverbands Köln. Dabei besuchen circa 1.500 Steuerberater pro Jahr unsere Seminare. Wegen der hohen Nachfrage stellen wir Ihnen unsere Präsentation zum Verfahrensrecht gerne kostenlos zum Download zur Verfügung:
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Die Abgabenordnung (AO) ist das „Steuergrundgesetz“ und regelt das gesamte Verwaltungsverfahren – von der Abgabe einer Steuererklärung über die Festsetzung und Erhebung der Steuer bis hin zur Zwangsvollstreckung. Dabei haben aber nicht nur die Steuerpflichtigen, sondern auch die Finanzbehörden bestimmte Vorgaben einzuhalten. Schauen wir uns mit den allgemeinen Besteuerungsgrundsätzen einmal die bundesweit einheitlichen „Leitlinien“ für das Finanzamt an!
Inhaltsverzeichnis
1. Sinn und Zweck einheitlicher Besteuerungsgrundsätze
Nach § 1 Absatz 1 Satz 1 AO gilt die Abgabenordnung für alle Steuern, die durch Bundes- und Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Dies schließt Kommunen, die ihre eigenen Steuersatzungen anwenden, zunächst aus. Gesetze wie das Einkommen- oder Umsatzsteuergesetz sind allerdings ebenfalls Bundesgesetze. Ihre Verwaltung erfolgt allerdings durch keine eigenständige Behörde („Bundesfinanzamt“), sondern durch die jeweiligen Finanzverwaltungen der Länder.
Ohne einheitliche Besteuerungsgrundsätze könnte es nun beispielhaft zu folgenden Situationen kommen:
- Werbungskosten nach § 9 EStG werden vom Finanzamt Bonn anerkannt, während das Finanzamt München eine identische Ausgabe vom Abzug ausschließt
- Zwei niedersächsische Finanzämter legen ein gleichlautendes Schreiben einmal als Einspruch und einmal als Antrag auf schlichte Änderung aus
- Zwei Betriebsprüferinnen sind sich uneinig über die Zulässigkeit einer Außenprüfung bei einem vermögenden Steuerpflichtigen
Um derartigen Ungleichmäßigkeiten von vornherein zu begegnen, hat der Gesetzgeber mit den §§ 85 bis 90 AO einheitliche Grundsätze für die Besteuerung festgelegt. Auf ihnen fußt die gesamte Anwendung der AO. Um auch auf den darüberliegenden Ebenen für Gleichmäßigkeit zu sorgen, erlässt das Bundesministerium der Finanzen (BMF) für alle Länder bindende Verwaltungsanweisungen. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) ist ein Bundes- und kein Landesgericht.
2. Diese Besteuerungsgrundsätze finden sich in §§ 85 bis 90 AO
Praktischerweise hat der Gesetzgeber die wichtigsten Besteuerungsgrundsätze dicht beieinander in den §§ 85 bis 90 AO festgehalten. Viele Normen ähneln dabei den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), wurden aber in der AO erneut niedergeschrieben, da das VwVfG im Steuerverwaltungsverfahren keine Anwendung findet (lex specialis; § 2 Absatz 2 Nummer 1 VwVfG).
Folgende Verfahrensgrundsätze finden sich in den genannten AO-Normen:
- Gleichmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 Satz 1 AO)
- Vermeidung von Steuerverkürzung und unrechtmäßiger Versagung von Steuervorteilen (§ 85 Satz 2 AO)
- Beginn des Verwaltungsverfahrens (§ 86 AO)
- Amtssprache (§ 87 Absatz 1 AO)
- Untersuchungs- und Ermittlungsgrundsatz (§ 88 AO)
- Beratung und (verbindliche) Auskunft (§ 89 AO
- Mitwirkungspflichten der Beteiligten (§ 90 AO)
Werfen wir einmal einen etwas praxisnäheren Blick auf die genannten Vorschriften und ihre Bedeutung für das Besteuerungsverfahren.
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2.1. Gleichmäßigkeit der Besteuerung
Die Finanzämter sind verpflichtet, alle Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen. Damit schließt der Gesetzgeber vor allem Ungleichbehandlungen mehrerer Steuerpflichtiger mit vergleichbaren Sachverhalten aus. Durch weitgehend enge gesetzliche Vorgaben – zum Beispiel im EStG – stellt bereits das materielle Steuerrecht eine gleichmäßige Besteuerung sicher. § 85 Satz 1 AO bezieht sich damit in erster Linie auf diejenigen Fälle, in denen das Finanzamt ein Ermessen (§ 5 AO) ausüben kann.
Außerdem normiert § 85 Satz 1 AO eine gleichmäßige Erhebung der Steuern. Hiermit meint der Gesetzgeber beispielsweise
- einheitliche Fristen für die Zahlung von Steuerrückständen,
- einheitliche Festsetzung und im Zweifel Vollstreckung von Säumniszuschlägen und Zinsen und
- ein identisches Vorgehen der Finanzbehörde bei ausbleibenden oder zu niedrigen Zahlungen.
Das Finanzamt hat dabei für jeden Veranlagungszeitraum erneut zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen eines Tatbestandes vorliegen. Hiervon kann es nur dann abweichen, wenn dem Steuerpflichtigen bereits im Vorjahr oder durch eine regelmäßige Akzeptanz seitens der Finanzverwaltung ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde (AEAO zu § 85, Randziffer 2).
Für Gleichmäßigkeit haben die Finanzämter und ihnen gleichgestellte Behörden, die den Normen der AO unterliegen (etwa die Familienkassen; § 6 Absatz 2 Nummer 6 AO) auch bei Steuervergütungen zu sorgen. Ein Steuervorteil ist daher im Zweifel zu versagen, wenn zweifelhaft oder widerlegt ist, dass die entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen (§ 85 Satz 2 AO). „Betriebsnahe Veranlagungen“ (BNV) sind Teil des Steuerfestsetzungsverfahrens und keine Außenprüfungen, wenn es an einer entsprechenden Anordnung (§ 196 AO) fehlt (AEAO zu § 85, Randziffer 3).
