Bei der Bewertung der Unternehmensbeteiligung im Jahresabschluss ergeben sich regelmäßig Zweifelsfragen. Diese treten gerade dann auf, wenn zwischen den Unternehmen Gewinnabführungsverträge geschlossen wurden und eine Organschaft vorliegt. Erst recht problematisch sind dabei Fälle, in denen die Organgesellschaft mit einem anderen Unternehmen einen Gewinnabführungsvertrag geschlossen hat. Dann liegt eine mehrstöckige Struktur vor. Die auftretenden Besonderheiten bei der Bewertung der Unternehmensbeteiligung klären wir im Folgenden.

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Unser Video: Bewertungsvorschriften

In diesem Video erklären wir Ihnen die allgemeinen Bewertungsvorschriften in Bezug auf Vermögensgegenstände in der Handelsbilanz.

Inhaltsverzeichnis


1. Bewertung der Unternehmensbeteiligung

1.1. Zugangsbewertung

Geht eine Beteiligung einem Unternehmen zu, so ist sie zu bewerten. In ihrem Zugangszeitpunkt sind die Beteiligungen gemäß § 271 Absatz 1 HGB mit ihren Anschaffungskosten (§ 253 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 255 Absatz 1 HGB) zu bewerten. Dies ist die, für den Erwerb der Beteiligung aufgewandte Gegenleistung. Diese kann aus Zahlungsmitteln, der Hingabe sonstiger Vermögensgegenstände, der Ausgabe neuer oder eigener Anteile und der Übernahme von Schulden bestehen. Ferner gehören zu den Anschaffungskosten aber auch Anschaffungsnebenkosten (§ 255 Absatz 1 Satz 2 HGB) und sonstige dem Erwerb direkt zurechenbare Kosten. Auch sie sind daher bei der Bewertung der Unternehmensbeteiligung zu berücksichtigen. Bedingte, also von zukünftigen Ereignissen abhängige, nachträgliche Erhöhungen oder Minderungen des Anteilskaufpreises sind als nachträgliche Anschaffungskosten zu erfassen. Solche Ereignisse können beispielsweise aus einer steuerrechtlichen Betriebsprüfung oder der Entwicklung von Finanzkennzahlen als Indikator für den Ertragswert des Beteiligungsunternehmens ergeben.

1.2. Folgebewertung

1.2.1. Abschreibung der Beteiligung

Unternehmensbeteiligungen sind auch in der Folge weiter zu bewerten. Es kann aber dazu kommen, dass der als Zukunftserfolgswert mittels Ertragswert-Verfahren oder Discounted-Cashflow-Verfahren zu ermittelnde beizulegende Wert einer Beteiligung zum Bilanzstichtag nicht deren Anschaffungskosten deckt. Dann ist der Wertansatz der Beteiligung bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung außerplanmäßig auf den niedrigeren beizulegenden Wert abzuschreiben (§ 253 Absatz 3 Satz 5 HGB). Bei einer voraussichtlich nur vorübergehenden Wertminderung darf eine außerplanmäßige Abschreibung (§ 253 Absatz Satz 6 HGB) vorgenommen werden. Das Wertaufholungsgebot (§ 253 Absatz 5 Satz 1 HGB) greift, wenn die Gründe für einen niedrigeren Wertansatz nicht mehr bestehen.

1.2.2. Zusätzliches Kapital und Entnahmen

Gesellschafter können dem Beteiligungsunternehmen gegen Gegenleistung beispielsweise der Gewährung von neuen Anteilen oder ohne Gegenleistung zusätzliches Kapital, also Geld oder Sachwerte zuführen. Dadurch steigt dann der innere Ertragswert der Beteiligung. Dann ist die Erhöhung des Beteiligungsbuchwertes aber erfolgsneutral zu erfassen.

Entnahmen, durch die der innere Wert der Beteiligung gemindert wird, sind ganz oder teilweise als Abgang zu erfassen. Aus handelsbilanzieller Sicht ist dabei unerheblich, ob der Vermögenstransfer vom Beteiligungsunternehmen zum Gesellschafter gesellschaftsrechtlich im Wege der offenen Ausschüttung, durch eine Entnahme oder im Rahmen einer Ergebnisübernahme aufgrund eines Gewinnabführungsvertrags erfolgt.

Einlagen oder Zuzahlungen der Gesellschafter, die nur dem Werterhalt einer Beteiligung dienen, sind bei dem Gesellschafter aufwandswirksam als Erhaltungsaufwand zu erfassen. Ansonsten ist eine Zuführung von Geld und Sachwerten bei der Ermittlung des beizulegenden Werts der Beteiligung insofern zu berücksichtigen, als das zugeführte Kapital bei dem Beteiligungsunternehmen mittel- oder unmittelbar zur Erzielung künftiger finanzieller Überschüsse beiträgt.

1.2.3. Berücksichtigung von Synergieeffekten

Die handelsrechtliche Bewertung dient in erster Linie der Ermittlung des Schuldendeckungspotenzials zum Zwecke des Gläubigerschutzes. Daher dürfen Synergieeffekt zum Beispiel Einkaufsvorteile bei der Bewertung der Unternehmensbeteiligung nur insoweit berücksichtigt werden, als das sie voraussichtlich von der, die Beteiligung bilanzierenden Gesellschaft realisiert werden können.

Die Entstehung echter Synergieeffekte setzt den Verbund mindestens zweier Unternehmen voraus. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit zur Aufteilung der Synergieeffekte auf die beteiligten Unternehmen für Zwecke der Folgebewertung von Beteiligungen. Eine objektive Aufteilung der Synergien nach dem Verursachungsprinzip auf die zur Entstehung der Synergieeffekte beitragenden Unternehmen ist nicht möglich. Es gibt keine feste Regel für eine Aufteilung. Dieser sind nur insoweit Grenzen gesetzt, als dass sie willkürfrei sowie sachlich und zeitlich stetig vorzunehmen ist. Daher ist ein einmal gewähltes Verfahren im Zeitablauf beizubehalten, sofern keine wichtigen Gründe für eine Durchbrechung vorliegen.

Die Berücksichtigung der Synergieeffekte sowie die Vorgehensweise zur Verteilung ist Teil der Bewertungsmethode. Deswegen ist sie nach § 284 Absatz 2 Nummer 1 HGB im Anhang anzugeben. Bei einem beabsichtigten Verkauf einer Beteiligung kommt die Berücksichtigung echter Synergien mangels Realisierbarkeit durch das bilanzierende Unternehmen nicht mehr infrage. Dann dürfen nur echte Synergien berücksichtigt werden. Diese muss ein beliebig gedachter Erwerber losgelöst von der geplanten Transaktion selbst voraussichtlich realisieren können.

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2. Berücksichtigung des Gewinnabführungsvertrags bei der Bewertung

2.1. Auswirkung des Gewinnabführungsvertrags

Zwischen einem herrschenden Unternehmen und einem abhängigen Unternehmen kann ein Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 Absatz 1 AktG bestehen. Es stellt sich dann die Frage, wie die Bewertung der Unternehmensbeteiligung abläuft.

Bei einem Gewinnabführungsvertrag hat das Beteiligungsunternehmen Gewinne nach § 301 Satz 1 AktG an das herrschende Unternehmen abzuführen und dieses umgekehrt Verluste des Beteiligungsunternehmens nach § 302 Absatz 1 AktG auszugleichen. Bei der Beteiligungsbewertung sind die bilanziellen Folgen, die sich aus Verlustübernahmeverpflichtung ergeben, so anzusetzen, dass die daraus resultierenden Effekte genau einmal berücksichtigt werden.

Für den bei einem abhängigen Unternehmen bis zum Bilanzstichtag des herrschenden Unternehmens angefallene und von diesem aufgrund des Ergebnisabführungsvertrag zu übernehmenden Verlust hat das herrschende Unternehmen handelsrechtlich bereits eine ungewisse Verbindlichkeit (§ 249 Absatz 1 Satz 1 HGB) zu passivieren.

Die Ermittlung des Zukunftserfolgswerts der Beteiligung findet grundsätzlich unter Außerachtlassung des Ergebnisabführungsvertrags statt. Andernfalls würde das Ergebnis der Beteiligung nach Ausgleich des Ergebnisses über den Ergebnisabführungsvertrag jedes Jahr 0,00 Euro betragen, so dass sich ein Ertragswert von 0,00 Euro ergeben würde.

2.2. Berücksichtigung von steuerlichen Vorteilen

Erzielen einzelne Organgesellschaften Verluste und andere Gewinne, so führt die Zurechnung der positiven und negativen Ergebnisse auf der Ebene des Organträgers zu einer Ergebnispoolung. So wird der Verlust einer Organgesellschaft unmittelbar zum Verlust des Organträgers. Dadurch wird verhindert, dass sich steuerrechtliche Verlustvorträge bei verschiedenen Rechtsträgern im Konzern aufbauen und die daraus resultierenden Vorteile in Gestalt einer künftigen Steuerersparnis erst zu einem späteren Zeitpunkt genutzt werden könnten, nämlich wenn die Organgesellschaft entsprechende positive zu versteuernd Ergebnisse erzielt. Diese Steuerersparnis stellt bei wirtschaftlicher Betrachtung einen positiven Synergieeffekt dar.

Fraglich ist dann aber, wie diese Vorteile aus der unmittelbaren Berücksichtigung der Verluste bei dem Organträger in dessen handelsrechtlichem Jahresabschluss bei der Bewertung der Unternehmensbeteiligung an den Organgesellschaften zu berücksichtigen sind. Die Allokation der Steuervorteile lässt sich, solange kein Steuerumlagevertrag besteht, mangels eindeutigen Zuordnungsmaßstab beliebig ausgestalten. Die einmal gewählte Zuordnung muss aber im Zeitablauf – solange kein wichtiger Grund für eine Änderung vorliegt – stetig beibehalten werden.

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2.3.Bewertung der Unternehmensbeteiligung bei Steuerumlagevertrag

Besteht eine Organschaft, so trifft der Steueraufwand allein den Organträger, der auch die Steuer schuldet. Um eine betriebswirtschaftlich sinnvolle verursachungsgerechte Zuordnung des Steueraufwands zu erreichen, werden zwischen dem Organträger und den Organgesellschaften häufig Steuerumlageverträge geschlossen. Danach legt der Organträger seinen Steueraufwand mittels sogenannter Steuerumlagen auf die zum Organkreis gehörenden Organgesellschaften um.

Die Möglichkeiten zur Ausgestaltung von derartigen Umlageverträgen sind vielfältig. Gängig ist dabei zum Beispiel, jede Organgesellschaft so zu behandeln, als ob keine Organgesellschaft bestünde. Oft nimmt auch jedes Unternehmen nur anteilig an den Verlusten einzelner Organgesellschaften teil. Ist die Umlage nach diesem Verfahren vereinbart, tragen die Organgesellschaften die Verluste vor. Dies mindert di künftigen, von ihnen zu tragenden Steuerumlagen. Im Ergebnis führt dies dann dazu, dass der Vorteil allein der Verlustgesellschaft zuzuordnen ist.

Alternativ kann in den Steuerumlageverträgen auch vereinbart werden, dass nur der tatsächliche Steueraufwand des Organkreises auf die Gewinngesellschaft umgelegt wird oder Verlustgesellschaften auch Steuergutschriften erhalten. Liegen solche Steuerumlageverträge vor so sind explizit Regelungen zur Ermittlung der Umlagen getroffen. Diese sind daher unmittelbar bei der Ermittlung der finanziellen Überschüsse im Ertragswertverfahren beziehungsweise DCF-Verfahren zu berücksichtigen.

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Vereinfachtes Ertragswertverfahren vs. IDW S1 Gutachten

In diesem Video erklären wir, wie Sie ein Unternehmen bewerten.

3. Bewertung der Unternehmensbeteiligung bei mehrstufigen Beteiligungen

Es kann aber auch mehrstufige Beteiligungsstrukturen geben. Dann bestehen Gewinnabführungsverträge nicht nur mit unmittelbaren Tochterunternehmen, sondern auch mittelbar zu Tochterunternehmen nachfolgender Konzernstufen. Dann ist zu prüfen, wie sich diese Kettengewinnabführungsverträge auf die Beteiligungsbewertung im handelsrechtlichen Jahresabschluss des obersten herrschenden Unternehmen auswirkt. Zudem ergeben sich Besonderheiten bei der Bewertung der Beteiligung in den Jahresabschlüssen auf den Zwischenstufen. Damit sind solche herrschenden Unternehmen gemeint, die ihrerseits abhängiges Unternehmen im Verhältnis zu einem übergeordneten Unternehmen sind.

Dann können künftige Verluste des Enkelunternehmens, die auf der Ebene des Tochterunternehmens nicht bei der Abwertung der Beteiligung am Enkelunternehmen abgedeckt wurden, gegebenenfalls durch eine Abschreibung auf die Beteiligung am Tochterunternehmen auf das Jahresergebnis des Mutterunternehmens durchschlagen. Dies gilt auch ohne, dass das Mutterunternehmen eine Rückstellung für künftige Verlustübernahmen gebildet hat,

4. Zusammenfassung zur Bewertung der Unternehmensbeteiligung

Ist im Rahmen eines Gewinnabführungsvertrags durch das Mutterunternehmen ein Verlustausgleich vorzunehmen, so erhöht dieser das Nettovermögen des Tochterunternehmens. Damit trägt es dort zur Erzielung künftiger Überschüsse bei. Dies ist bei der Bewertung der Unternehmensbeteiligung bereits zum Stichtag zu berücksichtigen.

Besteht eine ertragsteuerliche Organschaft und wurden keine Steuerumlageverträge zwischen dem herrschenden Unternehmen und den abhängigen Unternehmen geschlossen, lässt sich das Verfahren zur Berücksichtigung von Steuervorteilen bei der Bewertung der Unternehmensbeteiligung beim herrschenden Unternehmen in den Grenzen einer sachlich und zeitlich stetigen Anwendung beliebig ausgestalten.

Bei Vorliegen von Steuerumlageverträgen sind die Steuerumlagen unmittelbar bei der Ermittlung der finanziellen Überschüsse im Ertragswertverfahren beziehungsweise die DCF-Verfahren zu berücksichtige. Daher verblieben keine Steuervorteile verbleiben, welche beliebig verteilt werden könnten.

In mehrstufigen Strukturen ist zu beachten, dass Wertminderungen bei mittelbar gehaltenen Beteilungen unter bestimmten Voraussetzungen auch Auswirkungen auf die Bewertung der unmittelbaren Beteiligung beim Mutterunternehmen haben können.


Steuerberater für Unternehmen

Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die steuerrechtliche Gestaltungsberatung für Unternehmen spezialisiert. Bei der Bewertung schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:

  1. Methoden zur Unternehmensbewertung: Multiplikatormethode, vereinfachtes Ertragswertverfahren, IDW-S1-Verfahren
  2. Bewertung bei der Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer: Altbauimmobilien, Anteile an Personengesellschaften
  3. Bewertung von Geschäftsvorgängen: Sonstige Gegenleistungen, Persönlichkeitsrechte von Influencern, Anteile an Genossenschaften, verdeckte Gewinnausschüttung

Hierzu stehen Ihnen unsere Steuerberater und Rechtsanwälte an den Standorten Köln und Bonn gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Zudem beraten wir deutschlandweit per Telefon und Videokonferenz:

Standort Köln

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Das neue Bewertungsrecht im Rahmen der Grundsteuer folgt einem Zonenkonzept. Danach ist der Bodenrichtwert grundsätzlich für alle Grundstücke, die innerhalb der Bodenrichtwertzone liegen, verbindlich. § 247 Absatz 1 Satz 1 BewG schließt Anpassungen des Bodenrichtwerts wegen Abweichungen zwischen den Grundstücksmerkmalen des Bodenrichtwertes und des zu bewertenden Grundstücks grundsätzlich aus. Der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts der Immobilie ist daher ausgeschlossen. Das kann die Steuerlast erheblich erhöhen. Es gibt aber Möglichkeiten, dennoch einen geringeren Wert anzusetzen. Wir klären, welche Ausnahmen von der Bindungswirkung sich gleichwohl innerhalb dieses Zonenwertkonzepts ergeben und wie Rechtsschutz gegen den Bodenrichtwert möglich ist.

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Unser Video: Die neue Grundsteuer: ab Juli 2022 Neubewertung aller 36 Mio. Grundstücke in Deutschland!

In diesem Video erklären wir, die neue Grundsteuer und wie Sie die Steuerlast reduzieren.

Inhaltsverzeichnis


1. Einleitung zum Bodenrichtwert

1.1. Der Bodenrichtwert an sich

Der Verkehrswert eines unbebauten Grundstücks richtet sich nach dem Bodenrichtwert. Hierbei handelt es sich um einen Durchschnittswert pro Quadratmeter der Grundstücksfläche („durchschnittlicher Lagewert“), der für ein bestimmtes Gebiet mit im Wesentlichen gleichen Nutzungs- und Wertverhältnissen ermittelt wird. Er bezieht sich immer auf das sogenannte Bodenrichtwertgrundstück. Das Bodenrichtwertgrundstück ist ein fiktives Mustergrundstück. Diesem Grundstück sind bestimmte wesentliche wertbeeinflussende Merkmale zugeschrieben worden, die von Gutachterausschüssen zu benennen sind. Das sind insbesondere der Entwicklungszustand, die Art der Nutzung, das Maß der baulichen Nutzung und die Grundstücksgröße und die Grundstückstiefe. Die zugewiesenen Grundstücksmerkmale müssen mit den vorherrschenden grund- und bodenbeeinflussenden Grundstücksmerkmalen in der Bodenrichtwertzone weitgehend übereinstimmen. Es muss also innerhalb der Bodenrichtwertzone als typisch angesehen werden können.