Die in § 85 AO normierten Besteuerungsgrundsätze gelten auch für das Steuerstraf- und Ermittlungsverfahren, soweit die Normen der AO hier nicht durch strafrechtliche Sondervorschriften (etwa den Ermittlungsgrundsätzen der §§ 160 und 244 StPO) verdrängt werden.
2.2. Beginn des Verwaltungsverfahrens und Amtssprache
Im Grundsatz entscheidet das Finanzamt nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführt (§ 86 Satz 1 AO). Dieses Ermessen spielt beispielsweise bei der Frage, ob mit einer steuerlichen Außen- oder Fahndungsprüfung begonnen werden soll, eine Rolle. Darüber hinaus gelten mit § 86 Satz 2 AO zwei besondere Besteuerungsgrundsätze. Den Nummern 1 und 2 der Vorschrift zufolge ist der Beginn eines Verwaltungsverfahrens ausgeschlossen, wenn
- das Finanzamt von Amts wegen oder auf Antrag tätig werden muss (etwa durch eine Abgabeverpflichtung des Steuerpflichtigen) und
- das Finanzamt nur auf Antrag tätig werden darf, es aber an einem solchen Antrag fehlt (zum Beispiel in Fällen der Antragsveranlagung zur Einkommensteuer).
Nach § 87 Absatz 1 AO ist die Amtssprache Deutsch. Bei Anträgen und sonstigen Schreiben in fremder Sprache kann das Finanzamt eine Übersetzung verlangen. Zugunsten des Steuerpflichtigen ist dabei der Eingang des Anliegens in fremder Sprache für die Einhaltung von Fristen maßgeblich, wenn die Übersetzung innerhalb einer behördlich gesetzten, angemessenen Frist eingeht (§ 87 Absatz 2 und 4 AO). Im Übrigen gilt der Eingang der Übersetzung als maßgebend.
2.3. Untersuchungs- und Ermittlungsgrundsatz
Nach § 88 Absatz 1 AO muss für die Besteuerung relevante Sachverhalte von Amts wegen ermitteln. Dabei hat sie alle für und gegen den Beteiligten sprechende Tatsachen zu berücksichtigen und hierfür alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen (AEAO zu § 88, Randziffer 1). Außerdem gilt der aus anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung bekannte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 88 Absatz 2 AO).
Der Ermittlungsgrundsatz gehört einerseits zu den wichtigsten Besteuerungsgrundsätzen, führt anderseits aber auch zu einem kaum zu stemmenden Verwaltungsaufwand. Durch § 88 Absatz 5 Satz 1 und 3 AO ist daher auch der Einsatz maschineller Risikomanagementsysteme (RMS) zulässig. Ein solches System muss allerdings bestimmte Sachverhalte zufalls- und sachverhaltsbasiert zur personellen Prüfung aussteuern.
Fachberatung für
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3. Besteuerungsgrundsätze unter Teilhabe des Steuerpflichtigen: Auskunft, Beratung, Mitwirkung
Die §§ 89 und 90 AO stehen insoweit etwas abseits der bisher genannten Normen, als dass bei ihnen eine zumindest teilweise Mitwirkung des Steuerpflichtigen erforderlich ist. Dies betrifft im Falle des § 89 AO die Auskunft an Steuerpflichtige und dessen Beratung. Nach § 90 AO sind Beteiligte unmittelbar dazu verpflichtet, den Finanzbehörden gegenüber die geforderten Angaben vollständig und wahrheitsgemäß zu machen.
3.1. Auskunfts- und Beratungsverpflichtung der Finanzbehörde
Nach § 89 Absatz 1 Satz 1 AO soll das Finanzamt den Steuerpflichtigen anregen, offensichtlich unrichtige oder ungewollte Anträge vor deren Wirksamwerden zu berichtigen oder zurückzunehmen. Soweit erforderlich, erteilt die Behörde Auskunft über Rechte und Pflichten im Verwaltungsverfahren (§ 89 Absatz 1 Satz 2 AO).
Von der allgemeinen ist die verbindliche Auskunft nach § 89 Absatz 2 AO zu unterscheiden. Sie bezieht sich auf einen vom Steuerpflichtigen oder dessen Berater geschilderten Sachverhalt und dessen steuerlicher Beurteilung. Die verbindliche Auskunft ist gebührenpflichtig, für das Finanzamt allerdings bindend, wenn der tatsächliche vom beauskunfteten Sachverhalt nur unwesentlich abweicht. Näheres regelt die Steuer-Auskunftsverordnung (StAuskV) vom 30.11.2007.
3.2. Mitwirkungspflichten von Beteiligten
Beteiligte im Sinne des § 78 AO (Antragsteller und Antragsgegner, Inhaltsadressat, Vertragspartner) sind zur Mitwirkung verpflichtet. Nach § 90 Absatz 1 Satz 2 AO erfolgt diese vor allem durch Vorlage und/oder Offenlegung aller für die Besteuerung relevanter Tatsachen und Beweismittel. Dies sind beispielsweise:
- Amtliche Dokumente
- Verträge
- Rechnungen
- (Geschäfts-) Beziehungen
Erweiterte Mitwirkungspflichten gelten im Rahmen der Besteuerungsgrundsätze nach § 90 Absatz 2 und 3 AO für Sachverhalte mit direktem oder indirektem Bezug zum Ausland. Die §§ 91 bis 107 AO regeln darüber hinaus
- die Anhörung von Beteiligten, etwa durch Anschreiben (§ 91 AO),
- Definition und Nutzung von Beweismitteln durch Finanzbehörden (§ 92 AO),
- Auskunftspflichten dritter Personen (§ 93 AO),
- Vorgehensweisen bei Vernehmungen und Versicherungen an Eides statt (§§ 94 und 95 AO),
- die Hinzuziehung von Sachverständigen (§ 95 AO)
sowie die Vorlage von Urkunden und bestimmte Auskunftsverweigerungsrechte. Zu erwähnen ist hier insbesondere § 101 Absatz 1 Satz 1 AO, der ein Aussageverweigerungsrecht für Angehörige im Sinne des § 15 AO normiert. Das strafrechtliche Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO gilt auch im Steuerstrafverfahren.
Steuerberater für abgabenrechtliche Optimierung
Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die steuerrechtliche Gestaltungsberatung im Unternehmensteuerrecht, das auch zahlreiche AO-Themen umfasst, spezialisiert. Bei der Beratung schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:
- Entwicklung von Maßnahmen zur Reduktion der Steuerlast (zum Beispiel Rechtsformwahl, Sitzverlegung)
- Allgemeine Beratung zu GmbH-Besteuerung (Gründung, Vermeidung von Betriebsaufspaltungen, Steuerreduktion bei Gewinnausschüttungen, Nutzung von Verlustvorträgen)
- Rechtsberatung durch unsere Rechtsanwälte (insbesondere im Gesellschaftsrecht und Vertragsrecht)
- Entwicklung von Verteidigungsstrategien gegenüber der Finanzverwaltung bei Einspruchsverfahren, Betriebsprüfungen, FG-Klageverfahren und BFH-Revisionsverfahren
- Ausarbeitung von Vermeidungsstrategien für den Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO
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Durch zahlreiche Vorschriften im Einzelsteuerrecht (EStG, UStG, GewStG) stehen dem Fiskus unterschiedlichste Steuereinnahmen zu. Der reine Anspruch ist aber nutzlos, wenn keine Klarheit über seine Geltendmachung dem Steuerpflichtigen gegenüber besteht. Wie für so viele Bereiche, enthält die Abgabenordnung (AO) auch für die sogenannte Steuererhebung entsprechende Normen. Werfen wir also einen kurzen Blick auf die Grundzüge des Erhebungsverfahrens.
Die Erhebung folgt dabei unmittelbar auf die Festsetzung der Steuer. Bei ausbleibender Zahlung (Leistung) des Steuerpflichtigen kann das Finanzamt die Zwangsvollstreckung anordnen.
Inhaltsverzeichnis
1. Grundzüge der Steuererhebung nach § 218 AO
Die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis ist in den §§ 218 bis 248 AO abschließend geregelt. Die Normen gelten für alle Steuerarten, sofern und soweit die Einzelsteuergesetze keine abweichenden Regelungen enthalten (sogenannte leges specialis). Dies folgt aus dem allgemeinen Anwendungsbereich der Abgabenordnung (§ 1 AO).
Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, das zwischen Staat und Bürger sowie Unternehmen besteht, entstehen, sobald der gesetzliche Tatbestand verwirklicht ist (§ 38 AO). In diesem Zeitpunkt hat der Fiskus einen Anspruch auf die beispielsweise nach den §§ 2 und 32a EStG entstandene Einkommensteuer. Allerdings wurde der Anspruch hier, sofern kein entsprechender Bescheid erlassen wurde, dem Steuerpflichtigen gegenüber noch nicht geltend gemacht.
Beispiel: Die Einkommensteuer entsteht nach § 36 EStG zum 31.12. des jeweiligen Kalenderjahres. In derselben „juristischen Sekunde“ erwirbt der Fiskus den Steueranspruch im Sinne des § 37 Absatz 1 AO. Das Erhebungsverfahren beginnt hingegen erst mit Erlass eines Steuerbescheides.
Nach § 218 Absatz 1 AO ist der Steuerbescheid Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis. Selbiges gilt für Steuervergütungs-, Haftungs- und Bescheide über steuerliche Nebenleistungen. Steueranmeldungen sind Steuerbescheide unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 168 Satz 1 AO). Steuer- und ihnen gleichstehende Bescheide sind damit bereits ab Erlass vollstreckbare Verwaltungsakte.
2. Zusatzbestimmungen im Erhebungsverfahren: Fälligkeit und Stundung
Mit Fälligkeit und Stundung bestehen zwei Zusatznormen zu § 218 AO, die einerseits den Grundsatz und andererseits die Ausnahme regeln. Dabei gilt:
- Die Fälligkeit von Steueransprüchen richtet sich nach den Einzelsteuergesetzen (§ 220 Absatz 1 AO). Findet sich hier keine entsprechende Regelung, wird der Anspruch mit seiner Entstehung fällig (Absatz 2). Das Finanzamt bestimmt die Fälligkeit durch Leistungsgebot (§ 254 Absatz 1 Satz 1 AO), das beispielsweise lautet: „Bitte zahlen Sie die ausstehende Steuer bis zum 31.07.2023 auf eines der unten genannten Konten der Finanzkasse ein“
- Auf Antrag kann das Finanzamt den Steueranspruch ganz oder teilweise stunden. Voraussetzung ist, dass die fristgerechte Zahlung eine erhebliche Härte für den Steuerpflichtigen bedeuten würde (§ 222 Satz 1 AO).
Im Rahmen der Steuererhebung ist außerdem ein – eng mit der Stundung verbundener – Erlass von Abgaben nach § 227 AO möglich. Er kommt infrage, wenn ihre Einziehung „unbillig“ wäre, wobei die Norm in der Praxis vor allem bei zuungunsten des Steuerpflichtigen festgesetzten Zinsen Anwendung findet.
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3. Zahlungsverjährung und Verzinsung bei der Steuererhebung
Neben der Festsetzungs- kennt die AO noch die sogenannte Zahlungsverjährung. Die hierfür geltende Frist beträgt regulär fünf Jahre, verlängert sich bei Steuerstraftaten allerdings analog zu § 169 Absatz 2 Satz 2 AO auf zehn Jahre (§ 228 AO). Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem der Steueranspruch zum ersten Mal fällig wurde (§ 229 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 220 AO). Wurde der entsprechende Bescheid aufgehoben oder geändert, ist das Ende dieses Kalenderjahres maßgeblich.