Diese Vorgehensweise begründet, dass das Bodenrichtwertgrundstück keine grundstücksspezifischen Eigenschaften des konkret zu bewertenden Grundstück berücksichtigen kann. Daher muss der Bodenrichtwert in der Bewertungspraxis nicht selten an die grundstücksspezifischen Eigenschaften des konkret zu bewertenden Grundstück angepasst werden. Dies geschieht vor allem mit Hilfe von Anpassungsvorgaben, die die Gutachterausschüsse typischerweise in ihren Grundstücksmarktberichten benennen beziehungsweise, die aus den elektronischen Portalen ablesbar sind. Solche Anpassung sind vor allem in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung , die Grundstücksgröße, die Grundstückstiefe und den Erschließungsbeitragszustand häufig anzutreffen.

1.2. Bestimmung der Bodenrichtwertzone

Der erste Schritt zur Bestimmung des Bodenrichtwerts ist die Festlegung der Bodenrichtwertzone. Mit Blick auf die Aussagekraft des Durchschnittswerts für andere Grundstücke sind die Richtwertzonen so zu bilden, dass in dem Gebiet Art und Maß der Nutzung übereinstimmen und die Grundstücke einen überwiegend einheitlichen Entwicklungsgrad besitzen.

Lagebedingte Wertunterschiede zwischen den Grundstücken, für die der Bodenrichtwert gelten soll, und dem Bodenrichtwertgrundstück sollen grundsätzlich nicht mehr als 30 % betragen. Daher sind zum Beispiel Uferlagen, die oft höherwertiger sind und Lagen an großen Straßen, die einer erheblichen Lärmbelastung ausgesetzt sind, jeweils über eigene Bodenrichtwertzonen abzubilden. Ferner sind Innenstadtlagen sehr ausdifferenziert zu erfassen.

Zum Teil sind auch überlagernde Bodenrichtwertzonen zu bilden. Das betrifft vor allem Fälle, in denen in einem Gebiet zwei Nutzungen prägend sind und die Bildung zweier oder mehrere Bodenrichtwertzonen nicht möglich oder sinnvoll ist.

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1.3. Ermittlung der Bodenrichtwerte

Die Ermittlung der Bodenrichtwerte erfolgt im Vergleichswertverfahren mithilfe von Kaufpreissammlungen. Maßgeblich sind zunächst Vergleichspreise aus dem betroffenen Gebiet. Liegen solche vor, so bedarf es unter Umständen noch Anpassungen an die Grundstücksmerkmale des Bodenrichtwertgrundstücks. In Gebieten ohne oder mit nur geringem Grundstücksverkehr können auch Kaufpreise und Bodenrichtwerte aus vergleichbaren Gebieten oder aus vorangegangenen Jahren herangezogen werden.

2. Bodenrichtwert bei der Grundsteuer

Bei der Grundsteuer hat die Verwaltung im Vergleich zu der Erbschaft– und Schenkungsteuer eine deutlich höhere Fallzahl zu bewältigen. Bundesweit sind 32 Millionen wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens zu bewerten und dies in regelmäßigen Abständen (nach dem Bundesgrundsteuerrecht und den meisten Landesgrundsteuergesetzen: alle sieben Jahre). Deswegen ist das Grundsteuerrecht möglichst automationsfreundlich ausgestaltet.

Baustein dieser Automationsstrategie ist die grundsätzliche Maßgeblichkeit des sogenannten Zonenwerts. Gemäß § 247 Absatz 1 Satz 1 BewG ermittelt sich der Grundsteuerwert unbebauter Grundstücke durch die Multiplikation des Bodenrichtwertes mit der Fläche. Auch die Wertermittlungsvorschriften für bebaute Grundstücke greifen auf den Bodenrichtwert zurück und zwar als Teilkomponente des Ertragswerts und des Sachwerts.

§ 247 Absatz 1 Satz 1 BewG schließt Anpassungen des Bodenrichtwerts wegen Abweichungen zwischen den Grundstücksmerkmalen des Bodenrichtwertes und des zu bewertenden Grundstücks grundsätzlich aus. Daher ist der Bodenrichtwert einer Bodenrichtwertzone mithin für alle in dieser Zone gelegenen Grundstücke gelegenen Grundstücke gleichermaßen verbindlich. Dies gilt ohne Rücksicht auf Unterschiede, die zwischen den Grundstücken bestehen. Daher ist der Nachweis eines niedrigeren individuellen Bodenwertes nicht zugelassen. Hat der Gutachterausschuss keinen Bodenrichtwert ermittelt, so sieht § 247 Absatz 3 BewG eine Reservekompetenz der Finanzbehörde zur Ableitung des Wertes des unbebauten Grundstücks vor.

3. Abweichungen von dem Bodenrichtwert

3.1. Atypische Grundstücke

Grundsätzlich ist der Bodenrichtwert einer Bodenrichtwertzone für alle innerhalb dieser Bodenrichtwertzone belegenen Grundstücke heranzuziehen. Jedoch gibt es auch Grundstücke, die innerhalb einer Bodenrichtwertzone liegen und für die der Bodenrichtwert nicht gilt.

Zwar dürfen auch Grundstücke abweichender Art der Nutzung oder Qualität Bestandteil einer Bodenrichtwertzone sein. Es geht insoweit um für die Bodenrichtwertzone atypische Grundstücke, die aber so vereinzelt auftreten, dass es hinnehmbar erscheint, hierfür keine eigene Bodenrichtwertzone zu bilden. Dann gilt aber der Bodenrichtwert dieser Zone gemäß § 15 Absatz 2 ImmoWertV nicht für diese Grundstücke. Beispiele dafür sind Grünflächen, Waldflächen, Wasserflächen, Verkehrsflächen und Gemeinbedarfsflächen. Wenn der Gutachterausschuss ein für die Bodenrichtwertzone atypisches Grundstück ausgemacht hat, muss er entscheiden, ob er für dieses Grundstück eine eigene Bodenrichtwertzone bildet oder von § 15 Absatz 2 ImmoWertV Gebrauch macht.

Die Regelung des § 15 Absatz 2 ImmoWertV gilt auch im Rahmen der Grundsteuer. Damit enthält sie auch insoweit eine Ausnahme von der Maßgeblichkeit der Bodenrichtwerte. Dann dürfte aber auch ein Fall des § 247 Absatz 3 BewG vorliegen. Daher ist die Finanzbehörde verpflichtet, den Wert aus den Werten vergleichbarer Flächen abzuleiten.

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3.2. Abweichungen wegen unterschiedlicher Entwicklungszustände

Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Abweichungen zwischen den Grundstücksmerkmalen des Bodenrichtwertgrundstücks und des zu bewertenden Grundstücks nicht berüksichtigt werden dürfen, sieht § 247 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 BewG vor. Demnach ist eine Anpassung wegen unterschiedlicher Entwicklungszustände vorzunehmen. Voraussetzung dafür ist aber, dass für den Entwicklungszustand, den das zu bewertende Grundstück aufweist, kein Bodenrichtwert festgestellt worden ist. Existiert hingegen ein Bodenrichtwert, so ist dieser maßgeblich. Ferner muss die Anpassung nach den Vorgaben des örtlichen Gutachterausschusses erfolgen. Dies setzt das Vorliegen entsprechender Anpassungsvorgaben voraus. Häufig geben die Gutachterausschüsse einen Abschlag von dem für baureifes Land ermittelten Bodenrichtwert vor. Fehlt es an solchen Vorgaben, gilt § 247 Absatz 3 BewG. Demnach kann die Finanzbehörde den Wert ableiten. Es ist jedoch keine Atypik im Vergleich zu den übrigen Grundstücken der Bodenrichtwertzone erforderlich.

4. Rechtsschutz gegen den Bodenrichtwert

Greift der Steuerpflichtige die Grundsteuerwertfeststellung an, so muss das Finanzgericht auch prüfen, ob der Bodenrichtwert gesetzeskonform ist. Das ist aber nur unter Beachtung des durch das Gesetz eingeräumten Beurteilungsspielraums möglich. Dieser führt zu einer Zurücknahme der gerichtlichen Kontrolle in Ansehung des wertenden, die besondere Sachkunde des Gutachterausschusses ansprechenden Teils des zur Subsumtion gehörenden Wertermittlungsvorgangs. Dazu gehören zum Beispiel der Zuschnitt der Bodenrichtwertzonen, die Bestimmung der Merkmale des Bodenrichtwertgrundstücks oder die Aufteilung und Gewichtung der bekannten Kaufpreise.

Der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt aber die Auslegung des Gesetzes. Ebenfalls gerichtlich überprüfbar ist die Subsumtion unter das Gesetz, soweit nicht das wertende Element der Wertermittlung betroffen ist. Weiterhin hat die Kontrolle des Verfahrens Bedeutung. Den Gerichten obliegt daher die Prüfung, ob die Behörde von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie diesen vollständig erfasst hat oder ob sie sachfremde Erwägungen angestellt hat.

Damit der Steuerpflichtige und am Ende auch das Gericht die Beachtung der gesetzlichen Vorgaben prüfen können, muss der Weg zum Bodenrichtwert nachvollziehbar sein. Dokumentiert werden müssen daher zumindest in groben, knappen Zügen die rechtlichen und tatsächlichen Gründe dafür, warum eine Bodenrichtwertzone so und nicht anders zustande gekommen ist. Zudem muss sie darlegen, warum bei atypischen Grundstücken auf eine gesonderte Bodenrichtwertzone verzichtet wurde. Weiterhin muss sie auch darlegen, welche Vergleichsdaten warum herangezogen wurden und nach welcher Maßgabe sie verwertet wurden. Vor allem müssen die wertenden Elemente und ihre Ausfüllung im konkreten Fall sichtbar werden. Wenn das Finanzgericht das Zustandekommen eines Bodenrichtwertes nicht nachvollziehen kann, dann ist der Bodenrichtwert nicht in gesetzeskonformer Weise ermittelt worden.

5. Rechtswidriger Bodenrichtwert und Fehlerfolge

Sollte ein Bodenrichtwert rechtswidrig festgesetzt sein, so stellt sich die Frage, welche Folge daran zu knüpfen ist. Stellt das Finanzgericht fest, dass der Bodenrichtwert nicht gesetzeskonform ermittelt worden ist, dann begründet der Bodenrichtwert keine Bindungswirkung. Es liegt gerade kein Grundlagen-Folgebescheidverhältnis vor. Vielmehr ist dann der § 247 Absatz 3 BewG einschlägig. Das gilt jedenfalls solange der Gutachterausschuss keinen neuen (gesetzeskonformen) Bodenrichtwert auf den Feststellungszeitunkt ermittelt hat. Bis dahin fehlt es an einem Bodenrichtwert und es besteht die Ableitungsbefugnis der Finanzverwaltung.

Das Finanzgericht ist nicht gezwungen, von selbst auf die Suche nach Fehlern anlässlich der Bodenrichtwerte zu gehen. Es muss aber Einwendungen des Steuerpflichtigen nachgehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Steuerpflichtige keine Einblicke in die Tätigkeit des Gutachterausschusses hat. Zudem bietet erst der Finanzgerichtsprozess überhaupt die Möglichkeit, dass sich der Gutachterausschuss zum Zustandekommen eines konkreten Bodenrichtwert äußern muss. Daher ist es angezeigt, dass das Finanzgericht, wenn der Steuerpflichtige explizit die Verbindlichkeit eines Bodenrichtwertes in Abrede stellt, den Gutachterausschuss zuerst um eine Stellungnahme zum Zustandekommen des Bodenrichtwertes auffordert und der Steuerpflichtige sich damit auseinandersetzen muss.

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Unser Video: Immobilien steuerfrei verkaufen (trotz gewerblichen Grundstückshandel)

In diesem Video erklären wir, wie Sie Ihre Immobilie steuerfrei verkaufen können.

6. Kritik am Bodenrichtwert

Gegen den Bodenrichtwert wird eingewandt, dass er für eine verfassungsrechtliche Typisierung untauglich sei. Die Bodenwertermittlung ohne eine Gegenbeweismöglichkeit sei verfassungswidrig.

Dabei ist jedoch zu erkennen, dass der lege artis bestimmte Bodenrichtwert einen vertretbaren Verkehrswert für das fiktive Mustergrundstück abbildet. Der Verordnungsgeber hat gesetzlich vorgegeben, dass die Bodenrichtwertzonen so zu bilden sind, dass Wertunterschiede zwischen dem Bodenrichtwertgrundstück und den Grundstücken, für die dieser Bodenrichtwert Anwendung finden soll, grundsätzlich nicht mehr als 30 % betragen sollen. Damit soll der Zuschnitt der Bodenrichtwertzone garantieren, dass im Regelfall für kein zu bewertendes Grundstück im Bezug auf den Bodenwert eine Wertabweichung von mehr als 30 % zu verzeichnen ist. Damit bewegt sich der Gesetzgeber in einem verfassungsrechtlich vertretbaren Typisierungskorridor.

Weiterhin ist auch die Reichweite des Geltungsanspruchs des Bodenrichtwerts beschränkt. Gemäß § 247 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 BewG ist die Aussagekraft des Zonenwerts auf seinen Entwicklungszustand beschränkt. Ferner können Grundstücke, die wie ein Fremdkörper in der Bodenrichtwertzone erscheinen, von der Verbindlichkeitswirkung gemäß § 15 Absatz 2 ImmoWertV ausgeklammert bleiben. Beide Relativierungen des Zonenwerts vermeiden eine Verfehlung des verfassungsrechtlich hinnehmbaren Typisierungsrahmens.


Steuerberater für Immobilien

Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die steuerrechtliche Gestaltungsberatung Immobilien spezialisiert. Bei der Reduktion der Steuerlast schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:

  1. Steuervorteile der Immobilien-GmbH
  2. Steueroptimierter Verkauf von Immobilien 
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Hierzu stehen Ihnen unsere Steuerberater und Rechtsanwälte an den Standorten Köln und Bonn gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Zudem beraten wir deutschlandweit per Telefon und Videokonferenz:

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Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte sich mit der Frage zu befassen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Spendenabzug gemäß § 10b EStG mangels Unentgeltlichkeit der Zuwendung zu versagen ist, wenn die gemeinnützige Stiftung dem Spender in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Spende ein verzinsliches Darlehen in Höhe der Spende gewährt. Damit erhält der Spender den Spendenbetrag faktisch zurück. Wir erklären, welche Maßstäbe der BFH aufstellte.

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Gemeinnützige Stiftung gründen mit EUR 500.000 Spendenabzug!

Wir erklären, wie Sie durch Spenden die Steuer reduzieren können und wie Sie weiterhin darüber verfügen können.

Inhaltsverzeichnis


1. Steuer reduzieren durch Spendenabzug

Gemäß § 10b Absatz 1 EStG können Zuwendungen als Spenden und Mitgliedsbeiträge an bestimmte Einrichtungen zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke als Sonderausgaben abgezogen werden.

Dem Spendenbegriff ist neben der erforderlichen Freiwilligkeit immanent, dass der Steuerpflichtige unentgeltlich handeln muss. In erster Linie fehlt die Unentgeltlichkeit dann, wenn der Steuerpflichtige vom Zuwendungsempfänger oder von Personen, die diesem nahestehen eine Gegenleistung erhält. In Sonderfällen hat die höchstrichterliche Rechtsprechung die Unentgeltlichkeit aber auch unter dem Gesichtspunkt verneint, dass die Zuwendung an den Empfänger unmittelbar und ursächlich mit einem von einem Dritten gewährten Vorteil – der nicht wirtschaftlicher Natur sein muss – zusammenhängt.

Der Bundesfinanzhof hatte sich mit der Frage zu befassen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Spendenabzug gemäß § 10b EStG mangels Unentgeltlichkeit der Zuwendung zu versagen ist, wenn die Stiftung dem Spender in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Spende ein verzinsliches Darlehen in Höhe der Spende gewährt. Damit erhält der Spender den Spendenbetrag faktisch zurück.

Mit der Entscheidung hatte der BFH erneut die Gelegenheit, zum Begriff der Unentgeltlichkeit einer Spende im Zusammenhang mit einer Darlehensgewährung an den Spender Stellung zu nehmen. Dabei hat der BFH ausführlich herausgearbeitet, wann die Gewährung eines Darlehens durch den Zuwendungsempfänger an den Zuwendenden eine Gegenleistung darstellen kann.

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2. Sachverhalt: Spende gezahlt und Darlehen erhalten

Der Kläger gründete im Streitjahr 2011 eine rechtsfähige Stiftung. Diese wurde noch im selben Jahr durch das Finanzamt als gemeinnützig anerkannt. Das Grundstockvermögen wurde auf EUR 50.000 festgelegt. Es konnte jederzeit durch Zustiftungen erhöht werden. Der Vorstand der Stiftung bestand aus zwei Mitgliedern, dem Kläger und seiner Lebensgefährtin. Der Kläger war dabei auf Lebenszeit bestellt. Er war Vorsitzender des Vorstands mit dem Recht zum Stimmentscheid bei Stimmengleichheit.

Der Kläger überwies der Stiftung am 19.12.2011 und am 29.12.2011 jeweils einen Betrag von EUR 200.000 mit dem Verwendungszweck „Einlage Vermögensstock“. Hierfür stellte die Stiftung eine Zuwendungsbestätigung aus, die der Kläger unterzeichnete.

Am 27.12.2011 schlossen der Kläger und die Stiftung vertreten durch den Kläger zwei Darlehensverträge. Danach gewährte die Stiftung dem Kläger zwei Darlehen über jeweils EUR 200.000, die mit 3,5 % jährlich zu verzinsen waren. Zudem waren sie zum Immobilienerwerb zu verwenden und endgültig am 01.01.2022 zurückzuzahlen. Eine vorzeitige Rückzahlung durch den Kläger war jedoch zulässig. Die Darlehensbeträge flossen dem Kläger am 27.12.2011 beziehungsweise am 02.01.2012 zu.

Als Sicherheiten hatte der Kläger der Stiftung Grundschulden an noch zu erwerbenden Immobilien einzuräumen. Bis zur Eintragung der Grundschulden wurde die Stiftung durch Abtretung von Beteiligungen des Klägers an acht geschlossenen Fonds sowie Ansprüchen aus zwei Lebensversicherungsverträgen abgesichert. Letztlich wurden für die Stiftung an Immobilien des Klägers zwei Grundschulden von je 150.000 Euro eingetragen. Der Kläger hat erklärt, die Stiftung habe die gewährten Übergangssicherheiten nach Eintragung der beiden Grundschulden am 09.10.2013 wieder freigegeben.

Nach der Durchführung einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, die Zahlungen an die Stiftung könnten wegen des engen Zusammenhangs mit den gegenläufigen Darlehensgewährungen nicht als Spenden abgezogen werden. Mit dem geänderten Einkommensteuerbescheid 2011 versagte das Finanzamt den Spendenabzug. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Mithin erhob der Steuerpflichtige Revision.

3. Rechtliche Beurteilung des Spendenabzugs

3.1. Beurteilung durch das Finanzgericht

Das Finanzgericht gab dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, dass dem Kläger die Darlehen ohne die banküblichen Formalitäten gewährt worden seien. Hierin sah das Finanzgericht den die für den Spendenabzug erforderliche Unentgeltlichkeit ausschließenden Vorteil. Die Zuwendungsbestätigung könne im Streitfall keinen Vertrauensschutz begründen, weil sie vom Kläger selbst ausgestellt worden sei.

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Unser Video: Bundesfinanzhof: Ablauf der FG-Klage und der Revision beim BFH

In diesem Video erklären wir, wie das finanzgerichtliche Verfahren abläuft.

3.2. Beurteilung durch den BFH

3.2.1. Zurückverweisung an das FG

Der BFH hat das Urteil des Finanzgerichts aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückgewiesen. Der Abzug einer an eine Stiftung geleisteten Zahlung als (Vermögensstock-)Spende sei nicht schon deshalb – ohne Prüfung weiterer Voraussetzungen – ausgeschlossen, weil die Stiftung dem Zahlenden in engem zeitlichen Zusammenhang mit diesem Vorgang einen gleich hohen Betrag als verzinsliches Darlehen zur Verfügung stelle und mit den Zinserträgen ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke fördere. 

3.2.2. Begründung der Entscheidung

Es gehöre zum Wesen einer Stiftung, ertragbringende Kapitalanlagen, auch in Gestalt der Gewährung verzinslicher Darlehen, zu tätigen. Allein der Umstand, dass ein solches Darlehen dem Zuwendenden gewährt wird, müsse die Unentgeltlichkeit seiner Zuwendung nicht zwangsläufig ausschließen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Liquidität des Stifters durch die Darlehensgewährung im Ergebnis unverändert geblieben ist.

Es liegt kein Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO vor. Es ist nicht ersichtlich, dass die Rechtsordnung die gewählte Gestaltung schon dem Grunde nach missbilligen könnte. Hierzu stellt der BFH eine Kontrollüberlegung an. Hätte der Kläger die Spenden an die Stiftung geleistet und seinen Darlehensbedarf anderweitig gedeckt, hätte der Kläger den Spendenabzug unstreitig erhalten und wäre zudem Schuldner von Darlehen, die er verzinsen und tilgen müsste. Die Stiftung müsste die in ihren Vermögensstock zugewendeten Mittel – die sie nicht sofort zur Förderung ihrer satzungsmäßigen steuerbegünstigten Zwecke verbrauchen dürfte – ertragbringend anlegen. Das Ergebnis dieser Gestaltung unterscheide sich jedoch nicht von dem Ergebnis der vom Kläger und der Stiftung gewählten Gestaltung.

Entscheidend sei allein, dass sich die Zahlung als unentgeltlich darstelle, mit der Darlehensgewährung also kein Vorteil für den Zuwendenden verbunden sei. Das setzt voraus, dass sowohl die Gewährung des Darlehens dem Grunde nach als auch die vereinbarten Darlehensbedingungen einem Fremdvergleich standhielten. Zudem darf die tatsächliche Durchführung des Darlehensvertrags keine Zweifel daran aufwerfen, dass die zugewendeten Mittel aus Sicht des Zuwendenden nun Fremdkapital sind. Hierzu hatte das Finanzgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen, weswegen der Rechtstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wurde.

4. Dann schließen Darlehen den Spendenabzug wegen Entgeltlichkeit aus

Der BFH sorgt weiter für Rechtssicherheit im Hinblick auf die Frage, wann eine Darlehensgewährung durch eine Stiftung an ihren Stifter als ein die erforderliche Unentgeltlichkeit einer Spende ausschließender Vorteil anzusehen ist. In den Blick zu nehmen sind sowohl das „Ob“ als auch das „Wie“ der Darlehensgewährung.

Für die Fremdüblichkeit des „Obs“ der Gewährung eines Darlehens als solches ist auf die Einhaltung der für die Anlage von Mitteln des Vermögensstocks einer Stiftung üblichen Grundsätze zu achten. Insoweit gilt in erster Linie das Gebot der sicheren und wirtschaftlichen Vermögensverwaltung. Das Risiko und der erwarteter Ertrag aus der Geldanlage müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen. Angesichts der erheblichen Bedeutung der ungeschmälerten Erhaltung ihres Vermögens für eine Stiftung sind die mit jeder überdurchschnittlich ertragsstarken Geldanlage verbundenen Risiken gegen die dadurch erzielbaren Mehrerträge abzuwägen.

Ferner müssen die vereinbarten Darlehenskonditionen, also das „Wie“ der Gewährung in ihrer Gesamtschau einem Fremdvergleich standhalten. Hierbei schließt aber nicht jegliches einzelne Detail, das möglicherweise von den zwischen fremden Dritten üblichen Bedingungen abweicht, die Fremdüblichkeit des Darlehens aus. Vielmehr ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind etwa Kriterien wie die zivilrechtliche Wirksamkeit des Darlehensvertrags, die Bonität des Darlehensnehmers, die Besicherung des Darlehens und der Darlehenszins. Im Rahmen einer solchen Gesamtwürdigung können eventuelle Abweichungen vom Fremdüblichen, in gewissen Grenzen durch gegenläufige Gesichtspunkte ausgeglichen werden.

Von wesentlicher Bedeutung kann hierbei sein, ob die Vertragschancen und -risiken in fremdüblicher Weise verteilt sind. Letztlich darf die tatsächliche Durchführung des Darlehensvertrags keine Zweifel daran aufwerfen, dass die der Stiftung zugewendeten und darlehensweise an den Stifter rücküberlassenen Mittel aus Sicht des Zuwenden nunmehr Fremdkapital darstellen, der Spender also endgültig wirtschaftlich belastet ist.

Offengelassen hat der BFH in der vorliegenden Entscheidung, ob der Spendenabzug trotz – unterstellter – Erfüllung aller objektiven Voraussetzungen zusätzlich noch ein subjektives Tatbestandsmerkmal der „Spendenmotivation“ erfordert.

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5. Fazit: Spendenabzug trotz Darlehensgewährung möglich

Darlehen an den Spender können zum Ausschluss der Unentgeltlichkeit der Spende führen. Hierzu ist zum einen darauf abzustellen, ob die Darlehensgewährung dem Grunde nach in fremdüblicher Weise gewährt worden ist. Zum anderen müssen dessen Konditionen einem Fremdvergleich standhalten. Zudem muss das Darlehen entsprechend der vertraglichen Vereinbarung tatsächlich durchgeführt worden sein.

Werden diese Voraussetzungen erfüllt, liegt für sich genommen ein ausgewogenes gegenseitiges Rechtsgeschäft vor. Dann bleibt für die Annahme eines überschießenden Gegenleistungsanteils für eine vorangegangene Spende kein Raum. Damit ist der Spendenabzug zu zulassen.


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  1. Spenden in der GmbH steuerlich absetzen
  2. Rechtsfolgen von zu vielen Spenden durch ein Unternehmen
  3. Spende an verbundene Stiftung als verdeckte Gewinnausschüttung

Hierzu stehen Ihnen unsere Steuerberater und Rechtsanwälte an den Standorten Köln und Bonn gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Zudem beraten wir deutschlandweit per Telefon und Videokonferenz:

Standort Köln

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Deutschland kann, soweit ein steuerlicher Anknüpfungspunkt in Deutschland liegt, regelmäßig das Welteinkommen, also auch Einkünfte aus dem Ausland besteuern. Dazu muss die deutsche Finanzbehörde jedoch erstmal Kenntnis von den ausländischen Einkünften haben. Problematisch ist dabei aber, dass die staatlichen Hoheitsbefugnisse auf das eigene Staatsgebiet beschränkt sind. Daher sind eigene Ermittlungsmaßnahmen im Ausland nicht möglich. Um dennoch Informationen über die Einkünfte aus dem Ausland zu erhalten, gibt es die zwischenstaatliche Amtshilfe. Wir erklären im Folgenden dessen Zulässigkeit und den Ablauf des Verfahrens.

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Unser Video: Rechtsgrundlagen (EStG, AStG, DBA, AEUV) & Mitwirkungspflichten

In diesem Video erklären wir, die Rechtsgrundlagen des internationalen Steuerrechts.

Inhaltsverzeichnis


1. Zweck der internationalen Amtshilfe

1.1. Konflikt zwischen Besteuerungsauftrag und Handlungsmöglichkeiten

Das Steuerrecht knüpft in aller Regel an das globale Einkommen, sogenanntes „Welteinkommen“ an. Soweit ein tatsächlicher Anknüpfungspunkt, sogenannter steuerlicher Nexus in einem Staat liegt, darf dieser Staat Rechtsfolgen auch an Tatbestände knüpfen, die außerhalb seines eigenen Hoheitsgebiets liegen.

Demgegenüber ist es dem Staat versperrt, Hoheitsakte auf fremden Staatsgebiet zu setzen. Vielmehr endet der nationale Handlungsrahmen grundsätzlich an der eigenen Staatsgrenze. Dies gilt nicht nur für Vollstreckungs- und Ermittlungsmaßnahmen unter Zwangsanwendung, sondern auch für tatsächliches Handeln, wie die Inaugenscheinnahme oder sonstige direkte Nachforschungen auf ausländischem Hoheitsgebiet. Vor diesem Hintergrund ist jede Art von Informationsbeschaffung auf fremden Territorium in der Regel völkerrechtlich untersagt. Dann stellt sich aber die Frage, wenn der Staat doch auch auf Einkünfte außerhalb seines Territoriums Steuern erheben kann, wie er diese ermittelt.

Insbesondere trifft die deutsche Finanzverwaltung auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten die Pflicht, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Da der behördliche Handlungsbereich aber auf das eigene Staatsgebiet begrenzt ist, kommt diese Pflicht mit den Handlungsmöglichkeiten der Finanzverwaltung in Konflikt.

1.2. Konfliktlösung durch die Abgabenordnung

Diesen Konflikt löst die Abgabenordung durch unterschiedliche Regelungen, die der Erfassung und Aufklärung von Auslandssachverhalten dienen. Beispielsweise unterliegen Beteiligte bei Sachverhalten, die sich auf Vorgänge außerhalb Deutschlands beziehen einer erhöhten Mitwirkungspflicht (§ 90 Absatz 2 und 3 AO). Daneben bestehen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten besondere Ordnungsvorschriften für die Buchführung und sonstige Aufzeichnungen (§ 146 Absatz 2 AO). Zusätzlich gibt es besondere Vorschriften für die Anzeige einer Erwerbstätigkeit (§ 138 Absatz 2 AO).

Diese Sonderregelungen reichen aber noch nicht aus, um alle erforderlichen Informationen zu erhalten, die die deutschen Finanzämter bedürfen, um die Steuer gleichheitskonform festzusetzen und zu erheben. Deswegen sind die Staaten dazu übergegangen, sich gegenseitig bei der Durchführung des Besteuerungsauftrags zu unterstützen. Diese gegenseitige Unterstützung wird als zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe bezeichnet. Dadurch kann die Verwaltung des einen Staates die Verwaltung des anderen Staates als „verlängerten Arm“ einsetzen und sich deren Kontrollbefugnisse zu eigen machen.

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1.3. Arten der Amtshilfe

In der Praxis haben sich verschiedene Formen zwischenstaatlicher Rechts- und Amtshilfe entwickelt. Zum einen können sich die Staaten bei der grenzüberschreitenden Zustellung ausländischer Hoheitsakte unterstützen, dazu zählen zum Beispiel Steuerbescheide oder Mitwirkungsverlangen. Diese Art der Unterstützung wird internationale Zustellungshilfe genannt. Zum anderen können sich die Staaten bei der zwangsweisen Durchsetzung ihrer Steueransprüche Beistand leisten, was als internationale Vollstreckungs– oder Beitreibungshilfe bezeichnet wird. Dabei ist es beispielsweise denkbar, dass der Staat mitteilt, wo der Vollstreckungsschuldner über verwertbares Vermögen verfügt oder er Maßnahmen ergreift, um den Anspruch zu sichern. Denkbar ist aber auch, die gesamte Vollstreckung des fälligen Steueranspruchs im Ausland.

Eine letzte Form der internationalen Amts- und Rechtshilfe ist die der internationalen Informationshilfe. Sie stellt zugleich die bedeutendste Form dar. Sie liegt vor, wenn die Steuerverwaltung eines Staates der Steuerverwaltung eines anderen Staates Informationen für Zwecke des dortigen Besteuerungsverfahrens zugänglich macht. Dabei gibt es drei mögliche Informationsquellen, die als Spontanauskunft, Ersuchenshilfe und automatische Auskunft bezeichnet werden.

Bei einer Ersuchenshilfe wird das internationale Informationshilfeverfahren dadurch eingeleitet, dass die Steuerverwaltung des einen Staates im Rahmen der Durchführung eines konkreten Steuerverfahrens erhebliche Informationen bei einem anderen Staat anfragt. Geht die Amtshilfe nicht auf ein konkretes Ersuchen zurück, liegt entweder eine automatische Auskunft oder eine Spontanauskunft vor. Diese beiden Auskunftsart lassen sich nicht trennscharf voneinander abzugrenzen. Automatische Auskünfte sind als solche Auskünfte zu verstehen, die wiederkehrend über bestimmte Fallgruppen gleichartiger Sachverhalte erteilt werden. Demgegenüber betreffen Spontanauskünfte solche Auskünfte, die die mitteilende Steuerverwaltung erteilt, weil sie Anzeichen für eine fehlerhafte Steuerfestsetzung oder Steuererhebung im Empfängerstaat hat.

2. Regelung des § 117 AO für zwischenstaatliche Amtshilfe

2.1. Überblick über § 117 AO

Der § 117 AO hat erstmals die zwischenstaatliche Rechtshilfe und Amtshilfe in Steuersachen normiert. Sie gilt als Grundnorm und regelt Voraussetzungen und Grenzen der Amtshilfe. Auf deutscher Seite ist sie daher bei zwischenstaatlicher Rechtshilfe oder Amtshilfe zur Durchführung der Besteuerung zu beachten. § 117 Absatz 1 AO betrifft die Inanspruchnahme zwischenstaatlicher Hilfe durch deutsche Finanzbehörden. § 117 Absätze 2 bis 4 AO regeln den umgekehrten Fall, also die Gewährung der Hilfe durch die deutschen Behörden.

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2.2. Zulässigkeit der Amtshilfe

§ 117 Absatz 1 AO verweist für die Inanspruchnahme zwischenstaatlicher Amtshilfe auf das deutsche Recht. Dadurch werden die Regelungen der nationalen Amtshilfe (§§ 111 ff. AO) relevant. Die Inanspruchnahme der Amtshilfe steht im Ermessen der deutschen Finanzbehörde und ist nicht davon abhängig, dass völkerrechtliche Vereinbarungen oder innerstaatlich anwendbare Rechtsakte der EU sie zulassen.

Um Hilfe darf nur ersucht werden, wenn die Voraussetzungen des § 112 Absatz 1 AO vorliegen. In den meisten Fällen wird dies aber unproblematisch anzunehmen sein, weil die begehrte Hilfeleistung aus völkerrechtlichen Gründen von der ersuchenden Behörde nicht selbst vorgenommen werden kann (§ 112 Absatz 1 Nummer 1 AO), sie aus diesem Grund bestimmte Tatsachen nicht ermitteln kann (§ 112 Absatz 1 Nummer 3 AO) oder weil sie die begehrte Handlung nur mit wesentlich größerem Aufwand vornehmen könnte als die ersuchte Stelle (§ 112 Absatz 1 Nummer 5 AO).

Auch im Rahmen der Amtshilfe gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Demnach muss das Ersuchen geeignet, erforderlich und angemessen sein. Dabei ist zu beachten, dass die Befragung des Beteiligten ist in aller Regel das mildere Mittel darstellt und somit vorrangig ist.

Zudem ist es der Finanzverwaltung untersagt Auskunftsersuchen zur Befugniserweiterung zu missbrauchen. Das gilt insbesondere, wenn im ausländischen Staat weitergehende Ermittlungsmaßnahmen zulässig sind. Dann ist eine Auskunft nur unter den Befugnissen die im Inland existieren möglich.