Beispiel: Ein Steuerbescheid wurde im Jahr 2022 erlassen, der fiskalische Anspruch ebenfalls in diesem Jahr fällig. Anfang 2023 wurde der Bescheid nach § 173 AO geändert. Beginn der Zahlungsverjährung ist der 31.12.2023.
Die Zahlungsverjährung ist gehemmt, wenn der Anspruch wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate der Frist nicht verfolgt werden konnte. Außerdem tritt keine Zahlungsverjährung für die Steuererhebung ein, solange die Festsetzungsfrist des zugrundeliegenden Verwaltungsaktes noch läuft (§§ 169 bis 171 AO). Mit § 231 AO gelten zudem diverse Unterbrechungstatbestände, die eine Zahlungsverjährung „pausieren“ lassen.
3.1. Verzinsung von Steueransprüchen
Nach Maßgabe des § 233 AO sind Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zu verzinsen, soweit es eine entsprechende Regelung vorsieht. Dies ist unter anderem einschlägig, wenn
- eine Steuernachforderung oder Steuererstattung aussteht (§ 233a AO),
- eine Stundung nach § 222 AO gewährt wurde (§ 234 AO),
- Steuern hinterzogen wurden (§ 235 AO), oder
- und soweit das Finanzamt einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stattgegeben hat (§ 237 AO).
Verzinst wird dabei immer nur der ausstehende, gestundete, hinterzogene oder von der Vollziehung ausgenommene Betrag. Zinsen, die nach § 233a AO für denselben Zeitraum zu zahlen sind, hat das Finanzamt auf andere Zinsforderungen anzurechnen (§§ 234 Absatz 3, 235 Absatz 4, 236 Absatz 4 und 237 Absatz 4 AO).
Beispiel: Bei einer Steuerhinterziehung fallen neben Nachzahlungs- auch Hinterziehungszinsen an (§§ 233a und 235 AO). Um eine Doppelverzinsung für den entsprechenden Zeitraum zu vermeiden, rechnet das Finanzamt die Zinsen nach § 233a AO auf den Hinterziehungszinsanspruch an.
3.2. Höhe der Zinsen im Erhebungsverfahren
Die Zinsen betragen 0,5 % für jeden angefangenen Monat (§ 238 Absatz 1 Satz 1 AO). In den Fällen des § 233a AO liegt der Zinssatz bei 0,15 % je Monat (1,8 % pro Jahr), nachdem das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der bisherigen (zu hohen) Zinsen festgestellt hat (§ 233a Absatz 1a AO).
Um derartigen Verfahren in Zukunft zu entgehen, hat der Gesetzgeber mit § 233 Absatz 1c AO normiert, dass die Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren ist. Mehr über die Verfassungswidrigkeit der Zinsen und die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts erfahren Sie in unserem Fachbeitrag und den einschlägigen Urteilen!
Steuerberater für die Optimierung der Steuerlast
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GmbH
- Allgemeine Beratung zu GmbH-Besteuerung (Gründung, Vermeidung von Betriebsaufspaltungen
- Optimierte Besteuerung der GmbH
- Steueroptimierung bei Gewinnausschüttungen (Kapitalertragsteuer und Teileinkünfteverfahren)
- Strategische Beratung bei Kapitalgesellschaften (Erwerb eigener Anteile, disquotale Gewinnausschüttung, Organschaft, Holdings
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Reine Vermietungstätigkeiten sind – wie auch die Kapitalanlage – dem privaten Lebensbereich eines Steuerpflichtigen zuzuordnen (etwa über § 21 EStG). Vermietet der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut aber an eine Kapitalgesellschaft, die er selbst oder gemeinsam mit anderen beherrscht, kann eine ertragsteuerliche Betriebsaufspaltung entstehen. Bei ihr handelt es sich um ein im Einkommensteuergesetz nicht explizit geregeltes, durch BFH-Rechtsprechung und Verwaltung konkretisiertes Rechtsinstitut. Entsteht eine Betriebsaufspaltung ungeplant und unkoordiniert, können die steuerlichen Folgen gravierend sein – vor allem dann, wenn eine der Tatbestandsvoraussetzungen wieder wegfällt.
Schauen wir uns also an, wie eine ertragsteuerliche Betriebsaufspaltung entsteht, wie sie sich auf die Besteuerung auswirkt und welche Möglichkeiten der (steuerneutralen) Auflösung es gibt!
Inhaltsverzeichnis
1. Rechtsgrundlagen: Wo ist die ertragsteuerliche Betriebsaufspaltung geregelt?
Die zur ertragsteuerlichen Betriebsaufspaltung ergangene BFH-Rechtsprechung hat längst Einzug in verbindliche Verwaltungsanweisungen gefunden. Im Einkommensteuer-Handbuch (EStH) finden wir mit den Richtlinien und Hinweisen zu § 15 EStG (R 15 und H 15 EStR) alle notwendigen Rechtsgrundlagen. Anhand dieser Grundlagen lässt sich eine Betriebsaufspaltung auch von vornherein vermeiden.
Grundsätzlich ist die reine Vermögensverwaltung keine gewerbliche Tätigkeit (R 15.7 Absatz 1 Satz 1 und 2 EStR). Die Nutzungsüberlassung (zum Beispiel Vermietung von Immobilien) wird aber zum Gewerbebetrieb, wenn die Voraussetzungen einer ertragsteuerlichen Betriebsaufspaltung gegeben sind. Dies setzt voraus, dass sowohl sachliche als auch personelle Verflechtung bestehen (H 15.7 Absatz 4, Stichwort „Allgemeines“, EStH):
- Sachliche Verflechtung: Der Steuerpflichtige (natürliche oder juristische Person) überlässt eine wesentliche Betriebsgrundlage an eine gewerblich tätige Personen- oder Kapitalgesellschaft. Die Prüfung, ob eine solche Betriebsgrundlage vorliegt, erfolgt immer aus Sicht der Gesellschaft
- Personelle Verflechtung: Der die wesentliche Betriebsgrundlage überlassende Steuerpflichtige beherrscht einerseits das überlassene Wirtschaftsgut, andererseits aber auch die Gesellschaft, an die er es überlässt. Eine indirekte oder nur mit ihm nahestehenden Personen vorliegende Beherrschung reicht dabei aus
Dadurch, dass der Steuerpflichtige das (private) Wirtschaftsgut einerseits und die Gesellschaft regelmäßig GmbH) andererseits beherrschen kann, geht der BFH davon aus, dass es sich – anders als es der äußere Anschein vermuten lässt – nicht mehr um zwei getrennte Vermögenssphären, sondern um ein einheitliches Unternehmen handelt. Dieses ist lediglich auf natürliche und juristische Person aufgeteilt („aufgespalten“).
Wichtigste Rechtsfolge der Betriebsaufspaltung ist die Entstehung
- eines Betriebsunternehmens (Gesellschaft, an die das Wirtschaftsgut überlassen wird) und
- eines Besitzunternehmens (Person, die das Wirtschaftsgut überlässt; beherrschende Gesellschafterin oder beherrschender Gesellschafter).
Dadurch, dass Kapitalgesellschaften durch gesetzliche Fiktion immer als Gewerbebetrieb gelten (§ 8 Absatz 2 KStG), stellt auch das Besitzunternehmen einen solchen im Sinne des § 15 Absatz 2 EStG dar.
1.1. Die sachliche Verflechtung
Von einer sachlichen Verflechtung ist auszugehen, wenn das Besitzunternehmen dem Betriebsunternehmen eine funktional-wesentliche Betriebsgrundlage überlässt. Unerheblich ist dabei, ob die Überlassung in vollem Umfang entgeltlich, teilentgeltlich oder unentgeltlich erfolgt; der BFH stellt ausschließlich auf die Überlassung als solche ab (ständige Rechtsprechung, unter anderem Urteil vom 29.11.2017, X R 34/15). Selbst die reine Leihe eines entsprechenden Wirtschaftsgutes kann die Betriebsaufspaltung begründen (BFH vom 24.04.1991, X R 84/88).
Wesentliche Betriebsgrundlagen sind – in der Regel – Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, denen mit Blick auf die Erreichung des Betriebszwecks der Betriebsgesellschaft eine besondere Bedeutung zukommt. So hat der BFH in Streitfällen rund um die ertragsteuerliche Betriebsaufspaltung beispielsweise für folgende Wirtschaftsgüter entschieden, dass sie eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellen können (H 15.7 Absatz 5, Stichwort „wesentliche Betriebsgrundlage“, EStH):
- Büro- oder Verwaltungsgebäude: Es stellt eine wesentliche Betriebsgrundlage dar, wenn es die räumliche Grundlage für die Tätigkeit des Betriebsunternehmens bildet (etwa durch die Arbeitsplätze der Mitarbeiter oder der Geschäftsführung). Bei Unternehmen, die mit Waren handeln, können auch Lagerhallen eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellen
- Einfamilienhaus: Befindet sich der Ort der Geschäftsleitung (§ 11 AO) im Einfamilienhaus des Gesellschafters, bildet dieser Raum die wesentliche Betriebsgrundlage. Dies gilt unabhängig davon, ob das Arbeitszimmer für die Tätigkeit als Geschäftsführer besonders hergerichtet oder umgestaltet wurde
- Immaterielle Wirtschaftsgüter: Auch Marken, Patente, Domains und andere immaterielle Wirtschaftsgüter können, sofern sie für das Betriebsunternehmen wesentlich sind, eine sachliche Verflechtung herbeiführen
Die sachliche Verflechtung beginnt mit der tatsächlichen Überlassung des Wirtschaftsgutes. Vertragsänderungen während der Laufzeit haben keinen Einfluss auf das Vorliegen respektive Nichtvorliegen einer ertragsteuerlichen Betriebsaufspaltung.
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1.2. Die personelle Verflechtung
Bei der Prüfung der personellen Verfechtung ist auf den „einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen“ der hinter beiden Unternehmen stehenden Personen (sogenannte Beherrschungsidentität; H 15.7 Absatz 6, Stichwort „Beherrschungsidentität“, EStH) abzustellen. Der BFH geht also immer dann von einer ertragsteuerlichen Betriebsaufspaltung aus, wenn die Person, die beispielsweise die Betriebs-GmbH beherrscht, auch über die an sie überlassene wesentliche Betriebsgrundlage bestimmen kann.
1.2.1 Personengruppen und Beispiele
Bei einer Personengruppe ist die Beherrschung beider Unternehmen durch die Gruppe als solche zu prüfen (BFH vom 28.05.2020, X R 5/19). Auch hier kann es in Einzelfällen zu einer abweichenden Beurteilung kommen, etwa dann, wenn ernstzunehmende Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Gruppe bestehen. Die reine Möglichkeit einer Meinungsverschiedenheit ist hingegen in keinem Fall ausreichend.
Beispiel: Gesellschafter G überlässt eine ihm gehörende Lagerhalle an seine G-GmbH. Beide Wirtschaftsgüter gehören ihm zu 100 %. Es liegt eine ertragsteuerliche Betriebsaufspaltung vor, weil G neben der Lagerhalle auch die GmbH beherrscht.
Abwandlung eins: Ein fremder, von G völlig unabhängiger, Dritter überlässt die Lagerhalle. G kann nicht über die Immobilie verfügen, sodass keine Betriebsaufspaltung vorliegt.