Häufig ist zur Verständlichkeit des Auskunftsersuchens erforderlich, dass die deutschen Behörden den ausländischen Stellen bestimmte Hintergrundinformationen zur Verfügung stellt. Dabei muss sie dann auch regelmäßig Daten über den Steuerpflichtigen weitergeben. Ist nicht gewährleistet, dass die dem Ersuchen beigefügten Daten im ersuchten Staat geheim gehalten werden, so muss die Finanzverwaltung von dem Auskunftsersuchen absehen, wenn die Gefahr besteht, dass dem Steuerpflichtigen durch die Preisgabe seiner wirtschaftlichen Daten ein unverhältnismäßiger Schaden entsteht. Im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sind die Daten ohnehin auf das Notwendigste zu beschränken.

3. Weitere Rechtsgrundlagen für die Amtshilfe

3.1. Auskunftsklauseln in Doppelbesteuerungsabkommen

Es gibt neben der nationalen Regelung auch internationale Rechtsgrundlagen für die Amtshilfe. Von der Frage der Zulässigkeit der Amtshilfe ist die Frage, in wie weit der andere Staat zur Hilfeleistung verpflichtet ist, klar abzugrenzen. Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung ist oft in internationalen Rechtsgrundlagen geregelt, ob der befragte Staat zur Auskunft verpflichtet ist. Lediglich, wenn der befragte Staat zur Auskunft verpflichtet ist, hat der andere Staat einen Anspruch auf die Information.

Bedeutend sind Auskunftsklauseln in Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Vorbild ist in der Regel die Regelung des Art 26 OECD-MA. Große Auskunftsklauseln umfassen dabei nicht nur die Übermittlung von Daten, die der Durchführung des Abkommens selbst dienen. Sie decken daneben auch den Austausch von Daten, die nur für die Durchführung des rein innerstaatlichen Steuerrechts relevant sind. Während kleine Auskunftsklauseln lediglich die Durchführung des Abkommens selbst umfassen.

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Doppelbesteuerungsabkommen: Steuerpflicht & Steuerfreistellung

In diesem Video erklären wir, was ein Doppelbesteuerungsabkommen ist und welche Regelungen es hat.

3.2. Abkommen über die Amtshilfe

Zudem gibt es noch besondere völkerrechtliche Amtshilfeabkommen. Dabei handelt es sich um Verträge, die ausschließlich den Ablauf des Verfahrens einer zwischenstaatlichen Amtshilfe regeln. Deutschland hat mit 24 Staaten solche Amtshilfeabkommen abgeschlossen.

3.3. EUAHiG

Innereuropäisch sind die Mitgliedstaaten per europäischer Amtshilferichtlinie zum Informationsaustausch verpflichtet. Diese Richtlinie setzt einen Mindeststandard, den alle Mitgliedstaaten zu gewährleisten haben. Die Richtlinie sieht Ersuchensauskünfte, ersuchensunabhängige Auskünfte, Simultanbetriebsprüfungen und die Hinzuziehung zu Ermittlungshandlungen vor.

Die Vorgaben der Richtlinie sind in dem EU-Amtshilfegesetz (EUAHiG) festgelegt. Darin ist geregelt, wie und unter welchen Voraussetzungen die deutsche Finanzverwaltung berechtigt oder verpflichtet ist, anderen Mitgliedstaaten Amtshilfe zu gewähren. Wann die deutsche Finanzverwaltung selbst innereuropäische Informationshilfe in Anspruch nehmen kann, ist hingegen nicht im EUAHiG geregelt. Insoweit sind vielmehr die einschlägigen Umsetzungsbestimmungen der anderen Mitgliedstaaten entscheidend.

4. Verwendung der durch Amtshilfe empfangenen Daten

Oft stellt die ausländische Behörde die Informationen in einem Bericht zur Verfügung, in dem sie ausführlich das Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens darlegt. Manchmal gibt es aber auch behördliche Protokolle über die Befragung des ausländischen Beteiligten oder einer dritten Person. Hat die Finanzbehörde die Informationen von der ausländischen Behörde erhalten, so stellt sich die Frage, wie sie diese verwerten kann.

Die Auskünfte ausländischer Behörden stellen eigenständige, unbenannte Beweismittel dar. Daher richtet sich die Auswertung nach dem deutschen Steuerverfahrensrecht. Somit gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Daher ist die deutsche Behörde nicht an die Feststellung der ausländischen Behörde gebunden. Fehlt den Auskünften die Überzeugungskraft, so sind sie außer Acht zulassen. Das gilt beispielsweise, wenn nicht deutlich wird, worauf die Feststellungen beruhen oder die Ausführungen in sich nicht schlüssig sind und anderen überzeugenden Beweismitteln widersprechen. Daher kann der Steuerpflichtige eine ihn betreffende Auskunft durchaus in Frage stellen. Im Allgemeinen wohnt den behördlichen Auskünften aber eine nicht unerhebliche Überzeugungskraft inne. Ob es sich um Pflichtauskünfte oder Kulanzauskünfte handelt spielt dabei keine Rolle.

Der deutsche Rechtsweg gegen die Hilfemaßnahmen ausländischer Behörden ist nicht gegeben. Daher muss der Betroffene seine Rechte in dem jeweiligen Staat nach dem dortigen Recht geltend machen.


Steuerberater für internationales Steuerrecht

Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die steuerrechtliche Gestaltungsberatung für Unternehmen spezialisiert. Bei der Beratung zur grenzüberschreitenden Sachverhaltens schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:

  1. Steuerrecht in anderen Staaten (Japan, Schweden, Rumänien, Texas, Gibraltar)
  2. Hinzurechnungsbesteuerung (Gegenbeweis,
  3. Wegzugsteuer (Vermeiden mit Stiftung oder Verein, Reform)
  4. Erläuterungen zur unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht in Deutschland und im Ausland
  5. Beratung zum Home Office im Ausland
  6. Empfehlungen zur Gründung von Unternehmen im Ausland
  7. Informationen zu Unternehmensformen im Ausland (Österreich, USA)
  8. Beratung zur Einstellung von Mitarbeitern in den USA
  9. Entwicklung steuerlicher Gestaltungsmodelle

Hierzu stehen Ihnen unsere Steuerberater und Rechtsanwälte an den Standorten Köln und Bonn gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Zudem beraten wir deutschlandweit per Telefon und Videokonferenz:

Standort Köln

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Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte die Frage zu klären, ob Gewinnminderungen in Form von Teilwertabschreibungen auf die Beteiligung an einer (ausländischen) Kapitalgesellschaft, sowie ein an die Beteiligungsgesellschaft ausgereichtes Darlehen nach § 8b Absatz 3 Sätze 3, 4 KStG bei der Ermittlung des Einkommens nicht zu berücksichtigen sind. Demgegenüber aber im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dieser Beteiligung an den Anteilseigner erbrachte Schadensersatzleistungen der vollen Besteuerung unterfallen und nicht nach § 8b Absatz 2 KStG steuerbefreit sind. Wir klären warum die im Fall gewählte Gestaltung zur Auseinandersetzung zwischen Gesellschaften ungeschickt war und wie man diese hätte optimieren können.

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Ist eine Teilwertabschreibung gewinnwirksam bei Körperschaften ansetzbar?

In diesem Video erklären wir, was nach § 8b KStG für Darlehensverluste und Teilwertabschreibung gilt.

Inhaltsverzeichnis


1. Problemstellung

Gemäß § 8b Absatz 2 Satz 1 KStG bleiben bei der Ermittlung des Einkommens einer Körperschaft – vorbehaltlich gewisser Ausnahmen – Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen außer Ansatz. Gleiches gilt nach § 8 Absatz Satz 3 KStG für Gewinne aus der Auflösung oder Herabsetzung des Nennkapitals oder für Veräußerungen gleichgestellte verdeckte Einlagen. 5 % des jeweiligen Gewinnes gelten wiederum als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben (sogenannte Schachtelstrafe).

Gemäß § 8b Absatz 3 Satz 3 KStG sind Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit dem in Absatz 2 genannten Anteil stehen, bei der Ermittlung des Einkommens nicht zu berücksichtigen. Sie werden außerbilanziell wieder hinzugerechnet. Hierdurch hat der Gesetzgeber für die Ausgabeseite eine Korrespondent zur für Veräußerungsgewinne statuierten Steuerbefreiung hergestellt.

Es besteht aber keine im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise weit zu verstehende Korrespondenz zwischen der Einnahmenseite und der Ausgabenseite. Was gemäß § 8b Absatz 2 KStG steuerfrei und gemäß § 8b Absatz 3 KStG als Gewinnminderung unberücksichtigt bleibt, ist allein am Gewinnbegriff im Sinne des § 8b Absatz 2 KStG und an der Gewinnminderung im Sinne des § 8b Absatz 3 KStG andererseits festzumachen. Ein irgendwie gearteter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Gewinnen und Verlusten allein ist nicht ausreichend.

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2. Sachverhalt: Auseinandersetzung zwischen Gesellschaften

2.1. Tatsächliche Umstände

Der Sachverhalt war der folgende:

Die Klägerin war die A GmbH. Die A GmbH beteiligte sich zu 36 % an der A-Ltd, deren Geschäftsführer E und F waren. Diese sollte in Rumänien ein Schiffsregister aufbauen. Dazu leistete die GmbH Kapitalzahlungen in Höhe von insgesamt 250.000 EUR. Weitere an der A-Ltd Beteiligte waren die B GmbH mit ebenfalls 36 % und die die C GmbH & Co. KG.

Zum Betrieb des Schiffsregisters schloss die A-Ltd. mit der örtlichen Schifffahrtsbehörde in Rumänien einen Dienstleistungskonzessionsvertrag über 30 Jahre. Auf Grundlage dieses Vertrags baute die A-Ltd den Betrieb des Registers auf.

Im Jahr 2013 scheiterte der Betrieb des Schiffsregisters. Grund war, dass die rumänische Regierung verschiedene hierzu erforderliche Rechtsverordnungen über den Betrieb des Schiffsregisters nicht in Kraft setzte.

Die Klägerin, die B GmbH und die D GmbH gewährten der A-Ltd. ein Darlehen in Höhe von 50.000 EUR. Dies diente der Finanzierung der Liquidation der A-Ltd. und der Vorbereitung einer rechtlichen Auseinandersetzung mit der örtlichen Schifffahrtsbehörde.

Da Zweifel an der Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen der A-Ltd. gegen die rumänische Schifffahrtsbehörde aufkamen, schloss die Klägerin mit der C-GmbH & Co. KG und E, die als Initiatoren des Schiffsregisters galten, im Dezember 2013 einen „Vergleich über Schadensersatzforderung“ über 300.000 EUR.

Es kam zur Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaften. Die Klägerin vertrat die Auffassung ihr stehe ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die C-GmbH & Co. KG und E in Höhe des von ihr in die A-Ltd. eingezahlten Kapitals von mindestens 300.000 Euro sowie des entgangenen Gewinns zu, da sie maßgeblich aufgrund der Einschätzung der C-GmbH & Co. KG und E in die A-Ltd. investiert hatte. Von diesem Betrag wurde ein Teil beglichen. Anfang 2014 veräußerte die Klägerin ihre Beteiligung an der A-Ltd. an die C GmbH & Co. KG gegen einen symbolischen Kaufpreis.

2.2. Rechtliche Beurteilung durch die A GmbH

In ihrer Bilanz zum 31.12.2013 wies die Klägerin ihre Beteiligung an der A-Ltd. zunächst mit einem Wert von EUR 250.000 aus. Das der A-Ltd. im Jahr 2013 gewährte Darlehen wurde zum Nennwert ausgewiesen. Die Schadensersatzleistung berücksichtige die A-GmbH als außerordentlichen Ertrag. Im Nachgang machte die Klägerin im Wege der Bilanzberichtigung geltend, der erklärte Gewinn sei um EUR 50.000 (Abschreibung auf das Darlehen) zu mindern. Zudem sei er um die zum Bilanzstichtag bestehende Rest-Schadensersatzforderung von EUR 190.000 zu erhöhen. In der Folge ergebe sich ein Verlust.

Das Finanzamt hingegen nahm hinsichtlich der Teilwertabschreibung eine auf § 8b Absatz 3 Sätze 3 und 4 KStG gestützte außerbilanzielle Korrektur in Höhe von EUR 300.000 vor. Die Schadensersatzleistung wurden gewinnwirksam erfasst.

Einspruch und Klage der A GmbH gegen diese Einordnung bleiben erfolglos. Die Klägerin argumentierte, die im direkten Zusammenhang mit den Teilwertabschreibung stehenden Ausgleichszahlungen seien aufgrund der Systematik des § 8b KStG steuerneutral zu behandeln. Die Teilwertabschreibungen seien nicht gewinnmindernd zu berücksichtigen. Der wirtschaftliche Zusammenhang begründe, dass dass umgekehrt die Schadensersatzleistungen steuerfrei sind. Dem schlossen sich das Finanzamt und das Finanzgericht nicht an.

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Besteuerung einer Gewinnausschüttung an eine Körperschaft

Wie die Besteuerung einer Gewinnausschüttung an eine Kapitalgesellschaft erfolgt.

3. Beurteilung der Auseinandersetzung durch den BFH

Der BFH argumentierte, dass die Gewinnminderung durch die Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an der A-Ltd. und das an diese ausgerichtete Darlehen nach § 8b Absatz 3 Sätze 3 und 4 KStG bei der Ermittlung des Einkommens nicht zu berücksichtigen seien. Über das Vorliegen einer dauernden Wertminderung hinsichtlich der Beteiligung an der A-Ltd. und des ausgereichten Darlehens bestand zwischen den Beteiligten kein Streit. Daher konnte insoweit eine Teilwertabschreibung vorgenommen werden (§ 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 8 Absatz 1 KStG).

Das hat aber nicht zur Folge, dass die Schadensersatzleistungen steuerfrei sind. Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender festgestellt, dass die Schadensersatzleistungen und der Vertrag über den Anteilsverkauf an der A-Ltd. andererseits steuerlich voneinander getrennte Vorgänge sind. Es kommt grade nicht auf eine wirtschaftliche Betrachtung an.

Daher kann die Schadensersatzleistung durch die C GmbH & Co. KG und E an die Klägerin nicht als Teil eines Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der A-Ltd. im Sinne des § 8b Absatz 2 Satz 1 KStG angesehen werden, der bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bliebe. Soweit die Klägerin erstmals im Revisionsverfahren vorträgt, ein Verkauf der Anteile sei bereits anlässlich des „Vergleichs über Schadensersatzforderung“ mündlich vereinbart worden, handle es sich um einen neuen Tatsachenvortrag, der im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden könne.

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4. Auseinandersetzung: Unsere Gestaltungsempfehlung

Ein für die Klägerin befriedigendes Ergebnis hätte sich aber leicht erreichen lassen. Dazu hätten die Schadensersatzleistungen als Teil eines Veräußerungsgewinns im Sinne des § 8b Absatz 2 KStG angesehen werden müssen. Eine entsprechende Auslegung ist dem BFH aber verwehrt.

Daher ist es bedeutend, in vergleichbaren Konstellationen auf die konkrete (Exit-)Gestaltung Wert zu legen. Die Steuerbefreiung der Schadensersatzleistungen hätte die Klägerin auf andere Weise erreichen können. Als Kompensation für den Vermögensverlust der Klägerin aus ihrer Beteiligung an der A-Ltd. und dem ausgereichten Darlehen hätte sie mit der späteren Erwerberin der Anteile, der C GmbH & Co. KG einen Verkauf zum Buchwert von EUR 300.000 vereinbaren können. Dann wäre der Gewinn aus dem Verkauf der Anteile nach § 8b Absatz 2 KStG im Ergebnis zu 95 % steuerfrei gewesen.

Insoweit ist auch zu beachten, dass der BFH Feststellungen tatsächlicher Art nur eingeschränkt überprüfen kann. Auf Grundlage des § 118 Absatz 2 FGO kann er die, die tatsächlichen Umstände betreffenden Würdigungen im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüfen, ob sie in verfahrensfehlerhafter Weise zustande gekommen sind oder ob sie gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstoßen. Im Übrigen ist der BFH an die Beurteilung des FG gebunden. Das gilt auch dann, wenn eine abweichende Würdigung gleichermaßen möglich oder naheliegend ist. Daher werden Verfahren, bei denen es um die Auslegung von Vereinbarungen geht, grundsätzlich vor den Finanzgerichten gewonnen oder verloren werden.

Daher ist ein umfassender und sorgfältiger Tatsachenvortrag unerlässlich. Ein neuer Tatsachenvortrag, der eine Auslegung im Sinne des Klägers entgegen den Wertungen des FG ermöglicht, ist im Revisionsverfahren nicht möglich.

Der Sachverhalt zeigt, dass im Rahmen von Auseinandersetzungsgestaltungen Sorgfalt an den Tag zu legen ist, um steuerliche Überraschungen zu vermeiden.


Steuerberater für Unternehmen

Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die steuerrechtliche Gestaltungsberatung für Unternehmen spezialisiert. Beim der Gestaltung von Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:

Unternehmenskauf

  1. Beratung beim Unternehmenskauf (Verkauf GmbH, Verkauf GmbH & Co. KG, Nutzung von Verlustvorträgen)
  2. Beratung beim Unternehmensverkauf (Vorteile bei Share Deal & Asset Deal)
  3. Haftung beim Unternehmenskauf
  4. Trotz Share-Deal beim GmbH Kauf Steuern sparen

Unternehmensverkauf

  1. Fünftelregelung bei Betriebsveräußerungen
  2. Umsatzsteuerliche Bewertung beim GmbH Verkauf
  3. Gestaltungen bei Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften
  4. Anteilsveräußerungen bei Personengesellschaften
  5. Leibrente anstelle des Kaufpreises

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Die Beurteilung eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses ist umstritten. Zu den grundlegenden Problemen des Beschlussmängelrechts gehört dabei das Verhältnis zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit. Dieses entzündet sich vor allem bei Verstößen von Hauptversammlungsbeschlüssen gegen die Satzung einer Aktiengesellschaft. Wir erklären die unterschiedlichen Kriterien zur Beurteilung von satzungsdurchbrechenden Hauptversammlungsbeschlüssen.