Abwandlung zwei: Die Lagerhalle steht im Eigentum der Ehefrau des G. Für die Prüfung der Betriebsaufspaltung kommt es nun darauf an, ob die Ehepartnerin dieselben geschäftlichen Interessen wie der G verfolgt. Fehlt es an dieser Voraussetzung, ist eine Betriebsaufspaltung zu verneinen, liegt sie hingegen vor, ist sie zu bejahen.
1.2.2. Maßgebende Kriterien für die Beurteilung
Die Möglichkeit, auf Ebene des Betriebsunternehmens den eigenen Willen durchzusetzen, richtet sich nach den folgenden Beurteilungskriterien und –maßstäben:
- Bei einer Beteiligung, die mehr als 50 % der Anteile umfasst, liegen regelmäßig auch die entsprechenden Stimm- und Widerspruchsrechte vor. Eine Beherrschung durch den Gesellschafter ist anzunehmen (H 15.7 Absatz 6, Stichwort „faktische Beherrschung“, EStH)
- Die Beteiligungsquote ist in der Weise zu ermitteln, dass die Beteiligungsverhältnisse von Personen mit gleichgerichteten Interessen gemeinsam zu berücksichtigen sind
- Ist die Beteiligung eine solche von weniger als 50 %, kann – ausnahmsweise, so der BFH – dennoch eine Beherrschung gegeben sein. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Gesellschaftsvertrag Klauseln enthält, die den Gesellschafter ermächtigen, jederzeit die Stimmrechtsmehrheit zu erhalten respektive zu erwerben. Auch eine Geschäftsführerstellung kann im Einzelfall zu einer Beherrschung führen
Die für die ertragsteuerliche Betriebsaufspaltung notwendige personelle Verflechtung kann auch durch eine mittelbare Beteiligung bestehen (BFH vom 16.09.2021, IV R 7/18).
1.3. Beginn der ertragsteuerlichen Betriebsaufspaltung
Die ertragsteuerliche Betriebsaufspaltung beginnt, sobald die Voraussetzungen „personelle und sachliche Verflechtung“ erstmalig vorliegen. Dabei reicht es bereits aus, wenn dies nur für eine „juristische Sekunde“ der Fall ist, etwa bei Immobilienübertragungen, die in enger zeitlicher Abfolge stattfinden. Es ist vollkommen unerheblich, ob die Betriebsaufspaltung bewusst oder unbewusst entsteht (BFH vom 10.05.2016, X R 5/14).
Die Option zur Körperschaftsteuerpflicht nach § 1a KStG kann ebenfalls eine ertragsteuerliche Betriebsaufspaltung begründen. So wird ein Wirtschaftsgut, was bislang Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters war, nun im klassischen Sinne an die „Kapitalgesellschaft“ überlassen. Entsprechend gelten alle Regeln, die auch bei „echten“ Kapitalgesellschaften anzuwenden sind (BMF-Schreiben vom 10.11.2021, IV C 2 – S 2707/21/10001 :004, Randziffer 84).
Soweit eine Betriebsaufspaltung bislang unentdeckt blieb und Einkünfte aus Gewerbebetrieb als solche aus reiner Vermögensverwaltung behandelt wurden, stellt die Entdeckung der Betriebsaufspaltung eine neue Tatsache im Sinne des § 173 Absatz 1 Satz 1 AO dar. Sie ermöglicht eine entsprechende Änderung der Bescheide, sofern die Festsetzungsfrist von regelmäßig vier Jahren noch läuft (§ 169 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 AO).
2. Folgen der ertragsteuerlichen Betriebsaufspaltung – laufende Besteuerung
Für die Behandlung der ertragsteuerlichen Betriebsaufspaltung ist im ersten Schritt zwischen Betriebs- und Besitzunternehmen zu unterscheiden. Denn insbesondere auf Ebene der Betriebsgesellschaft ändert sich nichts, da die gezahlten Mieten oder Pachten weiterhin als Betriebsausgaben abziehbar sind (§ 4 Absatz 4 EStG). Sämtliche Verträge, etwa mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer, bleiben ebenfalls bestehen.
Relevante steuerliche Folgen ergeben sich daher vor allem auf Ebene des Besitzunternehmens. Hierbei ist besonders wichtig, dass die zur ertragsteuerlichen Betriebsaufspaltung führenden Wirtschaftsgüter bisher Privatvermögen der jeweiligen Person darstellen. Befinden sie sich hingegen bereits in einem (Gewerbe-) Betrieb, ändert sich vergleichsweise wenig.
Das Besitzunternehmen
- ist ein Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Absatz 2 EStG, regelmäßig ein Einzelunternehmen,
- enthält das an die Betriebs-GmbH überlassene Wirtschaftsgut als notwendiges Betriebsvermögen und
- umfasst die Anteile an der Betriebs-GmbH, da diese durch die personelle Verflechtung ebenfalls notwendiges Betriebsvermögen werden.
Im Übrigen gelten die für Einzelunternehmen maßgebenden Vorschriften, etwa §§ 4 und 5 EStG. Das Besitzunternehmen kann seinen Gewinn daher auch per Einnahmen-Überschuss-Rechnung im Sinne des § 4 Absatz 3 EStG ermitteln. Das Wirtschaftsjahr entspricht dem Kalenderjahr (§ 4a Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Satz 1 EStG). Im Jahr der Betriebseröffnung entsteht daher mitunter ein sogenanntes Rumpf-Wirtschaftsjahr, das einen Zeitraum von weniger als 12 Monaten umfasst (§ 8b Satz 2 Nummer 1 EStDV).
Originäre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind nach § 21 Absatz 3 EStG, Kapitalerträge nach § 20 Absatz 8 EStG den gewerblichen Einkünften zuzurechnen. Im letztgenannten Fall findet § 32d EStG (gesonderter Steuertarif für Kapitalerträge) keine Anwendung mehr. Wirtschaftsgüter, die sich bislang im Privatvermögen des Gesellschafters befinden, sind in das Besitzunternehmen einzulegen.