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Unser Video: Aktiengesellschaft (AG): Organe und Grundsatz der Satzungsstrenge

In diesem Video erklären wir, was eine Aktiengesellschaft ist und welche Organe sie hat.

Inhaltsverzeichnis


1. Problem des satzungsdurchbrechenden Beschlusses

1.1. Gebot der Satzungsstrenge

Im Aktienrecht gibt es das Gebot der Satzungsstrenge. Die Satzung einer AG ist bei der Gründung festzulegen und muss bestimmte Mindestinhalte haben (§ 23 AktG). Änderungen der Satzung können nur unter bestimmten Voraussetzungen durch Beschluss der Hauptversammlung erfolgen. Dabei ist aber in der Regel eine qualifizierte Mehrheit erforderlich (§ 179 Absatz 2 AktG). Der Spielraum satzungsmäßiger Regelungen muss sich innerhalb des Aktiengesetzes halten. Dies gilt nicht nur für die Gründungssatzung, sondern auch für jede spätere Satzungsänderung.

Die Organe der AG, insbesondere Vorstand und Aufsichtsrat, sind in ihrer Geschäftsführung an die Satzung gebunden. Handlungen, die der Satzung widersprechen, können rechtswidrig sein. Das Gebot der Satzungsstrenge schützt letztlich die Interessen der Aktionäre, indem es sicherstellt, dass die Unternehmensführung im Rahmen der vereinbarten Regeln erfolgt.

Das Aktiengesetz, insbesondere in Kombination mit der Rechtsprechung, etabliert dadurch ein System, in dem die Satzung der AG eine zentrale Rolle für die Organisation und die interne Governance der Gesellschaft spielt. Hierdurch wird ein verlässlicher rechtlicher Rahmen für Investoren, Gläubiger, Arbeitnehmer und andere Stakeholder geschaffen.

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1.2. Zulässigkeit eines satzungsändernden Beschlusses

§ 179 AktG ist die zentrale Vorschrift im Abschnitt über die Satzungsänderung. Sie enthält allgemeine Regeln über die Mehrheitserfordernisse und etwaige sonstige Erfordernisse (§ 179 Absatz 2 AktG). Satzungsänderungen sind mit qualifizierter Mehrheit zu beschließen. Das bedeutet, dass neben einer einfachen Stimmenmehrheit (mehr als 50% der abgegebenen Stimmen) zusätzlich mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals zustimmen müssen (§ 179 Absatz 2 AktG). Für eine Satzungsänderung ist grundsätzlich die Hauptversammlung zuständig. Der Beschluss der Hauptversammlung über eine Satzungsänderung bedarf der notariellen Beurkundung (§ 130 AktG).

Von Bedeutung für das Verfahren der Satzungsänderung ist § 124 Absatz 2 Satz 3 AktG. Dieser verlangt, dass der Wortlaut einer vorgeschlagenen Satzungsänderung bereits mit der Bekanntmachung der Tagesordnung der Hauptversammlung bekannt gemacht wird. Nachdem die Hauptversammlung die Änderung beschlossen hat, muss diese zur Wirksamkeit ins Handelsregister eingetragen werden (§ 181 AktG). Die Eintragung erfolgt auf Anmeldung des Vorstands.

Weiterhin gibt es Sondervorschriften für bestimmte Fälle von Satzungsänderungen. Das gilt beispielsweise für Maßnahmen der Kapitalerhöhung und der Kapitalherabsetzung.

Die AG kann Änderungen ihrer Satzung nicht wirksam ausschließen. Gemäß § 179 Absatz 2 Satz 2, 3 AktG können aber Erschwerungen der Satzungsänderung vorgesehen werden. Dabei kann es sich um erhöhte Mehrheiten in der Hauptversammlung und um weitere Erfordernisse handeln.

1.3. Satzungsdurchbrechender Beschluss mit formellen Verstoß

Von der Satzung abweichende Hauptversammlungsbeschlüsse, die weder durch die Satzung gedeckt sind, noch den Anforderungen an eine Satzungsänderung genügen, werden als satzungsdurchbrechende Beschlüsse bezeichnet.

Dann stellt sich die Frage, wie ein solcher Beschluss zu behandeln ist. Dabei kommt es darauf an, ob solche Beschlüsse nichtig oder bloß anfechtbar sind.

Zwar ist der Beschluss in beiden Modellen rechtswidrig. Unterschiedlich sind aber die Rechtswirkungen. Ist der Beschluss lediglich anfechtbar, so führt das Versäumnis der Erhebung einer Beschlussmängelklage zur Wirksamkeit des Beschlossenen, § 246 Absatz 1 AktG. Erst diese potenzielle Erstarkung des rechtswidrigen in einen wirksamen Beschluss macht es erforderlich, zu prüfen ob satzungsdurchbrechende Hauptversammlungsbeschlüsse rechtswidrig oder lediglich anfechtbar sind.

Betrachtet man den satzungswidrigen Beschluss als missglückten Versuch einer Satzungsänderung, der beispielsweise die qualifizierte Beschlussmehrheit gemäß § 179 Absatz 2 Satz 1 AktG oder das Eintragungserfordernis des § 181 Absatz 1 Satz 1 AktG verfehlt hat, so ist der Beschluss nichtig. § 181 Absatz 3 AktG zeigt, dass der Beschluss keine Wirkungen zeigt. Das gilt unabhängig von der Einleitung eines Beschlussmängelverfahrens.

Versteht man den Beschluss hingegen als Maßnahme, bei der die Aktionäre den Widerspruch zur geltenden Satzung schlicht nicht erkannten, liegt bloße Anfechtbarkeit vor. Folge dessen ist, dass der Beschluss fortbesteht. Der Satzungsverstoß wird in § 243 Absatz 1 Variante 2 AktG erwähnt. Demgegenüber halten die Nichtigkeitsgründe in § 241 AktG dem Satzungsverstoß keine eigene Kategorie vor.

Letztendlich geht es daher um die Frage, ob es neben der regulären Satzungsänderung einen weiteren legalen Weg gibt, das geltende Satzungsrecht vorübergehend zu suspendieren.

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Überblick über Gesellschaftsformen in Deutschland

In diesem Video erklären wir, die unterschiedlichen Gesellschaftsformen in Deutschland.

2. Die unterschiedlichen Lösungsansätze für einen satzungsdurchbrechenden Beschluss

Der Umgang mit solchen satzungsdurchbrechenden Beschlüssen ist auf mehreren Ebenen umstritten. Für ein Kriterium zur Unterscheidung zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit gibt es unterschiedliche Vorschläge.

In früheren Entscheidungen stellte der BGH auf die Dauer der Wirkung ab. Dabei eine einen Einzelfall regelnde Satzungsdurchbrechung im Grundsatz auch ohne Einhaltung der formellen Voraussetzungen einer Satzungsänderung nicht zur Nichtigkeit, sondern allenfalls zur Anfechtbarkeit führt. Demgegenüber soll nur die zustandsbegründende, also auf Dauer angelegte Satzungsdurchbrechung ohne Weiteres nichtig sein.

Andere wiederum erkennen im Satzungsverstoß stets eine missglückte Satzungsänderung mit der Folge der Nichtigkeit. Das soll unabhängig davon sein, ob die Maßnahme dauerhaft oder nur im Einzelfall wirken soll. Grund dafür ist, dass sich punktuelle und zustandsbegründende Wirkung nicht genau voneinander abgrenzen lassen.

Daneben kommt die Intention als Unterscheidungskriterium in Betracht. Geschah der Verstoß gegen die Satzung ohne ein entsprechendes Bewusstsein, so soll der Beschluss eine schlichte Satzungsverletzung darstellen. Sie soll daher lediglich anfechtbar sein. Eine solche Abgrenzung überzeugt jedoch nicht. Es leuchtet nicht ein, warum ein so gefasster Beschluss gegenüber dem bewussten Satzungsverstoß privilegiert sein soll. Weiter stellt sich dann die Frage, in welcher Person dieses subjektive Element zu welchem Zeitpunkt vorhanden sein muss. Seine tatsächliche Feststellungen stellt zudem eine Herausforderung dar.

Einigkeit besteht aber jedenfalls darin, dass faktische Änderungen der Satzung nicht möglich sind. Auch wiederholte Verstöße gegen die Satzung führen nicht dazu, dass die Satzung nachgibt.

Um den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern, sollten opponierende Aktionäre sicherhaltshalber Beschlussmängelklage gegen den entsprechenden Beschluss erheben.

3. Entscheidung des BGH zum satzungsdurchbrechenden Beschluss

3.1. Ausgestaltung des satzungsdurchbrechenden Beschlusses

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in einem Fall einen solchen satzungsdurchbrechenden Beschluss zu prüfen.

Die Satzung der beklagten Aktiengesellschaft sah vor, dass der Jahresabschluss unabhängig von gesetzlichen Pflichten stets zu prüfen ist. Diese Pflicht wurde in einigen Jahren nicht beachtet. Als die Kapitalgesellschaft dessen gewahr wurde, wollte sie das Thema für die Zukunft und die Vergangenheit lösen. Daher beschloss die Hauptversammlung ordnungsgemäß die Änderung der Satzung dahingehend, dass künftig eine Abschlussprüfung jenseits der gesetzlichen Verpflichtungen im Ermessen des Vorstandes liegt. Zudem fasste die Hauptversammlung den Beschluss, dass auf die unterlassenen Jahresabschlussprüfungen der vorangegangen Jahre verzichtet wird. Gegen den letzten Beschluss klagten zwei Aktionäre.

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3.2. Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanz hatte noch darauf abgestellt, dass sich die Hauptversammlung nachträglich mit dem Umgang der jahrelang unterbliebenen Prüfung beschäftigte. Damit hätte sie den Anforderungen der Satzung genügt. Das implizierte keine Satzungsänderung und auch keinen Satzungsverstoß. Das OLG hielt den Beschluss daher weder für nichtig noch für anfechtbar.

Der BGH hingegen teilte diese Einschätzung nicht. Zwar ist ohne Einfluss, dass der Vorstand tatsächlich über Jahre gegen die Satzungspflicht verstoßen habe. Bloßes satzungswidriges Verhalten bewirkt noch keine Satzungsänderung. Mit dem Verzicht auf die in der Satzung geregelte Pflicht zur Abschlussprüfung verstoße der Beschluss jedoch gegen das Gesellschaftsstatut.

Dann stellt sich aber die Frage, ob dieser Verzichtsbeschluss als punktuelle Satzungsdurchbrechung Wirksamkeit erlangen könnte. Der BGH wies daraufhin, dass das Rechtsinstitut der Satzungsdurchbrechung sowohl hinsichtlich seiner Fallgruppen als auch hinsichtlich des Bedürfnisses nach ihm umstritten ist. Anschließend lenkte der BGH ein und erläuterte, dass es angesichts des Verstoßes gegen die Satzung keiner Entscheidung zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit bedürfe. Deshalb sei der Beschluss jedenfalls für nichtig zu erklären.

Der BGH hatte in diesem Fall die Gelegenheit zu entscheiden, wie satzungsdurchbrechende Hauptversammlungsbeschlüsse zu beurteilen sind. Dennoch entschied er sich ein weiteres Mal dagegen. Richtigerweise hätte er den Beschluss nicht für jedenfalls nichtig erklären dürfen. Prozessual ist daran nämlich zu bemängeln, dass ein bereits nichtiger Beschluss nicht mehr für nichtig erklärt werden kann. In diesem Fall genießt die Feststellungklage logischen Vorrang gegenüber der Gestaltungsklage.

4. Auswirkungen bei der GmbH?

Ein satzungsdurchbrechender Beschluss ist auch bei der GmbH denkbar. Im Gegensatz zum Aktienrecht kennt das GmbH-Recht jedoch keine formelle Satzungsstrenge im Sinne. Auch hier fehlt aber noch eine klare Linie und damit eine Abgrenzung zum Recht der Aktiengesellschaft. Es kann jedoch davon ausgegangen, dass an die Nichtigkeit der Beschlüsse höhere Anforderungen zu stellen sind, als bei der Aktiengesellschaft.


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Hat der Steuerpflichtige in Deutschland einen tatsächlichen Anknüpfungspunkt, so kann die deutsche Finanzverwaltung die Steuer grundsätzlich auf das gesamte Welteinkommen des Steuerpflichtigen erheben. Jedoch sind die staatlichen Handlungsbefugnisse auf das eigene Staatsgebiet beschränkt. Eigenständige Ermittlungen sind im Ausland somit nicht möglich. Daher kann die deutsche Finanzbehörde nur schwer von ausländischen Einkünften Kenntnis erhalten. Zudem kann sie steuerliche Sachverhalte, wie beispielswiese Lizenzzahlungen ins Ausland nur schwer nachvollziehen. Betätigt ein Steuerpflichtiger sich im Ausland, so treffen ihn deswegen besondere Mitwirkungspflichten. Diese erklären wir folgend.

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Unser Video: Rechtsgrundlagen (EStG, AStG, DBA, AEUV) & Mitwirkungspflichten

In diesem Video erklären wir, die Mitwirkungspflichten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten.

Inhaltsverzeichnis


1. Grund für besondere Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen

Nach allgemein anerkannten Völkerrecht darf kein Staat außerhalb seiner Staatsgrenzen auf fremden Staatsgebiet hoheitliche Befugnisse ausüben. Dies umfasst jegliches hoheitliches Handeln und damit nicht nur Zwangsakte. Das macht die Aufklärung internationaler Sachverhalte besonders schwer. Deswegen existieren neben Möglichkeiten der zwischenstaatlichen Amtshilfe bei Auslandssachverhalten höhere Mitwirkungspflichten für den Steuerpflichtigen.

Die erhöhten Mitwirkungspflichten verdrängen den Untersuchungsgrundsatz und die primären Ermittlungspflichten der Finanzverwaltung aber nicht. Dennoch reduziert sich die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen auch nicht dadurch, dass der Finanzverwaltung die Möglichkeit der zwischenstaatlichen Amtshilfe offensteht. Vielmehr stehen Amtshilfe und Mitwirkungspflichten nebeneinander.

2. Mitwirkungspflicht

2.1. Aufklärungspflichten

In § 90 Absatz 2, 3 AO finden sich besondere Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten. Dabei ist es unerheblich, ob der Steuerpflichtige beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland ist. Die Sachverhalte müssen steuerlich relevant sein und somit steuererhöhende (beispielsweise Einnahmen) oder steuermindernde Faktoren (beispielsweise Betriebsausgaben, Werbungskosten, außergewöhnliche Belastungen, negative Einkünfte) betreffen. Allerdings ist das Nichtvorhandenseins steuererheblicher Tatsachen nicht nachzuweisen.

Eine Element der erweiterten Mitwirkungspflicht ist die erweiterte Aufklärungspflicht. Der gesamte konkrete Sachverhalt ist darzustellen. Nicht umfasst ist jedoch die Vorlage von Gutachten oder Stellungnahmen von steuerlichen Beratern. Zudem ist der Sachverhalt nur zu erklären und gerade nicht zu würdigen. Nicht erfasst von der erweiterten Mitwirkungspflicht ist die Aufklärung der Rechtslage im Ausland. Vielmehr bleibt es Teil der Amtsermittlungspflicht der Finanzverwaltung zu klären, welches maßgelbliche ausländische Recht anzuwenden ist und welche Zweifelsfragen sich ergeben können.

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2.2. Beweismittelbeschaffungspflicht

Beweismittelbeschaffungspflichten bestehen nur, soweit die Beschaffung rechtlich und tatsächlich möglich ist. Von den Beteiligten kann nicht mehr gefordert werden, als nach dem Gesetz durchsetzbar ist. Zudem muss die entsprechende Information aufgrund der Einflussmöglichkeit oder wegen besonderer wirtschaftlicher oder tatsächlicher Macht beschaffbar sein.

Unklar ist, ob das Erfüllen, ausländischer Strafgesetze die rechtliche Möglichkeit ausschließt. Die Rechtsprechung nimmt auch, wenn sich der Beteiligte dadurch strafbar machen würde, eine Beweismittelbeschaffungspflicht an. Sie kann aber vor dem Hintergrund des konkreten Strafkonflikts unzumutbar sein, wenn ein materielles und konkretes Risiko der Strafverfolgung besteht, dem sich der Beteiligte nicht ohne Weiteres entziehen kann.

Der Umfang der Beweismittelbeschaffungspflicht geht über die bloße Benennung hinaus. Sie umfasst vielmehr auch die Pflicht der Vorlage präsenter Beweismittel. Auslandszeugen sind daher in der Sitzung zu stellen. Die Pflicht umfasst jedoch keine Verpflichtung zur Klage auf Auskunftserteilung oder die Nutzung sonstiger verfahrensrechtlicher Mittel.

Beschafft der Beteiligte die Beweismittel nicht, so findet dies in der Beweiswürdigung Berücksichtigung. Daher kann von einem, für den Steuerpflichtigen nachteiligen Sachverhalt ausgegangen werden. Es bleibt jedoch bei einer Wahrscheinlichkeitseinschätzung.

2.3. Beweismittelvorsorgepflicht

Ferner muss sich der Beteiligte vorausschauend dahin organisieren, die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten einer Beweisvorlage zu erfüllen. Damit orientiert sich die Beweismittelvorsorgepflicht an der Beschaffungspflicht und hat die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Beweisvorsorge beginnt bereits bei der Gestaltung der konkreten Verhältnisse, so dass schon bei Begründung geschäftlicher Beziehungen eine Sicherung vertraglicher Nachweisansprüche zu erwägen ist. Unterlässt der Steuerpflichtige rechtlich durchsetzbare und übliche vertragliche Auskunftsklauseln, so kann darin eine Vereitelung künftiger Nachweismöglichkeiten gesehen werden.

Der Umfang der vertraglichen Vorsorge soll nach den Verwaltungsgrundsätzen diverse Unterlagen umfassen. Dazu gehören beispielsweise Kalkulationsunterlagen einer ausländischen Dienstleistungsgesellschaft bei Anwendung der Kostenaufschlagsmethode, Nachweise über die geleisteten Beiträge der zusammenwirkenden Unternehmen bei Beteiligung an einer Kostenumlagevereinbarung oder Nachweise über die vom Lizenznehmer mit den überlassenen immateriellen Werten erwirtschaftete Umsatzerlöse.

2.4. Mitwirkungspflicht durch Dokumentation

Die Dokumentationspflichten des § 90 Absatz 3 AO beruhen auf einem Urteil des Bundesfinanzhofs. Dieser hatte entschieden, dass der Steuerpflichtige außerhalb der §§ 140 ff. und §§ 238 ff. HGB nicht verpflichtet ist, seine Geschäftsfälle zu dokumentieren. Die entsprechende Dokumentationspflicht für internationale Verrechnungspreise lässt sich auch nicht aus § 90 Absatz 2 AO ableiten. Mithin führte der Gesetzgeber den § 90 Absatz 3 AO ein, so dass dort nunmehr die Dokumentationspflicht für internationale Verrechnungspreise zu finden ist.

2.5. Anwendungsfälle der erhöhten Mitwirkungspflicht

In der Praxis kommt es beispielsweise in folgenden Fällen zur erweiterten Mitwirkungspflicht: Bei dem Betriebsausgabenabzug bei Zahlungsempfängern im Ausland (§160 AO), bei Aufwendungen für Rechteüberlassungen (§ 4j EStG) oder bei Unterhaltsleistungen an im Ausland ansässige Angehörige. Dabei gilt als Leitlinie, dass umso höhere Anforderungen an die Mitwirkungspflicht zu stellen sind, je mehr sich der Steuerpflichtige auf ungewöhnliche Gestaltungen oder Abwicklungen einlässt.

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Unser Video: Internationale Steuerstrukturen: Gewinne ins Ausland verschieben

In diesem Video erklären wir, wie Sie auswählen. in welchem Land Sie Steuern zahlen.

3. Aufzeichnungspflichten

3.1. Grundsätzlich Bücher in Deutschland zu führen und aufzubewahren

§ 146 Absatz 2 AO enthält eine weitere Ordnungspflicht für die Buchführung. Demnach sind die Bücher im Geltungsbereich der AO zu führen und aufzubewahren. Der Geltungsbereich der AO umfasst das Gebiet, welches der Hoheitsgewalt der Bundesrepublik Deutschland unterliegt, sodass die Bücher in Deutschland zu führen und aufzubewahren sind. Jedoch ist es möglich, dass die Datenverarbeitung für die im Inland geführte Buchführung im Ausland durchgeführt wird. Zweck der besonderen Ordnungspflicht ist es, dass der Zugriff auf die Daten jederzeit möglich ist und die Daten gesichert und jederzeit sichtbar gemacht und maschinell ausgewertet werden können.

Innerhalb Deutschlands kann der Steuerpflichtige den Ort der Buchführung und Aufbewahrung frei wählen und ist nicht an den Ort seines Unternehmens gebunden.

3.2. Ausnahme bei Buchführungspflicht im Ausland

Schreibt hingegen ausländisches Recht die Führung der Bücher im Ausland vor, so müssen die Bücher gemäß § 146 Absatz 2 Satz 2 AO nicht im Inland geführt werden. Dadurch wird vermieden, dass der Steuerpflichtige gegen zwingendes ausländisches Recht verstoßen müsste, um seine inländischen Pflichten erfüllen zu können.

3.3. Besonderheiten bei EU-Mitgliedstaaten

Besonderheiten bestehen bei der Buchführung und Aufzeichnung in EU-Mitgliedstaaten. Ursprünglich galt auch hier der § 146 Absatz 2 AO. Eine europäische Verordnung legte jedoch dann fest, dass alle Datenlokalisierungsauflagen, die gegen die Vorgaben der Verordnung verstoßen, bis zum 30.05.2021 aufzuheben waren. Deswegen enthält § 146 Absatz 2a AO nunmehr eine Regelung zur zulässigen Verlagerung der elektronischen Buchführung innerhalb der EU. Dazu bedarf es keines Antrags des Steuerpflichtigen und keiner Bewilligung der Finanzverwaltung. Daher kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat der EU führen und aufbewahren. Somit ist die elektronische Buchführung im EU-Ausland gegenüber der Verlagerung in Drittstaaten erleichtert. Darum ist auch die Zentralisierung elektronischer Bücher und Aufzeichnungen aller EU-Mitgliedstaaten, zum Beispiel am Ort der Konzernleitung in einem EU-Staat, zulässig. Dennoch ist gemäß § 146 Absatz 2a Satz 2 AO sicherzustellen, dass der Datenzugriff in vollem Umfang möglich ist.

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4. Mitwirkungspflicht durch Anzeige der Erwerbstätigkeit

4.1. Anzeigepflichtige Ereignisse

Der Steuerpflichtige muss gemäß § 138 Absatz 1 AO seine Erwerbstätigkeit anzeigen. Das gilt gemäß § 138 Absatz 2 AO auch für die Erwerbstätigkeit im Ausland. Durch die Mitteilung sollen die Finanzbehörden rechtzeitig auf einschlägige Sachverhalte, insbesondere auf Basisgesellschaften in Steuer-Oasen-Ländern aufmerksam werden. Ob der grenzüberschreitende Sachverhalt in einer etwaigen Steuer-Oase aktuell eine nationale Steuerpflicht auslöst ist für die Anzeigepflicht nicht von Bedeutung.

Die Anzeigepflicht bezieht sich auf die Gründung und den Erwerb von Betrieben und Betriebsstätten im Ausland, den Erwerb, die Aufgabe oder die Veränderung einer Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften, den Erwerb von Beteiligungen an einer ausländischen Körperschaft,

Der Erwerb einer Beteiligung an einer ausländischen Körperschaft ist aber nur dann anzuzeigen, wenn

Die Meldung ist jedoch nur zu erstatten, wenn erstmalig die angegebenen Grenzen erreicht oder überschritten werden, so dass keine fortlaufende Meldepflicht besteht. Verringert sich jedoch die Beteiligung unter die Grenzen, kann bei einem späterem Hinzuerwerb die Mitteilungspflicht neu entstehen.

Erweitert wird die Anzeigepflicht neben Beteiligungen, auch um bestimmende Einflussnahme. Dies betrifft solche Fälle, in denen der inländische Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen erstmals unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss auf eine Drittstaat-Gesellschaft ausüben kann.

4.2. Umfang der Anzeigepflicht

Besteht nach diesen Grundsätzen eine Meldepflicht, so bezieht sich der Gegenstand der Anzeige auf die Art der wirtschaftlichen Tätigkeit. Dies soll dazu dienen, die steuerliche Bewertung der mitzuteilenden Aktivität zu erleichtern. Dabei soll aber die Mitteilung des Unternehmenszwecks laut Satzung ausreichend sein. Das Formular BZSt 2 enthält nun einen Katalog von 12 Kategorien zur Abfrage der Art der wirtschaftlichen Tätigkeit und „Sonstiges“ mit einem weitergehenden Erläuterungsbedarf und einem Erklärungsfeld.

Die Mitteilungen sind ohne Aufforderung durch die Behörde innerhalb von fünf Monaten nach dem Ablauf des Kalenderjahres nach Eintritt des meldepflichtigen Ereignisses zu erstatten.


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  1. Empfehlungen zur Gründung von Unternehmen im Ausland
  2. Informationen zu Unternehmensformen im Ausland (Österreich, USA)
  3. Beratung zur Einstellung von Mitarbeitern in den USA
  4. Entwicklung steuerlicher Gestaltungsmodelle

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Patent-Boxen beziehungsweise IP-Boxen sind steuerliche Begünstigungen für bestimmte qualifizierte Wirtschaftsgüter. Sie wurden in vielen Ländern eingeführt, um Unternehmen zu ermutigen, ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zu steigern. Wir erklären, welche Wirtschaftsgüter in Betracht kommen und geben einen Überblick über bestimmte Regelungsausgestaltungen.

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Unser Video: Internationales Steuermodell mit Lizenzgebühren: Google, Amazon, Facebook & Apple

In diesem Video erklären wir, wie Sie mit Lizenzgebühren Steuern sparen können.

Inhaltsverzeichnis


1. Patent-Box: Ein Überblick

1.1. Definition

Patent-Boxen oder IP-Boxen sind steuerliche Regelungen, die dazu dienen sollen, Unternehmen zu ermutigen ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivität zu steigern. Sie ermöglichen es, einen Teil ihrer Einkünfte aus geistigem Eigentum zu einem reduzierten Steuersatz zu versteuern oder von Steuervorteilen zu profitieren.

Der Zweck solcher Regelungen liegt darin, Innovationen und geistiges Eigentum zu fördern, indem Unternehmen finanziell motiviert werden, in Forschung und Entwicklung zu investieren und ihr geistiges Eigentum zu schützen. Das kann dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes in Bereichen wie Technologie, Pharma, Biotechnologie und anderen innovationsgetriebenen Branchen zu stärken.

Die Regeln unterscheiden sich in den unterschiedlichen Ländern. Im groben funktionieren sie jedoch nach dem folgenden Schema:

  1. Zunächst weisen die Unternehmen einen Teil ihrer Gewinne dem geistigem Eigentum zu, das sie durch Forschung und Entwicklung geschaffen oder erworben haben.
  2. Der zugeordnete Einkommensanteil unterliegt einem niedrigeren Steuersatz als das reguläre Unternehmenseinkommen.
  3. Die Unternehmen müssen aber bestimmte Kriterien erfüllen, um von der Patent-Box-Regelung zu profitieren. Diese Kriterien können sich auf die Art des geistigen Eigentums, den Ort der Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten und andere Faktoren beziehen.
  4. In eigenen Fällen müssen Unternehmen ihre Patente, Marken oder Urheberrechte bei dem jeweiligen Patentamt registrieren oder den Schutz nachweisen, um von den Steuervorteilen zu profitieren.

Gegenwärtig wenden 14 europäische Staaten Patent-Box-Regelungen an. Die meisten Patent-Box-Regelungen gelten für inländische Unternehmen und Betriebsstätten ausländischer Unternehmen, die dem inländischen Körperschaftsteuersystem unterliegen. Einige dehnen ihren Anwendungsbereich auf andere Steuerpflichtige aus. Dazu zählen zum Beispiel natürliche Personen und gemeinnützige Unternehmen, die im Prinzip nicht der Körperschaftsteuer unterliegen. In Deutschland gibt es die sogenannte Forschungszulage.

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1.2. OECD/G20 BEPS Report

Der OECD/G20 BEPS Report (Base Erosion and Profit Shifting) vom 05.10.2015 betrifft solche Patent-Box-Regelungen. Der Bericht ist in 15 Aktionspunkte eingeteilt. Dabei ist der Aktionspunkt 5 mit dem Titel „Wirksame Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken unter Berücksichtigung von Transparenz und Substanz” konkret auf Patent-Boxen zu geschnitten. Zur Überwachung und Bewertung von Anti-BEPS-Maßnahmen, insbesondere des Aktionspunkts 5, wurde das Forum für schädliche Steuerpraktiken (Forum on Harmful Tax Practices = FHTP) eingesetzt. Aktionspunkt 5 verlangt von Patent-Regelungen unter anderem substanzielle Aktivitäten der Steuerpflichtigen, in Form des sogenannten Nexus-Approach.

Diese Regelung zielt nicht darauf ab, ein bestimmtes Paten-Box-Regime zu empfehlen. Vielmehr beschreibt es die äußeren Grenzen einer solchen Regelung. Demnach soll die Patent-Box-Regelung Vorteile für Forschung und Entwicklung gewähren, aber gleichzeitig keine schädlichen Auswirkungen auf andere Länder haben. Ansonsten können die Länder frei entscheiden, ob eine Patent-Regelung eingeführt werden soll und wie sie im konkreten ausgestaltet sein soll.

Patent-Boxen werden von vielen kritisch gesehen. Grund dafür soll sein, dass sie wohl nicht geeignet wären, das tatsächliche Verhalten insbesondere die Höhe und den Standort von Forschungs- und Entwicklungs-Investitionen beeinflussen zu können.

2. Ausgestaltung der Patent-Regelungen

2.1. Qualifizierte Wirtschaftsgüter

Die Arten der immateriellen Wirtschaftsgüter, die in den Anwendungsbereich der Patent-Box-Regelung fallen sind zwischen den Ländern unterschiedlich. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass die folgenden Wirtschaftsgüter qualifiziert sind: Patente, ergänzende Schutzzertifikate, Schutzrechte, gewerbliche Muster, Modelle und Pläne. Häufig werden demgegenüber Marken, Handelsnamen, Urheberrechte oder Software nicht in den Anwendungsbereich der Patent-Box-Regelung gezogen. Daher ist es für Unternehmen bei der Standortwahl von Forschungs- und Entwicklungs-Aktivitäten mitentscheidend, über qualifizierte Wirtschaftsgüter zu verfügen und diese steuerplanersich zu entwickeln.

Zwischen den einzelnen Wirtschaftsgütern gibt es Unterschiede in ihrer Erlangung sowie im jeweiligen Schutzumfang. Einige sind zum Beispiel eintragungsfähig und -bedürftig. Patente müssen demgegenüber regelmäßig neu und gewerblich sein sowie auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen, um ein zeitlich begrenztes alleiniges Nutzungsrecht zu gewähren. Deswegen genießt beispielsweise Know-How nicht den gleichen rechtlichen Schutz, wie ein Patent. Weiterhin sind die Registrierungskosten, sowie die Kosten für die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums unterschiedlich.

Die OECD teilt die qualifizierten Wirtschaftsgüter in drei Kategorien ein: Dazu gehören zunächst Patente und urheberrechtlich geschützte Software. Die dritte Kategorie betrifft andere Gegenstände des geistigen Eigentums, deren Erfindung nach dem gegenwärtigem Stand des Wissens nicht offensichtlich ist und die sowohl nützlich als auch neuartig sind.

Die letzte Kategorie ist am weitesten. Sie umfasst qualifizierte Gegenstände des geistigen Eigentums, die in keine der ersten beiden Kategorien fallen, aber ähnliche Merkmale zu Patenten aufweisen. Sie müssen im Wesentlichen mit dem geistigen Eigentum der ersten beiden Kategorien übereinstimmen. Kleinere Unternehmen, die über solches geistiges Eigentum verfügen, sollen im Sinne der OECD durch ein Zertifizierungsverfahren von den Steuervorteilen der Patent-Boxen profitieren können. Das bedeutet, dass kleinere Unternehmen teilweise von der sehr restriktiven Begrenzung der Schutzrechte ausgenommen sind.

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2.2. Qualifiziertes Einkommen

Qualifiziertes Einkommen sind in allen Patent-Box-Regelungen die Lizenzgebühren für die Nutzung von qualifizierten Wirtschaftsgütern. Darüber hinaus sind Entgelte aus dem Verkauf oder der Verwertung von qualifizierten Wirtschaftsgütern regelmäßig qualifiziertes Einkommen. Bei den meisten Regelungen müssen gemischte Ausgaben getrennt werden. Gemischte Ausgaben liegen dann vor, wenn sie sich teilweise auf qualifizierte und teilweise auf nicht qualifizierte Wirtschaftsgüter beziehen. Die Trennung erfolgt aber häufig nur, wenn eine Wesentlichkeitsschwelle überschritten wird.

Einige Regelungen erlauben auch die Zurechnung von fiktiven Einkünften. Dazu gehören zum Beispiel Verrechnungspreise zwischen verbundenen Unternehmen. Die fiktiven Einkünfte werden in der Regel durch die Berechnung eines hypothetischen Lizenzgebiets ermittelt, den ein Dritter für die Lieferung der gleichen Lizenzgebühr beziehungsweise Verwertungsrechte zahlen müsste.

2.3. Beispiele für Patent-Box-Regelungen

Hier sind einige Beispiele für Steuervergünstigungen:

StaatWirtschaftsgutSteuersatz (Patent Box)Regulärer Steuersatz
AlbanienSoftware0 %15 %
IrlandPatente, Kategorie 36,25 %12,58 %
MaltaPatente, Kategorie 30 %35 %
PolenPatente, Software5 %19 %
Patent-Box-Regelungen im Ausland

3. Beispiel für eine Patent-Box-Regelung: Niederlande

Die niederländische Patent-Box umfasst neben Patenten, Software auch nach der Kategorie III qualifizierte Wirtschaftsgüter. Damit ist sie gegenüber der belgischen Patent-Box weitergehender.

Die Anwendung der Patent-Box ist zunächst von einer Bescheinigung abhängig. Zudem müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein. Dazu gehören beispielsweise eine eigene Rechtspersönlichkeit, die Anwendbarkeit des niederländischen Steuerrechts, höhere Einnahmen als Ausgaben sowie eigene Forschungs- und Entwicklungs-Aktivitäten. Die Substanzanforderungen nach dem Nexus-Ansatz sind erfüllt, wenn das qualifizierte Wirtschaftsgut durch qualifizierte Kosten entstanden ist. Qualifizierte Kosten stellen eigene Forschungs- und Entwicklungskosten des Steuerpflichtigen für das jeweilige Vorhaben dar.