Fachberatung für die
Vermeidung von Betriebsaufspaltungen?
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2.1. Einlage der wesentlichen Betriebsgrundlage aus Sicht des Betriebsunternehmens
Das Vorliegen einer sachlichen Verflechtung führt zur (Zwangs-) Einlage des entsprechenden Wirtschaftsgutes (zum Beispiel der Immobilie) in das Besitzunternehmen (§ 4 Absatz 1 Satz 8 EStG). Diese Einlage erfolgt zu dem Zeitpunkt, zu dem das Wirtschaftsgut die Eigenschaft als notwendiges Betriebsvermögen erwirbt, da in der Regel keine entsprechende Widmung des Steuerpflichtigen (freiwillige Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen) erfolgt.
Die Einlage erfolgt nach § 6 Absatz 1 Nummer 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG mit dem Teilwert. Wurde das Wirtschaftsgut innerhalb der letzten drei Jahre vor Einlage angeschafft oder hergestellt, ist es maximal mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen (Halbsatz 2 Nummer 1). Zwischen Anschaffung oder Herstellung und Einlage angefallene Absetzungen für Abnutzung mindern den Einlagewert (§ 6 Absatz 1 Nummer 5 Satz 2 EStG).
Die in das Besitzunternehmen eingelegte wesentliche Betriebsgrundlage ist mit dem Einlagewert zu aktivieren und, soweit möglich, entsprechend abzuschreiben (§ 7 Absatz 1 Satz 1 EStG, R 7.3 Absatz 6 Satz 2 EStR).
2.2. Einlage des Anteils an der Betriebs-GmbH
Der Anteil an der Betriebsgesellschaft ist entsprechend der wesentlichen Betriebsgrundlage einzulegen. Die Einlage erfolgt dabei höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, regelmäßig also in Höhe des Stammkapitals, sofern es sich um einen Anteil im Sinne des § 17 Absatz 1 Satz 1 und 3 EStG handelt (§ 6 Absatz 1 Nummer 5 Satz 1 Halbsatz 2 Nummer 2 EStG). Ein Anteil im Sinne des § 17 EStG liegt vor, wenn der Steuerpflichtige innerhalb der letzten fünf Jahre vor Einlage zu mindestens 1 % an der Gesellschaft beteiligt war.
Dabei ist § 6 Absatz 1 Nummer 5 EStG auch anzuwenden, wenn der „Anteil“ ein solcher im Sinne des § 1a KStG (Optionsmodell für Personengesellschaften) ist.
Im Besitzunternehmen erfolgt die Aktivierung mit dem entsprechenden Wert, wobei in Ausnahmefällen auch ein niedrigerer Teilwert anzusetzen ist. Anteile an Kapitalgesellschaften sind keine linear abschreibungsfähigen Wirtschaftsgüter im Sinne des § 7 Absatz 1 Satz 1 EStG.
2.3. Gewinnermittlung und Besonderheiten bei der ertragsteuerlichen Betriebsaufspaltung
Beim Besitzunternehmen handelt es sich um einen weitgehend „klassischen“ Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 EStG. Alle Vorschriften, die für Einzelunternehmen gelten, gelten daher auch für das Besitzunternehmen. So kann der Betriebsinhaber beispielsweise zwischen Betriebsvermögensvergleich und EÜR wählen, steuerliche Wahlrechte ausüben und Rücklagen – etwa nach § 6b EStG – bilden. Er ist aber auch verpflichtet, alle notwendigen Steuererklärungen (in der Regel Einkommen- und Gewerbesteuer) abzugeben.
Besitzunternehmen erzielen durch die Vermietung von Grundvermögen und das ausschließliche Halten der Beteiligung in der Regel nur steuerfreie und nicht steuerbare Umsätze, sodass keine Umsatzsteuerpflicht besteht (§ 4 Nummer 12 Buchstabe a UStG, Abschnitt 2.3 Absatz 2 Satz 1 bis 3 UStAE).
Weitere Besonderheiten sind:
- Gewinnausschüttungen (verdeckt oder offen) sind durch § 20 Absatz 8 Satz 1 EStG in gewerbliche Einkünfte umzuqualifizieren. Sie sind nach § 3 Nummer 40 Buchstabe d EStG zu 40 % steuerfrei; mit diesen Einkünften in Zusammenhang stehende Betriebsausgaben sind unabhängig vom Sparer-Pauschbetrag (§ 20 Absatz 9 Satz 1 EStG) abziehbar, da dieser keine Anwendung findet. Allerdings ist der Abzug analog zu § 3 Nummer 40 EStG auf 60 % der Ausgaben beschränkt (§ 3c Absatz 2 Satz 1 EStG)
- Mieterträge (§ 21 EStG) und sonstige Einkünfte (§ 22 EStG) „verwandeln“ sich ebenfalls in solche aus Gewerbebetrieb (§§ 21 Absatz 3 und 22 Nummer 3 Satz 1 EStG)
Ist der die ertragsteuerliche Betriebsaufspaltung auslösende Gesellschafter auch Geschäftsführer und besteht zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer ein wirksamer Arbeitsvertrag, bleibt dieser bestehen. Die Einkünfte sind weiterhin solche aus nichtselbstständiger Arbeit im Sinne des § 19 Absatz 1 Nummer 1 EStG. Verdeckte Gewinnausschüttungen, die mit den nichtselbstständigen Einkünften in Zusammenhang stehen (etwa durch eine unwirksame rückwirkende Vereinbarung; BFH vom 23.9.1970, I R 116/66) gehören allerdings zu den gewerblichen Einkünften.