Neben der Forschungs- und Entwicklungs-Bescheinigung muss für die Nutzung der Patent-Box durch große Unternehmen eine der folgenden qualifizierten Vermögenswerte vorliegen: Patente, Anmeldungen für Patente, Software, Marktzulassung für ein Medizinprodukt, Erweiterung des Patentschutzes oder Gebrauchsmuster.

Geistiges Eigentum kommt als qualifiziertes Wirtschaftsgut in Frage, wenn es eng mit den genannten Wirtschaftsgütern verbunden ist. Beispielsweise liegt kein qualifiziertes Wirtschaftsgut vor, wenn dieses zufällig im selben Labor produziert wurde und keinen Bezug zu den verursachten Kosten hat.

Die Kategorie III qualifizierten Wirtschaftsgüter liegen vor, wenn diese eine Forschungs- und Entwicklungs-Bescheinigung erhalten haben. Dabei muss es sich um eine technologisch-wissenschaftliche Forschung, eine Forschung zur Entwicklung neuer physischer Produkten, physischer Prozesse oder neuer technischer Software handeln. Die Beurteilung wird durch unabhängige fachlich versierte Experten vorgenommen.

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Unser Video: Lizenzgebühren ins Ausland: So vermeiden Sie 15% Quellensteuer

In diesem Video erklären wir, wie Sie bei Lizenzzahlungen ins Ausland Quellensteuer sparen.

4. Deutsche Beschränkungen der Patent-Box-Regelung

In Deutschland sind die steuerlichen Vorteile, die im Ausland von deutschen Unternehmen realisiert werden können, durch die Lizenzschranke (§ 4j EStG) limitiert. § 4j Absatz 1 Satz 4 EStG verweist explizit auf den Nexus-Ansatz. Bei Erfüllung der Substanzanforderung entfällt die Anwendung der Lizenzschranke. Damit harmonisiert der deutsche Gesetzgeber die deutschen Regelungen weitgehend mit den OECD Substanzanforderungen des Nexus-Ansatzes.


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  1. Gestaltungen mit Patenten: IP-Boxen in Liechtenstein, Lizenzen zur Reduktion der Steuerlast
  2. IP steuerfrei verkaufen
  3. Betriebsaufspaltung bei IP vermeiden
  4. Quellensteuer bei Lizenzzahlungen vermeiden
  5. Lizenzschranke

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Im Juli 2022 wurde die Möglichkeit der virtuellen Hauptversammlung im Aktienrecht in dem § 118a AktG eröffnet. Wir erklären, wie eine solche virtuelle Hauptversammlung ablaufen muss, welche Verfahrenserleichterungen es gibt und, ob sie Vorteile bietet.

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Unser Video: Aktiengesellschaft (AG): Organe und Grundsatz der Satzungsstrenge

In diesem Video erklären wir, was eine Aktiengesellschaft ist und welche Organe sie hat.

Inhaltsverzeichnis


1. Virtuelle Hauptversammlung: Historie

Erst in Folge der Corona Pandemie sah der Gesetzgeber die Notwendigkeit, vom starren Präsenzformat der Hauptversammlung abzurücken. Praktisch wenig genutzt wurde die bereits 2019 eingeführte Möglichkeit der Online-Teilnahme in § 118 Absatz 1 Satz 2 AktG. Auf dieser Grundlage kann die Aktiengesellschaft den Aktionären die Möglichkeit der elektronischen Teilnahme eröffnen. Dabei sind die Aktionäre aber nicht abgehalten physisch teilzunehmen.

Ab Frühjahr 2020 wurden erstmals temporär die Rahmenbedingungen für die Abhaltung einer Hauptversammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre beziehungsweise ihrer Bevollmächtigten geregelt. Die virtuelle Hauptversammlung nach § 118a AktG zeichnet sich durch die physische Abwesenheit der Aktionäre beziehungsweise ihrer Vertreter vom Ort der Hauptversammlung aus. Angesicht der vielen, damals geltenden Kontaktbeschränkungen war dies für die Gesellschaft die einzige Möglichkeit, ihre Hauptversammlung abzuhalten.

Basierend auf den während der Pandemie gesammelten Erkenntnisse verabschiedete der Bundestag am 07.07.2022 das Gesetz zur dauerhaften Einführung der virtuellen Hauptversammlung. § 118a AktG sieht eine in Vorbereitung und Ablauf dem Präsenzformat angeglichene, aber rein virtuelle Hauptversammlung vor.

2. Hauptversammlung in der Praxis

Als Vollversammlung lässt sich die Hauptversammlung bezeichnen, bei der alle Aktionäre erscheinen oder vertreten sind. Grundvoraussetzung ist daher zunächst, dass eine Versammlung abgehalten wird. Sämtliche Aktionäre, das heißt auch Aktionäre mit stimmrechtslosen Vorzugsaktien müssen erscheinen oder vertreten sein. Für das wirksame Abhalten einer rein physischen Vollversammlung ist nicht genügend, dass ein Aktionär beziehungsweise sein Bevollmächtigter virtuell zugeschaltet ist und seinen Verzicht auf die Einhaltung formeller Voraussetzungen erklärt. Ein solches Vorgehen würde gemäß § 241 Nummer 1 AktG zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse führen. Eine denkbar mögliche Gestaltung wäre es aber, dass der virtuell zugeschaltete Aktionär einem physisch anwesenden Aktionär (fern-) mündlich Vollmacht zur Teilnahme an der Hauptversammlung erteilt.

Die Anwesenheit der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat für eine Vollversammlung ist nicht erforderlich. Grundsätzlich ist deren Anwesenheit zwar gesetzlich gefordert. Jedoch ist die Abwesenheit folgenlos, da § 118 Absatz 3 Satz 1 AktG als bloße Soll-Vorschrift ausgestaltet ist.

3. Virtuelle Hauptversammlung: Ausgestaltung

3.1. Virtuelle Hauptversammlung ist anzuordnen

Voraussetzung für eine virtuelle Hauptversammlung ist, dass ihre Durchführung angeordnet ist. In der Satzung kann die virtuelle Hauptversammlung dabei als Standard-Regelung zunächst befristet auf fünf Jahre vorgesehen sein. In der Satzung kann der Vorstand aber auch dazu ermächtigt sein, die virtuelle Hauptversammlung im Einzelfall anzuordnen. Zur Aufrechterhaltung größtmöglicher Flexibilität erscheint diese Ermächtigungslösung praktisch vorzugswürdig. Für den Übergangszeitraum genügt – ohne Satzungsermächtigung – ein Vorstandsbeschluss, der aber nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats ergehen kann.

Über die Rechtsfolgen einer ohne solchen Anordnung abgehalten virtuellen Hauptversammlung traf der Gesetzgeber keine explizite Regelung. Aus allgemeinen Grundsätzen ergibt sich jedoch, dass ohne eine Anordnung die Hauptversammlung als Präsenzversammlung abzuhalten ist. Nur bei einer virtuellen Hauptversammlung gelten die elektronisch zugeschalteten Aktionäre als erschienen. Sofern also keine wirksame Anordnung für eine virtuelle Hauptversammlung vorliegt, gelten elektronisch zugeschaltete Aktionäre auch nicht als erschienen.

Nach § 121 Absatz 4b AktG ist in der Einberufung anzugeben, wie sich Aktionäre und ihre Bevollmächtigten elektronisch der Versammlung zuschalten können und, dass die physische Präsenz am Versammlungsort ausgeschlossen ist.

3.2. Virtuelle Hauptversammlung: Rechte der Aktionäre

Ziel ist, dass die rein virtuell durchgeführte Hauptversammlung, der in Präsenz abgehaltenen Hauptversammlung gleichsteht. In § 118a AktG wurden verschiedene Voraussetzungen geschaffen, die der Besonderheit des virtuellen Raums Rechnung tragen und die gleichzeitig die Aktionärsrechte wahren sollen. Insbesondere umfasst das Rederecht in der virtuellen Hauptversammlung das Recht, Anträge zu stellen beziehungsweise Wahlvorschläge zu unterbreiten sowie Auskünfte zu verlangen und Nachfragen zu stellen (§ 130 Absatz 5 AktG). Der Gesetzgeber schlägt vor, dass für Redebeiträge ein virtueller Meldetisch mit der Möglichkeit der Anmeldung von Wortbeiträgen eingerichtet werden soll. Zudem sollen Anträge und Wahlvorschläge an die Gesellschaft auch per E-Mail übermittelt werden können.

Zudem haben Aktionäre das zusätzliche Recht, Stellungnahmen zu den Gegenständen der Tagesordnung vor der Versammlung einzureichen.

In der Versammlung ist das Rederecht im Wege der Videokommunikation zu gewähren. Daher muss eine geeignete Form gewählt werden, die eine zuverlässige Direktverbindung in Echtzeit ermöglicht. Die konkrete Form der Videokommunikation kann von der Gesellschaft bestimmt werden.

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3.3. Sicherstellung des Rederechts

Das Rederecht der Aktionäre beziehungsweise ihrer Bevollmächtigten in einer Hauptversammlung kann unterschiedlich ausgestaltet werden.

Etabliert hat sich eine Generaldebatte zu Beginn der Versammlung, bei der jeder Redner nur einmal das Wort erhält und sich dann zu sämtlichen Punkten der Tagesordnung äußern kann. Einzeldebatten, also Aussprachen zu jedem einzelnen Tagesordnungspunkt sind weniger praktikabel. Dies gilt sowohl für die physische als auch für die virtuelle Hauptversammlung.

Jedoch ist sicherzustellen, dass beabsichtigte Wortbeiträge nicht infolge technischer Störungen übergangen werden. Daher bietet es sich an, aktive Stellungnahmen jedes Aktionärs einzufordern, beispielsweise die anwesenden Aktionäre beziehungsweise ihre Vertreter einzeln oder in Gruppen zu befragen, ob Wortbeiträge beabsichtigt sind. Denkbar wäre es auch, dass der Versammlungsleiter zudem eine für alle Beteiligten einsehbare Rednerliste führt, auf der weitere Wortbeiträge gegenüber dem Versammlungsleiter auch textlich angekündigt werden können.B

3.4. Vor Ort anwesende Personen

Der Kreis derjenigen, die nach § 118 Absatz 2 AktG unbedingt vor Ort anwesend sein müssen, ist beschränkt. Der Ort der Hauptversammlung erfüllt daher nur noch die Funktion, ein Treffpunkt dieser Personen zu sein. Für die virtuelle Hauptversammlung werden in aller Regel drei Personen physisch zusammenkommen. Dazu gehören ein Notar, ein Stimmrechtsvertreter und der Versammlungsleiter.

Niederschriften über Hauptversammlungen sind aufgrund der Vorgaben des § 130 Absatz 1 Satz 1, Satz 3 AktG grundsätzlich notariell zu beurkunden. Daher ist die Anwesenheit eines Notars bei einer virtuellem Hauptversammlung regelmäßig erforderlich. Daneben ist die Anwesenheit eines Versammlungsleiters erforderlich, da dem Notar die Ausübung dieser Position verwehrt ist. Schließlich darf ein von der Gesellschaft benannter Stimmrechtsvertreter – anders als Bevollmächtigte von Aktionären im Übrigen – physisch anwesend sein. Insofern benennt die Gesellschaft in aller Regel einen Stimmrechtsvertreter, etwa einen Mitarbeiter der Rechtsabteilung.

Hinsichtlich der Anwesenheit von Vorstand und Aufsichtsratsmitgliedern gelten keine strengeren Voraussetzungen als bei der in Präsenz abgehaltenen Hauptversammlung. Ihre Abwesenheit begründet daher grundsätzlich keinen Anfechtungsgrund. Die Satzung kann den Aufsichtsratsmitgliedern auch die virtuelle Teilnahme gestatten.

Der Versammlungsort ist nach § 121 Absatz 5 Satz 3 AktG frei wählbar. Daher stellt sich die Frage, wie sich der Ort bestimmt, an dem die Funktionsträger zusammenkommen. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Kompetenzzuweisung können die beteiligten Personen den Ort festlegen. Es liegt nahe, sich auf den Sitz der Gesellschaft oder die Amtsräume des Notars zu verständigen.

Daneben kann es sinnvoll sein, dass die Gesellschaft einen E-Mail-Account nur für Zwecke der Backup-Kommunikation während der Hauptversammlung unterhält. Über diesen können Aktionäre ihre Rechte in Textform ausüben. Der Notar kann die Gesellschaft ebenfalls bevollmächtigen, über einen solchen Account auch Widersprüche zur Niederschrift entgegenzunehmen.

3.5. Teilnehmerverzeichnis

Ebenso wie bei der Präsenzversammlung sind die Aktionäre in das Teilnehmerverzeichnis aufzunehmen. Die Aufnahme in das Verzeichnis setzt aber voraus, dass sie so zugeschaltet sind, dass sie (etwa über das Aktionärsportal) Teilnehmerrechte ausüben und daher auch identifiziert werden können.

Um nach § 245 Satz 2 AktG als erschienen zu gelten, müssen die Aktionäre elektronisch zugeschaltet sein. Was elektronische Zuschaltung genau bedeutet, lässt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen. Es gelten jedenfalls nur diejenigen als elektronisch zugeschaltet, die Teilnehmerrechte ausüben und sich daher durch die Gesellschaften identifizieren lassen können. In der Praxis gelten bei virtuellen Hauptversammlungen größerer Aktiengesellschaften, zu deren Vorbereitung und Durchführung spezielle Dienstleister zugezogen werden, Aktionäre in der Regel als zugeschaltet sobald sie sich im Aktionärsportal mit ihren Zugangsdaten eingeloggt haben.

Neben professionellen Dienstleistern, die sich auf die Durchführung von Hauptversammlungen spezialisiert haben, könne auch die etablierten Software-Tools für Videokommunikation verwendet werden. Letzteres erscheint praktisch vielfach vorzugswürdig. Die Beauftragung spezialisierter Dienstleister bedeutet demgegenüber einen nicht unerheblichen zeitlichen und kostenmäßigen Aufwand. Als zugeschaltet ist dann zu werten, wer während der Versammlung das Software-Tool mit seinen Zugangsdaten nutzt.

3.6. Identifizierung und Sicherstellung ununterbrochener Präsenz

Zu klären ist weiterhin, wie sich die virtuellen Teilnehmer identifizieren und wie sicherzustellen ist, dass die Aktionäre dauerhaft anwesend sind. Gerade bei Gesellschaften mit geschlossenem Aktionärskreis ist es keine Seltenheit, dass sämtliche anwesende Personen untereinander auch gegenüber dem Notar beziehungsweise dem Versammlungsleiter bekannt sind. Für die Identifizierbarkeit lässt somit zunächst auf die persönliche Bekanntheit mit dem Versammlungsleiter beziehungsweise dem Notar vertrauten.

Sofern die Teilnehmer dem Notar beziehungsweise dem Versammlungsleiter nicht sämtlich persönlich bekannt sind, ist die Identifikation beispielsweise durch individualisierte Zugangsdaten für teilnehmende Aktionäre zu unterstützen.

Im Rahmen der Feststellung der Anwesenheit ist zu prüfen, ob die Aktionäre ihre Rechte effektiv ausüben können, also eine stabile Verbindung beseht und die Audio- und Videokommunikation in beide Richtungen stabil funktioniert. Hier zeigt sich, dass es regelmäßig nur für Aktiengesellschaften mit überschaubarem, geschlossenem Aktionärskreis von Interesse sein dürfte, eine virtuelle Hauptversammlung auf diese Weise durchzuführen.

Während des Verlaufs der Hauptversammlung ist sodann vom Versammlungsleiter sicherzustellen und über das Teilnehmerverzeichnis festzuhalten, dass die vollständige Präsenz durchgehend erhalten bleibt und bei etwaigen Verbindungsunterbrechungen die Hauptversammlung entsprechend zu pausieren. Verbindungsunterbrechungen machen sich etwa durch Reduktion der Teilnehmerzahl im virtuellen Raum bemerkbar. Dabei macht es unabhängig von der Teilnehmerzahl Sinn, dass sich der Versammlungsleiter hierfür einer Hilfsperson bedient, die ihn auf entsprechende Probleme hinweist.

3.7. Virtuelle Hauptversammlung: Beschlussfassung

In der Regel liegen kaum Geschäftsordnungen für Hauptversammlungen vor. Daher genießt der jeweilige Versammlungsleiter die Freiheit, Abstimmungs- und Auszählungsverfahren nach eigenem Ermessen festzusetzen.

Als Form der Stimmabgabe kommen Zuruf oder (digitales) Handheben in Betracht. Hinsichtlich des Auszählungsverfahrens ist von der Anwendung des praktisch geläufigen Subtraktionsverfahrens abzuraten. Dabei werden nur die Enthaltungen und die Nein-Stimmen gezählt. Diese werden dann von der Gesamtzahl der vertretenen Stimmen abgezogen. Wer sich also nicht ausdrücklich enthält oder mit Nein stimmt, stimmt daher mit Ja. Wird also beispielsweise aufgrund technischer Störungen unfreiwillig keine Stimme abgegeben, wird die Zustimmung zum Beschlussvorschlag angenommen. Um dieses Risiko auszuschließen, bietet sich das Additionsverfahren an. Bei diesem erfolgt eine getrennte Auszählung von Ja- und Nein-Stimmen. Vorsorglich ist zu empfehlen auch Stimmenthaltungen zu zählen, um eine Verzerrung des Abstimmungsergebnisses durch technische Störungen auszuschließen.

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Überblick über Gesellschaftsformen in Deutschland

In diesem Video erklären wir, die unterschiedlichen Gesellschaftsformen in Deutschland.

4. Fazit zur virtuellen Hauptversammlung

Abgesehen von der nicht erforderlichen Anreise, die jedoch durch Erteilung von Vollmachten auch bei der physischen Vollversammlung häufig vermieden werden kann, zeigt sich kein gewichtiger Vorteil.

Die Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung erweist sich jedoch grundsätzlich als praktikabel. Daher kann sie für diejenigen Fälle, in denen die persönlich Teilnahme eines Aktionärs ausdrücklich gewünscht, aber dessen Anreise kurzfristig nicht möglich ist, eine Option sein.

Dabei ist jedoch zu beachten, dass die entsprechende Anordnung durch den Vorstand für eine hybride oder virtuelle Hauptversammlung erforderlich ist, wenn sich die Aktionäre nicht für die (unflexible) dauerhafte Anordnung in der Satzung entscheiden. Insofern ist – anders als bei der in Präsenz abgehaltenen Vollversammlung – praktisch stets der Vorstand der Gesellschaft einzubeziehen.

Eine anlässlich solcher Fälle durchgeführte virtuelle Vollversammlung entspricht dann im Ablauf weitgehend einer physisch abgehaltenen Vollversammlung. Aus Sicht von Aktiengesellschaften mit geschlossenem Aktionärskreis spricht jedenfalls nichts dagegen, sich sowohl hybride als auch virtuelle Hauptversammlungen in der Satzung zu ermöglichen, um dann im Einzelfall per Vorstandsbeschluss entscheiden zu können, welches Format die konkreten Bedürfnisse am ehesten abdeckt. 


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Nach § 47 Absatz 4 Satz 1 GmbHG hat ein Gesellschafter, welcher durch eine Beschlussfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, hierbei kein Stimmrecht. Er darf ein solches auch nicht für einen Anderen ausüben. Wir erklären den Umfang des Stimmverbots des Gesellschafters und inwieweit es erweitert oder beschränkt werden kann.

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Gesellschafterversammlung einer GmbH: Rechte und Pflichten

Wir klären, welche Rechte und Pflichten die Gesellschafter bei der Gesellschafterversammlung haben.

Inhaltsverzeichnis


1. Grundformen des Stimmverbots

Es gibt zwei Grundformen des Stimmrechtsausschlusses:

2. Stimmverbote des § 47 Absatzes 4 GmbHG

2.1. Grundgedanke des § 47 Absatz 4 GmbHG

In § 47 Absatz 4 GmbHG werden vier Tatbestände abstrakter Interessenkollisionen normiert, in denen der Gesellschafter einem Stimmverbot im Rahmen eines Gesellschafterbeschlusses unterliegt.

Ein Gesellschafter, welcher durch die Beschlussfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, hat hierbei gemäß § 47 Absatz 4 Satz 1 GmbHG kein Stimmrecht. Er darf ein solches auch nicht für andere ausüben.

Dasselbe gilt nach § 47 Absatz 4 Satz 2 GmbHG auch in Bezug auf die Beschlussfassung, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber diesem Gesellschafter betrifft.

Grund für dieses Stimmverbot ist, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf und kann. Beschlüsse über die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreites mit dem Gesellschafter sind solche „Sozialakte“, an denen der Gesellschafter nach dem Gedanken des Verbots von Insichgeschäften jedenfalls nicht teilnehmen darf.

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2.2. Anwendung des Stimmverbots bei bloß mittelbarer Beteiligung?

2.2.1. Anwendung bei beherrschender Beteiligung an der Drittgesellschaft

Es ist zu sehen, dass der Bundesgerichtshof (BGH) die Hürde für die Anwendung der Stimmverbote immer weiter absenkt. Es stellt sich die Frage, ob dieses Stimmverbot auch in Bezug auf Drittgesellschaften gilt, an denen der Gesellschafter beteiligt ist. Beispielsweise könnte die Drittgesellschaft durch Beschluss von einer Verbindlichkeit befreit werden.

Von einem Stimmverbot wird auf jeden Fall ausgegangen, wenn der Gesellschafter Alleingesellschafter der Drittgesellschaft ist. Entsprechendes soll auch gelten, wenn der Gesellschafter die Drittgesellschaft zu mindestens über eine Anteilsmehrheit oder Stimmmehrheit beherrscht.

2.2.2. Anwendbarkeit bei geringerer Beteiligung an der Drittgesellschaft?

Demgegenüber soll eine nur 50 %-ige Beteiligung an der Drittgesellschaft oder eine geringere Beteiligung grundsätzlich nicht ausreichen, um ein Stimmverbot zu begründen, da dann keine maßgebende Einfluss begründende Stimmenmehrheit existiert. Davon soll aber dann eine Ausnahme gemacht werden müssen, wenn die wirtschaftlichen Interessen des Gesellschafters bei einer 50%igen Beteiligung diejenigen in der Gesellschaft selbst überwiegen und der Beschlussgegenstand einen Interessenkonflikt nahelegt. Anzudenken sei hier zum Beispiel an Fälle, in denen die Beteiligung an der Erst-Gesellschaft geringer ist.

In einem weiteren, vom BGH entschiedenen Fall hielten drei in der ersten GmbH abstimmende Geschwister zusammen sämtliche Anteile der Drittgesellschaft. Aufgrund dieser gemeinsamen Unternehmerstellung bilden sie innerhalb der erst GmbH eine Gruppe, die sich durch ihre einheitliche Ausrichtung auf einen anderweitigen Geschäftsbetrieb von den übrigen Gesellschaftern abhebt. Die zusammen vorliegende 100%-ige Beteiligung rechtfertigt es daher, sie als Interessenseinheit zu sehen, wodurch jeder einzelne von ihnen hinsichtlich seines Stimmrechts ebenso zu behandeln ist, wie der Alleingesellschafter eines mit der GmbH kontrahierenden Unternehmens.

Auf die Geschwistereigenschaft geht der BGH in diesem Fall nicht weiter ein. Vielmehr wird auf Grund des Beteiligungsumfangs von einer derart wirtschaftlich starken Verbindung gesprochen, ohne dass die Geschwistereigenschaft von Relevanz ist. Es entspricht demgegenüber aber der Lebenserfahrung, dass etwa Geschwister und sonstige nahe Familienangehörige ihr Stimmverhalten bei wirtschaftlichen Beteiligungen regelmäßig koordinieren. Dies dürfte bei zueinander fremden Mitgesellschaftern anders sein. Auch bei zueinander fremden Mitgesellschaftern würde der BGH unter der genannten Argumentation aber eine entsprechende wirtschaftliche Interessenverknüpfung annehmen.

3. Grundlage des Missbrauchsverbotes

Neben dem abstrakten Stimmverbot kann die Stimmrechtsausübung auch im Einzelfall verboten sein, wenn der Gesellschafter bewusst die Gesellschaft oder einzelne Mitgesellschafter schädigen möchte. Dogmatisch beruht dieses Stimmverbot auf dem Grundprinzip des verbotenen Rechtsmissbrauchs sowie der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht.

Im Rahmen des § 47 Absatz 4 GmbHG wird die Einflussnahme des Gesellschafters auf die Willensbildung der GmbH von vornherein vermeiden. Daher gilt das Stimmverbot ohne Rücksicht darauf, ob angesichts des Beschlussgegenstandes und des Abstimmungsverhaltens überhaupt eine tatsächliche Konfliktsituation entstanden wäre.

Demgegenüber bedarf es für die Feststellung eines Stimmverbots wegen Rechtsmissbrauchs stets einer inhaltlichen Prüfung, ob die Art der Abstimmung bei dem jeweiligen Beschlussgegenstand geeignet ist, den Interessen der GmbH und/oder einzelner Mitgesellschafter Schaden zuzufügen. Daher wird der betroffene Gesellschafter nicht von vornherein an der Stimmabgabe gehindert.

Der Verzicht auf eine umfassende Regelung möglicher Interessenkollisionen in § 47 Absatz 4 GmbHG ist nur gerechtfertigt, da in sonstigen Konfliktfällen ein Korrektiv auf Grundlage einer Prüfung im Einzelfall zur Verfügung steht. Umgekehrt wird bei einem Stimmrechtsausschluss nach § 47 Absatz 4 GmbHG der hiervon betroffene Gesellschafter vor einem missbräuchlichen Abstimmungsverhalten der allein stimmberechtigten Mitgesellschafter geschützt.

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Wir erklären die richtige Strategie, um bei Gewinnausschüttungen wenig Steuern zu zahlen.

4. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Stimmverbot

4.1. Auswirkung auf das Beschlussergebnis

Hat der eigentlich von der Stimmabgabe ausgeschlossene Gesellschafter dennoch seine Stimme abgegeben, so stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen daran zu knüpfen sind.

Der Verstoß gegen das Stimmverbot hat zunächst Auswirkungen auf das Beschlussergebnis. Die Stimmabgabe ist gemäß § 134 BGB nichtig, da sie als rechtsgeschäftliche Erklärung gegen das gesetzliche Verbot des § 47 Absatz 4 GmbHG verstößt.

Welche Auswirkungen eine nichtige Stimmabgabe auf die Beschlussfassung hat, ist in mehrfacher Hinsicht hypothetisch zu beurteilen.

Die erste hypothetische Betrachtung betrifft die Rechtslage, die vorliegt wäre die Stimmabgabe wirksam gewesen. Dabei ergeben sich keine beschlussrechtliche Folgen, wenn sich ohne Berücksichtigung der nichtigen Stimme das Beschlussergebnis nicht verändert hätte. Nähere Untersuchungen sind aber anzustellen, wenn sich die Stimmabgabe entscheidend auf das Beschlussergebnis ausgewirkt hat.

Bei Beschlusserheblichkeit der Stimmabgabe ist entscheidend, ob das Beschlussergebnis förmlich festgestellt worden ist. Wenn das der Fall ist beispielsweise, weil ein Notar den Beschluss beurkundet hat, so existiert der Beschluss weiterhin. Er kann dann nur durch fristgebundene Anfechtungsklage angegriffen werden. Wenn es sich bei dem Beschluss um einen negativen Beschluss handelt, also der Antrag abgelehnt wurde, so kann die Anfechtungsklage zweckmäßigerweise mit der Klage auf Beschlussfeststellung verbunden werden.

Liegt demgegenüber keine förmliche Ergebnisfeststellung vor, so ist der auf der verbotenen Stimmabgabe beruhende Beschluss nicht zustande gekommen. Dann hat die Mehrheit der rechtmäßigen Stimmen den entsprechenden Antrag abgelehnt. Dies lässt sich im Wege der Feststellungsklage geltend machen. Die Anfechtungsklage scheidet hingegen aus, weil kein anfechtbarer Beschluss vorliegt. Das Gericht hat jedoch gegebenenfalls im Rahmen seiner prozessualen Hinweispflicht auf eine sachgerechte Antragstellung hinzuwirken, soweit eine Anfechtungsklage erhoben worden ist.

4.2. Schadensersatz

Derjenige Gesellschafter, der nach § 47 Absatz 4 GmbHG von der Ausübung seines Stimmrechts ausgeschlossen ist, unterliegt der Pflicht, sich der Stimmabgabe zu enthalten. Aus der schuldhaften Verletzung dieser Unterlassungspflicht können Schadensersatzansprüche resultieren.

Das Stimmverbot steht im Zusammenhang mit dem mitgliedschaftlichen Rechtsverhältnis des Gesellschafters zur GmbH. Daher ist Gläubiger des Unterlassungsanspruchs jedenfalls die GmbH. Ein entsprechender Anspruch der einzelnen Gesellschafter kommt nur dann in Betracht, wenn der Beschluss in ihre Position eingreift und kein Ausgleich über die Gesellschaft möglich ist.

Verstößt der Gesellschafter gegen die Unterlassungspflicht, so hat er dem Anspruchsgläubiger den daraus resultierenden Schaden zu ersetzen. Das meint zunächst die Mitwirkung an der Herstellung des Zustandes, der ohne die rechtswidrige Stimmabgabe in tatsächlicher Hinsicht bestehen würde. Darüber hinaus kann ein Schaden beispielsweise durch die Ausführung des Geschäfts auf Grund der Weisung durch die Gesellschafterversammlung entstanden sein.

Denkbar ist aber auch, dass der Abstimmungsleiter Schadensersatzschuldner ist, sofern er schuldhaft ein bestehendes Stimmverbot missachtet und die zu Unrecht abgegebene Stimme bei der Feststellung des Beschlussergebnisses mitgezählt hat.

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4.3. Verhältnis Schadensersatz und Beschlussanfechtung

Auf das Verhältnis von Schadensersatz und Beschlussanfechtung kommt es zentral dann an, wenn die Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage abgelaufen ist und danach Ansprüche auf Schadensersatz angemeldet werden.

Beschlussanfechtung und Schadensersatz sind aber in ihrer Rechtsausrichtung komplett verschieden. Somit ist die Frage der Anfechtbarkeit des Beschlusses klar von der des Schadensersatzes zu trennen.  Die kurze Anfechtungsfrist hat ihren Grund darin, innerhalb kurzer Zeit für die Gesellschafter Rechtssicherheit hinsichtlich der gefassten Beschlüsse zu schaffen. Ihr Ziel ist es aber nicht dazu, materiell rechtswidrige Beschlüsse in jeder Hinsicht zu billigen. Daher besteht die Schadensersatzpflicht unabhängig von dem Ablauf der Anfechtungsfrist. Der Schadensersatzanspruch unterliegt vielmehr den allgemeinen Verjährungsvorschriften.

5. Möglichkeit abweichender Regelungen?

5.1. Erweiterung oder Präzisierung des Stimmverbots

In § 45 Absatz 2 GmbHG sind auch die Stimmverbote nach § 47 Absatz 4 GmbHG grundsätzlich zur Disposition gestellt.

Die Erweiterung oder teilweise Präzisierung der Stimmverbote sind unstreitig zulässig. So lässt sich der Selbstschutz der Gesellschaft vor der Einflussnahme fremder Einzelinteressen eines Gesellschafters stärken und erweitern.

Beispiele für eine solche Erweiterungen sind das Stimmverbots bei bloßen Näheverhältnissen zum Beschlussgegenstand oder die Bestellung oder Abberufung des betroffenen Gesellschafters als Geschäftsführer.

Jedoch ist zu beachten , dass jede Erweiterung zu einer Einschränkung der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft führt.

Eine Präzisierung des Stimmverbots kann sich insbesondere mit Blick auf den im Einzelfall häufig streitigen Umfang des gesetzlichen Stimmverbot beispielsweise bezüglich dem oben besprochenen Fall der Drittgesellschaften anbieten.

5.2. Aufhebung des Stimmverbots durch Beschluss?

Problematisch ist aber, ob auch die Aufhebung des Stimmverbots möglich ist.

Zu denken sei hier zunächst daran, dass ein von der Stimmabgabe ausgeschlossener Gesellschafter im Einzelfall ad hoc durch Beschluss aller übrigen Gesellschafter zur Abstimmung zugelassen werden könnte. Dagegen spricht jedoch, dass es sich dann nicht um einen, die Satzung ändernden Beschluss handelt. Vielmehr soll im Einzelfall von der gesetzlichen Regelung des § 47 Absatz 4 GmbHG abgewichen werden. Hinsichtlich der Abweichung von gesetzlichen Regelung eröffnet der § 45 Absatz 2 GmbHG eine Gestaltungsmöglichkeit lediglich und ausschließlich durch den Gesellschaftsvertrag. Daher ist eine Gesetzesdurchbrechung durch Gesellschafterbeschluss nicht zulässig.

Eine Abweichung von dem Stimmverbot durch Beschluss wäre daher nur möglich, wenn eine entsprechende Möglichkeit im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist. Praktisch wird die Abweichung durch einen Beschluss aber in aller Regel nicht nötig sein. Der vom Stimmrecht ausgeschlossene Gesellschafter darf an der Gesellschafterversammlung teilnehmen und auch Redebeiträge leisten. Insbesondere sind die übrigen Gesellschafter nicht gehindert, durch ihr Abstimmungsverhalten das Ergebnis herbeizuführen, das bei einer fiktiven Stimmabgabe durch den ausgeschlossenen Gesellschafter erreicht wäre.

5.3. Aufhebung oder Beschränkung des Stimmverbots durch Gesellschaftsvertrag

Grundsätzlich sind Beschränkungen des Stimmverbots durch Gesellschaftsvertrag gemäß § 45 Absatz 2 GmbHG zulässig. Jede Beschränkung des Stimmverbots zieht aber die Gefahr von Einbruchstellen der Fremdinteressen nach sich. Derartige Interessen sind insbesondere dann gefährlich, wenn der betroffene Gesellschafter wegen seiner Stimmenmehrheit die GmbH zumindest faktisch beherrscht und ihr daher seinen persönlichen Willen aufzwingen könnte. Daher sind gewisse Ausnahmen zu beachten.

Hinsichtlich Entlastungen und der Befreiung von einer Verbindlichkeit oder der Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits ist das Stimmverbot unabdingbar.

Bezüglich der Vornahme eines Rechtsgeschäfts ist das Stimmverbot grundsätzlich abdingbar. Maßnahmen gegen den Gesellschafter aus wichtigem Grund wie etwa eine darauf gestützte Abberufung aus einer Organstellung (Geschäftsführer, Aufsichtsrat, Beirat) oder der Ausschluss des Gesellschafters sollen jedoch unabdingbar sein.

Daher ist im Einzelfall sehr genau zu prüfen, ob die entsprechende Klausel noch zulässig ist.


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  2. Legitimationswirkung der Gesellschafterliste
  3. Regelung der Gesellschafternachfolge im Falle des Todes eines Gesellschafters
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  5. Vergütung des Geschäftsführers mittels Gehalt oder Gewinnausschüttung
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