2.4. Umsatzsteuerliche Organschaft durch ertragsteuerliche Betriebsaufspaltung
Durch das Vorliegen der Betriebsaufspaltung kann eine umsatzsteuerliche Organschaft im Sinne des § 2 Absatz 2 Nummer 2 UStG entstehen. Sie führt dazu, dass Betriebs- und Besitzunternehmen als ein umsatzsteuerlicher Unternehmer behandelt werden. Das Besitzunternehmen hat die umsatzsteuerlichen Pflichten zu erfüllen, die Betriebs-GmbH verliert ihre Unternehmereigenschaft.
Voraussetzungen der Organschaft sind finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung des Betriebs- in das Besitzunternehmen.
2.5. Gewerbesteuerpflicht auf Ebene des Besitzunternehmens
Der Gewerbesteuer unterliegt nach § 2 Absatz 1 Satz 2 GewStG jeder „stehende Gewerbebetrieb“. Da das GewStG hier nicht zwischen ertragsteuerlicher Betriebsaufspaltung (Besitzunternehmen) und „originären“ Gewerbebetrieben unterscheidet, kann auch das Besitzunternehmen Steuergegenstand der Gewerbesteuer sein. Bemessungsgrundlage ist der ertragsteuerliche Gewinn, erhöht und vermindert um Hinzurechnungen und Kürzungen (§ 7 Satz 1 GewStG). Ein Aufgabegewinn, der durch Wegfall der sachlichen oder personellen Verflechtung entsteht, unterliegt hingegen nur bei juristischen Personen der Gewerbesteuer (§ 7 Satz 2 GewStG in Verbindung mit § 16 Absatz 1 und 3 EStG).
Hinzurechnungen nach § 8 Nummer 1 Buchstabe d bis f GewStG finden auch beim Besitzunternehmen statt. Selbiges gilt für Kürzungen, etwa nach § 9 Nummer 1 Satz 1 GewStG. Es kann allerdings keine erweiterte Grundstückskürzung in Anspruch nehmen, selbst wenn alle Voraussetzungen (ausschließliche Grundstücksvermietung, sonst nur Vermögensverwaltung) erfüllt sind (ständige Rechtsprechung des BFH, unter anderem vom 20.05.2021, IV R 31/19).
Hintergrund ist die Intention des Gesetzgebers, mit § 9 Nummer 1 Satz 2 fort folgende GewStG nur Grundstücksunternehmen, die unschädliche Nebentätigkeiten (Halten von Kapitalvermögen) ausüben, zu begünstigen (sogenanntes Ausschließlichkeitsgebot). Das Besitzunternehmen stellt allerdings einen Gewerbebetrieb im klassischen Sinne und kein Grundstücksunternehmen dar, auch wenn es formell die notwendigen Voraussetzungen erfüllt.
3. Folgen der ertragsteuerlichen Betriebsaufspaltung – Auflösung
Die Auflösung einer ertragsteuerlichen Betriebsaufspaltung kann auf mehrere Arten erfolgen. Dabei steht immer die sachliche oder personelle Entflechtung, also der Wegfall einer der Grundvoraussetzungen der Betriebsaufspaltung, im Vordergrund.
Beispiele für die sachliche Entflechtung:
- Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlage (umfasst die Betriebsaufspaltung mehrere westliche Betriebsgrundlagen, müssen diese vollständig an Dritte veräußert werden; wird nur ein Wirtschaftsgut veräußert, bleibt die Betriebsaufspaltung bestehen, sofern die übrigen weiterhin vermietet werden)
- Wegfall der Verfügungsgewalt über die wesentliche Betriebsgrundlage
- Eintritt der gesetzlichen oder testamentarischen Erbfolge
- Bewusste Entnahme ins Privatvermögen
Beispiele für die personelle Entflechtung:
- Veräußerung oder sonstige Übertragung von Anteilen an der Betriebs-GmbH
- Kapitalerhöhung gegen Ausgabe neuer Anteile an Drittgesellschafter, wenn dadurch die Beherrschung wegfällt
- Übertragung oder Veräußerung des Betriebsunternehmens
- Auftreten von Meinungsverschiedenheiten in einer Gruppe von Personen, die zusammen die personelle Verflechtung begründen, jeweils aber zu weniger als 50 % beteiligt sind
Durch die ertragsteuerliche Betriebsaufspaltung ist also einerseits die wesentliche Betriebsgrundlage, andererseits der Anteil an der Betriebs-GmbH steuerverstrickt. Fällt eine der beiden Voraussetzungen weg, kommt es entsprechend zu einer Zwangs-Betriebsaufgabe des Besitzunternehmens im Sinne des § 16 EStG. Der Aufgabegewinn unterliegt der regulären Einkommensteuer.
Dabei gilt:
- Veräußerte Wirtschaftsgüter sind mit dem Veräußerungspreis anzusetzen (§ 16 Absatz 3 Satz 6 EStG)
- Erfolgt keine Veräußerung, sind die Wirtschaftsgüter ins Privatvermögen zu überführen; der Ansatz erfolgt mit dem gemeinen Wert (§ 16 Absatz 3 Satz 7 EStG)
Beispiel: Der GmbH-Gesellschafter A verkauft sein Einfamilienhaus, das durch das Arbeitszimmer als wesentliche Betriebsgrundlage der A-GmbH steuerverstrickt ist. Es kommt zu einer Zwangsbetriebsaufgabe des Besitzunternehmens nach § 16 EStG.
Problem: Die Bewertung der Anteile erfolgt im Zweifel nach §§ 199 bis 203 BewG (vereinfachtes Ertragswertverfahren). Insbesondere bei einer unbewussten Auflösung der ertragsteuerlichen Betriebsaufspaltung kann die steuerliche Mehrbelastung massiv sein.
Lesen Sie in diesem Zusammenhang auch unseren Artikel zur steuerneutralen Auflösung einer Betriebsaufspaltung. Hier stellen wie vier Möglichkeiten für den Fall, dass die Betriebsaufspaltung bereits besteht, vor!
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